Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240191/2/Gf/Km

Linz, 19.07.1996

VwSen-240191/2/Gf/Km Linz, am 19. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des A.

G., .............., ..........., vertreten durch RA Dr. K.

F., .............., ............., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Juni 1996, Zl.

SanRB96-48-1996-Fu, wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Juni 1996, Zl. SanRB96-48-1996-Fu, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von insgesamt 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: insgesamt 96 Stunden) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, daß diese zu drei verschiedenen Zeitpunkten nicht ordnungsgemäß gekennzeichnete tiefgekühlte Ware an ein anderes Unternehmen geliefert habe; dadurch habe er jeweils eine Übertretung des § 6 Abs. 1 lit.b der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über tiefgefrorene Lebensmittel, BGBl.Nr. 201/1994 (im folgenden: TiefgefV), in einem Fall zusätzlich der §§ 1 bis 3 und des § 4 Z. 5 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr. 72/1993 (im folgenden: LMKV), jeweils i.V.m. § 74 Abs. 5 Z. 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 756/1992 (im folgenden: LMG), begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 10. Juni 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 24. Juni 1996 und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, daß der dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Tatbestand im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Revision eines Amtsorganes der Stadt Wien sowie entsprechender Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien festgestellt worden und als erwiesen anzusehen sei. Daß die GmbH des Rechtsmittelwerbers die verfahrensgegenständlichen Lebensmittel lediglich im Auftrag anderer Unternehmen angekauft und für diese in ihrem Lager auf Abruf bereitgehalten sowie schließlich bei entsprechendem Bedarf ausgeliefert habe, könne dessen Verschulden nicht ausschließen.

Im Zuge der Strafbemessung sei eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß die TiefgefV und die LMKV schon grundsätzlich deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet seien, weil diese von Gesetzes wegen dem Verordnungsgeber übertragene Kompetenzen wieder auf den Gesetzgeber rückdelegieren würden, wenn sie hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches bloß auf das LMG verweisen, anstatt diesen jeweils selbständig zu definieren. Im übrigen sei es der belangten Behörde nicht gelungen, ein Verschulden des Berufungswerbers zu erweisen, weil weder in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise belegt habe werden können, daß dessen GmbH die beanstandeten Waren geliefert habe, noch, daß sich die vermißten Angaben tatsächlich nicht dennoch auf den Etiketten befunden hätten. Schließlich hätte dem Beschwerdeführer aber auch nicht einmal zum Vorwurf gemacht werden können, tatbestandsmäßig gehandelt zu haben, weil bloße Lager- und Transporttätigkeiten nicht den Begriff des "Inverkehrbringens" i.S.d. LMG erfüllen.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Linz-Land zu Zl.

VetR96-10-1994-Bu; da bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend zu klären war und mit dem angefochtenen Straferkenntnis lediglich jeweils 3.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 2 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen, der Lebensmittel entgegen den Bestimmungen der aufgrund § 19 LMG erlassenen Verordnungen in Verkehr bringt.

Unter "Inverkehrbringen" ist nach § 1 Abs. 2 LMG das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpakken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen und jedes sonstige Überlassen sowie das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

Gemäß § 19 Abs. 1 LMG kann zum Schutz vor Täuschung oder im Interesse einer ausreichenden Information der beteiligten Verkehrskreise mit Verordnung bestimmt werden, daß Lebensmittel nur unter bestimmter Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden dürfen.

4.2. Im vorliegenden Fall ist in erster Linie strittig, ob die eine Verletzung der Kennzeichnungspflicht unter Sanktion stellende Strafnorm auch einen nicht unmittelbar in den Produktions- und Verkaufsprozeß eingegliederten und in diesem Sinne unbeteiligten Dritten - wie ihn die GmbH des Beschwerdeführers darstellt, wenn diese im Auftrag anderer Unternehmer für diese Lebensmittel ankauft und auf Abruf auf Lager hält, damit jene sie schließlich an die Letztverbraucher abgeben - erfaßt.

