Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-240232/2/WEI/Bk

Linz, 28.01.1998

VwSen-240232/2/WEI/Bk Linz, am 28. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Ing. H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Dezember 1996, Zl. SanRB 96-67-1996-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl Nr. 756/1992) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen und insofern das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Im Strafausspruch wird der Berufung Folge gegeben, die nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 zu bemessende Geldstrafe auf S 4.000,-- und die für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe auf 54 Stunden herabgesetzt.

III. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu Kosten des Strafverfahrens. Im Strafverfahren erster Instanz reduziert sich der Kostenbeitrag auf S 400,--. Gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 hat der Berufungswerber die Untersuchungskosten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Wien zu U-Zl.: 1405/95 A in Höhe von S 313,-- zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 10. Dezember 1996 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ - handelsrechtlicher Geschäftsführer - der Firma S am 15.2.1995 vom Betrieb der vorgenannten Firma in H, durch die Spedition R an die Firma L Warenhandels GmbH, in , (Z-Filiale), 9 Packungen "Hendlflügel frisch", geliefert und damit in Verkehr gebracht, ohne dieses verpackte Lebensmittel der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 entsprechend gekennzeichnet zu haben, zumal anstelle der auf der Etikette gemachten Angaben: "mindestens haltbar bis: 17.02.95" das Verbrauchsdatum mit den Worten "verbrauchen bis ..." anzugeben gewesen wäre, da diese Ware laut Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt in 1030 Wien, UZ.: 1405/95 A, als im Sinne des § 5 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblich gilt, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnte." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde den § 1 Abs 1 iVm § 5 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (BGBl Nr. 72/1993) iVm § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 9.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 121 Stunden.

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde ein Betrag von S 900,-- und als Ersatz der Untersuchungskosten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt in Wien zu UZ.: 1405/95 A wurde der Betrag von S 312,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters am 16. Dezember 1996 zugestellt wurde, richtet sich die am 27. Dezember 1996 rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 23. Dezember 1996, mit der primär die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und hilfsweise ein Absehen von der Strafe nach dem § 21 VStG beantragt wird.

2.1. Der im wesentlichen unbestrittene Sachverhalt ergibt sich aus dem Spruch und ist im einzelnen dem angefochtenen Straferkenntnis zu entnehmen. Auf die Feststellungen der belangten Strafbehörde wird verwiesen. Dem Schuldspruch liegt eine Anzeige der Magistratsabteilung 59 (Marktamtsabteilung für den 16. Bezirk) des Amtes der Wiener Landesregierung vom 14. Juni 1995 zugrunde, mit der das amtliche Untersuchungszeugnis zur U-Zahl: 1405/95 A (Probenbezeichnung: "PICO HENDLFLÜGEL FRISCH") der magistratseigenen Lebensmitteluntersuchungsanstalt vom 30. Mai 1995 übermittelt wurde. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Februar 1996 hat die belangte Behörde dem Bw die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet. Mit Eingabe vom 19. Februar 1996 bekannte sich der Bw zu seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, berief sich aber in der Sache auf die mit Rundschreiben vom 14. Juli 1994, RS Nr. 49/1994, mitgeteilte Rechtsansicht des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie Österreichs. Danach ergäbe eine EU-konforme Interpretation des § 5 LMKV 1993, daß Produkte, die mindestens 3 Tage oder länger haltbar sind, zulässigerweise mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu kennzeichnen wären (vgl Rundschreiben, Seite 2 Punkt 2.1.). Eine Kennzeichnung im Vertrauen auf das Rundschreiben des Fachverbandes könne keine Übertretung der LMKV darstellen.

Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 10. Dezember 1996.

2.2. In der Berufung werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften als Berufungsgründe geltend gemacht.

Nach Wiedergabe des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses behauptet die Berufung, daß mehrere Strafen verhängt worden wären. Die belangte Behörde wäre offensichtlich davon ausgegangen, daß durch das Inverkehrbringen von 9 Packungen auch 9 Verwaltungsübertretungen begangen worden wären. Demgegenüber könne durch die Lieferung von 9 Packungen nur eine Verwaltungsübertretung vorliegen, da sich die Handlungseinheit schon aus dem Wortlaut der gesetzlichen Umschreibung der strafbaren Handlung ergebe. Jedenfalls wäre aber ein fortgesetztes Delikt anzunehmen, da die 9 Packungen aus einer einzigen Lieferung stammten. Es sei nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang, sondern sogar Gleichzeitigkeit gegeben. Der Annahme eines fortgesetzten Delikts stünde auch nicht die fahrlässige Begehungsweise entgegen, da das Kennzeichnen und Inverkehrbringen von einem Gesamtvorsatz getragen gewesen wäre. Die Tathandlung - das Kennzeichnen mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum - wäre vorsätzlich, allerdings in Verkennung der Rechtslage erfolgt.

