Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107306/8/Br/Bk

Linz, 18.12.2000

VwSen - 107306/8/Br/Bk Linz, am 18. Dezember 2000

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg, vom 16. Oktober 2000, Zl: VerkR96-1963-2000, wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht:

I. Der Berufung wird dem Grunde nach keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch in Abänderung zu lauten hat:

"Sie haben es als Zulassungsbesitzer des KFZ, mit dem Kennzeichen , unterlassen, auf Verlangen der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 8. Juni 2000 - zugestellt am 9. Juni 2000 - binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser schriftlichen Aufforderung eine dem Gesetz entsprechende Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses KFZ am 12. Mai 2000 um 21.30 Uhr gelenkt hat, indem Ihr Rechtsvertreter mit Schreiben vom 20. Juni 2000 keinen Lenker benannte, sondern lediglich mitteilte, dass Sie die Verfügungsmacht über dieses Fahrzeug hatten."

Unter der Anwendung des § 21 VStG wird jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 - AVG iVm § 21, § 24, §, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 6.000 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit 144 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe als Zulassungsbesitzer des KFZ mit dem Kennzeichen, , trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Perg, VerkR96-1963-2000, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 12.5.2000 um 21.30 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann.

1.1. Die Behörde erster Instanz erachtete die Mitteilung des Berufungswerbers, dass er zum angefragten Zeitpunkt die Verfügungsmacht über sein Fahrzeug hatte, nicht als eine dem Gesetz entsprechende Lenkerauskunft. Zur Strafzumessung vermeinte die Behörde erster Instanz, sie habe auf die soziale und wirtschaftliche Lage des Berufungswerbers Bedacht genommen, sodass die Geldstrafe von 6.000 S dem Ausmaß des Verschuldens entspreche. Strafmildernde oder straferschwerende Umstände seien nicht zu berücksichtigen gewesen.

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung. Darin wird vorerst das der Anfrage zu Grunde liegende StVO-Delikt dem Grunde nach in Abrede gestellt. In weiterer Folge vertritt der Berufungswerber die Rechtsauffassung, dass die von ihm in Reaktion auf die Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG gemachte Mitteilung, die Verfügungsmacht über sein Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gehabt zu haben, dem Gesetz entspreche, indem in diesem Kontext nur gegen ihn das Verfahren wegen der Übertretung der StVO geführt werden hätte können. Im Übrigen bemängelt er den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses im Sinne des § 44a VStG, wobei er sich nähere Ausführungen dazu für die Berufungsverhandlung vorbehalten würde.

Abschließend beantragt er die Durchführung einer Berufungsverhandlung, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und in eventu die erhebliche Reduzierung des Strafausmaßes.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme und Verlesung des Inhaltes des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Beweis wurde ferner geführt durch Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten anlässlich der am 12. Dezember 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier in Wahrung der durch Art. 6 MRK zu intendierten Rechte gesetzlich bedingt (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Um 21.30 Uhr, des 12. Mai 2000 wurde der auf den Berufungswerber zugelassene Kombinationskraftwagen, Kennzeichen wahrgenommen, als dieser laut Anzeige des GP Baumgartenberg, GZ: P 178/99-Ach, auf der Machland Landesstraße in einer Linkskurve, bei Strkm 19,935 aus Richtung Mauthausen kommend in Richtung Baumgartenberg unterwegs war und dabei wegen vermutlich überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abkam. Dabei soll ein Leitpflock beschädigt und ein Flurschaden an einem Sonnenblumenfeld entstanden sein, weil die Fahrt mit dem Fahrzeug ca. 60 bis 70 m in diesem Feld fortgesetzt wurde. Schließlich entfernte sich das Fahrzeug mit stark überhöhter Fahrgeschwindigkeit in Richtung Baumgartenberg ohne von den Gendarmeriebeamten angehalten werden zu können. Dieser Vorfall wurde von der Gendarmeriesektorstreife G (Besatzung GrInsp. G und RevInsp. A) wahrgenommen und sieben Tage nach dem Vorfall in einer sechs Seiten umfassenden Anzeige beschrieben.

