Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107335/6/BR/Rd

Linz, 27.12.2000

VwSen-107335/6/BR/Rd Linz, am 27. Dezember 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 9. November 2000, Zl. VerkR96-13821-2000-Ms, nach der am 27. Dezember 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch, BGBl.Nr. 29/2000 - VStG; II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 2.000 S (20% der verhängten Geldstrafe - entspricht 145,35 €) auferlegt. Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.1 und Abs.4 Z1 Führerscheingesetz - FSG eine Geldstrafe von 10.000 S und für den Nichteinbringungsfall elf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 13. Oktober 2000 gegen 14.45 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen , im Ortsgebiet Mattighofen auf der B 147, der Braunauer Straße, aus Richtung Stadtplatz kommend nach rechts in Richtung Bahnhofstraße bis zum Haus B gelenkt, obwohl ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 26.9.2000, Zl. VerkR21-385-2000/BR, die Lenkberechtigung für die Dauer von 24 Monaten entzogen worden war. 1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf die auf dienstlicher Wahrnehmung beruhenden Anzeigefakten eines Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostens Mattighofen. Diesen Fakten sei der Berufungswerber inhaltlich nicht entgegengetreten. Bei der Strafzumessung ging die Behörde erster Instanz von einem Monatseinkommen des Berufungswerbers in Höhe von 15.000 S, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Strafmildernd wertete sie unter Hinweis auf die gesetzliche Mindeststrafe von 10.000 S, die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit. 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber durch seinen ag. Rechtsvertreter mit der fristgerecht erhobenen Berufung. Der Tatvorwurf wird darin abermals nicht bestritten. Der Berufungswerber erachtet lediglich die für den Tatbestand des Lenkens eines Pkw trotz entzogener Lenkberechtigung die gesetzliche Mindeststrafe im Ausmaß von 10.000 S als exzessiv. Darüber hinaus vermeint er zum Zeitpunkt des Lenkens völlig fahrtüchtig gewesen zu sein. Das bis zum Inkrafttreten des Führerscheingesetzes für diese Delikte anzuwendende Kraftfahrgesetz habe eine solche Mindeststrafe noch nicht gekannt und es wurde darin offenbar ein Strafrahmen bis zu 30.000 S als ausreichend erachtet (gemeint wohl ohne Mindeststrafsatz). Abschließend verweist der Berufungswerber auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16.3.2000, G 15/99 u.a., mit welchem der im § 39 Abs.1 lit.a AWG normierte Mindeststrafsatz in Höhe von 50.000 S als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Letztlich beantragt der Berufungswerber die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, in eventu unter Anwendung des a.o. Milderungsrechtes die Geldstrafe auf 5.000 S zu reduzieren. Angaben über Tatumstände, die ein wesentliches Überwiegen der Milderungsgründe begründen würden bzw. die die Tatfolgen als bloß unbedeutend und die Tatschuld als gering erscheinen ließen, lässt der Berufungswerber bereits in diesem Berufungsvorbringen inhaltlich nicht erkennen. 3. Die Erstbehörde hat den Akt dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung wurde zwecks näherer Erörterung des Berufungsvorbringens im Hinblick auf die darin gemachten Hinweise auf die Voraussetzungen nach § 20 und § 21 VStG mit Blick auf Art. 6 MRK als geboten erachtet (§ 51e VStG). 4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der Erstbehörde. Ferner wurde Beweis erhoben durch Verifizierung der bestehenden verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen. Wie bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens wirkte der Berufungswerber auch am Berufungsverfahren nicht aktiv mit, obwohl er in der auch ihm persönlich zugegangenen Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er darlegen möge, wodurch er sich mit der hier verhängten Mindeststrafe konkret beschwert erachtet und er seine diesbezüglichen Andeutungen in der Berufung näher ausführen wolle. Vielmehr teilte er dem Oö. Verwaltungssenat am 22. Dezember 2000 durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter lediglich sinngemäß mit, "auf die Berufungsverhandlung keinen Wert zu legen!" Eine Vertreterin der Erstbehörde nahm an der Berufungsverhandlung teil. 4.1. Unbestritten ist hier die Lenkereigenschaft und die Tatsache, dass dem Berufungswerber mit dem o.a. Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 26. September 2000, VerkR21-385-2000/BR, die Lenkberechtigung für die Gruppe B auf 24 Monate entzogen und gleichzeitig für diese Dauer auch das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten wurde. Gestützt wurde diese Entscheidung auf § 7 Abs.1 und 3 FSG wegen fehlender Verkehrszuverlässigkeit. Diese wurde wiederum in der schuldhaften Herbeiführung eines Verkehrsunfalls in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 17. September 2000 um 22.40 Uhr mit anschließender Fahrerflucht erblickt. Auch schon am 2. Jänner 1997 habe dem Berufungswerber wegen alkoholisierten Lenkens eines Kraftfahrzeuges die Lenkberechtigung auf die Dauer von zwölf Monaten entzogen werden müssen. Diesen Annahmen der Behörde erster Instanz fügte der Berufungswerber mit seinem Vorbringen, welches sich ausschließlich auf seine knapp ausgeführten Berufungsausführungen beschränkt, keine inhaltlich neuen Aspekte hinzu. Im Ergebnis wird lediglich auf die vermeintlich verfassungswidrige Gestaltung des Mindeststrafrahmens im Falle des Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz Entzuges der Lenkberechtigung verwiesen. Das Berufungsvorbringen lässt auch nicht in Ansätzen erkennen, dass der Berufungswerber diese Fahrt etwa unter Umständen getätigt hätte, die aus einer Notlage oder unter einer solchen Situation vergleichbaren Umständen entsprungen wäre. Ebenfalls gibt es keinen Hinweis auf Aspekte, die hier die Tatfolgen bloß als unbedeutend qualifizierbar machten oder die Annahme eines beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe berechtigt erscheinen ließen. Mit Blick auf das allfällige Vorliegen solcher Umstände wurde hier die Berufungsverhandlung anberaumt. Solche Umstände darzutun hat der Berufungswerber durch Nichtteilnahme an der Berufungsverhandlung abermals verabsäumt. Somit war im Rahmen der Beweiswürdigung davon auszugehen, dass hier weder Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 VStG noch solche, die für die Anwendung des § 21 VStG präjudiziell sein könnten, vorliegen. 5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: 5.1. Nach § 37 Abs.4 FSG ist u.a. für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl die Lenkberechtigung entzogen wurde, eine Mindeststrafe von 10.000 S zu verhängen. In der diesbezüglichen rechtspolitischen Willensbildung des Gesetzgebers gelangt zum Ausdruck, dass diese Mindeststrafen für jene Delikte vorzusehen waren, bei denen angenommen werden kann, dass sie die Verkehrssicherheit besonders gefährden (714dBlgStenProtXX.GP). Der Oö. Verwaltungssenat beurteilt das Verhalten des Berufungswerbers, wonach er bereits etwas mehr als zwei Wochen nach Entzug der Lenkberechtigung - die erneut wegen schwerwiegenden Verstoßes gegen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für zwei Jahren ausgesprochen wurde - als gefährlich und dem öffentlichen Interesse im Sinne der Verkehrssicherheit im groben Umfang zuwiderlaufend. Es kann in diesem Sinne nicht nachvollzogen werden, dass der Gesetzgeber mit der Normierung einer Mindeststrafe von 10.000 S im Falle des Lenkens eines Fahrzeuges trotz eines aufrechten Entzuges der Lenkberechtigung das die Verfassungssphäre berührende Sachlichkeitsgebot verletzt hätte. Mit dem pauschalen Hinweis auf die Aufhebung der Mindeststrafe im Ausmaß von 50.000 S im AWG vermag der Berufungswerber aus h. Sicht für diesen Fall eine solche Unsachlichkeit und damit eine Verfassungswidrigkeit nicht aufzuzeigen. Diesbezüglich wird beispielhaft auf ein jüngstes Erkenntnis