Die Berufung wendet sich weiters gegen die strafbehördliche Annahme einer gewissen Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit aufgrund der Vielzahl der eingelangten ähnlichen Anzeigen. Die anhängigen Strafverfahren wären dem Bw teilweise gar nicht bekannt gewesen. Die ersten die strafbehördliche Rechtsansicht bestätigenden Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wären dem Bw erst am 15. November 1996 (VwSen-240172/3, 240173/5, 240174/5/Wei/Bk) und am 19. November 1996 (VwSen-240175/5/Wei/Bk) zugestellt worden. Auch die Vorwürfe in diesen Erkenntnissen wären nur als ein zusammenzufassendes fortgesetztes Delikt zu bewerten gewesen. Die belangte Behörde hätte offensichtlich derartige Überlegungen nicht angestellt, sondern unzulässigerweise aus der Vielzahl der Verfahren auf Unbelehrbarkeit und Beharrlichkeit geschlossen.

Die Etiketten der S wären schon seit geraumer Zeit mit einem Verbrauchsdatum ("verbrauchen bis ...") bedruckt. Diese Umstellung wäre bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, als dem Bw bewußt wurde, daß die Rechtsansicht des Verbandes der Fleischwarenindustrie zur Angabe eines Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatums von der Ansicht des BMGKS abweicht. Vor der rechtskräftigen Entscheidung der Sache könnte dem Bw nicht angelastet werden, daß er auf die Rechtsansicht des Verbandes der Fleischwarenindustrie, die in einem Rundschreiben an alle fleischverarbeitenden Betriebe ausgesendet wurde, vertraut habe. Die Vielzahl der ähnlichen Anzeigen ergäbe sich aus einem kurzen Zeitraum. Von Unbelehrbarkeit oder Beharrlichkeit könne keine Rede sein.

Die Strafe von S 9.000,-- sei jedenfalls zu hoch bemessen. Die Vielzahl der ähnlichen Anzeigen wäre straferschwerend angerechnet worden, obwohl gemäß § 33 Z 2 StGB nur die Verurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat als straferschwerend anzusehen sei, wobei diese im Zeitpunkt der neuen Tat rechtskräftig gewesen sein müßte.

Da im konkreten Fall nur eine Verwaltungsübertretung vorliege, sei der Beurteilungsmaßstab der Strafzumessung anhand der Anzahl der in Verkehr gebrachten Packungen jedenfalls ungeeignet. Die Unsachlichkeit sei klar ersichtlich, wenn man sich vor Augen halte, daß bei der Lieferung von 25 oder mehr Packungen bereits die Höchststrafe zu verhängen wäre, sofern nicht besondere Milderungsgründe vorliegen.

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und im Vorlageschreiben bemerkt, daß sie im Hinblick auf die h. Vorerkenntnisse die Anzahl der in Verkehr gebrachten fehlbezeichneten Packungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu den Parallelverfahren bei der Wertung der Unrechtmäßigkeit berücksichtigt hätte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß im wesentlichen strittige Rechtsfragen zu beurteilen sind. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 begeht im Falle der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Die verfahrensrelevante LMKV 1993 wurde nach ihrer Präambel auf Grund der §§ 7 Abs 2, 10 Abs 1 und 19 Abs 1 LMG 1975 erlassen. Sie hat demnach ihre Grundlage in gesetzlichen Vorschriften, die entweder unter die Blankettstrafnorm des § 74 Abs 4 Z 1 oder unter die des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 fallen. Im Hinblick auf zwei in Betracht kommende gesetzliche Strafbestimmungen mit verschiedenen Strafrahmen muß bei Heranziehung von Gebots- oder Verbotsnormen der LMKV 1993 genau differenziert werden, welche Bestimmung auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht.