Der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges wendete das Dienstfahrzeug sofort nach der oben beschriebenen Wahrnehmung und nahm die Verfolgung dieses Fahrzeuges auf. Im Anschluss an diese Verfolgungsfahrt konnte im Ortsgebiet von Baumgartenberg nur mehr das unversperrte und mit eingeschalteter Innenbeleuchtung zurückgelassene Fahrzeug vorgefunden werden. Anlässlich einer unmittelbar nach dieser Beobachtung an der Adresse des zwischenzeitig festgestellten Zulassungsbesitzers gehaltenen Nachschau, wurde dieser (der Berufungswerber) nicht angetroffen bzw. wurde an seiner Wohnadresse den Gendarmeriebeamten nicht geöffnet. Anlässlich der abermaligen Kontaktnahme mit dem Zulassungsbesitzer um 07.00 Uhr früh des Folgetages wurde seitens des Berufungswerbers den Gendarmeriebeamten laut Darstellung in der Anzeige verbal mitgeteilt, "dass diese sich schleichen sollten".

Obwohl es für dieses Verwaltungsstrafverfahren nicht von unmittelbarem Belang ist, sei hier festgestellt, dass die Anzeige von der Beschädigung eines Leitpflockes aus geht, wobei sich jedoch aus dem der Anzeige beigeschlossenen Foto ein solcher kaum ableiten lässt, indem dieser offenkundig in seiner Funktionalität nicht beeinträchtigt ist. Der Pflock steht senkrecht, wobei lediglich im Übergang zum Erdboden eine Knickstelle erkennbar ist. Es kann dabei dahingestellt sein, ob dieser Knick nun überhaupt diesem Vorfall zugeordnet werden kann. Diesbezüglich lassen sich aus der Anzeige keinerlei sachlich nachvollziehbare Schlussfolgerungen ableiten. Auch der Flurschaden kann aus der Aktenlage als vermögenswerter Schaden zumindest nicht als erwiesen gelten. Anzumerken ist schließlich auch, dass, wie aus dem letzten Absatz der Anzeige ersichtlich, das Verhalten des Berufungswerbers seitens der Gendarmerie ein als dessen Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellendes Verhalten qualifiziert wird. Das Exekutivorgan führt diesbezüglich wörtlich aus: "Aufgrund seines Verhaltens wird von der ho Dienststelle die Überprüfung der allgemeinen Verkehrszuverlässigkeit angeregt und eine Ausfertigung der Anzeige gesondert vorgelegt."

Nachdem der Lenker des vom Berufungswerber gehaltenen Fahrzeuges anlässlich der oben umschriebenen Fahrt laut Beurteilung der Gendarmerie einen Sachschaden herbeigeführt haben soll, trat die Behörde erster Instanz in weiterer Folge mit der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers zum fraglichen Zeitpunkt an den Zulassungsbesitzer heran. Laut Anzeige kündigte der Berufungswerber bereits gegenüber dem in dieser Sache offenbar auch die Nacherhebungen führenden Meldungsleger an, dass er nach Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter keine Lenkerauskunft erteilen werde.

5.1. Angesichts dieser Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber durchaus einem vorbereiteten Konzept folgte, worin eine Lenkerauskunft nicht in Betracht gezogen werden sollte. Dementsprechend ist daher die inhaltsleere Mitteilung vom 20. Juni 2000 zu verstehen, die über eine physische Person als Lenker keine Mitteilung macht, sondern lediglich davon die Rede ist, dass der Berufungswerber alleine die Verfügungsmacht über das Fahrzeug gehabt habe.

