Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107195/8/Le/La

Linz, 13.11.2000

VwSen-107195/8/Le/La Linz, am 13. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des M F, A 14/1/7, S, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. A M, F 6, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.7.2000, Zl. VerkR96-3291-2000, wegen 1. Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und 2. des Führerscheingesetzes, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.11.2000, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich in beiden Spruchabschnitten bestätigt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben: Die zu Spruchabschnitt 1. verhängte Geldstrafe wird auf 8.000 S (entspricht 581,38 Euro), die Ersatzfreiheitsstrafe dazu wird auf 149 Stunden herabgesetzt. Die zu Spruchabschnitt 2. verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe wird aufgehoben und statt dessen eine Ermahnung erteilt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin in Spruchabschnitt 1. auf 800 S (entspricht 58,13 Euro).

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 21, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstraf-gesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.7.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des

  1. § 5 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 9.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 168 Stunden) und
  2. § 14 Abs.1 Z1 Führerscheingesetz 1967 (im Folgenden kurz: FSG) eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 31.12.1999 um ca. 04.00 Uhr einen näher bezeichneten Kombi

1. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von zumindest 0,80 %o BAK (zum Zeitpunkt des Alkotests um 5.05 Uhr Atemluftalkoholgehalt von 0,39 mg/l = 0,78 %o BAK) auf der W A im Gemeindegebiet von St. G i.A. in Richtung S bis Km 246,600 gelenkt.

2. Außerdem hätte er bei dieser Fahrt den Führerschein nicht mitgeführt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2.8.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass die Tatzeit auf Grund einer persönlichen Schätzung eines Gendarmeriebeamten festgestellt worden sei, die im konkreten Fall zu seinen Lasten herangezogen worden sei.

Zum behaupteten Nachtrunk führte der Berufungswerber aus, dass er vom Gendarmeriebeamten nicht gefragt worden sei, ob er einen Nachtrunk getätigt hätte.

Um 5.00 Uhr hätte der Beschuldigte einen Atemluftalkoholwert von 0,30 mg/l gehabt. Eine genaue Rückrechnung auf einen nicht bekannten Tatzeitpunkt sei unmöglich. Es wäre daher bei Kenntnis des Tatzeitpunktes zumindest möglich, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Lenkens des PKW einen Alkoholwert unter 0,4 mg/l hatte. Im Zweifel wäre zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen.

Das Delikt des Nichtmitführens des Führerscheines werde nicht bestritten, doch könnte man hier von der Verhängung einer Strafe absehen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur Feststellung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, an der der Rechtsvertreter des Berufungswerbers teilnahm; der Meldungsleger wurde als Zeuge befragt; der Berufungswerber selbst war zur Verhandlung nicht erschienen, er ließ sich wegen einer längeren Auslandsreise entschuldigen; die Erstbehörde hatte sich telefonisch entschuldigt.

Das Ermittlungsverfahren ergab, dass der Meldungsleger am 31.12.1999 gegen 04.30 Uhr mit einem Kollegen auf Patrouille unterwegs war und einen PKW mit eingeschalteten Scheinwerfern rechts am Pannenstreifen stehen sah. Sie fuhren hin um festzustellen, ob der Lenker Hilfe brauche. Dies war genau um 4.30 Uhr. Der nunmehrige Berufungswerber saß schlafend am Lenkersitz seines Fahrzeuges. Der Meldungsleger stellte fest, dass das Abblendlicht des Fahrzeuges eingeschaltet und die Motorhaube noch warm war. Das Auto stand im Neuschnee, es führten keine Fußspuren zum Auto oder vom Auto weg. Auf dem Beifahrersitz lagen verschiedene persönliche Gegenstände, mit Sicherheit aber keine Flasche. Im Auto roch es stark nach Alkohol, weshalb der Berufungswerber zum Alkotest aufgefordert wurde. Dieser kam der Aufforderung ohne weiteres nach und fuhr mit den Gendarmeriebeamten zum Autobahngendarmerieposten Seewalchen, wo um 5.05 Uhr der Alkotest das Ergebnis von 0,39 mg/l ergab.

Der Zeuge gab an, die in der Anzeige angegebene Fahrzeit von ca. 4.00 Uhr geschätzt zu haben. Er könne nicht absolut sicher behaupten, ob diese Zeit stimmt, es könnte auch sein, dass der Lenker erst kurz vor 04.30 Uhr sein Fahrzeug auf dem Pannenstreifen abgestellt hatte. Die Motorhaube wäre jedenfalls warm gewesen, sicher nicht kalt.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von je nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Zur Fahrzeit von 4.00 Uhr:

Bereits bei der Amtshandlung am Gendarmerieposten Seewalchen hat der Berufungswerber angegeben, dass er von seiner Firma in W gekommen und nach Hause unterwegs war.

Die Gendarmeriebeamten wurden auf den Berufungswerber um 4.30 Uhr aufmerksam, weil er sein Fahrzeug auf dem Pannenstreifen neben der Autobahn abgestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war beim Fahrzeug das Abblendlicht eingeschaltet und die Motorhaube war noch warm.

Das spricht jedenfalls dafür, dass der Berufungswerber um 04.00 Uhr morgens noch gefahren ist: Der genaue Zeitpunkt, wann er sein Fahrzeug abgestellt hatte, ist demgegenüber nicht so wichtig, weil die Bestimmung des § 5 Abs.1 StVO auf das Lenken oder Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges abstellt und nicht auf das Abstellen eines Fahrzeuges.

