Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107890/2/Ga/Pe

Linz, 28.10.2002

 

VwSen-107890/2/Ga/Pe Linz, am 28. Oktober 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des EM, vertreten durch Dr. HH und Mag. MF, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. September 2001, VerkR96-3467-2000-BB/KB, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in beiden Fakten aufgehoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 11. September 2001 wurde der Berufungswerber der Übertretung der StVO in zwei Fällen für schuldig befunden. Über ihn wurden Geldstrafen kostenpflichtig verhängt (Faktum 1.: 2.500 S; Faktum 2.: 2.000  S).

Näherhin wurde ihm angelastet (§ 44a Z1 VStG), er habe am 2. Juli 2000 um 4.00 Uhr einen durch das Kennzeichen bestimmten Kombi-PKW im Gemeindegebiet St. Martin/M., Allersdorf 20, Parkplatz der Diskothek Empire, gelenkt und

"1) nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, das von Ihnen gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten und

2) es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist."

Dadurch habe er 1. § 99 Abs.2 lit.a. iVm § 4 Abs.1 lit.a StVO und 2. § 99 Abs.3 lit.b. iVm § 4 Abs.5 erster Satz StVO verletzt, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

Zugleich mit der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung hat die belangte Behörde den Strafverfahrensakt vorgelegt, Verhandlungsverzicht erklärt und keine Gegenäußerung erstattet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat nach Beweisaufnahme durch Einsicht in den Verfahrensakt erwogen:

Die Schuldsprüche zu 1. und 2. begründend führt die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung aus (Seite 5), sie habe keinerlei Veranlassung, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Anzeige vom 8. Juli 2000 sowie an den Ausführungen der unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen, an den Ausführungen der beiden Beamten, die zusätzlich unter Diensteid standen, sowie an dem eingeholten Sachverständigen-Gutachten zu zweifeln. Von den Zeugen und auch vom Gutachten sei festgehalten worden, dass der Schadenseintritt für den Beschuldigten als Fahrzeuglenker in jedem Fall bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar gewesen sei. Die Einwände des Beschuldigten hingegen seien lediglich als Schutzbehauptungen zu werten gewesen, weil es bei derartigen Vorfällen nicht darauf ankomme, ob er den Schadenseintritt tatsächlich bemerkt habe, sondern ob dieser bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar gewesen sei.

Weil aber der Beschuldigte in seinen Rechtfertigungen keine konkret gegen die Übertretungen sprechenden Tatsachen und Beweismittel habe vorbringen können und aus der Sicht der belangten Behörde der Sachverhalt als ausreichend geklärt erschienen sei, habe die Strafbehörde den weiteren Beweisanträgen des Beschuldigten nicht zu folgen und auch keine weiteren Ermittlungen durchzuführen gehabt, weil dies nur eine Verfahrensverzögerung bewirkt hätte. Es sei folglich den logischen und durchaus schlüssigen Angaben der Zeugen und dem Sachverständigen-Gutachten zu folgen gewesen, und zwar mit dem Ergebnis, dass der gegenständliche Schadenseintritt für den Beschuldigten in jedem Fall wahrnehmbar gewesen sei. Somit stehe in der Rechtsbeurteilung zweifelsfrei fest, dass der zugrunde liegende Verkehrsunfall vom Beschuldigten verursacht und der Schadenseintritt für ihn in jedem Fall wahrnehmbar gewesen sei, weshalb die Tatbestandsmäßigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht habe angenommen werden müssen.

Bei der unter Heranziehung der Kriterien des § 19 VStG erfolgten Strafbemessung seien weder mildernde noch erschwerende Umstände zu werten gewesen.

In Bekämpfung dieses Straferkenntnisses verweist der Berufungswerber ausdrücklich auf sein schon vor der belangten Behörde erstattetes Vorbringen und er geht im Einzelnen auf bestimmte Mängel und Widersprüche in der Würdigung der aufgenommenen Beweise ein. Die belangte Behörde habe den Nachweis für eine Schadenszufügung durch ihn keineswegs erbringen können.

Zu 1.: Ob dem Verteidigungsvorbringen im Einzelnen Gewicht zukommt, ist zunächst anhand der Aktenlage bzw. der darin dokumentierten Beweisergebnisse aus dem strafbehördlichen Ermittlungsverfahren zu beurteilen.