In dieser Mitteilung wird vom Oö. Verwaltungssenat ein Verweigerungswille hinsichtlich der Benennung des tatsächlichen Fahrzeuglenkers erblickt. Dies gelangte insbesondere auch im Rahmen der Angaben des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat zum Ausdruck. Hier war wohl mehrfach davon die Rede, dass einerseits der sich aus der Anzeige ableitende Tatvorwurf als StVO-Übertretung unzutreffend sei und aus diesem Grunde sollte nach dem Verständnis des Berufungswerbers mit der Lenkerauskunft dieser "verfehlte" Tatvorwurf nicht präjudiziert werden. Diese Verantwortung ist hier insofern durchaus nachvollziehbar, weil sich einerseits der Berufungswerber diesbezüglich umfangreich mit seinem Rechtsvertreter beraten hatte, ehe es zur hier verfahrensgegenständlichen Auskunftserteilung durch den Rechtsvertreter gekommen ist. Dieser schaffte den Behördenakt bei und riet offenbar nach Beurteilung des aus der Anzeige abzuleitenden Tatvorwurfes dem Berufungswerber zu der verfahrensgegenständlichen "als Lenkerbekanntgabe zu verstehenden Mitteilung" bzw. machte der Rechtsvertreter diese Mitteilung im Auftrag des Berufungswerbers oder jedenfalls mit dessen Einverständnis. Ohne dabei im Rahmen der h. Beweiswürdigung eine Andeutung auf die damalige Lenkereigenschaft des Berufungswerbers herbeiführen zu wollen, ist das Verhalten des Berufungswerbers hinsichtlich der "Verweigerung einer konkreten Lenkerauskunft" dahingehend zu würdigen, dass schon aus der Anzeige eine "hohe Verfolgungsneigung und schwerwiegende administrative Rechtsfolgen [Entzug der Lenkberechtigung]" gegenüber dem Fahrzeuglenker zu erwarten war(en). Diesbezüglich verwies der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung auf ein von der Behörde erster Instanz wider ihn jüngst geführtes Verfahren, worin der sich im h. Berufungsverfahren erhobene Vorwurf einer Verkehrsgefährdung durch angeblich am Fahrzeug vorhandene scharfe Kanten, gestützt auf ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, als unzutreffend erwies. Dieser Vorwurf war in durchaus seltener Praxis zum Gegenstand eines Entzugsverfahrens der Lenkberechtigung gemacht worden (h. Erkenntnis v. 6.11.2000, VwSen-107133/14/Br/Bk).

Neben der Fraglichkeit, ob hier das Verhalten des Fahrzeuglenkers überhaupt als Verkehrsunfall zu qualifizieren wäre, was im Rahmen dieses Verfahrens jedoch dahingestellt zu bleiben hat, kommt im Sinne des letzten Absatzes der Anzeige zum Ausdruck, dass es dem Lenker an der Verkehrszuverlässigkeit ermangle. Somit erweist sich die Verantwortung des Berufungswerbers als schlüssig und nachvollziehbar, wobei ihr hier unter diesem Aspekt und wie später noch auszuführen sein wird, im Rahmen der subjektiven Tatbeurteilung eine erhebliche Bedeutung zukommt.

Zu diesen über den Tatvorwurf der unterbliebenen vollständigen Lenkerauskunft hinausreichenden Feststellungen sieht sich der Oö. Verwaltungssenat aus der verfassungsrechtlich abzuleitenden Pflicht zur vollen Tatsachenkognition - der Pflicht zur umfassenden gerichtsförmigen Nachprüfung - im Sinne des Art. 6 MRK veranlasst.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erk. vom 5. Juli 1996, Zl. 96/02/0075 mwN) liegt dieser Bestimmung die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der (die) verantwortliche Lenker(in) eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen; die aufgrund einer behördlichen Anfrage nach § 103 Abs.2 KFG erteilte Auskunft darf daher weder in sich widersprüchlich noch unklar sein. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.