Die Gebotsnormen der §§ 4 und 5 LMKV 1993 betreffen erkennbar die bloße Kennzeichnung von verpackten Waren, die für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993). Sie haben ihre gesetzliche Grundlage im § 19 LMG 1975, der die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen regelt und eine Verordnungsermächtigung enthält. Hingegen ermächtigt der § 10 LMG 1975 den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz besondere Vorschriften für das Inverkehrbringen mit Verordnung zu erlassen, die zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten sind. Dabei geht es an sich nicht um bloße Kennzeichnungsvorschriften. Beim Schutz des Verbrauchers vor Täuschung bestehen aber fließende Übergänge zur Kennzeichnung. Die LMKV 1993 gibt demnach auch den § 10 LMG 1975 als gesetzliche Grundlage an. Die gegenständlich maßgeblichen §§ 4 und 5 LMKV 1993 regeln die Kennzeichnung iSd § 19 LMG 1975. Die belangte Behörde hatte daher die Strafnorm des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 heranzuziehen.

4.2. Nach dem § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993), sofern die §§ 5 bis 7 dieser Verordnung nichts anderes bestimmen, bestimmte Kennzeichnungselemente zu enthalten, die in mehreren Ziffern ausführlich beschrieben werden. § 4 Z 5 schreibt die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums - das ist nach der einleitenden Begriffsbestimmung jener Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält, - mit den Worten: "mindestens haltbar bis ..." vor.

Gemäß dem § 5 LMKV 1993 ist bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Waren, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, anstelle des Mindesthaltbarkeitsdatums nach § 4 Z 5 LMKV 1993 das Verbrauchsdatum mit den Worten: "verbrauchen bis ..." anzugeben.

Diese Unterscheidung zwischen Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum folgt auch aus Art 3 Abs 1 Z 4 und Art 9a Abs 1 der EU-Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie des Rates 79/112/EWG vom 18.12.1978 idgF, zitiert bei Feil, Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Band: Kennzeichnungsvorschriften [1995], 27 ff). Nach Art 2 Abs 1 lit a) EU-Etikettierungsrichtlinie darf die Etikettierung nicht geeignet sein, den Käufer über Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Die differenzierte Angabe zur Haltbarkeit von Waren dient offenbar der besseren Information der Verbraucher. Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, so ist deshalb die Ware noch nicht verdorben. Auch wenn das Lebensmittel bereits kurz nach Fristablauf wertgemindert sein kann, weil seine spezifischen Eigenschaften nicht mehr zur Gänze vorliegen, kann es dennoch ohne Gefahr für die Gesundheit konsumiert werden. Anders verhält es sich bei mikrobiologisch sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die mit einer Verbrauchsfrist zu kennzeichnen sind. Ist das Verbrauchsdatum abgelaufen, so ist wegen der unmittelbaren Gesundheitsgefahr vom Konsum schlechthin abzuraten.

4.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hatte in den vorangegangenen vier Berufungsverfahren zu den Zlen. VwSen-240172 bis 240175/1996 eine vollständige Kopie des Erlasses des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (BMGSK) vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94, sowie eine Kopie des Erlasses des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz (BMGK) vom 10. Februar 1995, Zl. 32.014/0-III/B/1/95, beigeschafft, weil sich der Bw unter sinngemäßer Einwendung eines entschuldigenden Rechtsirrtums auch auf diese Erlässe berufen hatte. Beide Erlässe gingen an die beteiligten Fachkreise. Der in erster Linie bedeutsame Erlaß vom 16. Juni 1994, mit dem der BMGSK die Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses zur Angabe des Verbrauchsdatums iSd § 5 LMKV kundmachte, wurde auch in den "Mitteilungen der österreichischen Sanitätsverwaltung", Heft Nr. 7-8/1994 veröffentlicht. Wie aus dem vom Bw vorgelegten Schreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie hervorgeht, wurde dieser erste Erlaß des BMGSK mit Rundschreiben Nr. 46/1994 vom 4. Juli 1994 an alle Betriebe versendet. Dem Bw mußte er daher vollinhaltlich bekannt gewesen sein.

Zur Unhaltbarkeit der Auslegung der Kennzeichnungsfrage nach § 5 LMKV im Rundschreiben Nr. 49/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 14. Juli 1994, das sich auf das zuvor mit Rundschreiben Nr. 46/1994 versendete "erlaßmäßige Schreiben" des BMGSK (gemeint: Erlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94) und dessen Behandlung durch das Plenum der Codexkommission in der Sitzung am 6. Juli 1994 bezieht, hat der erkennende Verwaltungssenat in seinen Vorerkenntnissen schon eingehend Stellung genommen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im einzelnen auf diese den Parteien bekannten Entscheidungen verwiesen. Die vorliegende Berufung hält diesen verfehlten Rechtsstandpunkt zwar nicht mehr aufrecht, vertritt aber nach wie vor die Ansicht, der Bw hätte bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Frage auf die Rechtsansicht des Verbandes der Fleischwarenindustrie vertrauen dürfen. Mit dieser Behauptung will die Berufung möglicherweise abermals einen entschuldigenden Rechtsirrtum iSd § 5 Abs 2 VStG oder zumindest mangelnde Fahrlässigkeitsschuld geltend machen, weshalb die nachstehenden Klarstellungen erforderlich erscheinen.

4.3.1. Die vom Verband der Fleischwarenindustrie vertretene Grenzziehung, wonach bei mindestens 3 Tagen Haltbarkeit eines Produktes die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums zulässig wäre, erschien dem erkennenden Verwaltungssenat willkürlich und unhaltbar. Aus der Anlage mit dem Titel "Verbrauchsfristen" des versendeten Runderlasses des BMGKS vom 16. Juni 1994 war eindeutig abzuleiten, daß die dort aufgelisteten Fleischwaren, unter denen sich auch rohes Hühnerfleisch befand, nach der Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses jedenfalls als in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliche Waren iSd § 5 LMKV 1993 anzusehen sind, weshalb Verbrauchsfristen und nicht Mindesthaltbarkeitsfristen anzugeben sind. Die Anlage des Erlasses listete zunächst das in mikrobieller Hinsicht sehr leicht verderbliche Fleisch auf und ordnete dann dem jeweiligen Punkt eine Verbrauchsfrist einschließlich dem Verpackungstag zu. Dem Buchstaben f) "rohe Hühner, ganz oder in Teilstücken, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet), ausgenommen Junges, Innereien und Flügel;" wurden 5 Tage, dem Buchstaben g) "Flügel, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet);" wurden 3 Tage und dem Buchstaben h) "Junges und Innereien, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet)." wurden ebenfalls 3 Tage Verbrauchsfrist zugeordnet. Die Unvertretbarkeit der Grenze von 3 Tagen folgte schon einfach daraus, daß in der Anlage des Runderlasses des BMGSK selbst eine Frist von 5 Tagen noch als Verbrauchsfrist nach dem § 5 LMKV angegeben wird. Außerdem war nicht einmal ansatzweise ein sachliches Kriterium für die Auslegung im Rundschreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie erkennbar. Lebensmittel, denen ein Verbrauchsdatum zuzuordnen ist, können nicht allein durch kurze Haltbarkeitsfristen charakterisiert werden. Die Angabe von Verbrauchsfristen trägt vielmehr auch dem Umstand Rechnung, daß bei mikrobiologisch sehr leicht verderblichen Waren bereits unmittelbar nach Ablauf der meist kurzen Haltbarkeitsfrist eine besondere Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht.

Nur der Vollständigkeit halber ist noch auf den Erlaß des BMGK vom 10. Februar 1995, Zl. 32.014/0-III/B/1/95, zu verweisen, dessen Klarstellungen in Wahrheit schon bei objektiver Auslegung des ministeriellen Runderlasses vom 16. Juni 1994 folgen. Im Punkt 1) dieses Erlasses wird unter Hinweis auf § 54 LMG 1975 zutreffend betont, daß es zur Auslegung des § 5 LMKV des Fachwissens einschlägiger Hygieneexperten bedarf. Deshalb wurde mit dem Runderlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994 die maßgebende Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses den beteiligten Verkehrskreisen bekanntgegeben. Der Erlaß vom 10. Februar 1995 stellt noch einmal klar, daß bei sämtlichen vom Ständigen Hygieneausschuß aufgezählten Fleischwaren ein Verbrauchsdatum zuzuordnen ist. Dieser Ausschuß beschränkte sich auf die Nennung jener sehr leicht verderblichen Waren, die unbestrittenermaßen "nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten" (§ 5 LMKV 1993). Lediglich bei der Angabe der Verbrauchsfristen handelte es sich um Durchschnittswerte zur Orientierung, die im Einzelfall nach entsprechenden praxisnahen Lagerversuchen angepaßt werden können. Insofern besteht nach diesem Erlaß im Hinblick auf die Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses eine Umkehr der Beweislast.

