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VwSen-107861/2/SR/Ri

Linz, 12.11.2001

VwSen-107861/2/SR/Ri Linz, am 12. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des A L, vertreten durch die Rechtsanwälte Prof Dr. A H EM., DDR. H M, Dr. P W, Dr. W M, Dr. W G-W, Kgasse, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land, vom 27. August 2001, Zl: VerkR96-1944-2-2001, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - AVG iVm § 45 Abs.1 Z1 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses L Straße in M, und als deren zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, dass ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 30.4.2001 in M, an der B W Straße ca. auf Höhe von Strkm in einer Entfernung von ca. 23 m zum Fahrbahnrand der W Straße die Ankündigung/Werbung "A L Installationen Planung - Ausführung - Service, Gas Wasser Lüftung Heizung, P Nähe P C" außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war.

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

§ 84 Abs.2 und § 99 Abs.3 lit. j StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich gemäß

Schilling ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

3.000,00 3 Tagen § 99 Abs. 3 lit. j StVO 1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

300,00 Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet);

Der zu zahlende Geldbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 3.300,-- Schilling ( Der Betrag von 3.300,-- Schilling entspricht 239,82 Euro)."

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 28. August 2001 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. September 2001 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass sich die im Spruch näher bezeichnete "Werbung/Ankündigung" außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb von 100 Meter vom Fahrbahnrand befinden würde. Eine Ausnahmebewilligung im Sinne des § 84 Abs.3 StVO 1960 läge nicht vor. In der Folge weist die Behörde erster Instanz auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hin und zitiert wörtlich: " Eine Werbung oder Ankündigung, die von zwei Straßen deutlich zu erkennen ist, und die sich hinsichtlich der einen in einem Bereich befindet, der durch die Aufstellung von Ortstafeln zum Ortsgebiet gehört und daher dem Verbot des § 84 Abs.2 nicht unterliegt, hinsichtlich der zweiten aber in einem Bereich, der nicht durch die Aufstellung von Ortstafeln als Ortsgebiet iSd § 2 Abs. 1 Z 15 festgelegt ist, fällt unter das Verbot des § 84 Abs. 2; das Gesetz stellt nicht darauf ab, dass jene Straße, zu der die Werbung näher gelegen ist, für die Beurteilung der Zulässigkeit ausschlaggebend ist. (VwGH 6.6.1984, 84/03/0016, ZVR 1985/151)".

2.2. Der Bw wendet dagegen ein, dass sich das verfahrensgegenständliche Objekt innerhalb des Ortsgebietes M befinden würde (Hinweis auf § 2 Abs.1 Z15 StVO - der Begriff Ortsgebiet umfasst das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende"). In diesem Sinne habe der UVS Oberösterreich mehrfach judiziert und darauf abgestellt, ob die Werbung/Ankündigung außerhalb des Ortsgebietes positioniert ist und anschließend, ob diese Position innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand gelegen ist (VwSen-106812/8/Br/Bk vom 28.2.2000 u.a.). Die allfällige Erkennbarkeit außerhalb des Ortsgebietes sei unerheblich. Weiters sei die Annahme der Behörde erster Instanz nicht zutreffend, dass die Textierung an der gegenständlichen Hausfassade eine Werbung/Ankündigung im Sinne des § 84 StVO darstellen würde. "Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei Werbung im Sinn des § 84 StVO eine Anpreisung von Waren und Dienstleistungen, mit welchen ein Güteurteil verbunden ist, nicht aber Angaben rein beschreibender Natur (ZVR 1969/81 u.a.). Die gegenständliche Aufschrift enthalte jedoch nur solche Angaben beschreibender Natur, weshalb keine Werbung/Ankündigung im Sinn des § 84 StVO vorgelegen sei. Eine `Ankündigung´ im Sinne eines Hinweises auf ortsfremde bzw. zukünftige Ereignisse liege ebenfalls nicht vor. Darüber hinaus würde es sich bei der auf der Hausfassade angebrachten Textierung um das Anbringen eines Firmenlogos handeln und dieses sei nicht bewilligungspflichtig. Auch könne die gegenständliche Aufschrift als Betriebsbezeichnung im Sinne einer Gewerbeordnung verstanden werden, welche ebenfalls nicht unter § 84 StVO fallen würde".

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Der Oö. Verwaltungssenat hat Einsicht gehalten und ergänzende Erhebungen (Ortsaugenschein) getätigt.

3.1. Aufgrund der Aktenlage und des durchgeführten Ortsaugenscheins steht folgender Sachverhalt fest:

Im Ortsgebiet von M ist auf der Außenfassade des Hauses L Straße (der Stirnseite) die Aufschrift: "A. L INSTALLATIONEN PLANUNG - AUSFÜHRUNG - SERVICE GAS WASSER LÜFTUNG HEIZUNG -> P NÄHE P-C" angebracht. Das bezeichnete Haus befindet sich innerhalb eines zum Ortsgebiet gehörenden Straßenzuges. Parallel zu diesem Straßenzug verläuft, auf erhöhtem Niveau, die Bundesstraße "B 1". Zwischen der L Straße und der B ist ein Geh- und Radweg angelegt und zwischen dem Geh- und Radweg und der L Straße wurde eine Baumreihe angepflanzt. Diese Allee verdeckt großteils die Sicht auf die Stirnseite des gegenständlichen Gebäudes.

Die Aufschrift ist, falls überhaupt, nur bei einer Fahrt auf der B, von W Richtung L erkennbar. Jahreszeitlich bedingt (z.B. Winter - unbelaubte Alleebäume) können mangels Belaubung andere Sichtverhältnisse herrschen. Zum Tatzeitpunkt und zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheins und der Entscheidung waren die Alleebäume belaubt.

Das Bild zeigt deutlich, dass selbst im Bereich der scheinbar unterbrochenen Laubbaumallee die Sicht auf die Aufschrift nur in einem kleinen Ausschnitt möglich ist. Jedenfalls ist die Aufschrift immer von Teilen der Bäume bzw. der Baumkronen verdeckt.

3.2. Unstrittig ist, dass sich das tatgegenständliche Objekt innerhalb des Ortsgebietes im Sinne der StVO (Begriffsbestimmung) befindet. Abgesehen von den unterschiedlichen rechtlichen Auslegungsvarianten der Parteien ist die Erkennbarkeit der Fassadenaufschrift als strittig zu bezeichnen.

Dem ersten Anschein nach, scheint aufgrund der Beilage der Behörde erster Instanz die Fassadenaufschrift deutlich erkennbar zu sein. Betrachtet man die Kopie (Beilage 2 des Vorlageaktes) genauer, sind sowohl von rechts (sehr deutlich und bis in die Bildmitte) und von links (eher undeutlich) ins Bild ragende, belaubte Baumteile (Äste, teilweise Baumkrone) erkennbar. Hinzu kommt, dass das der Kopie zugrundeliegende Bild vermutlich vom Geh- und Radweg aus angefertigt worden ist. Auch dann, wenn das Bild von einem stehenden Fotografen aufgenommen worden ist, vermittelt es nicht den Bildausschnitt eines vorbeifahrenden, "sitzenden" Autolenkers. Der vorgenommene Ortsaugenschein hat aber gezeigt, dass der Standort zur Bilderstellung besonders ausgewählt worden ist. Nur von dieser Stelle aus, im Nahebereich der B, kann man bei eigener Bewegungslosigkeit die Fassadenaufschrift "deutlich" (mit obigen Einschränkungen) erkennen. Befindet man sich dagegen auf der B und fährt von W kommend in Richtung L (die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit beträgt 70 km/h), dann ist der Blick auf die Fassade durch die Laubbaumallee verhindert (siehe eingefügtes Bild). Erst bei der Annäherung an das Objekt ist je nach Fahrgeschwindigkeit eine kurzfristige, teilweise Erkennbarkeit (im 1/10 Sekundenbereich) der Fassadengestaltung - Aufschrift - erkennbar. Eine vollständige Erfassung der Aufschrift ist keinesfalls möglich.

Die der Berufung beigelegten Bildkopien als auch die vom unabhängigen Verwaltungssenat angefertigten Fotos (Aufnahmen mittels Digitalkamera) zeigen deutlich, dass die Laubbaumallee kaum eine Wahrnehmbarkeit der Aufschrift zulässt.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Nach § 84 Abs.2 StVO sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten.

4.2. Der Gesetzgeber trifft hier eine Unterscheidung zwischen Werbungen und Ankündigungen. Die Behörde erster Instanz unterstellt dem Bw, ohne eine Zuordnung zu einem der beiden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, dass er eine "Werbung/Ankündigung" angebracht hat.

Der Zweck der Vorschriften des § 84 StVO besteht darin, eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit der Straßenbenützer, vor allem der Kraftfahrer, durch Werbungen und Ankündigungen am Fahrbahnrand zu verhindern (siehe Messiner10, Straßenverkehrsordnung in der Fassung der 20. StVO-Novelle, Wien 1999, Entscheidungen zu § 84, E. 3.). Am 27.1.1972 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen 917 und 919/71 (siehe auch ZVR 1973/104) ausgeführt, dass der "Zweck der Bestimmung des § 84 Abs.2 ist, die Aufmerksamkeit der Straßenbenützer nicht zu beeinträchtigen".

Die Behörde erster Instanz hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.6.1984, Zl. 84/03/0016, zitiert. In "scheinbarer Anlehnung" an die Judikatur ist sie von einer Werbung oder Ankündigung ausgegangen, die von zwei Straßen deutlich zu erkennen ist. Weder der Hinweis auf die Judikatur noch die besondere Hervorhebung der Erkennbarkeit können darüber hinwegtäuschen, dass im gegenständlichen Verfahren gerade nicht von einer "deutlichen Erkennbarkeit der Werbung/Ankündigung" gesprochen werden kann.

Auch wenn man hier vorerst ungeprüft von einer "Werbung/Ankündigung" ausgehen würde, bedeutet dies nicht, dass eine solche schon lediglich aufgrund der räumlichen Anordnung (Abstand vom Fahrbahnrand weniger als 100 m) vom Verbotstatbestand des § 84 Abs. 2 StVO umfasst ist. Dem Verbotstatbestand des § 84 StVO ist immanent, dass es sich um (deutlich) sichtbare Werbungen oder Ankündigungen handeln muss. Denn nur solche Werbungen oder Ankündigungen sind geeignet, die Aufmerksamkeit von Kraftfahrern zu beeinträchtigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an anderer Stelle (E. vom 31.1.2000, Zl. 99/10/0243) über die Begriffsbestimmung der Werbung (Brockhaus-Enzyklopädie) hinaus auch Maßnahmen als Werbung bezeichnet, die geeignet sind, Menschen zu beeinflussen. Eine Beeinflussung von Menschen - hier Kraftfahrer - setzt voraus, dass diese die Werbung auch deutlich erkennen können. Kurzfristige Momentaufnahmen, die weder ein Erfassen noch ein inhaltliches Verstehen ermöglichen, können nicht als eine "deutlich zu erkennende Werbung oder Ankündigung" gewertet werden.

Würde man ausschließlich auf den Abstand vom Fahrbahnrand abstellen, dann wären z.B. auch Werbungen auf Plakatwänden, deren Rückseiten auf die Fahrbahn zeigen, vom Verbot umfasst.

4.3. Die Textierung an der gegenständlichen Fassade war weder zu dem im Spruch angeführten Zeitpunkt noch beim Ortsaugenschein bzw. der Ausfertigung dieses Erkenntnisses im geforderten Ausmaß erkennbar. Einer weiteren Auseinandersetzung mit der zitierten Spruchpraxis des Oö. Verwaltungssenates und den angeführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes bedurfte es somit nicht.

Ob jahreszeitlich bedingte Umstände zu Änderungen in Bezug auf die Erkennbarkeit der Textierung und die veränderte Sachlage zu einer anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen würden, kann im Hinblick auf § 66 Abs.4 AVG nicht beantwortet werden.

Da der Bw die ihm nach der konkreten Tatumschreibung zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Werbung, Sichtbarkeit

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