Nicht dem Gesetz entspricht eine Auskunft, die im Ergebnis (nur) besagt, der Zulassungsbesitzer habe an dem einer solchen Anfrage zu Grunde liegenden Zeitpunkt "die Verfügungsmacht über das Kraftfahrzeug inne gehabt." Diese Aussage lässt bei objektiver Beurteilung eine mehrfache Deutung zu, indem eine Verfügungsmacht einerseits für die Lenkereigenschaft zutrifft, andererseits im engeren und bürgerlich rechtlichen Sinn auch dann noch gegeben ist, wenn sich der Zulassungsbesitzer etwa (nur) als Beifahrer im Fahrzeug befindet. Schon damit wurde mit der vom Berufungswerber in Reaktion auf die - mit Recht gestellte - behördliche Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe an dieser Statt gemachte Mitteilung, als nicht dem Gesetz entsprechende Auskunft zu qualifizieren, indem diese einerseits keine für eine Verfolgung einer bestimmten Person taugliche Auskunft bildet, wobei aber andererseits auch nicht bekannt gegeben wurde, welche Person allenfalls diese Auskunft hätte erteilen können (vgl. VwGH 16.2.1999, 98/02/0405 mit Hinweis auf VwGH 25.9.1991, 91/02/0031). Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Die letztlich vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers am 20. Juni 2000 gemachte schriftliche Mitteilung erfüllt demnach die Anforderungen der genannten kraftfahrrechtlichen Bestimmungen nicht. Sie ist - selbst wenn der Berufungswerber die darin zum Ausdruck gelangende unzutreffende Rechtsansicht nicht unmittelbar zu vertreten haben sollte - ihm selbst zuzurechnen. Bei der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Es wäre dem Berufungswerber oblegen, allenfalls glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Hier ist angesichts der o.a. Äußerung des Berufungswerbers gegenüber einem erhebenden Gendarmeriebeamten aber auch durch die Ausführungen in der Berufungsverhandlung vielmehr von ganz bewusster Verweigerung einer konkreten Auskunft - in Form einer unterbliebenen namentlichen Benennung eines Lenkers - auszugehen.

Mit Blick auf die objektive Rechtswidrigkeit seiner Vorgangsweise vermag er selbst mit seiner anlässlich des Berufungsverfahrens zum Ausdruck gebrachten Auffassung, sich mit der Lenkerauskunft hinsichtlich des nicht den Tatsachen entsprechenden Tatvorwurfes präjudizieren zu wollen, nicht durchzudringen. Diese dem Gesetz nicht entsprechende Mitteilung kann damit grundsätzlich weder gerechtfertigt noch entschuldigt werden, wenngleich nachstehend zur subjektiven Tatschuld noch detailliert auszuführen sein wird.

In verfassungskonformer Beurteilung der Verteidigungsrechte eines Beschuldigten in Verbindung mit dem aus Art. 90 Abs.2 B-VG erfließenden Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, an seiner Anklage aktiv mitzuwirken, ist hier der subjektiven Tatschuld des Berufungswerbers eine mit Blick auf § 21 VStG umfassende Bedeutung zuzuordnen. Dies vor allem, weil sich der Berufungswerber aus seiner ex ante Sicht wohl nur mit dieser Auskunftsverweigerung in die Lage versetzt sehen konnte, eine überschießende "Anklage" bzw. allenfalls auch nachhaltig negative Sanktionsfolgen (Bestrafung wegen Fahrerflucht, Aberkennung der Verkehrszuverlässigkeit) - hier präsumtiv gegen sich - abzuwenden. Für diese Befürchtung lagen durchaus nachvollziehbare Gründe vor. Damit treten hier zwei im Verfassungsrang stehende Schutzziele in Widerstreit.

Einerseits erachtete der Verfassungsgerichtshof die Gestaltung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG als Verfassungsbestimmung im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG und nicht im Widerspruch zu Art. 6 MRK. Auch der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, weist andererseits aber gleichzeitig auch durchaus kritisch auf die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips nach Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch in Form einer Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses hin [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren formal nicht erfolgt, zumindest ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht unmittelbar präjudiziert wird, scheint zumindest vordergründig aus innerstaatlicher Sicht ein Widerspruch zur MRK nicht vorzuliegen (vgl. insb. jüngst VwGH 12.4.1999, 97/17/0334-13).

