Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108036/3/SR/Ri

Linz, 12.03.2002

VwSen-108036/3/SR/Ri Linz, am 12. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Strafberufung der Frau I K, Lgasse, G, gegen Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Gmunden, Zl. VerkR96-1-354-2001 vom 28.12.2001 wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO) zu Recht erkannt:

I. Der Strafausspruch zu Spruchpunkt 1 wird aufgehoben und der Berufung insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

II. Die Berufungswerberin hat für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 137/2001 - AVG iVm § 19, § 21, § 24, § 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 137/2001 - VStG

zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (Bw) schuldig erkannt, weil sie am 25.10.2001, gegen 22.15 Uhr auf der B - Höhe Ortseinfahrt "L" - einem hinter ihr mit Blaulicht fahrenden Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht hat. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Bw eine Geldstrafe von 1000 Schilling verhängt.

2. Gegen dieses der Bw durch Hinterlegung am 4.1.2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 11.1.2002 bei der Behörde erster Instanz eingelangte Berufung.

Im Schreiben vom 9. Jänner 2002 bestreitet die Bw den Tatvorwurf nicht sondern ersucht aufgrund der schlechten finanziellen Lage um Gewährung einer Strafreduzierung oder Ratenzahlung.

Da der Wille der Bw nicht eindeutig hervorgekommen ist wurde mit ihr am 16. Jänner 2002 telefonisch Rücksprache gehalten. Am 25. Jänner 2002 teilte die Bw telefonisch mit, dass lediglich gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides eine Strafberufung beabsichtigt gewesen ist. Inhaltlich habe sie wegen Aussichtslosigkeit keine Berufung erhoben. Zu Spruchpunkt 2 sei ein Ratenzahlungsantrag gestellt worden. Die Bw hat dem unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 28. Jänner 2002 dies auch schriftlich mitgeteilt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt der Berufung vorgelegt.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 51e Abs.3 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, wenn sich die Berufung nur gegen die Strafhöhe richtet.

Entsprechend der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 2 Abs.1 Ziffer 25 StVO versteht man unter einem Einsatzfahrzeug ein Fahrzeug, das auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften als Warnzeichen (§ 22) blaues Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge von verschieden hohen Tönen führt, für die Dauer der Verwendung eines dieser Signale.

Das Gebot des § 26 Abs.5 StVO wonach alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen haben, kann in sinnvoller Auslegung nur dann in Betracht kommen, wenn nach dem vorhersehbaren Fortbewegungsweg die anderen Verkehrsteilnehmer für den bevorzugten Straßenbenützer ein Hindernis bilden könnten (siehe auch ZVR 1974/1).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.4.1978, Zahl 2391/77 ausgeführt, dass alle anderen Straßenbenützer gegenüber einem herannahenden Einsatzfahrzeug bestimmte Pflichten haben. Unter anderem, dass mit dem Fahrzeug anzuhalten ist, wenn anders ein Vorbeifahren des Einsatzfahrzeuges nicht möglich sein sollte (Verwaltungsgerichtshof vom 5.6.1991, Zl. 91/18/0052).

Die Behörde erster Instanz scheint jedoch die Rechtslage zu verkennen. Die oben zitierte Judikatur verdeutlicht, dass alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen haben, wenn diese für den bevorzugten Straßenbenützer ein Hindernis bilden. Den eindeutigen Angaben im Bericht vom 26.10.2001 und in der Anzeige vom 1.11.2001 ist zu entnehmen, dass der Beamte nur durch Nachfahren mit eingeschaltetem Blaulicht den Bw zum "Anhalten" veranlassen wollte. Aus dem gesamten Akt kann weder abgeleitet werden, dass die Bw nicht Platz gemacht hätte noch ein gefahrloses Überholen nicht möglich gewesen wäre. Der Meldungsleger hat im Gegenteil klar zum Ausdruck gebracht, dass er die Bw mittels Blaulicht und Lichthupe zum Anhalten zwingen wollte (Bericht vom 26.10.2001). Aus § 26 Abs.5 StVO kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Bw auch dann anzuhalten hat, wenn der bevorzugte Straßenbenützer erkennbar nicht überholen will. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nur ein Einsatzfahrzeug, dessen Lenker verkehrsbedingt nicht überholt, als herannahend zu qualifizieren (3.11.1977, 1806/76). Da aus der Anzeige ersichtlich ist, dass der Anzeiger ursprünglich nicht überholen sondern die Bw nur durch Nachfahren anhalten wollte, kann nicht auf ein "Herannahen" geschlossen werden.

Aufgrund der Strafberufung war es dem unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, in den rechtskräftig gewordenen Schuldspruch einzugreifen.

Die Rechtskraft des Schuldspruches verbietet zwar, bei der Strafbemessung darauf Rücksicht zu nehmen, ob der Schuldspruch zu Recht erfolgte oder nicht, jedoch besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Anwendung des § 21 Abs.1 VStG.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Laut der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück.

Die Bw hat, auch wenn der Schuldspruch rechtskräftig geworden ist, kein tatbildmäßiges Verhalten gesetzt. Mangels tatbildmäßigen Verhaltens kann auch nicht auf den in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt geschlossen werden. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. S t i e r s c h n e i d e r

Beschlagwortung: Blaulicht, Anhalten

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