Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108026/2/Sr/Ka

Linz, 15.01.2002

VwSen-108026/2/Sr/Ka Linz, am 15. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des E K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, S , M, gegen die Spruchpunkte 2a, 2b und 2c des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 20. November 2001, Zl. VerkR96-2459-2001, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis (Spruchpunkte 2a, 2b und 2c) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - AVG iVm § 24, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001 - VStG.

zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"2. Sie haben am 15.3.2001 um 16.05 Uhr den Kombi S im Gemeindegebiet der Marktgemeinde S im Ortsgebiet S/L auf der Sstraße bis ca. 50 m nach der Abzweigung von der Lstraße in Fahrtrichtung Tstraße gelenkt, wobei Sie

  1. eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigten.
  2. es unterließen, obwohl Ihr Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken
  3. Sie es unterließen, obwohl Ihr Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

2a. § 31 Abs.1 StVO 1960

2b. § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960

2c. § 4 Abs.5 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Falls diese uneinbringlich gemäß §

ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

zu 2a. 1.000,-- 3 Tage 99 Abs.2 lit.e StVO 1960

zu 2b. 1.000,-- 3 Tage 99 Abs.2 lit.a StVO 1960

zu 2c. 1.000,-- 3 Tage 99 Abs.3 lit.b StVO 1960"

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 12. Dezember 2001 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Spruch aus, dass der Bw eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs "beschädigt" und in der Folge unterlassen habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, obwohl sein Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei (das letzte Tatbild wurde mit gleichlautendem Wortlaut verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zugeordnet). Im Gegensatz zu den Spruchausführungen geht die Behörde erster Instanz in der Begründung von keinem "sichtbaren Schaden" aus, betrachtet aber eine mögliche finanzielle Belastung als Schaden im Sinne der Anlastung. Der Schaden am Fahrzeug des Bw wird als fotografisch festgehaltene "frische Kratzspur" bezeichnet.

2.2. Dagegen bringt der Vertreter des Bw vor, dass die gegenständliche Schneestange nicht beschädigt worden sei. Dies habe auch die Behörde erster Instanz in der Begründung eingestanden. Mangels einer tatbestandsmäßigen Handlung habe er die angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen. Sein tatbestandsmäßiges Verhalten - veränderte Lage einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs - sei ihm innerhalb der Verfolgungsverjährung nicht vorgehalten worden.

Mangels Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO würden auch die Spruchpunkte 2b und 2c nicht berechtigt sein. So sei weder an der Schneestange noch am Kotflügel des Bw ein Schaden entstanden.

Darüber hinaus würde § 31 Abs. 1 eine lex specialis zu § 4 Abs. 5 StVO darstellen. Die Tatvorwürfe der Spruchpunkte 2b und 2c seien in ihrem Wortlaut völlig ident, weswegen auch hier der Grundsatz der Spezialität für den Tatvorwurf 2b gelten würde.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Gemäß § 51e Abs.2 VStG konnte der unabhängige Verwaltungssenat von einer mündlichen Verhandlung absehen.

3.2. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt gehalten. Aufgrund dieser steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat entsprechend den einleitenden Spruchausführungen zu Punkt 2 den gegenständlichen Kombi gelenkt und am Tatort eine Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs - Schneestange - umgefahren. Die Schneestange wurde dabei nicht beschädigt, jedoch in ihrer Lage verändert. Durch den Kontakt mit der Schneestange entstanden am linken vorderen Kotflügel des Beschuldigtenfahrzeuges farbige Streifspuren, die nachfolgend wegpoliert werden konnten.

Im Vorlageakt finden sich keine Feststellungen über allfällige Sachschäden, die der Bw durch seine Fahrweise verursacht hat. Weiters ist weder aus der Anzeige noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ein Sachschaden ableitbar.

3.3. Unbestritten ist, dass die Schneestange in der Lage verändert - aber nicht beschädigt - wurde. Entgegen der Annahme in der Begründung des Straferkenntnisses zeigen die im Akt befindlichen Fotos keine frischen Kratzspuren am Fahrzeug des Bw. Der Meldungsleger, der die Spuren am Fahrzeug des Bw wahrgenommen und fotografiert hat, ist von "Streifspuren" ausgegangen ( siehe Text zu Foto 4). Hätte der Beamte, der die Spuren unmittelbar nach dem Vorfall gesichtet hat, "Kratzspuren" festgestellt, dann ist jedenfallls auszugehen, dass er dies auch entsprechend in der Anzeige vermerkt hätte. In Übereinstimmung mit dem Meldungsleger zeigt das Foto 4 nur einen farblichen (rot-braun) Strich und es kann dem Bw nicht widersprochen werden, dass sich lediglich Farbpartikel (von der Schneestange) auf dem Kotflügel befunden haben.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 31 Abs.1 StVO:

Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) dürfen nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.

