Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107947/5/SR/Ri

Linz, 04.12.2001

VwSen-107947/5/SR/Ri Linz, am 4. Dezember 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer, Vorsitzender: Mag. Kisch, Berichter: Mag. Stierschneider, Beisitzerin: Mag. Bissenberger, über die Berufung des M L, L, Gstraße, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 10. Oktober 2001, AZ.: S-23908/01-3, wegen Übertretung des Führerscheingesetzes (im Folgenden: FSG), zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000- AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z3 und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000- VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben, wie am 5.1.2001 um 22.25 Uhr in Linz, Zstraße ggü. Nr. festgestellt wurde, das Kfz, Kz. gelenkt, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten, gültigen Lenkberechtigung der Klasse "B" zu sein.

Übertretene Rechtsvorschrift: § 1 Abs.3 FSG

Strafnorm: § 37 Abs.1 FSG iVm § 37 Abs.3 Zif.1 FSG

verhängte Geldstrafe: S 20.000,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Tage

Verfahrenskosten § 64 VStG: S 2.000,--

Gesamtbetrag: S 22.000,-- (= € 1.598,80)

Außerdem haben Sie im Falle der Ableistung der (Ersatz)-Freiheitsstrafe die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

2. Gegen dieses dem Bw am 15. Oktober 2001 in der Justizanstalt Linz zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass der strafbare Tatbestand von einem Organ der Straßenaufsicht im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einwandfrei festgestellt werden konnte. Aufgrund der eigenen dienstlichen Wahrnehmung stünde fest, dass der Bw die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen hat.

2.2. Dagegen bringt der Bw vor, dass er das gegenständliche Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt nicht gelenkt habe. Es sei zum erwähnten Zeitpunkt auch keine Lenkerkontrolle durchgeführt worden. Die Anschuldigungen von Frau G seien nicht glaubwürdig. Deren Aussagen wären auch im Gerichtsverfahren als "fragwürdig" eingestuft worden.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung und den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in den Vorlageakt Einsicht gehalten. Betreffend der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels wurden in der JA Linz Erhebungen durchgeführt. Mangels entsprechender Aufzeichnungen und abstellend auf die übliche Praxis bei Absendungen der Häftlingspost ist von der Rechtzeitigkeit der Berufung auszugehen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 969).

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit konkretisiert umschrieben werden muss.

Dem gegenständlichen Spruch kann jedoch nicht entnommen werden, wann und wo der Bw das gegenständliche Kraftfahrzeug gelenkt hat. In Zusammensicht mit der Begründung wird aktenwidrig angenommen, dass die Verwaltungsübertretung "durch eigene dienstliche Wahrnehmung eines Organes der Straßenaufsicht" im "Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle einwandfrei" festgestellt worden ist. Tatsächlich lässt sich dem Vorlageakt nur die Aussage der Zulassungsbesitzerin entnehmen, die von einem Überlassen des Kfz gesprochen hat. Wann, wo und von wem das Kfz schlussendlich gelenkt worden ist, kommt im Verwaltungsstrafakt nicht zum Ausdruck.

4.3. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs.2 leg.cit. - abgesehen von im Zusammenhang nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen - sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Nach § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigtengerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z2 VStG beziehen muss (siehe dazu die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073, und vom selben Tag, Zl. 86/18/0077).

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

Innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs.2 VStG wurden von der Behörde erster Instanz gegen den Bw Verfolgungshandlungen gesetzt, die weder den Tatzeitpunkt noch den Tatort umfasst haben. Dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt ist nicht nur innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG sondern auch bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses keine gesetzeskonforme Verfolgungshandlung zu entnehmen.

4.4. Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, da Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

5. Der Bw hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Kisch

Beschlagwortung: Tatortkonkretisierung, Tatzeit, Anlastung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum