Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107910/2/BI/KM

Linz, 25.10.2001

VwSen-107910/2/BI/KM Linz, am 25. Oktober 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn H S, vertreten durch RA Dr. O H, vom 8. Oktober 2001 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 24. September 2001, VerkR96-415-2001, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 300 S und 2) 100 S, zusammen 400 S (entspricht 29,06 €), ds 20 % der verhängten Geldstrafen, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG,

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

  1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 4 Abs.2 2. Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.500 S (36 Stunden EFS) und 2) 500 S (24 Stunden EFS) verhängt, weil er am 24. Oktober 2000 gegen 14.10 Uhr den Pkw, Kz. , auf der Pstraße auf Höhe des Blumengeschäftes G im Ortsgebiet von K von der Hstraße kommend in Richtung Finanzamt gelenkt und es nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, unterlassen habe,

1. das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten, weil er die Unfallstelle verlassen habe,

2. die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe ein unschlüssiges Sachverständigengutachten herangezogen, wonach er bei gehöriger Aufmerksam-keit die Streifung der Fußgänger akustisch wahrnehmen hätte müssen. Tatsächlich sei er jedoch ohne anzuhalten hupend weitergefahren, was auch die Zeugin H bestätigt habe. Auf Grund der Abgabe der Hupzeichen habe er aber die Streifung (zumindest im Zweifel) nicht akustisch wahrnehmen können.

Die Art der Verletzungen der beiden Zeuginnen sei ihm ebenfalls nicht erklärbar, zumal die Zeugin S hinter der Zeugin H gegangen sei und nur die Erstere verletzt worden sei, die aber keine Verletzung am linken Arm davongetragen habe, sodass die Streifung mit dem vorspringenden Außenspiegel sehr gering gewesen sein müsse. Wie es zu einer Verletzung am linken Knieinnenseitenband ohne Verletzung der linken Hand gekommen sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar, da solches nur bei einer Berührung mit der Stoßstange erfolgen hätte können - er habe sie aber nicht niedergestoßen. Das eingeholte Gutachten sei mangelhaft, zumal darin nicht auf sein andauerndes Hupzeichen eingegangen worden sei und auch nicht auf die Verletzungen bzw Nicht-Verletzungen der Zeuginnen.

Überhaupt beantrage er die Ergänzung dieses und die zusätzliche Einholung eines medizinischen Gutachtens. Die Verletzungsanzeige des LKH Kirchdorf sei auch nicht schlüssig, zumal eine Prellung des linken Oberschenkels und eine Zerrung des linken Knieinnenkreuzseitenbandes weder durch Röntgen noch durch Untersuchung überprüft werden könnten. Da keine Rötung und kein Bluterguss festgestellt worden sei, könne solches auch von einem Simulanten angegeben werden. Der Bw vertritt die Auffassung, dass sich bei Einholung der genannten Gutachten eine Einstellung des Strafverfahrens ergeben hätte.

Bei seinem Vorbeifahren an den rechts befindlichen Zeuginnen wäre selbst bei einer leichten Streifung nicht mit dem Eintritt einer Verletzung zu rechnen gewesen. Er habe äußerst langsam die Engstelle durchfahren und ein allfälliges leichtes Streifen hätte ein Zurückklappen des Außenspiegels, aber normalerweise keine Verletzung zur Folge gehabt. Es habe ihm auch keine der Zeuginnen Zeichen einer Verletzung gegeben, sodass er nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mit einer solchen habe rechnen müssen und daher ihn nicht die Verpflichtungen der §§ 4 Abs.1 und 4 Abs.2 2.Satz StVO getroffen hätten. Beantragt wird die Einstellung des Verfahrens, die übrigen Ausführungen betreffen das - hier unbeachtliche - Führerscheinentzugs-verfahren.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der Verkehrsunfallsanzeige geht hervor, dass D H und D S am 24. Oktober 2000 um 15.15 Uhr beim GP K, KI I, Anzeige gegen den Lenker des Pkw, erstatteten. Sie berichteten, sie seien am selben Tag um 14.10 Uhr auf der Pstraße im Stadtgebiet von K von der Sstraße Richtung Sstraße am Blumengeschäft G vorbeigegangen. Dort sei ein Lkw mit den rechten Rädern auf dem Gehsteig abgestellt gewesen, sodass sie gezwungen gewesen seien, links auf der Straße am Lkw vorbeizugehen. Währenddessen hätten sie einen Pkw wahrgenommen, dessen Lenker fortwährend Hupzeichen abgegeben habe, obwohl sie hintereinander ganz nahe am Lkw gegangen seien. Auf halber Länge des Lkw sei der Pkw an ihnen vorbeigefahren und habe mit dem rechten Außenspiegel zuerst die hinten gehende D S am linken Ellbogen und dann D H am linken Oberschenkel gestreift. Obwohl der Lenker dies bemerkt haben musste, habe er die Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt. Sie hätten sich daraufhin das Kennzeichen notiert.

