Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107371/7/Br/Bk

Linz, 16.01.2001

VwSen-107371/7/Br/Bk Linz, am 16. Jänner 2001 DVR.0690392 Linz, am

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. November 2000, Zl. VerkR96-15202-1998, nach der am 16. Jänner 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge gegeben; das Straferkenntnis wird diesbezüglich bestätigt. Die Geldstrafe wird jedoch auf 6.000 S (entspricht 436,04 Euro) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 198 Stunden ermäßigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000 - VStG;

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 600  S (entspricht  43,60 Euro). Für das Berufungsverfahren werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 65 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck wegen Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 8.000 S und im Nichteinbringungsfall 264 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 23.10.1998 um 11.25 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der A1 in Richtung Salzburg bei Strkm 230,700 mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h gelenkt habe und damit die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 70 km/h überschritten habe.

1.1. Begründend stütze die Erstbehörde ihren Schuldspruch im Ergebnis auf die Feststellung der Fahrgeschwindigkeit mittels Radarmessung. Den Einwänden des Berufungswerbers wurde mit Hinweis auf die technische Möglichkeit einer Überschreitbarkeit der sogenannten Bauartgeschwindigkeit in Abhängigkeit von Beladung, Wind und Gefälle nicht gefolgt. Bei der Strafzumessung ging die Behörde erster Instanz von einem Monatsnettoeinkommen von 17.000 S, keinen Sorgepflichten und keinem Vermögen aus. Straferschwerend wurde eine einschlägige Verwaltungsstrafvormerkung gewertet.

2. In der dagegen fristgerecht durch seine ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung bemängelt der Berufungswerber die Beweiswürdigung der Behörde. Er verweist auf die Bauartgeschwindigkeit seines Fahrzeuges von lediglich 193 km/h in Verbindung mit der damaligen Beladung des Fahrzeuges und stellt mit diesem Hinweis die Richtigkeit des Messergebnisses in Frage, weil die zur Last gelegte Fahrgeschwindigkeit angesichts dieser Tatsachen nicht erreicht werden hätte können. Bemängelt wird das Fehlen jeglicher Feststellungen über ein allfällig vorhandenes Gefälle oder eines herrschenden Rückenwindes. Gleichzeitig wird aber die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit eingeräumt. Als vermeintlicher Verfahrensmangel bzw. möglicher Messfehler wird in einer nicht auszuschließenden "Irritation" des Messergebnisses durch einen allfälligen Funkverkehr aufgezeigt, was einer sachverständigen Abklärung bedürfe.

Abschließend wird die Unangemessenheit der verhängten Geldstrafe gerügt und abschließend die Durchführung eines ergänzenden Beweisverfahrens unter Beiziehung eines Sachverständigen und eine schuldangemessene Bestrafung beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes am Beginn der Berufungsverhandlung. Im Zuge der Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden Luftbilder aus dem System Doris (digitales orografisches Rauminformationssystem) mit der bezughabenden Straßenkilometrierung beigeschafft und im Wege der Straßenmeisterei Vorchdorf der neigungsmäßige Fahrbahnverlauf ab Strkm 229,600 erhoben. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde ferner Beweis geführt durch die Beschuldigtenvernehmung und die zeugenschaftliche Vernehmung des die Messung durchführenden Gendarmeriebeamten, RevInsp. K, sowie durch Erörterung der von h. ergänzend getroffenen Feststellungen.

4. Da mit dem angefochtenen Straferkenntnis keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war gesetzlich und vor allem in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK intendierten Rechte bedingt (§ 51e Abs.1 VStG).

4.1. Der Berufungswerber lenkte zum o.a. Zeitpunkt seinen Pkw auf der A1 in Richtung Salzburg. Das damals von ihm gelenkte Fahrzeug wies laut Typenschein eine Bauartgeschwindigkeit von 193 km/h auf. Anlässlich dieser Fahrt war das Fahrzeug zusätzlich mit etwa 100 kg Fracht beladen. Es herrschte Schönwetter und eher schwaches Verkehrsaufkommen.