Das Verhalten des Berufungswerbers ist somit rechtlich als Verwaltungsübertretung zu qualifizieren, wenngleich hier in dieser Verweigerung wegen einer vom Berufungswerber zu erwarten gewesenen "überschießenden Anklage" mit Blick auf den Grundsatz des Art. 90 Abs.2 B-VG nur ein geringer Schuldgehalt zuzuordnen ist. Vereinfacht dargestellt, muss der Schutzzweck des § 103 Abs.2 KFG letzter Satz in der Verfolgung des StVO-Deliktes erschöpft gesehen werden, wobei der Abwehr einer in der hier spezifischen Fallgestaltung deutlich zum Ausdruck gelangenden und damit aus der Sicht des Betroffenen objektiv durchaus nachvollziehbar zu befürchten gewesenen "überschießenden Strafverfolgung", im Rahmen der Verweigerung der Lenkerauskunft mit Blick auf das aus Art. 90 B-VG erfließende Grundrecht, jedenfalls auf der Schuldebene nicht unberücksichtigt bleiben durfte. Das Regelungsziel des § 103 Abs.2 KFG hat im verfassungskonformen Verständnis lediglich auf die Verfolgungsmöglichkeit von Übertretungen im Straßenverkehr beschränkt zu bleiben. Dem Selbstschutz betreffend die Abwehr einer offenbar überschießenden Sanktionsfolge in Form einer administrativen Maßnahme muss hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfrage jedoch Raum eröffnet bleiben.

Gemäß dem in der Judikatur und Lehre zum Ausdruck gelangenden Prinzip "eines vorbehaltslosen Grundrechtsschutzes", welcher auf alle staatlichen Maßnahmen gerichtet zu sehen ist und dem Grundsatz folgend, sich nicht selbst belasten zu müssen, hat daher im Sinne der Homogenität der gesamten Rechtsordnung auch bei grundsätzlicher Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe im Falle eines mit diesem Institut überschießenden Staatshandelns zumindest in der Beurteilung Tatschuld Niederschlag zu finden.

Dieser Überlegung folgend, erkennt etwa der Verfassungsgerichtshof, dass jeder gegen einen Beschuldigten gerichtete behördliche Eingriff, der diesen unter Strafsanktion verpflichtet an der Wahrheitsfindung durch ein mündliches Geständnis oder dergestalt mitzuwirken, dass er etwa seinen Körper für medizinische Eingriffe und damit mit anderen Worten als Beweismittel (gegen sich selbst) zur Verfügung zu stellen hat, dem Anklageprinzip widerspricht.

Vom einfachen bis zum komplexen Ermittlungsverfahren gegen eine Person, darf der Grundsatz des fairen Verfahrens - sich nicht selbst beschuldigen zu müssen - nicht zurücktreten. Der EGMR führt unter Punkt 68 des nachgenannten Urteils in englischer Sprache wörtlich aus: "the right to silence and the right not to incriminate oneself, are generally recognised international standards which lie at the heart of the notion of a fair procedure under Article 6". Sehr wohl wird in diesem Urteil (Punkt 69) auf die Zulässigkeit der Verwertung von rechtmäßig auch gegen den Willen des Angeklagten erworbenen Beweismitteln - dort etwa Atemluft - hingewiesen. Es sei auf die Umstände des Falles abzustellen, ob das Beweismittel unter Zwang und damit dem Art. 6 Abs.1 MRK entgegengewirkt wurde. Auch diesem Urteil muss im Umkehrschluss für die hier spezifische Falllagerung abgeleitet werden, dass zumindest die Abwehr - einer drohenden überschießenden Ausübung eines an sich gesetzlich zulässigen Eingriffes - jedenfalls auf der Schuldebene des Handelnden berücksichtigt zu werden hat, wenn der Eingriff (nur) im kleineren Umfang zu dulden ist und wie hier im § 103 Abs.2 KFG durch eine Verfassungsbestimmung gedeckt unter Strafsanktion steht.