D H bestätigte beim GP K, der Pkw sei immer näher an sie herangekommen und hätte sie schließlich am linken Oberschenkel gestreift. Der Lenker, der dies bemerkt haben müsse, habe jedoch hupend seine Fahrt fortgesetzt, ohne anzuhalten. Ihre hinter ihr gehende Freundin sei ebenfalls gestreift worden. Sie habe sich sofort das Kennzeichen des Pkw notiert. Bei dem Vorfall habe sie eine Schwellung am linken Oberschenkel erlitten. Dies wurde durch die Verletzungsanzeige des AKH Kirchdorf vom selben Tag, 16.48 Uhr, bestätigt, wonach die Zeugin eine Prellung des linken Oberschenkels und eine Zerrung des linken Knieinnenseitenbandes erlitten hat.

D S schilderte beim GP K den Vorfall wie die Zeugin H und führte aus, sie habe sich etwa auf Höhe der Lkw-Mitte zum hupenden Pkw-Lenker umgedreht, der sie dabei mit dem rechten Außenspiegel gestreift und am linken Ellbogen verletzt habe. Ihre Freundin habe es am linken Oberschenkel erwischt: Sie habe an deren Oberschenkel einen Kratzer, eine Rötung und eine Schwellung festgestellt. Der Lenker sei ein etwa 50jähriger Mann mit Brille und grau-melierten Haaren gewesen. Er habe die Streifung mit Sicherheit bemerken müssen, jedoch nur kurz die Geschwindigkeit verringert ohne anzuhalten.

Laut Anzeige beträgt die Breite der Pstraße im Unfallbereich wegen einer gegenüber dem Blumengeschäft befindlichen Mauer 5 m. Die Unfallstelle wurde fotografiert und die Bilder der Anzeige beigelegt, allerdings war die genaue Position des mit den rechten Rädern am Gehsteig abgestellten Lkw und daraus die tatsächlich dem Bw zur Verfügung stehende Breite der Fahrbahn nicht mehr zu klären.

Laut Anzeige wurde über das Pkw-Kennzeichen die Zulassungsbesitzerin J S ermittelt, die ihren Gatten, den nunmehrigen Bw, als Lenker zum Vorfallszeitpunkt bekannt gab. Dieser wurde am 24. Oktober 2000 um 17.45 Uhr zu Hause angetroffen und schilderte den Vorfall so, dass er um etwa 14.00 Uhr desselben Tages von der Hstraße über die Pstraße in Richtung Finanzamt unterwegs gewesen sei, wobei er schon von der Kreuzung mit der Sstraße aus den vor dem Blumengeschäft G auf dem Gehsteig abgestellten Lkw stehen gesehen habe. Die Mädchen seien nebeneinander links am Lkw Richtung Finanzamt vorbeigegangen. Er habe sie daraufhin angehupt, worauf eines der Mädchen nach rechts näher zum Lkw ausgewichen sei, die andere keine Reaktion gezeigt habe. Er habe genug Platz gesehen, um an den Zeuginnen gefahrlos vorbeizufahren. Beim Vorbeifahren habe er ein leises Streifen mit dem rechten Außenspiegel gehört und angenommen, er habe eine Zeugin leicht am linken Arm berührt. Da er aber gemeint habe, dass dadurch keine Verletzung entstanden sein könne, habe er die Fahrt ohne anzuhalten fortgesetzt. An seinem Fahrzeug sei keine Beschädigung oder Berührung festzustellen gewesen. Die Anzeige sei für ihn unerklärlich, weil dafür kein Grund vorgelegen habe.

