Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240127/2/Gf/Km

Linz, 09.05.1995

VwSen-240127/2/Gf/Km Linz, am 9. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des G.

W., .............., ............., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von ............ vom 4. März 1995, Zl. SanRB96-40-1994, wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens wird hingegen abgewiesen.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von ............ vom 4. März 1995, Zl. SanRB96-40-1994, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er es als Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, daß am 15.

September 1994 infolge unterlassener Kühlmaßnahmen eine hygienisch nachteilige Beeinflussung bei der Abgabe von Lebensmitteln durch einen Fahrverkäufer nicht auszuschließen gewesen sei; dadurch habe er eine Übertretung des § 74 Abs.

5 Z. 3 i.V.m. § 20 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr.

86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 756/1992 (im folgenden: LMG), begangen, weshalb er gemäß § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 10. April 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 13. April 1995 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene und bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde u.a. begründend aus, daß der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Sachverhalt aufgrund entsprechender Wahrnehmungen eines Organes der Lebensmittelaufsicht im Zuge einer von diesem durchgeführten Kontrolle als erwiesen anzusehen sei; danach seien 6 Packungen Berner Würstel bei einer Umgebungstemperatur von 14,4 o C zum Verkauf feilgehalten worden, obwohl Wurst- und Fleischwaren bei einer Temperatur von 4 o C zu lagern seien, um eine Gefahr für eine bakterielle Anreicherung hintanzuhalten.

Im Zuge der Strafbemessung seien die finanziellen Verhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen 20.000 S; Teilhaber eines Handelsbetriebes mit einem größeren Fuhrpark; keine Sorgepflichten) entsprechend berücksichtigt worden, während weder Milderungs- noch Erschwerungs gründe hervorgekommen wären.

2.2. Dagegen bringt der Rechtsmittelwerber im wesentlichen vor, daß der Einbau von Kühlaggregaten in die Fahrverkaufswagen vornehmlich deswegen unzweckmäßig sei, weil diese länger offen als geschlossen gehalten würden und sich dadurch die Innentemperatur ohnedies sehr rasch wieder an die Außentemperatur angleichen würde. Deshalb sei der Weg gewählt worden, die Fleischwaren zum Fahrverkauf in Kühlboxen zu lagern. Im übrigen wäre die verfahrensgegenständliche Ware überhaupt nicht kennzeichnungspflichtig gewesen; daher hätte sich auch keine Angabe über die Lagertemperatur auf dem Etikett befinden müssen. Außerdem seien Fleischwaren schon von vornherein nicht als in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliche Waren einzustufen.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH .......... zu Zl.

SanRB96-40-1994. Da aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht sowie ein dementsprechender Antrag nicht gestellt wird, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 3 i.V.m. § 20 LMG begeht u.a.

derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen, der Lebensmittel in Verkehr bringt, ohne - soweit dies nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist - dafür vorzusorgen, daß diese nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden.

4.2. Daß die vom Lebensmittelaufsichtsorgan zum Tatzeitpunkt gemessene Temperatur 14,4 o C betragen hat, wird vom Berufungswerber nicht in Abrede gestellt. Er bestreitet jedoch, daß bei dieser Temperatur bereits eine Gefahr für eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Fleischwaren, insbesondere durch bakterielle Anreicherung, bestanden hätte.

Im gegenständlichen Fall wurde der Rechtsmittelwerber also wegen einer Übertretung hygienerechtlicher, nicht hingegen wegen eines Verstoßes gegen kennzeichenrechtliche Bestimmungen bestraft.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die zwischenzeitlich außer Kraft getretene - Fleischhygieneverordnung, BGBl.Nr. 280/1983 (im folgenden: FlHV), in ihrem § 11 Abs. 3 - zwar, jedoch auch nur hinsichtlich frischem Fleisch (im gegenständlichen Fall handelt es sich jedoch nicht um frisches Fleisch, sondern um "Berner Würstel" und daher um Fleischwaren) - vorsah, daß in Kühlräumen bei dessen Lagerung die Raumtemperatur zwischen 0 o C und 2 o C liegen sollte, jedoch 4 o C nicht übersteigen durfte. Die mittlerweile (neben der - hier nicht maßgeblichen FrischfleischHygieneverordnung, BGBl.Nr. 396/1994) an ihre Stelle getretene Fleischverarbeitungsbetriebe-Hygieneverordnung, BGBl.Nr. 396/1994 (im folgenden: FlVHV), schreibt in Z. 1 des 6. Kapitels ihres Anhanges B nunmehr lediglich vor, daß Fleischerzeugnisse "kalt" bzw. "gekühlt" zu lagern sind. Unter "gekühlt" war (und ist) nach einem bereits im zeitlichen Geltungsbereich der FlHV im Verkehr mit Lebensmitteln gepflogenen Handelsbrauch eine Lagerung zwischen 3 o C und 9 o C zu verstehen.

Diesem zuletzt angesprochenen Handelsbrauch kommt allerdings keine (verwaltungsstraf-)rechtliche Verbindlichkeit zu. Aber selbst wenn man davon ausginge, daß dessen Verständnis von "gekühlt" mit gleichem Inhalt seinen Eingang in die FlVHV gefunden und damit nunmehr einen normativen Gehalt hätte, ist damit noch keineswegs erwiesen, daß im Falle einer die Obergrenze von 9 o C um 5,4 o C überschreitenden Lagerung - nur zu letzterem Begriff äußert sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem im Verfahren vor der belangten Behörde angesprochenen Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl.

89/10/0201, nicht hingegen jedoch zu der Frage, ob eine Lagerung zwischen 2 o C und 4 o C tatsächlich rechtlich geboten ist, wobei zusätzlich noch zu berücksichtigen ist, daß damals § 11 Abs. 3 FlHV noch in Geltung stand - bereits eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der Fleischwaren zu gewärtigen ist.

Ermittlungen zu diesem wesentlichen Sachverhaltselement wurden im Strafverfahren vor der belangten Behörde in Wahrheit überhaupt nicht geführt, vielmehr wurde - wie der Berufungswerber zutreffend dartut - diesbezüglich lediglich eine Pauschalbehauptung aufgestellt.

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler z.B. VwSen-260022 v. 6.7.1992 und zuletzt VwSen-102629 v. 10.3.1995) bereits mehrfach betont, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, substantielle Versäumnisse des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens aus eigenem zu substituieren und so die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art. 6 Abs.

1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl. Art. 90 Abs. 2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann; denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs. 1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs. 2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs. 1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird.

Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis v. 4.9.1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl. z.B. VwGH v. 8.10.1992, 92/18/0391,0392).

4.4. Da im vorliegenden Fall auf der einen Seite zwar keine Beweise, wohl aber Indizien für eine mögliche hygienisch nachteilige Beeinflussung der vom Beschuldigten in Verkehr gebrachten Lebensmittel vorliegen, andererseits aber hinsichtlich dieser Frage ein erstbehördliches Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt wurde, war sohin mit Blick auf die gemäß § 74 Abs. 6 LMG weiterhin offene Verfolgungsverjährungsfrist der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG aus den genannten Gründen insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens war demgegenüber abzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 65 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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