Auch mit Blick auf den prinzipiellen Verteidigungsvorrang gemäß Art. 6 EMRK und auf einen vorbehaltlos zu gewährleistenden Grundrechtsschutz abstellenden normativen Gehalt des Art. 90 Abs.2 B-VG, lässt sich das legitime Anliegen, sich vor einem drohenden überschießenden staatlichen Eingriff schon im Vorfeld zu schützen und dabei nach rechtsfachlicher Beratung letztlich die Übertretung in Kauf zu nehmen, schließlich auf einer aus der Perspektive der innerstaatlichen Rechtsordnung (in Gestalt des § 103 Abs.2 KFG) als noch höher anzusiedelnden Gebotsnorm zu verstoßen, zumindest als schuldmildernd, da einem persönlichen Strafausschließungsgrund zumindest sehr nahe kommend, qualifizierbar.

Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass letztlich eine Mitteilung (Lenkerauskunft) die unter Strafsanktion ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen und in die Nähe des verfassungsrechtlich verpönten Zwanges führt, vom VfGH als verfassungswidrig erkannt wurde.

Der hier in einer Rechtsvorschrift zu Tage tretende Wertungswiderspruch war demnach in ein für den Normunterworfenen ausgewogenes Wirkungsgefüge (Grundsätzliches Verbot zum Zwang zur Selbstanklage/contra Sanktionsfolge bei Zuwiderhandlung) zu bringen.

6.2. Die Spruchänderung diente der genaueren Tatbildumschreibung und der Anpassung an das Beweisergebnis des Berufungsverfahrens. Insbesondere galt es jenes Elemente zum Gegenstand des Tatvorwurfes zu machen, welche die vom Berufungswerber gemachte Mitteilung vom 20. Juni 2000 als nicht dem Gesetz entsprechend qualifizierbar machte.

Aber bereits die von der Behörde erster Instanz gesetzte Verfolgungshandlung verkürzte den Berufungswerber weder in den Verteidigungsrechten noch bestand hierdurch die Gefahr wegen dieses Tatverhaltens nochmals bestraft zu werden. Im Übrigen ist hier auch noch die Verfolgungsverjährungsfrist offen.

7. Zur Strafentscheidung:

7.1. Durch § 21 VStG kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe dann absehen werden, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Da wie oben bereits ausgeführt wurde, in der Gesamtschau des hier vorliegenden Beweisergebnisses einerseits nicht schlüssig nachvollziehbar ist, dass mit der Auskunftsverweigerung überhaupt die Verfolgung einer Verwaltungsübertretung vereitelt wurde, vermögen die Tatfolgen schon aus diesem Grund als bloß unbedeutend beurteilt werden. Nicht übersehen wird jedoch und das ist ausdrücklich hervorzuheben, dass die Verhinderung der Verfolgung der Verkehrsstraftäter durch Verletzung der Vorschrift des § 103 Abs. 2 KFG 1967 der Sicherheit im Straßenverkehr grundsätzlich abträglich ist (VwGH 23.10.1996, 96/03/0295). Sie kann sich jedoch auch auf den bloßen Ungehorsam gegenüber einer von einem im Stadium des Auskunftsbegehrens nicht präjudiziellen und damit weitgehend unabhängig vom Grunddelikt losgelösten Auskunftspflicht reduzieren. Im Lichte des hohen Schutzwertes des Art. 6 MRK, auf den sich der Berufungswerber in diesem Verfahren begründet zu berufen vermochte, war letztlich sein Verschulden, nämlich als das zu beurteilende Unterlassen als Täterschuld zu begreifen, ist als bloß geringfügig einzustufen, was für diese wohl seltene Fallkonstellation auch für die hier tatbestandsmäßig vorliegende Auskunftsverweigerung, ein Absehen von der Bestrafung geboten sein ließ (Moos, ÖJZ 1980, 145 [146]). Im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzung besteht auf die Anwendung des § 21 VStG ein Rechtsanspruch (VwGH 3.5.2000, 99/03/0438).

Von welchen Überlegungen sich die Behörde erster Instanz bei der Verhängung der Geldstrafe von 6.000 S leiten ließ, konnte objektiv auch nicht aus der Begründung des Straferkenntnisses nachvollzogen werden.

zu II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Zwang, Selbstanklage, Tatschuld

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