Bei der Erstinstanz sagte der Bw am 31. Jänner 2001 aus, er habe die Mädchen nebeneinander gehen gesehen und "deshalb die Hupe einmal ordentlich betätigt". Die Mädchen hätten keine Reaktion gezeigt, sodass er ein zweites Mal gehupt habe, worauf sie leicht nach rechts ausgewichen seien. Erst beim 3. mal Hupen seien sie ganz rechts neben dem dort abgestellten Lkw gegangen, aber nicht hinter- sondern nebeneinander. Beim Vorbeifahren habe er von einer Streifung nichts bemerkt, sodass kein Grund zum Anhalten bestanden habe. Erst zu Hause habe er festgestellt, dass der rechte Außenspiegel verstellt gewesen sei, was ihn zu der Meinung veranlasst habe, er könnte mit einem Mädchen "eine Berührung gehabt haben", vermutlich mit dem mit der Ellbogenverletzung. Das andere Mädchen könne er gar nicht angefahren haben, weil dieses ohnehin ganz rechts gegangen sei.

Die beiden Zeuginnen gaben beim Strafamt der BPD Linz (Rechtshilfebehörde) nach Belehrung über die gemäß § 289 StGB strafrechtlich sanktionierte Wahrheitspflicht inhaltlich übereinstimmend aber unabhängig voneinander an, sie seien nicht neben- sondern schon wegen der Hupzeichen hintereinander gegangen. Sie seien beide gestreift worden. Die Zeugin S gab an, sie sei letztlich glücklicherweise nicht verletzt worden. Die Zeugin H bestätigte, sie sei vor der Zeugin S gegangen und bei der Streifung im Bereich des linken Knies und am linken Oberschenkel verletzt worden. Beide bestätigten, der Lenker müsse die Streifung bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerkt haben.

Laut Benachrichtigung des Bezirksgerichtes Kirchdorf/Krems, 1U 5/01 z, wurde der Bw am 9. Februar 2001 wegen § 88 Abs.1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.

Laut Gutachten des technischen Amtssachverständigen Ing. R H vom 12.9.2001, BauME-010000/4449-2001-Hag, in dem dieser nach der Verantwortung des Bw davon ausging, dass der Außenspiegel bei zwei kurzen Streifkollisionen verstellt wurde, wurde das Geräusch in unmittelbarer Nähe des Lenkers eingeleitet. Das Streifgeräusch eines Außenspiegels, bei dem dieser verstellt werde, sei auf Grund seines Frequenz-Zeitmusters vom Betriebsgeräusch des Fahrzeuges gut unterscheidbar und daher für den Lenker wahrnehmbar. Der Sachverständige kommt zum Ergebnis, dass der Bw bei der der Situation angemessenen Aufmerksamkeit die Streifung der Fußgänger akustisch wahrnehmen hätte müssen.

Im Rahmen des Parteiengehörs hat der Bw am 24.9.2001 bei der Erstinstanz darauf bestanden, unschuldig verurteilt worden zu sein. Ihm sei bei Gericht gesagt worden, die Sache sei erledigt, es gebe in Österreich keine Doppelbestrafung. Deshalb habe er auch auf ein Rechtsmittel verzichtet. Bei Gericht habe der Anwalt gesagt, das Mädchen habe mit dem Fuß die Stoßstange berührt; das habe er jedenfalls nicht bemerkt. Im Übrigen habe ihn nur mehr ein Mädchen beschuldigt. Das Gutachten sei aus der Luft gegriffen.

Daraufhin erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, in dem dem Bw zur Last gelegt wurde, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, an dem er ursächlich beteiligt gewesen sei, nicht sofort angehalten zu haben und nicht die nächste Sicherheitsdienststelle sofort davon verständigt zu haben.

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat sind die Aussagen der beiden Zeuginnen vom Ablauf des Geschehens her nachvollziehbar und daher glaubwürdig, insbesondere auch aus der Überlegung heraus, dass der Bw vor der Gendarmerie bestätigt hat, er habe die Streifung sehr wohl bemerkt, ihr aber keine (so weitreichenden) Konsequenzen beigemessen. Seine Aussage vor der Erstinstanz lautet insofern anders, als er dort gar nichts von einer Streifung bemerkt haben will, wohl aber zugesteht, der Spiegel sei sogar verstellt worden. Geht man aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon aus, dass ein Pkw-Außenspiegel nicht schon bei einer "leisen Berührung" verstellt wird, sondern dazu ein nicht geringer Widerstand erforderlich ist - wobei "Kunststoff gegen Oberarm" bzw "Kunststoff gegen Oberschenkel" eher ungleiche Kräfteverhältnisse darstellen - besteht kein Zweifel, dass einem Pkw-Lenker eine solche Streifung unbedingt auffallen muss.