Im Bereich der Kilometrierung 229,600 bis 231,900 verläuft die Autobahn in Fahrtrichtung Salzburg in einem Gefälle von 0,4% und gleichzeitig von der Kilometrierung 229,600 bis zum Messpunkt (bei Strkm 230.700) in einer Linkskurve mit einem Kurvenradius von etwa 517 m. Die Querbeschleunigung ist beim Durchfahren dieser Kurve mit etwa 5,9 m/sek2 anzunehmen und liegt damit bei trockener Fahrbahn im plausibel nachvollziehbaren Bereich, wohl aber nahe dem technisch möglichen Grenzbereich (Berechnung mit Analyzer Pro 4,0).

Der Meldungsleger hatte das mobile Radarmessgerät auf Höhe des Parkplatzes bei Strkm 200,700 nächst einer dort errichteten Notrufsäule aufgestellt. Das Gerät war ordnungsgemäß geeicht und funktionstüchtig. Der Meldungsleger ist seit 1993 mit diesen Messungen betraut, sodass von einer ordnungsgemäßen Bedienung und Messung auszugehen ist. Der Meldungsleger machte anlässlich seiner Vernehmung deutlich, dass es mit diesem Gerät keine technischen Probleme gab und falls solche aufgetreten wären, hätte er eine entsprechende Anmerkung auf dem geführten Messprotokoll gemacht. Da sich auf diesem vorgewiesenen Protokoll keine diesbezüglichen Anmerkungen finden, lagen Mängel offenbar nicht vor. Der Zeuge wies auch darauf hin, dass während des fast acht Stunden währenden Messeinsatzes 4.600 Fahrzeuge die Messstelle passierten, was einem schwachen Verkehrsaufkommen entspricht.

Der Oö. Verwaltungssenat sieht keine Veranlassung an der Richtigkeit der Messung sowie der Glaubwürdigkeit und fachlichen Kompetenz des Meldungslegers Zweifel zu hegen. Letztlich ist auf dem abermals vom Meldungsleger vorgewiesenen Originalfoto das (damalige) Fahrzeug des Berufungswerbers im Messbereich mit lesbarem Kennzeichen abgebildet. Auch ein Ablesefehler beim Kennzeichen kann somit mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Der Berufungswerber selbst bestreitet nicht die Fahrt als solche und er räumt letztlich sogar eine Fahrgeschwindigkeit bis zu 180 km/h ein.

Mit dem Hinweis auf die Bauartgeschwindigkeit vermag der Berufungswerber jedoch einen Messfehler nicht darzutun. Wie bereits von der Behörde erster Instanz zutreffend ausgeführt, stellt die Bauartgeschwindigkeit kein technisch begrenztes Limit nach oben dar. Vielmehr hängt die erreichbare Geschwindigkeit vor allem vom Verlauf der Fahrbahn in einem Gefälle oder Steigung ab. Hier verlief die Strecke exakt einen Kilometer vor dem Messpunkt der A1 in einem 0,4%igen Gefälle. Damit ist mit dem vom Berufungswerber getätigte Hinweis auf die Beladung seines Fahrzeuges nichts zu gewinnen. Vielmehr ist dieser Hinweis für seine Verantwortung sogar kontraproduktiv, da bei einem schwereren Fahrzeug das Gefälle zusätzlich beschleunigend wirkt. Somit kann das hier vorliegende Messergebnis auch technisch nicht in Frage gestellt werden. Auf die Beiziehung eines Sachverständigen zur Frage der Erreichbarkeit dieser Geschwindigkeit kann daher schon angesichts fehlender Zweifel an dieser zu bejahenden Frage verzichtet werden.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 20 Abs.2 StVO 1960 zweiter Fall, darf - sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt - der Lenker eines Fahrzeuges auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h fahren.

