Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107233/6/BI/La

Linz, 26.07.2001

VwSen-107233/6/BI/La Linz, am 26. Juli 2001 DVR.0690392  

E R K E N N T N I S      

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn G S, vom 15. September 2000, nunmehr vertreten durch RA Mag. D M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28. August 2000, VerkR96-3413-2000, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:    

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren in beiden Punkten ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.     Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG     Entscheidungsgründe:   1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.2 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§9 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 800 S (je 36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 29. November 1999 gegen 17.00 Uhr den Kombi, Kz. , auf der Wiener B 1, ca. km 237.300, in Richtung S, Gde. R, gelenkt habe, wobei er 1) als Lenker eines Fahrzeuges zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sei, verbotenerweise links überholt habe, 2) als Lenker eines Fahrzeuges die Sperrlinie verbotenerweise überfahren habe. Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 160 S auferlegt.   2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).   3. Der Bw bestreitet beide Tatvorwürfe und verweist dazu auf das Zivilgerichtsverfahren beim Kreisgericht Wels, in dem in Kürze ein Urteil ergehen werde. Im Nachhang zur Berufung macht sein rechtsfreundlicher Vertreter mit Schreiben vom 15.9.2000 geltend, beim Landesgericht Wels sei zu 3 Cg 132/00 x ein Zivilverfahren anhängig, weil Herr R als Eigentümer des beim Unfall beschädigten Lkw seinen Mandanten auf Schadenersatz geklagt habe. Bei der am 4.9.2000 stattgefundenen Verhandlung am Unfallort habe der Sachverständige DI H in seinem Gutachten ua ausgeführt, dass die Aussagen des Zeugen Z technisch nicht nachvollziehbar und nicht richtig sein könnten. Seinem Mandanten sei am Zustandekommen des Verkehrsunfalls kein Verschulden nachgewiesen worden und auch nicht, dass er im Überholverbot überholt oder eine Sperrlinie überfahren hätte. Beantragt wird daher die Aufhebung des Straferkenntnisses.   4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Laut Anzeige des Meldungslegers RI S (Ml) habe der Bw am 29.11.1999 um 17.05 Uhr als Lenker des Pkw auf der B1 von A-P kommend in Richtung S bei auf Höhe des Strkm 237.300 im beschilderten Überholverbotsbereich den vor ihm fahrenden Pkw des Zeugen J Z überholt. Dabei habe er den vom Zeugen W P gelenkten von der Schotterwerkstraße kommend auf die B1 in Richtung A-P einbiegenden Lkw übersehen, habe den Pkw Z gestreift und sei anschließend frontal in das linke vordere Fahrzeugeck des Lkw gefahren. Dabei sei er schwer verletzt worden.   Bei der Unfallsaufnahme gab der Zeuge Z an, er sei als erster von drei Pkw unterwegs gewesen, als er etwa 100 m vor der Kreuzung mit der S den Lkw auf die B1 einbiegen gesehen habe. Zu dieser Zeit habe ihn der dritte Pkw (Bw) überholt und sich noch vor ihm rechts eingeordnet. Er sei dann aber, offenbar in der Meinung, er werde hinter dem Lkw nicht vorbeikommen, nach links gefahren, um vor dem Lkw vorbeizukommen. Dabei sei er gegen den Lkw gestoßen. Beim Einbiegen des Lkw in die B1 sei dieser noch so weit entfernt gewesen, dass er (der Zeuge Z) nicht einmal abbremsen hätte müssen, um gefahrlos am Lkw vorbeizufahren. Der Zeuge hat am 31.5.2000 vor der Erstinstanz inhaltlich diese Aussagen wiederholt und dezidiert ausgeführt, der Bw habe mit Sicherheit 100 m vor der Kreuzung B1-S im Überholverbot überholt und dabei auch die doppelte Sperrlinie überfahren. Er habe ihn nämlich schon vorher im Rückspiegel beobachtet, weil ihn die beiden nachfahrenden Pkw gedrängt hätten schneller zu fahren als 90 km/h.   