In Anbetracht der Fahrtstrecke von W nach St. G (wo der Berufungswerber schlafend am Pannenstreifen aufgefunden wurde) und der dafür erforderlichen Fahrzeit von etwa 45 Minuten kann bei einem Einschreiten der Gendarmerie um 4.30 Uhr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber um 4.00 Uhr sein Fahrzeug gelenkt hat.

4.3. Zum behaupteten Nachtrunk:

Die Nachtrunkbehauptung wurde vom Berufungswerber erstmals am 25.4.2000 in seiner schriftlichen Rechtfertigung aufgestellt. Bei der Anhaltung selbst hatte er keinen Nachtrunk behauptet, sondern angegeben, dass ein Freund gefahren sei.

Diese Bestreitung der Lenkereigenschaft wurde noch an Ort und Stelle als Scheinbehauptung entlarvt, weil sich der Berufungswerber alleine im Auto befand und keine Fußspuren im Neuschnee vorhanden waren, die vom Auto wegführten oder zu diesem hinführten. Außerdem wurde der vom Berufungswerber namentlich bezeichnete Kollege von der Gendarmerie noch am selben Vormittag befragt und hatte dieser angegeben, den Berufungswerber an diesem Tage gar nicht gesehen zu haben, geschweige denn, ihn nach Hause gebracht zu haben.

Bei der Anhaltung und der darauffolgenden Amtshandlung erwähnte der Berufungswerber nichts von einem Nachtrunk. Nach der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH vom 27.4.2000, 96/02/0313) ist eine Nachtrunkbehauptung nur dann glaubwürdig, wenn der Fahrzeuglenker diese bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erhoben hat. Wer sich auf Nachtrunk beruft, muss die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret behaupten und beweisen.

Der Berufungswerber hat weder im Zuge der Amtshandlung, die immerhin mehr als eine halbe Stunde dauerte, auf den Nachtrunk hingewiesen, noch hat er nachher konkret behauptet, welche Art und welche Menge von Alkohol er angeblich nach Fahrtende getrunken hat.

Somit ist die Behauptung, er habe einen Nachtrunk getätigt, einerseits zu spät und andererseits nicht ausreichend konkret erhoben worden. Nach den Beobachtungen des glaubwürdigen Zeugen GI Z ist sie daher als Schutzbehauptung zu qualifizieren.

4.4. Zum errechneten Alkoholwert:

Die Alkomatuntersuchung um 5.05 Uhr ergab einen Atemluftalkoholgehalt von 0,39 mg/l; das entspricht einer Blutalkoholkonzentration von 0,78 %o.

Wenn man nun auf die angenommene Fahrzeit von 4.00 Uhr zurückrechnet und berücksichtigt, dass Alkohol im Körper ständig abgebaut wird, und zwar mit 0,1 bis 0,2 %o pro Stunde, so errechnet sich für die Fahrzeit um 04.00 Uhr jedenfalls ein Blutalkoholwert von über 0,8 %o.

§ 5 Abs.1 StVO bestimmt, dass, wer sich in einem durch Alkohol ... beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen darf. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Bei diesem Grenzwert handelt es sich nicht um die Fiktion einer Alkoholisierung, sondern vielmehr um einen gesetzlich festgelegten Grenzwert, bei dessen Erreichen der Lenker jedenfalls als alkoholbeeinträchtigt gilt. Diesen Grenzwert von 0,8 %o bzw. 0,4 mg/l hat der Berufungswerber aus den oben angeführten Gründen jedenfalls erreicht, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar (geringfügig) überschritten, weshalb er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen hat.

4.5. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Im vorliegenden Fall ist es dem Berufungswerber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der angelasteten Vorschrift (die ein solches Ungehorsamsdelikt darstellt) kein Verschulden trifft, weshalb Verschulden in der Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist.

4.6.1. Bei der Strafbemessung war hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach der StVO von einem Strafrahmen gemäß § 99 Abs.1b StVO von 8.000 bis 50.000 S auszugehen.

Als mildernd war die absolute Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten, Erschwerungsgründe lagen keine vor. Zudem lag der Alkoholisierungsgrad im Grenzbereich. Es konnte daher mit der gesetzlichen Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden und war demnach der Strafausspruch entsprechend zu korrigieren.

Für die Anwendung des § 20 VStG bestand jedoch kein Anlass, da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überschreiten. Immerhin hat der Berufungswerber durch sein Verhalten, nämlich das Fahren in alkoholisiertem Zustand und das Abstellen des Fahrzeuges auf dem Pannenstreifen auf der Autobahn die Verkehrssicherheit nicht unerheblich gefährdet.

4.6.2. Bei der Strafbemessung hinsichtlich des 2. Tatvorwurfes war gemäß § 37 Abs.1 FSG von einem Strafrahmen von 500 S bis 30.000 S auszugehen. In Anbetracht der absoluten Unbescholtenheit des Berufungswerbers und der plausiblen Erklärung, dass er seinen Führerschein im Firmenfahrzeug vergessen habe, konnte, zumal auch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind, von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden. Um den Berufungswerber als Berufskraftfahrer jedoch auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam zu machen, erschien diesbezüglich der Ausspruch einer Ermahnung erforderlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

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