Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107542/2/WEI/Bk

Linz, 24.01.2002

VwSen-107542/2/WEI/Bk Linz, am 24. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des P, vertreten durch D, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. Jänner 2001, Zl. VerkR 96-6105-2000, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 103 Abs 2 iVm § 134 Abs 1 KFG 1967 (BGBl Nr. 267/1967, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 146/1998) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz.: (D) nicht binnen 2 Wochen ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers gemäß § 103 Abs. 2 KFG.1967 der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mitgeteilt, wer das Kraftfahrzeug mit dem Obgenannten Kennzeichen am 14.2.2000 um 14.34 Uhr auf der B 151, Gde. M, Richtung U. Km 42.960 gelenkt hat, oder wer diese Auskunft erteilen kann."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 103 Abs 2 KFG 1967 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 134 Abs 1 KFG 1967 eine Geldstrafe von S 5.000,-- (= 363, 36 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 500,-- (= 36, 34 Euro) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw nach dem aktenkundigen Zustellnachweis am 13. Februar 2001 zugestellt wurde, richtet sich die durch seinen Rechtsvertreter eingebrachte, rechtzeitige Berufung vom 19. Februar 2001, die am 20. Februar 2001 bei der belangten Behörde einlangte und mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise eine Ermahnung iSd § 21 VStG oder die Herabsetzung der Geldstrafe angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Anzeige vom 3. März 2000 hat die Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, dass der PKW mit dem Kennzeichen (D) am 14. Februar 2000 um 14.34 Uhr im Ortsgebiet von M vom stationären Radar MUVR 6F Nr. 384 auf der B 151 bei Strkm. 42.960 in Fahrtrichtung Unterach mit einer Geschwindigkeit von 102 km/h (97 km/h zurechenbar) gemessen wurde, obwohl die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 50 km/h betragen hatte. Die belangte Behörde erhielt in der Folge vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg die Auskunft, dass der Bw Halter des PKW sei.

Mit Schreiben vom 17. April 2000, dem Bw eigenhändig zugestellt am 6. Mai 2000, hat die belangte Behörde eine Lenkeranfrage folgenden Inhalts erhoben:

"Sie werden als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs. 2 KFG.1967 ersucht, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (unter Benützung des umseitigen Vordruckes) mitzuteilen, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen: PKW,

am 14.2.2000 gelenkt/verwendet hat.

Geschwindigkeitsüberschreitung auf der B 151, Gde. M, Richtung Unterach a.A., Km 42.960

Es wird darauf hingewiesen, daß das Nichterteilen der Auskunft oder das erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist."

Zur Beantwortung wurde ein Formblatt mit Belehrungen beigelegt.

2.2. Da in der Folge keine Antwort auf die Lenkeranfrage bei der belangten Behörde eintraf, hat diese mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. Oktober 2000, eigenhändig zugestellt am 4. November 2000, dem Bw eine Übertretung des § 103 Abs 2 KFG 1967 angelastet und ihm freigestellt, entweder bei der belangten Behörde zu erscheinen oder sich schriftlich zu rechtfertigen.

Mit Schreiben vom 10. November 2000 teilte der Bw der belangten Behörde Folgendes mit:

"Betreff: Aktenzeichen: VerkR96-6105-2000

Sie möchten von mir wissen, wer am 14.02.2000 das Fahrzeug mit dem amtl. Kennzeichen gelenkt hat. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, da ich noch nicht einmal weiß, ob das Fahrzeug im Februar wirklich zu schnell gefahren wurde. (Ein Beweis dafür wurde nicht erbracht.)

Würden Fahrzeuge, die zu schnell gefahren sind, direkt angehalten bzw. Lichtbildlich festgehalten, wäre auch nach Monaten festzustellen, wer das Fahrzeug fuhr.

Ich habe Ihnen den Rechnungsbetrag von 700 ATS trotz Zweifel am 17.05.2000 überwiesen.

Ich hoffe, die Angelegenheit ist damit erledigt."

Aus der dem unabhängigen Verwaltungssenat vorliegenden Aktenlage ist nicht nachvollziehbar, ob und warum der Bw ATS 700,-- überwiesen hat.

Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 8. Jänner 2001.

2.3. Die Berufung behauptet zunächst aktenwidrig und ohne nähere Begründung einen Widerspruch zwischen Bescheidspruch und Begründung. Außerdem wird das Auskunftsbegehren als unzureichend angesehen, weil keinerlei Hinweis zu finden wäre, dass man sich auch dann strafbar macht, wenn man nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung eine gesetzeskonforme Auskunft erteilt. Im Übrigen werden in der rechtsfreundlich vertretenen Berufung vor allem in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedenken gegen § 103 Abs 2 KFG 1967 geäußert und wird die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 31.01.1996, 93/03/0156 und VwGH 7.06.1997, 97/02/0220), wonach als Tatort der Sitz der anfragenden Behörde anzusehen sei, als unzulässige Erweiterung des Territorialitätsprinzips angesehen. Dies widerspreche auch europäischem Gemeinschaftsrecht, da durch diese Judikatur eine Rechtsnorm, die in der BRD verfassungswidrig wäre, für deren Bundesgebiet in Rechtswirksamkeit erhoben werde, was einen unzulässigen Eingriff in die Rechtsetzungsautorität eines anderen EU-Mitgliedsstaates darstelle. Auf § 103 Abs 2 KFG 1967 basierende Strafbescheide würden trotz Zwangsvollstreckungs-abkommen in der BRD nicht vollstreckt.