Dass sich die Zeugin H die gegenständliche Verletzung beim in Rede stehenden Verkehrsunfall zugezogen hat, steht auf Grund des rechtskräftigen Gerichtsurteils, an das der Unabhängige Verwaltungssenat gebunden ist, fest - gleichgültig aus welchen Überlegungen heraus der Bw kein Rechtsmittel dagegen erhoben hat.

Es ist aber nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates schon deshalb jedenfalls davon auszugehen, dass der Bw die Streifung bemerkt haben muss, weil diese im Bereich des rechten Außenspiegels, also im unmittelbaren Sichtbereich des Lenkers, stattgefunden hat, wobei offensichtlich ist, dass der Bw einen nur geringen Abstand zu den beiden Zeuginnen eingehalten hat. Eine Gutachtensergänzung zur Wahrnehmbarkeit einer Streifung trotz der vom Bw selbst abgegebenen Hupzeichen erübrigt sich daher ebenso wie die Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Frage, warum welche Zeugin welche Verletzung nicht erlitten haben kann und ob sie nicht doch simuliert haben könnte. Dass die Zeugin S selbst angegeben hat, sie sei trotz Streifung am Ellbogen doch nicht verletzt worden, ist nach eigenen Angaben des Bw im Gerichtsverfahren, bei dem ihm ja Körperverletzung im Sinne des § 88 Abs.1 StGB angelastet wurde, zu seinen Gunsten berücksichtigt worden.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, (ferner) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Anhalte- und für die Meldepflicht nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Personenschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von einem derartigen Schadenseintritt. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH v 6.7.1984, 82/02A/0072, VwGH v 17.10.1980, 159/80, uva).

Diese objektiven Umstände sind im gegenständlichen Fall darin zu sehen, dass der Bw schon aus einiger Entfernung bemerkte, dass vor dem Blumengeschäft ein Lkw auf dem Gehsteig abgestellt war und die beiden Fußgängerinnen, denen ein anderes Ausweichen unmöglich war, gezwungen waren, die Fahrbahn links vom Lkw zu benützen, um ihren Weg fortsetzen zu können, was naturgemäß die für eine Durchfahrt mit einem Pkw erforderliche Breite der Pstraße beeinträchtigt hat. In dieser Verkehrssituation befand sich der Bw, dem auch bekannt sein musste, dass beim Vorbeifahren an Fußgängern ein entsprechender seitlicher Sicherheitsabstand einzuhalten ist, der bei gleichzeitiger Kontaktaufnahme (etwa durch Hupen) bei jedenfalls mindestens einem halben Meter liegt (vgl sogar OGH v 12.1.1982, 2 Ob 214/81). Da ein Fahrzeuglenker sein Verhalten jedenfalls so einzurichten hat, dass er keinen Fußgänger gefährdet oder behindert, hat er auch darauf zu achten, wie sich diese Fußgänger bewegen, um gegebenenfalls ausweichen oder erforderlichenfalls sogar anhalten zu können, insbesondere wenn vorauszusehen ist, dass der Sicherheitsabstand mangels erforderlicher verbleibender Fahrbahnbreite nicht einzuhalten sein wird.

Der Bw hat diese Überlegungen offenbar gar nicht erst angestellt, sondern nach eigenen Angaben sofort nachhaltig und kräftigst zu hupen begonnen, obwohl kein Zweifel bestehen konnte, dass die Zeuginnen die Fahrbahn nur kurzzeitig zum Ausweichen benützen. Er hat nach eigenen Angaben dieses Hupen auch nicht abgebrochen, als er bemerkte, dass beide äußerst neben den abgestellten Lkw auswichen, sondern - offenbar als "erzieherische" Maßnahme - selbst bei der von ihm bemerkten Streifung der hinten gehenden Zeugin Seidl am Arm nicht zu hupen aufgehört. Dass die Zeuginnen für ihren Weg eine größere Breite der Fahrbahn in Anspruch genommen hätten als von ihm erwartet oder sie sonst wie ausladende Bewegungen gemacht hätten, hat nicht einmal der Bw behauptet. Es ist daher davon auszugehen, dass er zum einen keinesfalls den erforderlichen Sicherheitsabstand von den Zeuginnen eingehalten hat und ihm zum anderen auch noch die Streifung der Zeugin Seidl aufgefallen ist, die sogar ein Verstellen des im Sichtbereich des Bw befindlichen rechten Außenspiegels zur Folge hatte, was für den Bw jedenfalls hör- und sichtbar sein musste, zumal er durch sein Fahrverhalten eine gefährliche Situation auslöste, bei der er verpflichtet war, sich zu vergewissern, ob dadurch nicht ein (Personen)schaden entstanden ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Lenker eines Fahrzeuges den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und in bestimmten Verkehrssituationen durch einen Blick in den Rückspiegel oder auch durch einen Blick über die Schulter das hinter ihm liegende Verkehrsgeschehen zu beobachten (vgl Erk v 17.4.1991, 90/02/0209).