Der Zeuge P hat ausgeführt, er habe sich mit dem Lkw vor der B1 zum Linkseinbiegen eingeordnet und angehalten. Aus Richtung Schwanenstadt sei kein Fahrzeug gekommen, von links aus Richtung A-P in sicher 300 bis 400 m Entfernung mehrere Fahrzeuge. Er sei daraufhin in die Kreuzung eingefahren und, als er den Fahrstreifen für die in Richtung S fahrenden Fahrzeuge bereits überquert gehabt und vom Beschleunigungs- auf den Fahrstreifen Richtung A-P gewechselt habe, habe ein aus Richtung A-P kommender Pkw überholt und sei in der Folge gegen das linke vordere Eck des von ihm gelenkten Lkw gestoßen. Dieser sei rückwärts und nach rechts versetzt worden und quer zur Fahrbahn zum Stillstand gekommen. Er habe den Unfall nicht verhindern können. Er sei mit 15 bis 20 km/h im 2. Gang gefahren, wobei am Lkw Abblendlicht und der Blinker eingeschaltet gewesen seien. Es sei dunkel gewesen, Hochnebel habe geherrscht, die Fahrbahn sei trocken gewesen. Er habe die Geschwindigkeit den örtlichen Verhältnissen angepasst gehabt und im Kreuzungsbereich sei ein Überholverbot.   Der Bw wurde erst am 3.1.2000 beim GP S einvernommen und gab dort an, kurz nach A-P sei er mit etwa 70 km/h hinter zwei Pkw nachgefahren. Nach dem Überholverbot in T habe er die vor ihm fahrenden Pkw überholt und sich rechts eingeordnet. Danach habe er gesehen, dass ein Lkw in die B1 von der Schotterwerkstraße kommend einbiegen wollte. Da dieser bis zur Hälfte in die Fahrbahnmitte geragt habe, habe er versucht, links auszuweichen, aber in dem Moment sei der Lkw wieder losgefahren. Er habe eine Notbremsung eingeleitet, sei aber frontal in den Lkw gefahren. Der Bw konnte die Geschwindigkeit seines Pkw im 4. Gang nicht angeben. Am 20.3.2000 sagte er vor der Erstinstanz aus, er habe schon vor dem beschilderten Überholverbot überholt; außerdem habe er keine Sperrlinie überfahren und auch den Pkw Z nicht gestreift.   Die Ergebnisse des Beweisverfahrens wurden dem damals noch nicht anwaltlich vertretenen Bw im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht; er hat sich aber nicht geäußert, sodass das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.   Die Erstinstanz hat die der Sperrlinie und dem Überholverbot zugrundeliegenden Verordnungen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die doppelte Sperrlinie von km 237.191 bis km 237.362, das Überholverbot von km 236.970 bis km 237.362 der B1 besteht und verordnet ist.   Der Bw hat die Verhandlungsschrift des Landesgerichtes Wels vom 1.9.2000 im Verfahren 3Cg 132/00x (Rechtssache: klagende Partei H-P R, beklagte Parteien G S und G Versicherung AG wegen 145.563,33 S), soweit sie vom Tonband übertragen wurde, vorgelegt. Daraus lässt sich Folgendes ersehen: Der Zeuge Z beschrieb den Vorfall so, dass er zwar den im Einbiegen begriffenen Lkw in einiger Entfernung gesehen habe, jedoch sei er dadurch nicht behindert worden und eine Bremsung nicht erforderlich gewesen; es habe ausgereicht, etwas Gas wegzunehmen. Der Bw habe ihn überholt und sei vor ihm auf die rechte Fahrspur eingebogen, habe dann aber gleich nach links verlenkt, um am Lkw vorbeizukommen. Es sei dann auf der linken Fahrbahnhälfte zum Zusammenstoß gekommen. Der Bw sei beim Überholen etwa 100 m vor Kreuzungsbeginn gut in der Mitte der doppelten Sperrlinie zur Gänze links davon am Mittelstreifen gewesen. Den Tiefenabstand zwischen seinem und dem Pkw des Bw bei dessen Rechtseinordnen schätzte er auf 20 bis 30 m. Seine Wahrnehmung vom Überholtwerden und dem Einbiegen des Lkw sei etwa gleichzeitig erfolgt. Den Schaden an seinem Pkw habe er etwa eine Woche nach dem Unfall entdeckt, nämlich am linken vorderen Kotflügel über dem Rad; er glaube, dieser sei beim Unfall entstanden. Die von ihm bei der Gendarmerie angegebene Geschwindigkeit von 90 km/h habe er auf die verringerte infolge Gas-Wegnehmens bezogen, vorher sei er etwa 100 km/h gefahren, der Bw etwa 20 km/h schneller. Der Zeuge P schilderte das Einbiegemanöver so, dass er vor der B1 angehalten und die Vorderräder nach links eingeschlagen habe, jedoch ohne Seitenversatz. Die aus Richtung A-P kommenden Fahrzeuge hätten sich in 300 bis 400 m Entfernung befunden. Er sei normal beschleunigend - 10 bis 15 km/h, 15 bis 20 km/h sei auch möglich- losgefahren ohne im Zuge des Einbiegens noch einmal anzuhalten. Das Fahrzeug des Bw habe er erst etwa 10 m vor dem Unfall bemerkt und gebremst, aber die Bremsung sei nicht mehr oder erst zeitgleich mit dem Unfall wirksam geworden. Die Fahrzeuge seien beim Eintreffen der Gendarmerie in Endlage gestanden. Er habe sich nicht auf dem Mittelstreifen einreihen wollen sondern gleich auf dem rechten Fahrstreifen in Richtung A-P gesehen. Eine relevante Sichtbehinderung habe durch den Nebel nicht bestanden, es sei dämmrig gewesen. Der Bw hat nach seinen Angaben zwei vor ihm mit höchstens 80 km/h fahrende Pkw überholt und eine Geschwindigkeit von etwa 100 km/h eingehalten. Das Überholmanöver habe nach dem Überholverbot nach dem Ortsgebiet von A-P stattgefunden, sei also erlaubt gewesen. Am Beginn des Überholverbotes vor der Kreuzung der B1/S sei er lange damit fertig gewesen und normal eingeordnet. Die Sperrlinie habe er erst im Zuge des Unfalls überfahren. Der Lkw sei zunächst innerhalb seines rechten Fahrstreifens gestanden und etwa 50 bis 70 m über die Haltelinie in die B1 hereingeragt. Er habe begonnen, nach links auszuweichen, weil er den Eindruck gehabt habe, der Lkw würde weiterhin stehen bleiben, dieser sei aber losgefahren. Er habe noch voll gebremst und den Pkw nach links verzogen, bevor es zum Unfall gekommen sei. Wäre der Lkw in einem durchgefahren, hätte eine geringe Geschwindigkeitsverminderung ausgereicht   Der Gerichtssachverständige DI H nahm als Fixpunkt für seine Berechnungen km 237.2 und kam auf der Grundlage der fotogrammetrischen Auswertung der Unfallsendstellung beider Fahrzeuge auf eine Anstoßgeschwindigkeit des vom Zeugen P gelenkten Lkw von 15 bis 20 km/h und des Pkw des Bw von etwa 45 km/h. Dessen nach links führende Blockierbremsspur hatte eine Länge von 39 m, wobei die linke etwa 70 cm links der Sperrlinie begann. Die Kollision habe 22 bis 23 m nach dem Fixpunkt im Bereich des Beschleunigungsstreifens stattgefunden, wobei sich aus der Blockierspur eine Geschwindigkeit des Bw von etwa 100 km/h und ein Reaktionspunkt ca. 50 m vor dem Fixpunkt ergeben. Der Sachverständige kam zum Schluss, dass die Zeugenaussage Z, der an Ort und Stelle angegeben hatte, etwa 68 m vor dem Fixpunkt vom Bw überholt worden zu sein, in der Natur und vom Zeitaufwand für das Wiedereinordnen her nicht richtig sein könne. Der Bw habe sich bei 100 km/h bei 125 m vor dem Fixpunkt auf gleicher Höhe mit dem Zeugen Z befunden, vielleicht auch in größerer Entfernung. Es sei aus diesen Überlegungen grundsätzlich möglich, dass der Bw das Überholmanöver der beiden vor ihm fahrenden Fahrzeuge erst innerhalb des Überholverbotes abgeschlossen habe bzw. auf Höhe der doppelten Sperrlinie; das sei aber technisch nicht nachweisbar, sodass seine Aussage technisch nicht widerlegt werden könne. Auch die Aussage P von den 300 bis 400 m Entfernung stimme von der Beschleunigungszeit des Lkw und der Reaktionszeit des Bw her nicht. Die Verhandlung wurde zur Einholung weiterer Beweismittel vertagt.   Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist zu sagen, dass die Aussagen von Zeugen, die auf Abstands- bzw. Entfernungsschätzungen basieren, naturgemäß mit Vorsicht zu behandeln sind. Grundlage für einwandfreie Berechnungen eines Sachverständigen könne daher nur objektivierbare Spuren, zB die Blockierspur des Pkw des Bw oder die Tachografen-Aufzeichnungen des Lkw, sein. Da der Zeuge Z - nachvollziehbar - die beiden Geschehnisse um ihn, nämlich das Losfahren des Lkw und das Überholtwerden durch den Pkw des Bw als fast zeitgleich empfand, beides aber in entgegengesetzter Richtung stattfand, ist naturgemäß davon auszugehen, dass er beides nacheinander beobachtete und daraus den Schluss zog, der Bw müsse schon im Bereich des Überholverbotes, das in seiner Fahrtrichtung zugleich mit der doppelten Sperrlinie bei km 237.362 beginnt, überholt haben. Da ihm jedoch ausreichende Zeit für die Verifizierung dieses Schlusses aus seiner Beobachtung auf Grund der raschen Abfolge der Geschehnisse um ihn nicht verblieb, andererseits, wie bereits erwähnt, die Abstandsschätzung von 100 m vom Lkw relativ zu sehen ist, lässt sich tatsächlich keine konkrete Aussage im Hinblick auf ein verbotswidriges Überholen treffen. Wenn aber dem Zeugen P nach eigenen Angaben der Pkw des Bw erst ca. 10 m vor dem Unfall auffiel, obwohl er vor dem Einbiegemanöver mehrere Fahrzeuge aus Richtung A-P kommend wahrgenommen hat, lässt sich auch daraus für die Beurteilung des örtlichen Bereichs des Überholmanövers keine Aussage treffen. Der einzige Beobachter, dem eine Aussage darüber eher noch zuzumuten gewesen wäre, weil er sich in einiger (allerdings auch nicht nach Metern einzuschränkender) Entfernung vom Geschehen befunden haben musste, wäre demnach der Lenker des ersten der beiden vom Bw überholten Fahrzeuge gewesen, von dem aber im ganzen Akt nicht die Rede ist, insbesondere seine Daten nicht in der Anzeige festgehalten wurden, zumal dieser Lenker nicht Unfallsbeteiligter war. In rechtlicher Hinsicht ist auf dieser Grundlage keine Feststellung mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit darüber zu treffen, ob der Bw tatsächlich die beiden ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt bzw. die oben genannten Übertretungen begangen hat. Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG wegen Nichterweisbarkeit beider zur Last gelegten Taten im Zweifel spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskosten nicht anfallen.     Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.   Mag. Bissenberger
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