zum Ausländerbeschäftigungsgesetz verwiesen, worin der Verfassungsgerichtshof in der Mindestgeldstrafe von 30.000 S keine Unsachlichkeit in einer vergleichbaren Regelung erblickte (VfGH 6.10.1999, G249/98 u.a.). Diese Beurteilungen haben jeweils mit der jeweiligen Materie in Beziehung gesetzt zu werden, wobei laut Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber grundsätzlich ein breiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. dazu VfGH 24.6.1999, G 427/1997 mit Hinweis auf VfSlg 10043/1984). In diesem Sinne kann der Oö. Verwaltungssenat eine die Verfassungssphäre berührende Unsachlichkeit in der Mindeststrafe von 10.000 S im Falle eines Lenkens trotz Entzuges der Lenkberechtigung nicht erblicken. Vielmehr scheint ein höherer Strafrahmen (als bei bloßem Lenken ohne Lenkberechtigung nach § 1 Abs.3 FSG mit einer Mindeststrafe von nur 5.000 S) durchaus sachgerecht, weil einem solchen Entzug ein Verhalten vorausging, das auch zusätzlich noch die Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellt. Einem solchen Sachverhalt, der ein zusätzliches Defizit in der Person zum Gegenstand hat, kann in der rechtspolitischen Wertung des Gesetzgebers durchaus ein höherer Unwert zugedacht werden, als im Falle eines Lenkens ohne (je) eine Lenkberechtigung besessen zu haben, gegeben ist. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich unter diesen Überlegungen zu einem Antrag auf ein Gesetzesprüfungsverfahren nicht veranlasst. Selbst angesichts des Umstandes, dass im Wege des § 37 Abs.5 FSG auch die Anwendung des § 21 VStG ex lege ausgeschlossen ist. Ein solcher Ausschluss wurde über einen vom Oö. Verwaltungssenat gestellten Antrag mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 2000, G 211/98-9, als verfassungswidrig aufgehoben. Für dieses Verfahren entbehrt die Substanz des § 21 VStG einer Präjudizialität. Die Bestimmung des § 21 VStG kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe nur (!) dann absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Von dieser Voraussetzung kann hier aber gerade nicht ausgegangen werden. Die Übertretung des Berufungswerbers basierte in diesem Fall einerseits auf einer qualifizierten Vorsatzform, andererseits sind, wie oben schon ausgeführt, die Folgen der Tat vom hohen Unwert begleitet, indem hierdurch zumindest abstrakt besehen, die Verkehrssicherheit besonders nachteilig beeinträchtigt wurde. Somit käme dem Oö. Verwaltungssenat in diesem Fall wegen offenkundigen Fehlens der Präjudizialität für die Anwendung des § 21 VStG schon aus formalrechtlichen Gründen keine Antragslegitimation beim Verfassungsgerichtshof zu. 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden. 6.1. Wenn hier die Erstbehörde die Mindeststrafe verhängt hat, so kann ein Fehler bei der Strafzumessung nicht erblickt werden. Davon könnte selbst bei ungünstigeren Einkommensverhältnissen als sie hier beim Berufungswerber zutreffend sind nicht ausgegangen werden. Aber auch das a.o. Strafmilderungsrecht nach § 20 VStG kann nicht zur Anwendung gelangen. Dieses bedingt ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen. Nur bei Jugendlichen ist von einem um die Hälfte reduzierten Mindeststrafsatz auszugehen. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Hier liegt neben dem Tatsachengeständnis, welchem angesichts der klaren Faktenlage in der Substanz keine strafmildernde Komponente zuerkannt werden kann, nur der Straferschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe vor. Schließlich würden auch spezial- wie auch generalpräventive Aspekte gegen eine Reduzierung des Strafausmaßes sprechen. Der Berufung musste demnach jeglicher Erfolg versagt werden. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Tatschuld, Sachlichkeitsgebot, Mindeststrafsatz Beachte:   vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben; VfGH vom 12.06.2001; Zl.: B 108/01-8   Gesetzesprüfungsverfahren (Anlassfall); G 159/00 ua. vom 12.06.2001
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