Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240201/7/WEI/Bk

Linz, 28.07.1997

VwSen-240201/7/WEI/Bk Linz, am 28. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufung der H, geb. N, vom 5. August 1996, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Juli 1996, Zl. 101-4/9-570004158, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem AIDS-Gesetz 1993 (W BGBl Nr. 728/1993) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, die nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 festzusetzende Geldstrafe auf den Betrag von S 3.000,-- und die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf 1,5 Tage herabgesetzt.

II. Die Berufungswerberin hat als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz den Betrag von S 300,-- zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. Juli 1996 wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 30.10.1995 um 22.50 Uhr in L, im Bereich H (B), durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen zu haben." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg. cit." (richtig: Strafrahmen des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993) eine Geldstrafe von S 10.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 1.000,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin durch Hinterlegung am 26. Juli 1996 (Abholfrist ab 29.07.1996) zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige mündliche Berufung wegen der Strafhöhe vom 5. August 1996, über die von der belangten Behörde eine Niederschrift aufgenommen wurde. Die Bwin erklärte: "Ich berufe nur gegen die Strafhöhe, da eine Bezahlung in dieser Höhe für mich nicht möglich ist." Sie gab außerdem an, geschieden und arbeitslos zu sein und weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen.

2. Aus den Akten ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t:

2.1. Nach der Anzeige der Bundespolizeidirektion L, Wachzimmer L, wurde die Bwin, eine amtsbekannte Geheimprostituierte, von Polizeibeamten während ihres Streifendienstes am 30. Oktober 1995 um 22.50 Uhr beobachtet, daß sie an ihrem üblichen Standort in L Nr. 14/Kreuzung K, aus dem PKW, Kz.: , ausstieg. Die nachträgliche Befragung der Beteiligten durch die Polizeiorgane ergab folgendes: Die Bwin führte an ihrem Standort mit F, dem Lenker des PKWs Daihatsu, Kz.: ein Anbahnungsgespräch und bot ihm einen Oralverkehr um S 500,-- an. Daraufhin stieg sie in sein Auto ein und fuhr mit ihm zum nahegelegenen B in der H. Dort wurde nach den übereinstimmenden Angaben der Bwin und des Zeugen der Oralverkehr gegen S 500,-- durchgeführt. Die Bwin verfügte nach ihren eigenen Angaben über kein Gesundheitsbuch und hatte sich auch keiner Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen. Obwohl die Anzeige keine ausdrückliche Angabe zur Frage der Verwendung eines Präservatives enthält, geht der O.ö. Verwaltungssenat im Hinblick auf seine Erfahrungen mit der Bwin in anderen Berufungsverfahren (vgl h. Erk. vom 21.03.1997, VwSen-240200/2/Wei/Bk u.a. Zlen.) davon aus, daß diese - wie üblich - bei Ausübung der Prostitution ein Präservativ zur Verfügung gestellt hatte.

2.2. Die belangte Behörde hat ihren Strafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und von einer Berufungsvorentscheidung abgesehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage abzuleiten ist. Eine Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 AIDS-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme der Prostitution und danach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl Nr. 152/1945, und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung (vgl V über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993) einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Die Bwin hat nur gegen die Strafhöhe berufen, weshalb der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und verbindlich geworden ist. Sie hat sich von Anfang an geständig verhalten.

4.2. Der bei der Strafbemessung anzuwendende Strafrahmen des Einleitungssatzes des § 9 Abs 1 AIDS-Gesetz 1993 sieht eine Geldstrafe von bis zu S 100.000,-- vor. Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG mangels einer abweichenden Regelung innerhalb eines Rahmens von zwei Wochen festzusetzen.

Die belangte Behörde hat an sich zutreffend weder besondere straferschwerende noch strafmildernde Umstände iSd §§ 33, 34 StGB angenommen. Bei der Schuldbewertung sind aber auch die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung des § 32 StGB iVm § 19 Abs 2 VStG zu beachten. Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, daß sich die Bwin gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten durchwegs geständig verhalten hatte. Sie hat dementsprechend in der Schuldfrage auch keine Berufung erhoben. Deshalb ist ihr zumindest ein Tatsachengeständnis schuldmindernd anzurechnen. Auch die bei Ausübung der Prostitution praktizierte Verwendung eines Präservativs, das von der Bwin den Kunden jeweils zur Verfügung gestellt wird, wirkt sich unrechts- und schuldmindernd aus (vgl schon VwSen-240185 vom 18.12.1996, VwSen-240200 u.a. Zlen. vom 21.03.1997 und zuletzt VwSen-240194 vom 21. 07.1997). Es handelt sich dabei sogar um eine früher vom BMGU in den Medien empfohlene Vorsichtsmaßnahme, die einer Infektion mit dem HIV-Virus mit großer Wahrscheinlichkeit vorbeugt. Am grundsätzlichen Verstoß gegen die Untersuchungspflicht nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 ändert sich dadurch freilich nichts. Das objektive Gewicht dieser Übertretungen erscheint aber nach den Kriterien des § 19 Abs 1 VStG wesentlich gemindert, weil unter diesen Umständen die Verletzung des öffentlichen Interesses an der Volksgesundheit eher als nicht bedeutend einzustufen ist.