Die Berufung behauptet ferner (zu Unrecht), dass das Grunddelikt der Geschwindigkeitsüberschreitung in Konnexität mit dem Delikt des § 103 Abs 2 KFG 1967 stünde, weshalb auch im Einzelnen aufgelistete Beweise dazu aufgenommen werden müssten.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt schon nach der Aktenlage hinreichend geklärt ist.

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Nach § 134 Abs 1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis S 30.000,-- (entspricht 2.180 Euro), im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

wer dem KFG 1967, den auf Grund des KFG erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, Abl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt.

Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde vom Zulassungsbesitzer Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt von einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, haben den Namen und die Anschrift der betreffenden Person zu enthalten. Kann der Zulassungsbesitzer diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die diese Auskunft erteilen kann, welche dann die Auskunftspflicht trifft. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen. Wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück (Verfassungsbestimmung).

4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes als mit den Baugesetzen des B-VG sowie mit Art 6 EMRK vereinbar angesehen (vgl VfGH 29.09.1988, G 72/88 u.a. = VfSlg 11.829/1988). Auch die europäischen Instanzen im Rahmen der EMRK leiten aus Art 6 Abs 2 EMRK ein Verbot zur Selbstbezichtigung nicht ab (vgl die Nachw bei Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2, 1996, 283 RN 159).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Nichterfüllung der Auskunftspflicht ein Unterlassungsdelikt, wobei Erfüllungsort der Sitz der anfragenden Behörde ist. § 103 Abs 2 KFG 1967 sieht keine bestimmte Form für die Erfüllung der Auskunftspflicht vor. Der Zulassungsbesitzer kann die Auskunft mündlich, schriftlich durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen Einlaufkasten, mit der Post oder auch fernmündlich erteilen, wobei er sich auch eines Bevollmächtigten oder Boten bedienen kann. Die Auskunftspflicht wird aber nur dann erfüllt, wenn die geschuldete Auskunft auch tatsächlich bei der Behörde einlangt. Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft ist somit der Sitz der anfragenden Behörde (vgl u.a. verst. Sen. VwGH 31.1.1996, 93/03/0156 = ZVR 1996/74; VwGH 10.5.1996, 96/02/0055; VwGH 5.7.1996, 96/02/0023).

§ 103 Abs 2 KFG soll sicherstellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (VwGH 29.9.1993, 93/02/0191). In dieses Konzept einer effizienten Verkehrsüberwachung müssen auch ausländische Fahrzeuge einbezogen werden. Ausreichender Inlandsbezug für die Lenkeranfrage an den ausländischen Zulassungsbesitzer ist dabei die Begehung einer Verwaltungsübertretung mit dessen Fahrzeug auf österreichischen Straßen (Staatsschutzprinzip). Anknüpfungspunkt ist die vom Willen des Zulassungsbesitzers getragene Verwendung des Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich. Daraus leiten sich Ingerenzpflichten gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ab (vgl VwGH 11.5.1993, 90/08/0095).

4.3. Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Bw nicht die von der belangten Behörde verlangte Auskunft innerhalb der Frist von zwei Wochen ab Zustellung erteilt hat. Vielmehr erklärte er mit seinem Schreiben vom 10. November 2000 der belangten Behörde, dass er mangels eines ihm bekannten Beweises über die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht beantworten könnte, wer das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen am 14. Februar 2000 gelenkt hat.

Obwohl damit die Nichterstattung der Auskunft iSd § 103 Abs 2 KFG 1967 auf den ersten Blick erwiesen erscheint, kann der Bw dennoch nicht bestraft werden, zumal die von der belangten Behörde begehrte Auskunft nicht gesetzeskonform war.

Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder zuletzt von einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in ihrer Lenkeranfrage vom 17. April 2000 lediglich den Tag mit 14. Februar 2000, nicht aber den genauen Zeitpunkt (nämlich 14.34 Uhr), zu dem die Geschwindigkeitsüberschreitung vom stationären Radargerät registriert wurde, angeführt. Damit hat sie keine dem § 103 Abs 2 KFG 1967 entsprechende Auskunft verlangt, die von vornherein auf einen bestimmten Zeitpunkt eingeschränkt war. Vielmehr konnte sich die Auskunft auf den ganzen Tag beziehen und daher auch mehrere Fahrten auf der B 151 betreffen. Da die behördliche Anfrage nicht gesetzeskonform war und mehrere Möglichkeiten einschloss, konnte der Bw auch nicht rechtswirksam zur Auskunft iSd § 103 Abs 2 KFG 1967 verpflichtet sein. Die Nichterteilung der Auskunft war mangels tauglicher Anfrage auch nicht tatbestandsmäßig.

Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil der Bw die ihm im Spruch zur Last gelegte Tat so nicht begangen hat.

5. Bei diesem Ergebnis entfiel gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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