Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107895/5/Le/La

Linz, 18.02.2002

VwSen-107895/5/Le/La Linz, am 18. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des H F, B 10, 2 P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. O B, J 4, 1 W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (ohne Datum), Zl. VerkR96-10913-2000, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (ohne Datum), zur Post gegeben am 4.9.2001, wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 52 lit.a Z10a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (363,36 Euro) sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 144 Stunden verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 18.7.2000 um 9.24 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen MD- auf der W A in Fahrtrichtung S gelenkt, wobei er im Gemeindegebiet von I bei Km 256,441 die durch Vorschriftszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 61 km/h überschritten habe.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 10.9.2001, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass der Tatort außerhalb des verordneten Verbotsbereiches der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gelegen sei. Dies deshalb, da der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.2000, VerkR01-2288-1999 (straßenpolizeiliche Bewilligung für die Bauarbeiten) überhaupt keine generelle Rechtswirkung entfalte. Die Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr vom 18.2.2000, GZ 138001/22-II/B/8/00 hätte Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und -verbote, die sich aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.2000, VerkR01-2288-1999 und dem diesem beigelegten Regelplan ergeben, (nur) für den Bereich der Richtungsfahrbahnen der A von Km 257,492 bis Km 266,700 erlassen.

Aus diesem Regelplan sei eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h bis Km 266,700 ersichtlich; in östlicher Richtung hingegen sei das Blatt am rechten Urkundenrand mit einem handschriftlichen Vermerk "Km 256,000" und dem Zusatzzeichen für die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h versehen. Dieser in der Form vom Rest der Urkunde deutlich abweichende Zusatz sei nicht maßstabsgetreu und erwecke den Eindruck, offenkundig nachträglich eingefügt worden zu sein. Es bestünden daher erhebliche Bedenken gegen die Echtheit der Urkunde dahingehend, dass dieser Zusatz nachträglich - nach Erlassung der Verordnung - eingefügt worden sei.

Es ergäbe sich somit ein Widerspruch zwischen diesem Plan und dem Text der Verordnung, der im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten zu lösen sei.

Des weiteren wurden Bedenken gegen die Verlässlichkeit des Messergebnisses und der Messung vorgebracht.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zum Berufungsvorbringen betreffend die angezweifelte Echtheit des Regelplanes und die Übereinstimmung zur Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr wurde eine Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingeholt.

Aus dieser Stellungnahme vom 31.1.2002 ergibt sich, dass die Eintragung "Km. 256,000" und das Symbol des Vorschriftszeichens "100 km/h" in den Regelplan vor Erlassung des Bescheides vom 10.2.2000 erfolgt wären. Da in der Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr vom 18.2.2000 angeführt sei, dass jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und -verbote erlassen würden, die aus dem dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.2000 beigelegten Regelplan der Type U II/4 ersichtlich seien, wäre für den Messpunkt bei Km. 256,441 nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die 100 km/h-Beschränkung verordnet. Der Umstand, dass in der Verordnung angeführt ist, dass auf beiden Richtungsfahrbahnen der A von Km. 257,492 bis Km. 266,700 die Verkehrsbeschränkungen erlassen würden, ändere nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft nichts. Sie wies darauf hin, dass ihre Verordnungen so formuliert würden, dass die Kilometer des Baustellenbeginnes und Baustellenendes angeführt wären und die Geschwindigkeitsbeschränkungen sodann über diesen Bereich hinaus gelten bzw. vor dem eigentlichen Baubereich beginnen müssten.

Gleichzeitig wurden die Originalverordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 18.2.2000 sowie der Regelplan U II/4 im Original vorgelegt.

Daraus ergibt sich, dass auf dem rechten Rand die Symbole für die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h kleiner abgedruckt waren und der mit Schreibmaschine geschriebene Vermerk "Km. 256,000" zum Teil mit blauem Kugelschreiber nachgezogen worden war.

Wann diese Eintragung erfolgte, ergibt sich aus dem Regelplan allerdings nicht.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 726 Euro (entspricht 9.989,98 S) nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. § 52 lit.a Z10a StVO regelt das Verkehrszeichen "Geschwindigkeitsbe-schränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)": Demnach zeigt dieses Zeichen an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Nach § 43 Abs.1 StVO hat die Behörde für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken ... durch Verordnung

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden ... Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße ... erfordert

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere ... Geschwindigkeitsbeschränkungen .... zu erlassen.

Gemäß § 99 Abs.3 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S (nunmehr 726 Euro), im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges ... gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt.

Im gegenständlichen Fall wurde dem nunmehrigen Berufungswerber die Übertretung einer Verordnung angelastet, mit der eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h auf einer Autobahn verfügt worden war.

Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass im gegenständlichen Abschnitt der W zur Baustellenabsicherung bei Km. 256,000 ein Verkehrszeichen angebracht war, mit dem eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h angezeigt wurde. Bei Km. 256,441 wurde der nunmehrige Berufungswerber von einem Radarmessgerät erfasst; die dabei festgestellte Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers betrug 170 km/h bzw. nach Abzug der Messfehlertoleranz 161 km/h.

Während an der Geschwindigkeitsmessung keine Zweifel bestehen, ergaben sich solche bei der Verordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung:

Für die Erlassung von Verordnungen, die Autobahnen betreffen, ist nach § 94 Z2 StVO ausdrücklich der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (zum Zeitpunkt der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung) zuständig.

Demgemäß kommt es für die Festlegung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer Autobahn ausschließlich auf den Text jener Verordnung an, die der Bundesminister erlassen hat. Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Verordnung des Bundesministers vom 18.2.2000, GZ 138001/22-II/B/8/00, die für den gegenständlichen Abschnitt der W A "M" wegen einer Baustelle mit Verordnung einen Gegenverkehrbereich anordnete.

In dieser Verordnung heißt es wörtlich:

"In der genannten Zeit werden auf beiden Richtungsfahrbahnen der A von Km. 257,492 bis Km. 266,700 jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und -verbote erlassen, die aus dem dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.2000, Zl. VerkR01-2288-1999, beigelegten Regelplan der Type U II/4 ersichtlich sind, wobei dieser Regelplan einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bildet ..."

Hinsichtlich der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung wurden keine weiteren Anordnungen in dieser Verordnung getroffen.

Daraus ergibt sich bei einer grammatikalischen Interpretation, dass dieser Verordnung sehr wohl der Regelplan U II/4 der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zugrunde lag, jedoch nur hinsichtlich des Bereiches von Km. 257,492 bis Km. 266,700! Das heißt, dass die Anordnungen, die im Regelplan U II/4 getroffen werden, nur für den Bereich zwischen km 257,492 bis km 266,700 gelten sollen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus der einschränkenden Formulierung des Verordnungstextes.

Für den Tatortbereich bei Km. 256,441 gab es somit keine ordnungsgemäß verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung, sondern galt die allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung des § 20 Abs.2 StVO.

Da eine Strafe ohne rechtliche Grundlage ("nulla poena sine lege") nicht verhängt werden darf, war spruchgemäß zu entscheiden.

4.3. Bei dieser Sach- und Rechtslage war auf die weiters vorgebrachten Berufungseinwendungen nicht näher einzugehen.

Obwohl der Berufungswerber mit der zur Tatzeit am Tatort gefahrenen Geschwindigkeit auch die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit (§ 20 Abs.2 StVO) erheblich überschritten hat, war eine Abänderung des Tatvorwurfes nicht möglich, da dies ein unzulässiges Auswechseln der angelasteten Tat und somit eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bedeutet hätte.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht  2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

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