Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107177/3/SR/Ri

Linz, 07.11.2000

VwSen-107177/3/SR/Ri Linz, am 7. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer, Vorsitzende: Dr. K, Berichter: Mag. S, Beisitzer: Dr. L, über die Berufung des J K, Rstraße , A, gegen den Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von B vom 20. Juli 2000, Zl. VerkR96-9637-2000, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen Spruchpunkt 1 wird stattgegeben, dieser Teil des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 2 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs. 1 Z2, § 51c und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 26/2000 - VStG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) im Spruchpunkt 1 wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

  1. "Sie haben sich am 07.04.2000 um 22.02 Uhr in A in der Rstraße Nr. gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht trotz vorschriftsmäßiger Aufforderung geweigert, Ihre Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, dass Sie sich beim vorherigen Lenken des PKW B am 07.04.2000 um 21.54 Uhr in A auf der T Landesstraße nächst Haus St. L Nr. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

  1. § 5 Abs.2 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

  1. S 24.000,--

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von:

  1. 24 Tagen

Gemäß

1. § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:

  1. S 2.400,--
  2. als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 240,00, das entspricht  17,44 Euro, angerechnet);

    Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher:

    26.400 S (entspricht 1.918,56 Euro)."

  3. Gegen dieses dem Bw am 26. Juli 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 9. August 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung gegen Spruchpunkt 1.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Spruch die Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung aus und in der Begründung legt sie dar, dass der Bw trotz entsprechender Haltezeichen nicht angehalten habe und zum Wohnhaus gefahren sei. Anschließend habe er vor dem Eintreffen der Beamten den Pkw verlassen, sei in das Wohnhaus gegangen, habe die Eingangstür versperrt und sich in sein Zimmer begeben. Mangels direkter Kontaktaufnahme mit dem Bw hätte ein Beamter den Balkon bestiegen und den Bw durch das gekippte Fenster zum Alkotest aufgefordert. Trotz Wahrnehmung der Aufforderung hätte der Bw dieser nicht Folge geleistet und wäre im Zimmer verblieben. Auf Grund dieses Verhaltens sie die Amtshandlung beendet worden.

2.2. Dagegen bringt der Bw ua vor, dass er sich einer Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO nicht schuldig gemacht habe, da er im Schlafzimmer eine solche nicht begehen könne.

3. Die Bezirkshauptmannschaft S als Behörde erster Instanz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war nach der geltenden Geschäftsverteilung die 6. Kammer zur Entscheidung zuständig. Gemäß § 51e Abs.2 Ziffer 1 VStG war von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

3.2. Auf Grund des bezughabenden Verwaltungsaktes steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat am 7. April 2000, um 21.54 Uhr den angeführten Pkw am bezeichneten Ort gelenkt. Da der Bw das deutlich sichtbare Anhaltezeichen nicht beachtet und die Fahrt fortgesetzt hat, wurde von den einschreitenden Organen die Nachfahrt unternommen. Die Anhaltung des Bw konnte nicht vorgenommen werden, jedoch wurde wahrgenommen, wie der Bw seinen Pkw vor dem Haus Rstraße geparkt hat und in dieses gegangen ist. Der Ort der versuchten Anhaltung befand sich ca. 300 Meter von der Wohnung des Bw entfernt.

Die einschreitenden Beamten haben keine Alkoholisierungsmerkmale wahrgenommen, sondern nur auf die verdachtslose Kontrollmöglichkeit hingewiesen. Zum Zeitpunkt der Aufforderung befand sich der Bw in einem versperrten Zimmer und wurde von Rev.Insp. F durch eine gekippte Balkontür zur Atemluftuntersuchung aufgefordert. Trotz mehrmaliger Aufforderung wurde die Atemluftuntersuchung ohne Begründung verweigert .

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 5 Abs.2 StVO (auszugsweise):

Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder ...

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

4.2. Der festgestellte Sachverhalt ist durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen erwiesen. Es kann einem Organ der Straßenaufsicht zugemutet werden, dass es den Bw, den es von früheren Amtshandlungen kennt, auch bei den vorherrschenden Lichtverhältnissen und der kurzen Zeitspanne des Ansichtigwerdens während der Vorbeifahrt erkennt und richtig zuordnen kann. Dem Vorbringen des Bw war betreffend seiner Angaben zur Lenkereigenschaft eines Dritten die Glaubwürdigkeit zu versagen und diese Aussage als Schutzbehauptung zu werten. Dieser allgemein gehaltene Teil der Ausführungen konnte die nachvollziehbaren Angaben der einschreitenden Beamten und die mit diesen Wahrnehmungen übereinstimmenden Aussagen des Vaters des Bw nicht entkräften.