Im gegenständlichen Fall musste sich der Bw gar nicht erst umdrehen, sondern nur der rechten Seite seines Pkw, nämlich der, die sich in wesentlich zu geringem Abstand zu den Fußgängerinnen befand, seine volle Aufmerksamkeit zuwenden. Dabei hätte ihm unbedingt auffallen müssen, dass er mit einem Teil der Karosserie - sei es mit dem Spiegel oder sogar mit dem Kotflügel oder der Stoßstange - eine oder beide Zeuginnen massiv gestreift hat. Davon ist wegen des Verstellens des rechten Außenspiegels zweifelsfrei auszugehen. Er wäre daher schon auf Grund seines gefährdenden Vorverhaltens verpflichtet gewesen, sich in geeigneter Weise zu überzeugen und Gewissheit zu verschaffen, dass bei seinem Fahrmanöver keine der Fußgängerinnen geschädigt wurde (vgl VwGH v 28. März 1990, 89/03/0301).

Der Bw wäre zu diesem Zweck verpflichtet gewesen, den Pkw sofort, dh im Bereich der Unfallstelle, anzuhalten, um die Zeuginnen selbst befragen zu können, ob sie durch die Streifung verletzt wurden, und nicht auf unsubstantiierte Vermutungen und abqualifizierende Schlüsse angewiesen zu sein. Er hat jedoch die Fahrt fortgesetzt, ohne sich in irgendeiner Weise damit auseinander zu setzen.

In gleicher Weise hätte sich der Bw Gewissheit verschaffen müssen, dass kein Verkehrsunfall mit Personenschaden vorlag - nur das hätte ihn von der Meldepflicht befreit. Bei entsprechender Befragung wäre dem Bw bewusst geworden, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Personenschaden handelt, wobei die Meldung an die nächste Sicherheitsdienststelle, dh im gegenständlichen Fall dem GP Kirchdorf, sofort zu erfolgen gehabt hätte und auch bei Vorliegen "nicht nennenswerter" oder "geringfügiger" Verletzungen (vgl VwGH v 20. April 1988, 87/02/0118, ua) unabhängig vom Verschulden am Zustandekommen des Unfalls bestanden hätte (vgl VwGH v 12. April 1973, 1833/72). Erst wenn keine äußeren Verletzungen erkennbar sind und die Frage nach Verletzungen verneint wird, besteht keine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.2 2. Satz StVO (vgl VwGH v 11. Mai 1984, 83/02/0515).

Die Überlegungen des Bw, ob eine Körperverletzung zwingender weise die Folge des Zurückklappens des Außenspiegels sein muss, und der Ausschluss einer solchen (für ihn nachteiligen) Alternative nach seinem Dafürhalten waren nicht geeignet, ihn zu entlasten.

Er hat daher die ihm zur Last gelegten Tatbestände zweifellos erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Eine Doppelbestrafung liegt schon deshalb nicht vor, weil Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens die Körperverletzung gemäß § 88 Abs.1 StGB war, Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens jedoch die Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, die wiederum nicht Tatbestände von in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen verwirklichen ( § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960).

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat die vom Bw selbst genannten finanziellen Verhältnisse berücksichtigt, die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw als mildernd und nichts als erschwerend gewertet, wobei allerdings der Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen als nicht geringfügig angesehen wurde.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung gemäß den Kriterien des § 19 VStG zustehenden Ermessenspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Weitere Milderungs- oder Erschwerungsgründe wurden nicht behauptet und wurden auch nicht offenkundig. Die Herabsetzung der ohnedies geringen Strafe war daher nicht gerechtfertigt. Die verhängte Strafe hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand; sie soll den Bw vor allem zum Überdenken seiner Einstellung im Hinblick auf Rücksichtnahme auf andere Straßenbenützer, insbesondere Fußgänger ohne "Knautschzone", bewegen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist jeweils im Verhältnis zur Geldstrafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Streifung von Fußgängern mit rechtem Außenspiegel musste der Bw bemerken + sich Gewissheit verschaffen, dass kein Verkehrsunfall mit Personenschaden vorlag à Bestätigung.

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