Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107193/12/Le/La

Linz, 27.11.2000

VwSen-107193/12/Le/La Linz, am 27. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des J F, I 2, E, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 14.8.2000, Zl. VerkR96-5155-1999-SR/KB, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 20.11.2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straf-erkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 160 S (entspricht 11,63 Euro) zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 14.8.2000 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretungen

1. des § 11 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) und

2. des § 11 Abs.2 erster Satz StVO eine Geldstrafe in Höhe von 300 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 18.10.1999 um 15.32 Uhr in L, H, Richtung I auf Höhe H nächst Nr. 28, den PKW A 80 mit dem Kennzeichen UU gelenkt und dabei

1. den Fahrstreifen nach links gewechselt, ohne sich vorher überzeugt zu haben, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und

2. den bevorstehenden Fahrstreifenwechsel nicht so rechtzeitig angezeigt, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte, mündlich zu Protokoll gegebene Berufung vom 29.8.2000, mit der schlüssig beantragt wird, der Berufung Folge zu geben.

Zur Begründung führte er aus, dass es nicht stimme, dass er den anderen PKW geschnitten hätte und er hätte auch den Fahrstreifenwechsel rechtzeitig angezeigt. Er verwies auf seine im Zuge des Verfahrens gemachten Angaben.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat am 20.11.2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Berufungswerber teilnahm; die Erstbehörde blieb unentschuldigt der Verhandlung fern. Bei dieser Verhandlung wurden Herr A H, Frau H H und Frau E H als Zeugen gehört; der Berufungswerber legte großformatige Fotos des gegenständlichen Straßenbereiches vor.

3.1. Der Berufungswerber schilderte die Situation wie folgt:

Unmittelbar nach der Kreuzung, bei der der von der A zur H fließende Verkehr in diese einmündet, befindet sich eine doppelte Sperrlinie. Er selbst fuhr mit seinem Fahrzeug in der Hafenstraße (er hatte gerade seine Freundin E H von der Arbeit abgeholt) und wollte nach links auf den Fahrstreifen zum Linksabbiegen auf die A in Fahrtrichtung M wechseln. Vor ihm wäre ein LKW des "Lagerhauses" gefahren, der sich ebenfalls auf dem linken Fahrstreifen eingeordnet hätte. Es hätte zähflüssiger Verkehr geherrscht, die Fahrzeuge wären etwa in Schrittgeschwindigkeit gefahren.

Den Fahrstreifenwechsel beschrieb der Berufungswerber so, dass er geblinkt, in den Spiegel und über die Schulter gesehen und dann die Spur gewechselt habe. In der Folge sei ihm der nunmehrige Anzeiger sehr knapp aufgefahren. Er hätte den Eindruck gehabt, dass es dieser sehr eilig gehabt hätte. Verkehrsbedingt hätte er dann vor der Ampel anhalten müssen. Der Anzeiger sei ausgestiegen, zu ihm vorgekommen und habe ihm ziemlich lautstarke Vorhaltungen gemacht. Der Anzeiger habe ihm auch vorgeworfen, dass er wegen ihm stark hätte abbremsen müssen.

Er gab an, dass der Anzeiger schon längere Zeit hinter ihm gefahren wäre, wobei ihm nichts aufgefallen wäre. Er vermutete, dass dieser schon vorher über die Sperrlinie auf den Linksabbiegefahrstreifen gewechselt sei.

3.2. Der Anzeiger A H gab als Zeuge nach Wahrheitserinnerung Folgendes an:

Er sei damals in der H unterwegs gewesen und wäre bereits auf dem linken Fahrstreifen zum Abbiegen auf die Autobahn A (Richtung M) eingereiht gewesen. Knapp nach der Brücke (Unterführung unter der A) hätte er bei einer Geschwindigkeit von etwa 15 bis 20 km/h zum Fahrzeug vor ihm einen Abstand von etwa einer bis eineinhalb Fahrzeuglängen eingehalten. Plötzlich wäre der nunmehrige Berufungswerber von rechts hinten gekommen und hätte sich vor ihm auf den Fahrstreifen in die Lücke hineingepresst. Dabei habe er nicht geblinkt. Er selbst hätte eine Notbremsung durchführen müssen, um dem nunmehrigen Berufungswerber nicht aufzufahren. Auch der hinter ihm fahrende Fahrzeuglenker hätte eine Notbremsung durchgeführt (von diesem notierte er sich jedoch nicht das Kennzeichen).

Da die Ampel dann auf "rot" umschaltete, sei er zu diesem Fahrzeuglenker (= der nunmehrige Berufungswerber) vorgegangen und hätte diesen wegen seines Verhaltens zur Rede gestellt. Dieser habe ihn jedoch aufs Gröblichste beschimpft, sodass er beschlossen hätte, diesen Vorfall anzuzeigen. Dies habe er dem Berufungswerber auch mitgeteilt, damit dieser ihm allenfalls nachfahren könnte.