- So bringt der Berufungswerber vor, dass die belangte Behörde beweiswürdigend nicht näher auf das (im Akt im Original einliegende) "Schadensbild" des beschädigten Fahrzeuges eingegangen wäre und weiters, dass diesem Lichtbild die dem Sachverständigen-Gutachten zugrunde gelegten Beschädigungen gar nicht entnommen werden könnten; dem Gutachten könne nicht einmal entnommen werden, ob das Lichtbild dem Gutachten überhaupt zugrunde gelegt worden ist. Auch sei die im Gutachten für die Herbeiführung der Beschädigung vorausgesetzte Annahme einer Straßenneigung (an Ort und Stelle) nur theoretischer Natur und durch Ermittlungsergebnisse nicht belegt.

Das Vorbringen des Berufungswerbers trifft zu: Dem Sachverständigen-Gutachten vom 17. Juli 2001 haften die gerügten Lücken an, die belangte Behörde ist auf das bezügliche Vorbringen des Beschuldigten (insbes. Stellungnahme vom 7.8.2001) konkret nicht eingegangen bzw. hat die Lücken im Befundteil des Sachverständigen-Gutachtens nicht durch ergänzende Erhebungen beseitigt. Sie hat übersehen, dass der Sachverständige die Straßenneigung ohne Grundlage im Befundteil nur abstrakt einbezogen hatte (iS. von: was sein könne, wenn örtlich eine Neigung manifest wäre).

- Unter Einbeziehung des Originalfotos vom beschädigten PKW, der Aussage des Zeugen Seirl und des Sachverständigen-Gutachtens (Befundteil) verweist der Berufungswerber auf weitere Widersprüchlichkeiten hinsichtlich der Schäden des am Parkplatz abgestellt gewesenen PKW.

Der Einwand wurde zu Recht erhoben. Die Widersprüche bestehen und sind aus der Aktenlage nicht zu klären: Das von der Versicherung angefertigte Schadenslichtbild betreffend den Ford Escort lässt Schäden an den Scheinwerfern (Zeuge S: "Es hing der Scheinwerfer herunter" - der Aussage ist nicht zu entnehmen, welcher der beiden [auf dem Foto offensichtlich unbeschädigten] Scheinwerfer gemeint war; SV-Gutachten: "Scheinwerfer beschädigt" - dem Gutachten ist nicht zu entnehmen, welcher Art die Beschädigung gewesen sein soll) nicht erkennen. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Straferkenntnis auf die gerügten Mängel jedoch nicht eingegangen.

- Mit Bezugnahme auf die Anzeige vom 8. Juli 2000, die Aussage des Gendarmeriebeamten vom 23. November 2000 und auf das Sachverständigen-Gutachten wendet der Berufungswerber ein: Es seien bei der Besichtigung seines PKW durch die Gendarmerie keinerlei korrespondierende Schäden an dem von ihm gelenkten Fahrzeug festgestellt worden. Auch diesbezüglich sei das Gutachten nicht aussagekräftig genug. Der Gendarmeriebeamte habe nämlich ausgesagt, dass am Fahrzeug des Beschuldigten nur einige leichte Lackschäden festgestellt worden seien; in dieser Aussage sei nicht einmal festgehalten, ob es sich um alte oder neue Lackschäden handle und es gehe daraus auch nicht hervor, ob es sich bei "einige leichte Lackschäden" um einen korrespondierenden Schaden zu dem vom Unfallgegner geltend gemachten Schaden handle.

Dieser Sacheinwand des Berufungswerbers ist zu ergänzen durch folgende Feststellung des Tribunals: Laut Anzeige des GP St. Martin/M. habe der Ford Escort Schäden an Motorhaube, Kühlergrill und beiden Nebelscheinwerfern aufgewiesen; zu Art und Intensität der Schäden enthält die Anzeige jedoch keine Angaben. Der PKW des Berufungswerbers hingegen sei "rechts nur leicht beschädigt"; diesbezüglich fehlen Angaben zur Art der Beschädigung.

Auf alle diese Widersprüche geht das angefochtene Straferkenntnis nicht ein. Aus der Aktenlage lassen sie sich nicht klären. So machen nach Auffassung des Tribunals eine leichte Beschädigung rechts (ungeklärt: welcher Art?) bzw. einige leichte Lackschäden (ungeklärt: wo?) nicht plausibel, dass durch einen Zusammenstoß mit dem Fort Escort dessen beide Scheinwerfer beschädigt worden sein sollen. Davon abgesehen lässt das oben erwähnte Schadensfoto an beiden Scheinwerfern des Ford Escort (äußere) Schäden nicht erkennen. Als solche identifizierbare "Nebelscheinwerfer" sind auf dem Schadensfoto schon gar nicht zu ersehen. Sofern daraus überhaupt Schäden an der Motorhaube im vorderen Bereich, am Kühlergrill und an der Stoßstange wahrnehmbar sind, sind diese Schäden ganz offensichtlich bloß leichter Natur (Verformungen, Dellen, Materialeinrisse u.Ä., die auf eine nicht bloß marginale Energie-Absorbierung schließen ließen, sind nicht augenfällig; ein anderes Foto oder zumindest eine ergänzende Schadensbeschreibung liegt nicht vor).