Dies ist im Ergebnis aus folgenden Gründen zu verneinen:

Weder § 74 Abs. 5 Z. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 LMG noch die LMKV noch die TiefgefV legen - obgleich dies Art. 18 Abs. 1 B-VG an sich erfordern würde - den Verpflichteten aus dieser Strafnorm dezidiert fest; es wird also nicht der Täter, sondern es werden vielmehr Tätigkeiten (wie "Inverkehrbringen") bzw. Zustände (z.B. "verpackt"; "tiefgefroren") beschrieben und daran ein Unwerturteil in der Weise geknüpft, daß jeweils derjenige als strafbar erscheinen soll, der Vorgänge abweichend von der solcherart vorgeschriebenen Weise ausführt. Um den aufgrund einer derartigen Normsetzungstechnik, die schon strukturell dem Verfassungsgebot des Art. 18 Abs.1 B-VG widerspricht - das Legalitätsprinzip erfordert nämlich prinzipiell eine Positiv- und nicht eine Negativdefinition -, entstandenen weiten Bereich des undefiniert strafbaren Verhaltens einzugrenzen und solcherart im Wege teleologischer Interpretation ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden, bedarf es daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden stets eines Rückgriffes auf den Zweck, von dem sich die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 19 Abs. 1 LMG für die Vollziehung herleitet.

In diesem Zusammenhang legt § 19 Abs. 1 LMG fest, daß Kennzeichnungsvorschriften lediglich zum Schutz vor Täuschung oder im Interesse einer ausreichenden Information der beteiligten Verkehrskreise erlassen werden dürfen. Aus diesem Schutzzweck muß folglich auch jeglicher darauf gestützte Rechtsvollzug seine Legitimation beziehen können. Konkret bedeutet dies im gegenständlichen Fall, daß Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften nur jenen Personen angelastet werden können, die aufgrund der spezifischen fallbegleitenden Umstände überhaupt in die Lage kommen können, den gesetzlichen Schutzzweck zu verletzen. In erster Linie betrifft die Strafnorm des § 74 Abs. 5 Z. 2 i.V.m. § 19 LMG somit jenes Unternehmen, das die Lebensmittel an Letztverbraucher abgegeben, bzw. jenes, das diese verpackt hat. Ob bzw. inwieweit daneben auch noch Personen tatbestandsmäßig handeln, die die Ware weder selbst verpacken noch diese zur Abgabe an Letztverbraucher bereithalten, sondern diese - wie die GmbH des Beschwerdeführers - lediglich in vorher wie nachher unveränderter Form sowie den Zugriffen Außenstehender entzogen lagern und transportieren, hängt sohin davon ab, ob bei isolierter Betrachtungsweise auch im Zuge dieser Tätigkeit eine nicht bloß kausale (im Sinne der Äquivalenztheorie), sondern auch für sich betrachtet schuldhafte Schutzzweckverletzung einerseits überhaupt denkbar ist sowie - bejahendenfalls - tatsächlich bewirkt wurde.

Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer derartiges mit dem angefochtenen Straferkenntnis gar nicht zur Last gelegt wurde (im Spruch wird lediglich auf eine erfolgte Lieferung an ein anderes Unternehmen, nicht aber auf eine Verletzung der Schutzzwecke des § 19 Abs. 1 Bezug genommen) sowie im Rahmen des Strafverfahrens vor der belangten Behörde keine Ermittlungen in diese Richtung angestellt wurden (solche sind hingegen dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht nur im Hinblick auf seine aus Art. 129 B-VG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 MRK resultierende verfassungsmäßige Stellung als unparteiisches Gericht, mit der eine gleichzeitige Anklagefunktion unvereinbar ist, sondern auch wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung von vornherein verwehrt), kann der Oö. Verwaltungssenat auch tatsächlich nicht finden, daß auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse neben dem erzeugenden und dem von ihr belieferten Unternehmen auch der verfahrensgegenständlichen GmbH eine konkrete strafrechtlich zu sanktionierende Verletzung des Schutzzweckes des § 19 Abs. 1 LMG angelastet werden könnte.

Der Beschwerdeführer ist sonach im Ergebnis schon mit seinem primären Einwand, nicht einmal tatbestandsmäßig i.S.d. § 74 Abs. 5 Z. 2 i.V.m. § 19 LMG und der darauf gegründeten LMKV bzw. TiefgefV gehandelt zu haben, im Recht.

4.3. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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