3.3. Die Zeugin H bestätigte die unter 3.2. wiedergegebene Darstellung ihres Gatten Alarich H. Sie war zu diesem Zeitpunkt Beifahrerin bei ihrem Gatten.

3.4. Die Zeugin E H, die damals Beifahrerin des Berufungswerbers war, bestätigte dessen Angaben, konnte sich an Details jedoch nur mehr unscharf erinnern.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG)

4.2. Im vorliegenden Fall war zu klären, ob der Berufungswerber tatsächlich den Fahrstreifen nach links gewechselt hat, ohne sich vorher zu überzeugen, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist und ob er diesen Fahrstreifenwechsel rechtzeitig angezeigt hat.

Die Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes erfolgte in freier Würdigung der aufgenommenen Beweise, das heißt, ohne Bindung an feststehende Beweisregeln (§  45 Abs.2 AVG).

Die vom Berufungswerber dargestellte Version des Sachverhaltes, die in wesentlichen Punkten von der Zeugin E H gestützt wird, steht in krassem Widerspruch zu den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen A und H H.

Wenn sich der Sachverhalt tatsächlich so abgespielt hätte, wie ihn der Berufungswerber geschildert hat, hätte er sich vorbildlich und entsprechend den Bestimmungen der StVO verhalten; dagegen hätte der Zeuge A H durch Überfahren der Sperrlinie und Nichteinhaltung einer verkehrsangepassten Geschwindigkeit wesentliche Bestimmungen der StVO verletzt. Wenn man der Version des Berufungswerbers folgt, kommt man zwangsläufig zum Ergebnis, dass Herr H die doppelte Sperrlinie überfahren hat, dann mit überhöhter Geschwindigkeit auf das Fahrzeug des Berufungswerbers zugefahren ist und scharf abgebremst hat, sodann aus seinem Auto gestiegen ist und den Berufungswerber zur Rede gestellt und dann auch noch bei der nächsten Polizeidienststelle Anzeige erstattet hat.

Die Darstellung des Berufungswerbers ist daher nicht plausibel. Ihre Unglaubwürdigkeit zeigt sich auch an der Behauptung des Berufungswerbers, er habe vor dem Überholvorgang in den Spiegel und über die Schulter gesehen und habe dabei den nachfolgenden Autofahrer (und späteren Anzeigeleger) nicht bemerkt, obwohl er diesen schon längere Zeit als hinter ihm fahrend gesehen hätte. Die Vermutung, dass sich der Anzeiger daher im toten Winkel befunden hätte, ist somit unglaubwürdig, weil eben durch den Schulterblick dieser tote Winkel ausgeschaltet wird.

Dagegen ist die von den Zeugen H dargestellte Version des Sachverhaltes glaubwürdig, plausibel und logisch nachvollziehbar. Beide Zeugen haben bereits seit langer Zeit den Führerschein, nehmen aktiv am Straßenverkehr teil und sind somit in der Lage, eine Verkehrssituation wie die geschilderte in den wesentlichen Punkten erkennen und wiedergeben zu können.

4.3. Zur rechtlichen Beurteilung:

Nach § 11 Abs.1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges den Fahrstreifen nur wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Da auf Grund des oben dargestellten Sachverhaltes nunmehr feststeht, dass der Berufungswerber unmittelbar vor dem Anzeiger H sich plötzlich und überraschend in die dort aus Gründen des Sicherheitsabstandes vorhandene Lücke bei einer Geschwindigkeit von etwa 15 bis 20 km/h hineingepresst hatte, hat er diese Bestimmung verletzt.

Nach § 11 Abs.2 erster Satz hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

Die beiden Zeugen H haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Berufungswerber den Fahrstreifenwechsel überraschend und ohne zu blinken durchgeführt hat. Da auf Grund der oben dargestellten Beweiswürdigung und der Glaubwürdigkeit dieser beiden Zeugen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen wird, dass der Berufungswerber tatsächlich nicht geblinkt hat, hat er auch diese ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Im vorliegenden Fall ist es dem Berufungswerber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der angelasteten Vorschriften (die solche Ungehorsamsdelikte darstellen) kein Verschulden trifft, weshalb Verschulden zumindest in der Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG (Absehen von der Strafe bzw. Ausspruch einer Ermahnung) sind nicht erfüllt, weil weder das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist noch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind, zumal die Verkehrssicherheit durch sein Verhalten erheblich gefährdet wurde.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 800 S verhängt wurde, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 160 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb

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