Auch nach der unmittelbar anwendbaren Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (ABl Nr. L 173 vom 6.7.1990), wird frisches Geflügelfleisch unter mikrobiologischen Gesichtspunkten als sehr leicht verderbliches Lebensmittel eingestuft, bei dem es angezeigt ist, das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum zu ersetzen. Art 5 Abs 2 dieser Verordnung sieht daher ausdrücklich die Kennzeichnung von frischem Geflügelfleisch gemäß Art 9a Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG mittels Verbrauchsdatums vor (vgl näher zu den EU-Rechtsgrundlagen Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Teil II A Kennzeichnungsrecht, Komm zu § 5 LMKV, 100 f).

4.3.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A [1996], 778 ff) entschuldigt die irrige Auslegung oder Unkenntnis des Gesetzes nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet war und der Irrende trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt das Unrecht nicht einsehen konnte (vgl auch § 5 Abs 2 VStG). Kann nach dem gesamten Verhalten nicht angenommen werden, daß der Irrtum unverschuldet war und der Beschuldigte das Unerlaubte nicht einsehen konnte, so scheidet ein entschuldigender Rechtsirrtum aus. Das gilt vor allem auch dann, wenn es Sache des Beschuldigten gewesen wäre, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel eine kompetente Rechtsauskunft einzuholen. Bei Gewerbetreibenden oder sonstigen Unternehmern und Bewilligungsinhabern nimmt die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig eine aus der Tätigkeit folgende Erkundigungspflicht an (vgl dazu Hauer/Leukauf, aaO, 781, E 22 ff zu § 5 Abs 2 VStG). Der bloße Umstand, daß in einer bestimmten Rechtsfrage Rechtsunsicherheit herrscht, berechtigt nicht dazu, sich ohne weitere Nachforschungen für die günstigste Variante zu entscheiden. Vielmehr hat sich der Beschuldigte einschlägig zu informieren und unrichtige amtliche Auskünfte nachzuweisen, die zu seiner unzutreffenden Rechtsmeinung führen konnten (vgl VwGH 15.12.1994, 94/09/0091 und 94/09/0092).

Wie schon in seinen Vorerkenntnissen kann der erkennende Verwaltungssenat auch nunmehr weder aus der Aktenlage noch nach dem Berufungsvorbringen einen entschuldigenden Rechtsirrtum oder sonst mangelndes Verschulden des Bw erkennen. Die Rechtsansicht zur Kennzeichnung von Waren mit Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsfrist im Rundschreiben Nr. 49/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 14. Juli 1994 war unvertretbar. Der Bw mußte den anderslautenden Runderlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994 gekannt haben, da er ihm mit Rundschreiben Nr. 46/1994 des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 4. Juli 1994 übermittelt worden war. Bei sorgfältiger Lektüre dieses eindeutig auf die einschlägige Kennzeichnungsvorschrift des § 5 LMKV 1993 Bezug nehmenden Runderlasses samt der Anlage "Verbrauchsfristen" hätte der Bw ganz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung des Verbandes der Fleischwarenindustrie hegen müssen, die ihn verpflichtet hätten, sich durch geeignete Erkundigungen Gewißheit zu verschaffen. Beispielsweise hätte er leicht beim BMGSK die genaue Bedeutung des Runderlasses erfragen können. Im übrigen wäre zu erwarten gewesen, daß ihm als Betriebsleiter eines Geflügel verarbeitenden Unternehmens die einschlägige Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26. Juni 1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch geläufig ist. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er die Unhaltbarkeit der Rechtsmeinung des Verbandes der Fleischwarenindustrie zur Frage der sehr leichten Verderblichkeit von Lebensmitteln zumindest in bezug auf frisches Geflügelfleisch sofort erkannt. Demnach hat der Bw keinesfalls jene Sorgfalt walten lassen, die von ihm zu erwarten und ihm nach seinen Verhältnissen auch zumutbar gewesen wäre. Er durfte sich keineswegs blind auf die bedenkliche Rechtsmeinung seiner Interessenvertretung verlassen, sondern hätte sich selbst mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und dem Runderlaß des BMGSK nötigenfalls unter Beiziehung von Fachleuten auseinandersetzen müssen. Dies gilt umso mehr, als ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit unbedingt bewußt sein mußte, daß die im zitierten Ministerialerlaß veröffentlichte Meinung des Ständigen Hygieneausschusses offenbar von der seiner Interessenvertretung stark abweicht. Mangels gehöriger Auseinandersetzung mit dem Problem kann sich der Bw auf keinen relevanten Rechtsirrtum berufen.

4.4. Unzutreffend ist das Vorbringen des Bw, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis mehrere Strafen verhängt und offensichtlich davon ausgegangen wäre, daß durch das Inverkehrbringen von 9 Packungen "Hendlflügel frisch" auch 9 Verwaltungsübertretungen begangen worden wären. Wie dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses klar zu entnehmen ist, hat die Strafbehörde tatsächlich nur eine einzige Verwaltungsübertretung angenommen und auch eine einheitliche Strafe in Höhe von S 9.000,-- verhängt. Daß die gleichzeitige Auslieferung von gleichartiger Ware mit falscher Kennzeichnung ein einheitliches Tatgeschehen und damit nur eine Verwaltungsübertretung darstellt, kann nicht zweifelhaft sein. Auf die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts war insofern nicht abzustellen. Die Rüge des Bw geht, soweit sie den Schuldspruch betrifft, jedenfalls ins Leere.

Im Rahmen der Strafbemessung hat die belangte Behörde die Anzahl der fälschlich mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum in Verkehr gebrachten Packungen des Produkts "Hendlflügel frisch" dem Grunde nach mit Recht berücksichtigt. Grundlage für die Strafbemessung ist nach § 19 Abs 1 VStG das Ausmaß der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient. Auch der im ordentlichen Verfahren gemäß § 19 Abs 2 VStG analog anwendbare § 32 Abs 3 StGB bestimmt, daß die Strafe im allgemeinen umso strenger zu bemessen ist, je größer die vom Täter herbeigeführte Schädigung oder Gefährdung ist und je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt hat. Die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall zeigt, daß es für das Gewicht der vorgeworfenen Tat auf die Menge des mit unzutreffender Kennzeichnung in Verkehr gebrachten Produkts ankommen muß. Diese Menge kann nach dem Gewicht oder nach der Anzahl der Packungen bestimmt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß bei kleineren Packungen die Pflicht zur richtigen Kennzeichnung umso öfter verletzt wird.

Die rechnerische Zuordnung von je S 1.000,-- pro falsch gekennzeichneter Packung durch die belangte Strafbehörde bedeutete nicht die Annahme mehrerer Verwaltungsübertretungen, sondern hatte nur den Zweck die Verhältnismäßigkeit der Strafen zueinander in mehreren Parallelverfahren zu wahren, was grundsätzlich sinnvoll erscheint. Der Berufung ist aber zuzubilligen, daß sich die belangte Strafbehörde mißverständlich ausgedrückt hat, da sie in ihrer Begründung zur Strafbemessung von einer Geldstrafe von S 1.000,-- pro Packung spricht. Dieser pauschale Hinweis erscheint allzu schematisch. Natürlich darf keine allein auf die Anzahl der Packungen bezogene schematische Betrachtung erfolgen, weil man dann zu unsachlichen Ergebnissen gelangen kann. Vielmehr sind die meist von Fall zu Fall verschiedenen Strafzumessungsfaktoren insgesamt darzustellen und abzuwägen und in die Bemessung der Strafe einzubeziehen. Die belangte Strafbehörde hat allerdings auf das zu berücksichtigende Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung der geschützten Interessen ausdrücklich hingewiesen und mit Recht eine Schädigung des Interesses des Konsumenten auf ausreichende Information über die angebotenen Waren angenommen. Die falsche Kennzeichnung mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum konnte Verbraucher über die leichte Verderblichkeit der Ware und die damit verbundene Gefahr für die Gesundheit bei wenn auch raschem Konsum nach Ablauf der Haltbarkeitsfrist täuschen. Das Ausmaß der Fehlinformation steigt naturgemäß mit der Anzahl der Packungen. Die Pflicht zur richtigen Kennzeichnung iSd § 5 LMKV 1993 wird bei mehreren Packungen auch mehrfach verletzt, was nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung die zu quantifizierende Schuld des Täters jedenfalls erhöht und sich daher auf die Höhe der Strafe auswirken muß. Nur diesen Gesichtspunkt im Rahmen eines einheitlichen Schuldspruches und keinen pauschalen Schematismus hat der unabhängige Verwaltungssenat in seinen Vorerkenntnissen vom 4., 5. und 6. November 1996, Zlen. VwSen-240173/5/Wei/Bk, VwSen-240174/5/Wei/Bk und VwSen-240175/5/Wei/Bk angesprochen und nach Gewichtung und Abwägung aller Strafzumessungsgründe im Ergebnis versucht, ein ausgewogenes Verhältnis der Strafen in den Parallelverfahren herzustellen. Die belangte Behörde wollte sich dieser Betrachtung im vorliegenden Fall offenbar nur anschließen. Eine andere, später noch zu behandelnde Frage ist es, ob die von der belangten Behörde im konkreten Fall ausgesprochene Strafe im Ergebnis angemessen erscheint. Entgegen der Berufung haben weder die belangte Behörde noch der erkennende Verwaltungssenat Verwaltungsübertretungen für jede gleichzeitig in Verkehr gebrachte Packung eines bestimmten Produkts angenommen.

4.5. Im Hinblick auf zahlreiche anhängige Strafverfahren wegen ähnlicher Anzeigen, die allerdings nicht näher dargestellt werden, hat die belangte Behörde eine gewisse Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit des Bw sowie eine nicht unerhebliche Schuld festgestellt. Dagegen wendet sich die Berufung. Richtig ist zwar, daß die Beharrlichkeit des Bw von der belangten Behörde nicht näher belegt wurde. Der bloße Hinweis auf zahlreiche ähnliche Anzeigen vermag für sich allein nichts auszusagen. Es wäre darzulegen gewesen, daß der Bw auf seiner verfehlten Rechtsansicht ungeachtet von weiteren eingeleiteten Strafverfahren beharrte, in denen ihm auf der gegenteiligen Rechtsansicht der Strafbehörde beruhende Vorwürfe gemacht wurden. Dies kann aus der dem O.ö. Verwaltungssenat vorliegenden Aktenlage nicht abgeleitet werden. Dennoch widerspricht die Berufung im Ergebnis zu Unrecht dem Vorwurf einer gewissen Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit. Denn es gibt dafür andere Gründe. Der Bw übersieht, daß ihm die Ansicht des BMGSK bereits mit Rundschreiben des Verbandes der Fleischwarenindustrie vom 4. Juli 1994 bekannt gemacht worden ist. In weiterer Folge übernahm er einfach die ihm günstig erscheinende gegenteilige Meinung seiner Interessenvertretung, ohne sich bei Hygienefachleuten Gewißheit in der Frage der leichten Verderblichkeit von Hühnerfleisch zu verschaffen. Außerdem hätte ihm als erfahrenem Geschäftsführer eines Unternehmens für Geflügelprodukte die in mikrobiologischer Hinsicht sehr leichte Verderblichkeit von Geflügelfleisch ohnehin bekannt sein müssen. Dieser Umstand, insbesondere die Gefahr von Erkrankungen durch Salmonellen, folgt schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung eines durchschnittlich informierten Bürgers. Für einen gewissenhaften Kaufmann mit noch größerem Wissensstand kann es dem Grunde nach nicht zweifelhaft sein, daß Hühnerprodukte mit einem Verbrauchsdatum und nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu kennzeichnen sind. Lediglich die genaue Dauer der Verbrauchsfrist, die für die verschiedenen Fleischwaren im ministeriellen Runderlaß vom 16. Juni 1994 angegeben wurde, hätte noch nach besonderen Lagerversuchen im Einzelfall angepaßt werden können (vgl dazu den Erlaß des BMGK vom 10. Februar 1995). Der Bw hat sich trotz der vorhandenen Erkenntnisquellen keines Besseren belehren lassen. Durch die beibehaltene Kennzeichnung der Hühnerprodukte mit Mindesthaltbarkeitsfristen riskierte er unnötigerweise zahlreiche Verwaltungsstrafverfahren. Ein solches Verhalten kann man aus dem geschilderten Blickwinkel heraus durchaus als beharrlich oder auch als wenig selbstkritisch bezeichnen. Daß der Bw nachträglich - wann genau hat er offengelassen, was aber letztlich unwesentlich ist - eine Umstellung der Etikettierung vornahm, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Das Maß der Schuld erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat daher keinesfalls gering, weshalb an die geforderte Anwendung des § 21 VStG überhaupt nicht zu denken ist. Die in der Berufung vertretene Meinung, der Bw hätte bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung, also bis Zustellung eines Berufungserkenntnisses, auf die offensichtlich verfehlte Ansicht des Verbandes der Fleischwarenindustrie vertrauen dürfen, verkennt die oben dargelegten fallbezogenen Gesichtspunkte, die die mangelnde Sorgfalt des Bw und die leichte Einsehbarkeit des Unrechts für ihn belegen.

