Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108078/4/Ki/Ka

Linz, 12.02.2002

VwSen-108078/4/Ki/Ka Linz, am 12. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des JW, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. GD, vom 23.1.2002, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 10.1.2002, VerkR96-3079/2000/Win, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "....... unübersichtlichen Bergkuppe ........." durch die Wortfolge "....... unübersichtlichen Fahrbahnkuppe ......." ersetzt wird.

II. Zusätzlich zu den Verfahrenskosten 1. Instanz hat der Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 29 Euro (entspricht 399,05 S), ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 10.1.2002, VerkR96-3079/2000/Win, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 13.11.2000 um 17.05 Uhr, den Kombi mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Niederwaldkirchner Landesstraße von Drautendorf in Richtung Niederwaldkirchen gelenkt, wobei er auf der unübersichtlichen Bergkuppe bei Strkm. 0,990 die Zugmaschine mit dem behördlichen Kennzeichen RO-66 JG überholte. Er habe dadurch § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe von 145 Euro (1.995,24 S) bzw falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 14,5 Euro (199,52 S) (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 23.1.2002 Berufung mit dem Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einstellen. Im Wesentlichen wird bemängelt, dass die Behörde das vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen erstellte Gutachten wörtlich wiedergegeben habe bzw wird dem Gutachten des Amtssachverständigen unterstellt, es sei nicht geeignet, schlüssig darzustellen, dass die Sichtweite zu Beginn des Überholvorganges nicht ausreichte, einen Gegenverkehr zu erkennen und den Überholvorgang rechtzeitig beenden zu können.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 726 Euro (entspricht 9.989,98 S) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt bzw telefonische Rücksprache beim verkehrstechnischen Amtssachverständigen hinsichtlich des von ihm verwendeten kinematischen Rekonstruktionsprogramm Analyzer Pro 4.0.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil im angefochtenen Bescheid keine 218 Euro (entspricht 2.999,75 S) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, in der zur Tatzeit sowie zur Zeit der Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro (entspricht 9.989,98 S) im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Absätzen 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist. Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen, nicht überholen.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt das gegenständliche Überholverbot unabhängig davon, ob Gegenverkehr vorhanden ist oder nicht. Der Überholvorgang muss vor der unübersichtlichen Stelle abgeschlossen sein (vgl. VwGH 29.5.1974, 1391/73), wobei eine Stelle dann als unübersichtlich gilt, wenn durch den Überholvorgang mangels nicht ausreichender Überholsicht eine Behinderung oder Gefährdung des Gegenverkehrs möglich ist.

Die Frage, ob eine unübersichtliche Straßenstelle gegeben ist, ist grundsätzlich von der Stelle aus, wo das Überholmanöver begonnen wird, zu beurteilen (VwGH 10.7.1981, 81/02/0017).

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat in dem durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren ua jenen Traktorlenker, welcher vom Bw überholt worden ist, als Zeugen einvernommen und einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen um gutächtliche Beurteilung des gegenständlichen Überholvorganges ersucht.

Der Zeuge führte bei seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach am 25.1.2001 aus, dass er die Zugmaschine unmittelbar vor dem Überholvorgang bei der gegenständlichen Fahrt mit ca. 25 km/h gelenkt habe. Ca. 100 m vor dem Abbiegevorgang (der Zeuge hat in seiner Anzeige an den Gendarmerieposten St. Martin i.M. angegeben, dass er nach links zu seinem Anwesen einbiegen wollte) habe er den linken Blinker gesetzt. Er habe den Beschuldigten schon von weitem nachkommen sehen, sodass ihm bewusst gewesen sei, dass sich hinter ihm ein Fahrzeug befinde. Er habe durch Zurückschauen gemerkt, dass das nachkommende Fahrzeug nicht langsamer wurde und einige Meter vor dem Abbiegen der Zugmaschine angehalten. In diesem Moment habe sich der Beschuldigte bereits auf gleicher Höhe mit der Zugmaschine befunden. Seiner Schätzung nach sei der Beschuldigte mit Sicherheit eine Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat nach entsprechender Befundaufnahme unter Verwendung des Verfahrensaktes bzw Durchführung eines Lokalaugenscheines mittels eines kinematischen Rekonstruktions-Programms Analyzer Pro 4.0 den Weg-Zeit-Ablauf des gegenständlichen Überholmanövers rekonstruiert und nachstehendes Gutachten erstellt:

"Vorausschickend ist zum gestellten Beweisthema, ob der gegenständliche Überholvorgang auf einer unübersichtlichen Bergkuppe durchgeführt wurde, anzuführen, dass das Kriterium der Unübersichtlichkeit im Verhältnis zur gefahrenen Geschwindigkeit und dem durchgeführten Fahrmanöver bzw den gegebenen Straßen-, Fahrbahn- und Sichtverhältnissen zu betrachten und zu bewerten ist.