Dieses Limit wurde unter Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenze immerhin noch um 70 km/h überschritten.

Dem gänzlich unsubstanziert gebliebenen Antrag auf Beiziehung eines KFZ-technischen Sachverständigen zum Beweis eines vermeintlichen Funktionsmangels des hier verwendeten Messgerätes über den Umweg einer Beweisführung hinsichtlich der vorgeblich nicht gewährleisteten Erreichbarkeit der gemessenen Geschwindigkeit war nicht nachzukommen. Auf Grund gänzlich unbelegter Behauptungen wird keine Pflicht der Berufungsbehörde zur Führung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens begründet (vgl. etwa VwGH 1.7.1987, 86/03/0162, u. 14.5.1982, 81/02/0032). Ein solches Beweisthema liefe auf einen von der Faktenlage abgehobenen Erkundungsbeweis hinaus (auch VwGH 25.6.1999, 99/02/0158).

Auch mit dem Hinweis in der Berufung auf mögliche "Irritationen" des Messgerätes durch den Funkverkehr vermag der Berufungswerber die Funktionstauglichkeit des Gerätes nicht in Frage zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Radarmessung grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit dar (vgl. VwGH 12.5.1995, 95/03/0099 mit Hinweis auf VwGH v. 20. März 1991, Zl. 90/02/0203).

Schließlich ist einem mit der Radarmessung betrauten Beamten im Übrigen auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Radargerätes zuzumuten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1983, Zl. 82/03/0284).

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis §  35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Im Rahmen der Berufungsverhandlung ergab sich das Monatseinkommen des Berufungswerbers mit nur 10.700 S. Ferner ist der Berufungswerber (zwischenzeitig) - anders als von der Behörde erster Instanz angenommen - auch noch für ein Kind sorgepflichtig.

Der objektive Tatunwert ist hier selbst bei dem verhältnismäßig geringen Verkehrsaufkommen insbesondere im Umstand des sich deutlich verlängernden Anhalteweges und der dadurch abstrakten Gefahrenpotenzierung begründet. Hinzuweisen ist jedoch, dass in diesem Zusammenhang auf die durch den vorher beschriebenen Kurvenverlauf bedingte Querbeschleunigung bereits eine geringfügige Bremsung zum Ausbrechen des Fahrzeuges geführt hätte.

Der Anhalteweg wäre hier bei einer für einen VW-Golf als maximal anzunehmenden Bremsverzögerung von 7 m/sek2, um mehr als 148 Meter verlängert gewesen. Während dieser bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h unter Zugrundelegung dieser Bremsung, sowie einer Sekunde Reaktionszeit und 0,2 Sekunden Bremsschwellzeit, 132,85 Meter beträgt, liegt dieser bei der vom Berufungswerber unter Abzug einer Verkehrsfehlergrenze von fünf Prozent der gemessenen Geschwindigkeit unter diesen Bedingungen bei über 281,5 Meter. Jene Stelle bei der das Fahrzeug aus 130 km/h zum Stillstand gelangt, wäre vom Berufungswerber noch mit knapp mehr als 164 km/h durchfahren worden (Berechnung ebenfalls mittels Analyzer Pro 4.0). Somit ist neben dem spezialpräventiven Zweck (den Berufungswerber künftighin von solchen Verhalten abzuhalten) insbesondere auch aus generalpräventiven Überlegungen eine strenge Bestrafung indiziert, um den Unwert dieser Art von Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften grundsätzlich hervorzuheben.

Unter Berücksichtigung eines bis zu 10.000 S reichenden Strafrahmens erscheint aber die nunmehr verhängte Geldstrafe mit Blick auf die geänderten Einkommensverhältnisse aber auch dem angesichts des geringen Verkehrsaufkommens hinter dem durchschnittlichen Tatunwert zurückbleibenden nachteiligen Folgen tat- und schuldangemessen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Erkundungsbeweis, Bauartgeschwindigkeit

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