Die ausschließlich im Spruch angesprochene Vermutung eines durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes findet weder im Ermittlungsverfahren noch in der Straferkenntnisbegründung Bestätigung. In der Anzeige wird dezidiert auf die verdachtslose Aufforderungsmöglichkeit hingewiesen und bei den Zeugeneinvernahmen hat sich kein Hinweis auf vorliegende Alkoholisierungssymptome ergeben. Im Gegensatz zu den Spruchausführungen der Behörde erster Instanz ist auch aus der Begründung zu erschließen, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung - d.h. nach dem Lenken des Fahrzeuges - keinerlei Alkoholisierungssymptome vorgelegen sind und nur auf den verdachtslosen Alkomat-Einsatz (argum.: der Alkomat im Dienstfahrzeug .... mitgeführt wurde) abgestellt worden ist.

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt erkennbar, hat die Behörde erster Instanz bei der rechtlichen Beurteilung auf § 5 Abs.2 ERSTER Satz StVO abgestellt.

Gemäß dieser Bestimmung sind die ermächtigten Organe dann jederzeit berechtigt, die Atemluft von jenen Personen auf Alkoholgehalt zu untersuchen, die ein Fahrzeug lenken.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur 19. StVO-Novelle (1518 BlgNR 18. GP XX) soll "nunmehr ... das Vorliegen der Vermutung, dass sich eine Person in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, als Erfordernis einer Atemalkoholkontrolle entfallen. Damit erhalten "planquadratmäßige" Atemluftkontrollen eine gesetzliche Grundlage. Ziffer 1 trifft dafür Vorsorge, dass auch Personen, die nicht vor Ort einer Atemalkoholuntersuchung unterzogen werden konnten, ... nachträglich zum Zwecke der Beweissicherung einer Alkoholkontrolle zugeführt werden können."

Aus diesen Erläuterungen ist zu schließen, dass nur ein Fahrzeuglenker, der nach Beendigung des Lenkens an Ort und Stelle ("vor Ort") einer Atemalkoholuntersuchung unterzogen werden soll, entsprechend der Vorschrift des § 5 Abs. 2 ERSTER Satz StVO nicht im Verdacht stehen muss, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Der VwGH hat beispielsweise eine Aufforderung nach 45 Minuten deshalb für zulässig erklärt, da diese an Ort und Stelle der Anhaltung vorgenommen worden ist (E vom 4.10.1996, 96/02/0436).

Wie aus den Feststellungen ersichtlich, wurde das Fahrzeug des Bw nicht angehalten sondern der Bw hat dieses vor dem Eintreffen der einschreitenden Organe verlassen und sich in seine Wohnung im Elternhaus begeben. Eine Aufforderung zur Atemluftkontrolle hat an Ort und Stelle nicht stattgefunden. Nach der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "Lenken eines Fahrzeuges" gerade noch der unmittelbar anschließende Zustand der Beendigung des Lenkens umfasst, in dem an Ort und Stelle eine verdachtslose Atemluftuntersuchung zulässig zu erachten ist. Da im gegenständlichen Verfahren der Bw erst nach vorerst erfolgloser Kontaktaufnahme im Elternhaus vom Balkon aus zur Atemluftuntersuchung aufgefordert worden ist, kann nicht mehr von einem Kontrollversuch an Ort und Stelle gesprochen werden.

In den oben zitierten Erläuterungen ist zu Ziffer 1 des § 5 Abs.2 StVO weiter ausgeführt, dass damit Vorsorge getroffen wurde, um auch Personen, die der Aufforderung, ihr Fahrzeug anzuhalten, nicht Folge geleistet oder "Fahrerflucht" begangen haben, nachträglich einer Alkoholkontrolle zuzuführen.

"Bei Fahrzeuglenkern, die nicht an Ort und Stelle zur Atemalkoholuntersuchung aufgefordert werden, ist diese Aufforderung jedoch gemäß der Ziffer 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO nur dann rechtmäßig, wenn sie verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Dieses Tatbestandsmerkmal ist im Sinne des § 44a Ziffer 1 VStG anzuführen (VwGH vom 17.3.1999, 98/03/0229 und 98/03/0230)."

Würde man ausschließlich auf den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses abstellen, könnte angenommen werden, dass die Behörde erster Instanz bei der Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes auf § 5 Abs.2 Ziffer 1 StVO abgestellt hat und vom Vorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung ausgegangen ist. Wie bereits dargelegt, hat die Behörde gerade Gegenteiliges ermittelt und keinerlei Verdachtsmomente, die auf einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand hinweisen, festgestellt.

Zusammenfassend ist daher zu erkennen, dass auf Grund des festgestellten Sachverhaltes weder die Untersuchung der Atemluft nach § 5 Abs.2 erster Satz noch nach § 5 Abs.2 Ziffer 1 StVO zulässig gewesen ist.

Da die Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft nicht entsprechend der Berechtigung gemäß § 5 Abs.2 StVO erfolgt ist, kann dem Bw die Verweigerung der Atemluftuntersuchung nicht vorgeworfen werden.

Der Bw hat die im Spruchpunkt 1 angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn war gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: verdachtsloser Alkomateinsatz, Kontrolle vor Ort

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