§ 99 Abs. 2 lit.e StVO:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

§ 4 Abs.1 lit. c StVO:

Alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, haben

...........

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

§ 4 Abs.5 StVO:

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

4.2. Als Verkehrsunfall gilt jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis, das sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ereignet und einen Personen - oder Sachschaden zur Folge hat (stRsp des VwGH, vergl. 12.7.1961, ZVR 1962/52; 27.4.1983, ZVR 1984/151; 21.9.1983, ZVR 1984/263, 28.9.1988 ZVR 1989/181; u.a. siehe auch Dittrich/Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht3, § 4, RNr 4). Das Vorliegen mindestens eines Sachschadens ist somit Tatbestandsvoraussetzung für die Verletzung der Pflichten nach § 4 (VwGH 20.9.1976, 535/76).

Die Behörde erster Instanz hat in der Begründung ausgeführt, dass die Schneestange "äußerlich" keinen Schaden aufgewiesen hat. Mangels eines "Sachschadens" (siehe auch VwGH vom 18.12.1979, 1880/79: ... Sachschaden im Vermögen von dritten Personen entstanden ist) ist eine Pflichtverletzung nach § 4 StVO nicht denkmöglich. In der zitierten Entscheidung führt der VwGH weiter aus, dass der Fall eines "Sachschadens" dann nicht vorliegt, wenn eine Person durch ihr Verhalten nur selbst in ihrem Vermögen zu Schaden gekommen ist (so auch VwGH vom 24.10.2001, 2000/03/0280).

Hier kann aber überhaupt nicht von einem Sachschaden gesprochen werden, da auch das Fahrzeug des Bw nach dem gegenständlichen Ereignis keine Beschädigung aufgewiesen hat (VwGH vom 20.1.1984, 82/02/0022: Beschmutzung - ohne Lackschäden - ist kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs.5 StVO und VwGH vom 15.2.1980, 2403/79: eine mit einem Reinigungsmittel entfernbare Lackspur kann nicht als Sachschaden iSd. § 4 Abs.5 StVO qualifiziert werden).

4.3. Zu Spruchpunkt 2a:

Wie oben dargestellt, steht unbestritten fest, dass die Schneestange nicht beschädigt sondern lediglich deren Lage verändert worden ist.

Der Vertreter des Bw hat zu Recht ausgeführt, dass dem Bw ausschließlich die Beschädigung einer Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs vorgeworfen wurde.

Vergleichsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom 10.4.1991, Zl. 90/03/0283 erkannt:

"§ 44a Z1 VStG 1950 bestimmt, dass in einem Straferkenntnis der "Spruch" (§ 44 Abs.1 Z.6 leg.cit.) "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. NF Nr. 11894/A)."

Schon aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass der Bw die ihm vorgeworfene Tat (Beschädigung der Schneestange) nicht begangen hat. Der Spruchpunkt 2a war daher gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG zu beheben. Mangels entsprechender Anlastung erscheint die weitere Verfolgung des Bw (§ 31 Abs.1 StVO - in ihrer Lage veränderte Schneestange) im Hinblick auf § 31 Abs.1 VStG unzulässig.

4.4. Zu den Spruchpunkten 2b und 2c:

Da kein Sachschaden vorliegt, der eine Verpflichtung des Bw gemäß § 4 StVO ausgelöst hätte, besteht der entsprechende Tatvorwurf gegen den Bw nicht zu Recht. Der Bw hat die angelasteten Taten nicht begangen, das angefochtene Straferkenntnis (Spruchpunkte 2b und 2c) war zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen. Auf die weiteren zutreffenden Judikaturhinweise und Verfahrensrügen des Bw-Vertreters war nicht mehr einzugehen.

5. Der Bw hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Mag. S t i e r s c h n e i d e r

Beschlagwortung: Sachschaden

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