4.6. Die belangte Strafbehörde hat vier einschlägige Verwaltungsvorstrafen als straferschwerend gewertet, ohne diese näher zu bezeichnen. Der aktenkundigen Auflistung vom 20. Jänner 1997 betreffend Verwaltungsvorstrafen des Bw sind vier als rechtskräftig gekennzeichnete Vorstrafen nach § 5 LMKV 1993 iVm § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 zu entnehmen. Die angeführten strafbehördlichen Aktenzahlen SanRB 96-25-1995 (=VwSen-240173/5Wei/Bk vom 4.11.1996), SanRB 96-106-1995 (=VwSen-240175/5/Wei/Bk vom 6.11.1996), SanRB 96-95-1995 (=VwSen-240174/5/Wei/Bk vom 5.11.1996) und SanRB 96-136-1995 (=VwSen-240172/3/Wei/Bk vom 30.10.1996) zeigen, daß es sich dabei um die vom erkennenden Verwaltungssenat schon entschiedenen Berufungsfälle handelt. Wann die Rechtskraft eingetreten, dh die Zustellung des Berufungserkenntnisses durch die belangte Behörde bewirkt wurde, ist nicht ausgewiesen. Ebensowenig ist die jeweilige Tatzeit ersichtlich.

Die Rüge des Bw gegen die Annahme des Straferschwerungsgrundes gemäß § 33 Z 2 StGB ist berechtigt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme des Erschwerungsgrundes der Verurteilung wegen eines auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat (§ 33 Z 2 StGB iVm § 19 Abs 2 VStG) ebenso wie im strafgerichtlichen Verfahren erforderlich, daß die einschlägige Vorstrafe im Zeitpunkt der Begehung der Tat bereits rechtskräftig war (vgl neben VwGH 19.9.1991, 91/06/0106 = ZfVB 1992/5/1909 und VwGH 13.3.1991, 90/03/0016, 0042 = ZfVB 1992/3/1124 die Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A, 1996, 851, E 89 ff zu § 19 VStG).

Die belangte Behörde hat die 4 Schuldsprüche in den oben angeführten Strafverfahren zu Unrecht als erschwerend gewertet, weil sie im Zeitpunkt der gegenständlichen Tatbegehung am 15. Februar 1995 noch nicht einmal in erster Instanz erlassen worden, geschweige denn rechtskräftig waren. Auch die mangelnde Schuldeinsicht des Bw ist noch kein Erschwerungsgrund iSd § 33 StGB (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, 1992, Rz 15 zu § 33).

Der Bw ist weder als einschlägig vorbestraft, noch als unbescholten anzusehen. Drei gewerberechtliche Straferkenntnisse sind nach der aktenkundigen Vorstrafenliste rechtskräftig und die zahlreichen anhängigen Verfahren wegen Übertretung des § 5 LMKV 1993 zeigen, daß die gegenständliche Tat nicht im auffallenden Widerspruch zum bisherigen Lebenswandel des Bw steht, wie es der Milderungsgrund gemäß § 33 Z 2 StGB voraussetzt (vgl auch VwGH 16.3.1995, 94/16/0300). Strafmildernde Umstände hat die belangte Behörde daher mit Recht verneint. 4.7. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Bw ging die belangte Strafbehörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 30.000,--, einem Kommanditanteil an der Sin Höhe von S 1,745.000,-- und fehlenden Sorgepflichten aus. Der Bw ist dem nicht entgegengetreten, weshalb diese Verhältnisse auch für das Berufungsverfahren maßgeblich waren.

Die Geldstrafe war innerhalb des Strafrahmens von bis zu S 25.000,-- nach dem § 74 Abs 5 LMG 1975 zuzumessen. Der erkennende Verwaltungssenat hatte die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe von S 9.000,-- aufgrund der oben dargelegten Strafzumessungsfaktoren deutlich zu reduzieren. Nach Würdigung der vorliegenden Strafzumessungsgründe und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu den vorangegangenen Parallelverfahren hält der unabhängige Verwaltungssenat eine Geldstrafe in Höhe von S 4.000,-- für tat- und schuldangemessen und in spezialpräventiver Hinsicht noch ausreichend, um künftiges Wohlverhalten zu erzielen. Die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe war in angemessener Relation dazu mit 54 Stunden zu bemessen.

5. Bei diesem Ergebnis hat der Bw gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im Strafverfahren erster Instanz einen Kostenbeitrag von S 400,-- (10 % der Geldstrafe) zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens. Als Folge des Schuldspruchs hatte der Bw gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 auch die von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien verzeichneten Untersuchungskosten für die Beurteilung der Probe zu U-Zl.: 1405/95 A zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum