Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107857/8/Ki/Pe

Linz, 09.10.2002

VwSen-107857/8/Ki/Pe Linz, am 9. Oktober 2002 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des GW, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. WL, vom 4.9.2001 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 28.8.2001, VerkR96-504/2001, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 28.8.2001, VerkR96-504/2001, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 23.1.2001 um ca. 13.00 Uhr als Lenker des PKW auf der Böhmerwald Straße Nr. B 38 etwa von Stkm. 129,600 bis 129,400 (!) in Fahrtrichtung Vorderweißenbach vor einer unübersichtlichen Fahrbahnkuppe verbotenerweise einen PKW und einen LKW überholt, obwohl die Sicht für ein gefahrloses Überholen nicht ausgereicht hat, auch keine Sperrlinie eingezeichnet war und dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert hätten werden können. Er habe dadurch § 16 Abs.1 lit.a und Abs.2 lit.b iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 verletzt.

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 800 Schilling (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 80 Schilling (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 4.9.2001 Berufung mit dem Primärantrag, das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzuheben bzw. das Verfahren einzustellen.

Der Bw bestreitet im Wesentlichen den ihm zur Last gelegten Sachverhalt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Fahrgeschwindigkeit der beiden zu überholenden Fahrzeuge durch den Beschuldigten ca. 60 km/h, Überholgeschwindigkeit des Beschuldigten PKW´s ca. 100 km/h betragen habe, sei klar ersichtlich, dass der Überholvorgang verkehrssicher bereits ca. 300 m vor der Bergkuppe abgeschlossen werden konnte.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Darüber hinaus wurde ein Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen zur Beurteilung des gegenständlichen Überholvorganges eingeholt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

I.5. Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Privatanzeige, welche beim GP Bad Leonfelden erstattet wurde, zugrunde. Danach soll der Beschuldigte ca. bei Strkm. 129,600 der B 38 von Helfenberg in Richtung Vorderweißenbach fahrend einen PKW (VW Golf) und weiters einen LKW (Viehtransporter), welche mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 80 km/h unterwegs gewesen wären, überholt haben. Erst auf der unübersichtlichen Fahrbahnkuppe ca. Strkm. 129,800 (später korrigiert auf Strkm. 129,400) sei der Beschuldigte wieder auf den rechten Fahrstreifen gekommen und es wäre bei Gegenverkehr unweigerlich zu einem Zusammenstoß gekommen. Diese Angaben wurden von den Fahrzeuginsassen des überholten PKW bei zeugenschaftlichen Einvernahmen vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach im Wesentlichen bestätigt, die Lenkerin führte noch aus, sie sei zu dieser Zeit in einem Abstand von ca. 30 m hinter einem LKW (vermutlich Viehtransporter), der gleichfalls etwa 80 km/h gefahren sei, nachgefahren.

Der Beschuldigte bestritt während des gesamten Verfahrens diesen Vorwurf, er habe zwar den gegenständlichen Überholvorgang durchgeführt, dass er diesen erst auf der Bergkuppe beendet hätte, würde jedoch nicht der Tatsache entsprechen. Die beiden (überholten) Fahrzeuge seien relativ langsam gefahren, der besagte LKW, könne mit Sicherheit auf diesem Straßenabschnitt keine 80 km/h fahren.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat nach einer im Rahmen eines Lokalaugenscheines durchgeführten Befundaufnahme nachstehendes Gutachten (VT-010191/721-02-Laus/So vom 4.10.2002) erstellt:

"Nimmt man für die Fahrzeuglänge Golf = 4 m, LKW = 7 m und Opel Vectra = 4,5 m, so ergibt sich bei der Berücksichtigung der Sicherheitsabstände eine Überholzeit von 4,9 sec. Und ein Überholweg von 136 m, wobei der Gegenverkehr 122,4 m zurücklegt.

Als Überholgeschwindigkeit und Ausgangsgeschwindigkeit für den Gegenverkehr wurden jeweils 100 km/h angenommen. Der Geschwindigkeit des Überholten und die für Großviehtransporte erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h (Anmerkung der Berufungsbehörde: Rechtslage zur Tatzeit) zugrunde gelegt.

Als Gesamtstrecke ergeben sich 258,4 m, welche für ein sicheres Überholen notwendig sind. Auf Grund dieser Tatsache und der in der Anzeige sehr ungenauen Angaben bezüglich des Bereichs des Überholvorganges kann der Tatvorwurf nicht mit der für ein Verwaltungsverfahren geforderten Sicherheit unterstützt werden."

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass dieses Gutachten, welches nach einer Befundaufnahme, gestützt auf die Aktenunterlagen und einen Lokalaugenschein, erstellt wurde, schlüssig und widerspruchsfrei ist. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass es sich bei dem erwähnten LKW um einen Großviehtransporter handelte, für derartige Fahrzeuge war nach dem zur Tatzeit geltenden Recht auf Freilandstraßen eine Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt. Wenn nun die Zeugen angeben, der überholte LKW sei mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h unterwegs gewesen, so kann dies letztlich auf subjektive Schätzungen zurückzuführen sein. Insbesondere die zeugenschaftliche Aussage der Lenkerin dieses Fahrzeuges, sie sei in einem Abstand von 30 m hinter dem LKW (Viehtransporter) nachgefahren, indiziert, dass unter Berücksichtigung eines 2 sec. Abstandes die Geschwindigkeit doch eher im Bereich der für einen Großviehtransport zulässigen 50 km/h-Grenze gewesen ist. So gesehen bestehen gegen die dem Gutachten zugrunde gelegten Prämissen keine Bedenken.

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außerdem nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, z.B. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs.2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Bw (unbestritten) das im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zu beurteilende Überholmanöver durchgeführt hat. Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat jedoch im Rahmen eines Lokalaugenscheines festgestellt, dass die Sicht in Fahrtrichtung Kuppe von Strkm. 129,600 aus gesehen mindestens 270 m beträgt. Unter Zugrundelegung der einzelnen Fahrzeuglängen bzw. Berücksichtigung der Sicherheitsabstände errechnete der Sachverständige im vorliegenden Falle einen Überholweg von 136 m bzw. eine Wegstrecke für den Gegenverkehr von 122,4 m, wobei als Überholgeschwindigkeit und Ausgangsgeschwindigkeit für den Gegenverkehr jeweils 100 km/h und als Geschwindigkeit der Überholten die für Großviehtransporte erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h zugrunde gelegt wurden. Danach errechnet sich als Gesamtstrecke, welche für ein sicheres Überholen notwendig ist, eine Distanz von 258,4 m, was bedeutet, dass die Überholstrecke noch innerhalb der Sichtstrecke von 270 m gelegen ist.

Daraus resultiert, dass die dem Beschuldigten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren geforderten Sicherheit als erwiesen angesehen werden kann, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG in Stattgebung der Berufung von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

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