- Schließlich wiederholt der Berufungswerber sein (schon, wie die meisten anderen Einwände, vor der belangten Behörde erstattetes) Vorbringen, wonach der als Zeuge vernommene Herr S den Anstoß nicht als Augenzeuge direkt wahrgenommen, sondern nur einen "Tuscher" gehört und in weiterer Folge gesehen habe, dass die Fahrzeuge in einem bestimmten Naheverhältnis gestanden seien, woraus er den Schluss gezogen habe, dass ein Anstoß oder eine Beschädigung durch das Fahrzeug des Beschuldigten herbeigeführt worden sein müsse.

Tatsächlich steht nach der Aktenlage fest, dass Herr S jedenfalls kein direkter Augenzeuge eines Unfallgeschehens mit ursächlicher Beteiligung des Berufungswerbers war, sondern aufgrund sekundärer Wahrnehmungen auf die ursächliche Beteiligung bloß geschlossen hat. Der Beweiswert seiner Schlussziehung ist jedoch schon durch die Umstände stark gemindert, dass die Fenster seines Autos geschlossen waren, der Motor noch lief und er selbst in der Entfernungsschätzung seiner Beobachtungsposition um 100 Prozent ("10 bis 20 m") schwankt.

Vor diesem ganzen Hintergrund bestreitet der Berufungswerber mit Zweifelsvorbringen seine ursächliche Beteiligung am Verkehrsunfall, jedenfalls bestreitet er die Grundannahme des angefochtenen Straferkenntnisses, wonach er einen Zusammenstoß wahrgenommen habe oder zumindest - bei gehöriger Aufmerksamkeit - hätte wahrnehmen müssen.

Alle die oben wiedergegebenen, auch nach Beweiswürdigung aus der Aktenlage nicht aufzuhellenden Widersprüche und Ungereimtheiten sprechen im Ergebnis für die Verantwortung des Berufungswerbers. Die von der belangten Behörde durch Folgerung angenommene Wahrnehmbarkeit eines Zusammenstoßes zweier PKW der hier involvierten Art setzt nach Auffassung des Tribunals im Regelfall - um einen solchen handelt es sich nach den Umständen der Vorfallsannahme durch die belangte Behörde - eine gewisse Heftigkeit des Aufeinanderstoßens, verbunden mit entsprechenden Schäden an den betroffenen äußeren Karosserieteilen (Energie-Absorbierung) voraus. Zu beiden Kriterien liegen sichere Beweisergebnisse jedoch nicht vor, sodass, ausgehend davon und in einer Gesamtbetrachtung der festzustellen gewesenen Widersprüche und Ungereimtheiten, die konkret mögliche Wahrnehmbarkeit eines entsprechend heftigen Zusammenstoßes nicht mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen angenommen werden durfte.

Somit war in dubio pro reo Faktum 1. aufzuheben und die Einstellung zu verfügen.

Zu 2.:

Konnte aber das angefochtene Straferkenntnis im Faktum 1. aus den dargelegten Erwägungen nicht bestätigt werden, so zog dies zwingend auch die Aufhebung und die Einstellung im Faktum 2. nach sich.

Bei diesem Verfahrensergebnis war der vom Berufungswerber mit Angabe eines Beweisthemas beantragte Entlastungszeuge nicht mehr zu hören. Belastungszeugen oder andere Beweismittel zur Bestätigung der Schuldsprüche hat die belangte Behörde - als Konsequenz aus ihrem Verhandlungsverzicht - nicht beantragt. Dergleichen Belastungsbeweise hatte aber der Unabhängige Verwaltungssenat auch nicht von sich aus zu führen. Ihm ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen im Lichte seiner im Art.6 Abs.1 EMRK ruhenden richterlichen Kontrollfunktion verwehrt, von sich aus belastend das zu ermitteln, was die belangte Behörde als Anklagebehörde zu ermitteln nicht für nötig gehalten hat.

Die Aufhebung in beiden Fakten entlässt den Berufungswerber auch aus seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

Beschlagwortung:

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