4.3. Die Bwin hat vorgebracht, daß sie arbeitslos sowie ohne Einkommen und Vermögen wäre. Im Hinblick auf die amtsbekannte fortgesetzte Ausübung der Prostitution kann aber bedenkenlos von einem monatlichen Einkommen von wenigstens S 10.000,-- ausgegangen werden. Andererseits ergibt sich aus dem h. Erkenntnis vom 31. Oktober 1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen., daß die Bwin wegen der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution noch Geldstrafen in Höhe von insgesamt S 65.000,-- und Kosten von S 6.500,-- zu bezahlen hat. In diesem Berufungsverfahren ist auch bekannt geworden, daß die Bwin für einen mj. Sohn sorgepflichtig ist.

Bei Berücksichtigung der ungünstigen finanziellen Verhältnisse der Bwin und der dargelegten das Ausmaß des Verschuldens vermindernden Umstände sieht sich der unabhängige Verwaltungssenat zur Reduktion der verhängten Strafe veranlaßt. Bei den gegebenen Strafzumessungsfaktoren erscheint dem O.ö. Verwaltungssenat eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- als tat- und schuldangemessen und in spezialpräventiver Hinsicht gerade noch ausreichend, um künftiges Wohlverhalten zu erzielen. Die Ersatzfreiheitsstrafe war nach der ständigen Judikatur des O.ö. Verwaltungssenates grundsätzlich im angemessenen Verhältnis zu den Geldstrafen festzusetzen. Auch für die Ersatzfreiheitsstrafe gilt der Grundsatz des § 32 Abs 1 StGB, daß Grundlage der Strafbemessung die Schuld des Täters ist. Der Rahmen der Schuldangemessenheit darf demnach nicht verlassen werden. Dies übersieht die belangte Strafbehörde mit ihrem Argument, daß im Prostituiertenmilieu eine Tendenz bestehe, höhere Geldstrafen zu unterlaufen und die Ersatzfreiheitsstrafe anzustreben, die dann aber bei verhältnismäßiger Bemessung eine zu geringe abschreckende Wirkung habe. Wenn gemäß § 16 Abs 2 VStG lediglich ein Ersatzfreiheitsstrafrahmen von 2 Wochen in Betracht kommt, so steht es der Rechtsanwendung nicht zu, diese gesetzliche Vorgabe durch eine überhöhte Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe nach eigenem Gutdünken zu korrigieren. Vielmehr ist es auschließlich Sache des Gesetzgebers, ausreichende Ersatzfreiheitsstrafrahmen zu schaffen. Außerdem bezweifelt der unabhängige Verwaltungssenat, ob in der Praxis tatsächlich alle Möglichkeiten der zwangsweisen Einbringung von Geldstrafen ausgeschöpft werden.

Auch im gegenständlichen Berufungsverfahren war die Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich in angemessener Relation zur Geldstrafe festzusetzen. Da diese vor allem auch im Hinblick auf die nicht widerlegten ungünstigen persönlichen Verhältnisse der Bwin erheblich zu reduzieren ist, es aber auf die Leistungsfähigkeit der Bwin bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr ankommt, können im Hinblick auf die im Prostituiertenmilieu bestehenden general- und spezialpräventiven Erfordernisse vergleichsweise höhere Ersatzfreiheitsstrafen vorgesehen werden, die sich aber noch innerhalb des vertretbaren Schuldrahmens zu bewegen haben. Der erkennende Verwaltungssenat hält es unter den gegebenen Umständen für noch vertretbar, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1,5 Tagen festzusetzen. Dies entspricht ungefähr 10 % des Strafrahmens nach § 16 Abs 2 VStG, während die reduzierte Geldstrafe nur 3 % des Primärstrafrahmens ausmacht.

5. Bei diesem Ergebnis hat die Bwin als Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im erstinstanzlichen Strafverfahren S 300,-- (10 % der Geldstrafe) zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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