Beim Lokalaugenschein war festzustellen, dass die Annäherungssichtweite und somit auch die Überholsichtweite in der Annäherung auf der geradlinigen Steigungsstrecke durch den anschließenden Rechtskurvenbogen bei Str.km 0,900 bzw die nachfolgenden Fahrbahnkuppen eingeschränkt wird. In Verbindung damit haben die Weg-Zeit-Betrachtungen gezeigt, dass schon allein die erforderliche Überholstrecke 162 m lang ist. Da der Beschuldigte das gegenständliche Überholmanöver im Zuge dies Rechtskurvenbogens durchgeführt bzw unmittelbar vorher begonnen hat, folgt, dass der Beschuldigte vor Beginn des Überholmanövers die erforderliche Überholstrecke nicht zur Gänze und bei weitem nicht die erforderliche Überholsichtweite einsehen konnte bzw sich zu Beginn des Überholmanövers auch nicht überzeugen konnte, ob nach dem Überholmanöver ein gefahrloses Wiedereinordnen auf seinen rechten Fahrstreifen möglich ist. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass es durch die überholte Zugmaschine (Traktor) zu einer zusätzlichen Sichtabschattung des nachfolgenden Straßenverlaufes, speziell des Fahrstreifens des Gegenverkehrs kommt bzw, wie der Beschuldigte in seiner Stellungnahme selbst angibt, er durch einen angeblich eingeschalteten weißen Scheinwerfer an der Rückseite des Traktors noch zusätzlich stark geblendet worden sei.

Aus dem obigen folgt somit, dass der gegenständliche Bereich der L1513 Niederwaldkirchener Straße im Hinblick auf die gefahrenen Geschwindigkeiten in Verbindung mit dem durchgeführten Überholmanöver auch bei guten Fahrbahnverhältnissen und witterungsbedingt guten Sichtverhältnissen als unübersichtlich im Sinne des § 16 Abs.2 StVO 1960 zu bewerten ist, da sich der Beschuldigte aufgrund der gegebenen Straßen- und Nebenanlageverhältnisse vor Beginn des Überholmanövers, also unmittelbar vor Beginn des Fahrstreifenwechsels, nicht davon überzeugen konnte, ob dadurch ein eventueller Gegenverkehr behindert oder sogar gefährdet wird. Wird daher an einer derartigen Straßenstelle trotzdem ein Überholmanöver durchgeführt, so erfolgt dies mit unkalkulierbarem Risiko bzw unkalkulierbar hoher Unfallschwere und somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen. "

Dem Gutachten liegt ein Lageplan bei, auf welchen einerseits die relevanten Straßenkilometer der Niederwaldkirchener Straße und andererseits eine Weg-Zeit-Betrachtung dargestellt sind.

Im Gegensatz zur Auffassung des Bw findet die erkennende Berufungsbehörde die Ausführungen des verkehrstechnischen Sachverständigen schlüssig und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und Denkgesetzen stehend. Der Gutachter hat der Berechnung die relevanten Parameter, nämlich jene Stelle, an welcher der Bw mit seinem Fahrzeug mit dem Traktor auf gleicher Höhe war und die (den Beschuldigten begünstigende) Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zugrunde gelegt. Die mittels dem kinematischen Rekonstruktions-Programm ermittelten Daten wurden auf den Lageplan übertragen. Daraus ist zu ersehen, dass der Beschuldigte den Überholvorgang jedenfalls erst zwischen Strkm. 0,800 und Strkm. 1,000 begonnen hat. Der Sachverständige ermittelte eine erforderliche Überholstrecke von 162 m bzw eine erforderliche Überholsicht ohne Gefährdung des (möglichen) Gegenverkehrs von 324 m. Weiters hat der Sachverständige festgestellt, dass bei Strkm. 0,300 der nachfolgende Straßenverlauf etwa bis zum Strkm.0,900 einsehbar wäre. Auch in der Annäherung im Zuge der geradlinigen Steigungsstrecke vor dem Rechtskurvenbogen bei Strkm.0,900 wird die Sichtweite durch einen Rechtskurvenverlauf bzw die nachfolgenden Fahrbahnkuppen begrenzt.

Aus dem Gutachten resultiert sohin, dass der Beschuldigte bei Beginn seines Überholmanövers nicht mehr die nötige Überholsicht hatte und der Überholvorgang sohin in objektiver Hinsicht einen Verstoß gegen § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darstellt.

Bemerkt wird, dass laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem schlüssigen Sachverständigengutachten mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher Ebene, nicht in tauglicher Art und Weise entgegengetreten werden kann (vgl. VwGH 31.1.1995, 92/07/0188 ua). Ein entsprechendes auf gleicher Ebene basierendes Gutachten hat der Bw nicht vorgelegt.

Was die subjektive Tatseite (§ 5 VStG) anbelangt, so sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Beschuldigten entlasten würden, weshalb er sein Verhalten in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht zu vertreten hat.

Die Spruchänderung wurde zur verbalen Klarstellung des sonst im Sinne des § 44a VStG korrekten Tatvorwurfes vorgenommen.

I.6. Bezüglich Strafbemessung (§ 19 VStG) hat die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach ausgeführt, dass besonders die für den Straßenverkehr durch die StVO aufgestellten Verhaltensregeln sowie die damit verbundenen Strafdrohungen dem Schutz des Lebens, der körperlichen Integrität sowie des Vermögens sowohl der Person des Beschuldigten, als auch anderer dienen. Durch die Verwaltungsübertretung habe der Beschuldigte in besonderer Weise die aufgezählten Rechtsgüter gefährdet. Die Strafbemessung habe auf dieser Grundlage im gesetzlich vorgesehenen Rahmen durchaus hoch zu erfolgen. Im durchgeführten ordentlichen Strafverfahren seien aber auch die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegenüber abzuwägen gewesen. Mildernd seien die Umstände zu werten, dass gegen den Beschuldigten keine Strafvormerkung nach der Straßenverkehrsordnung aufscheine. Auf das Verschulden sei besonders Bedacht zu nehmen gewesen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien bei der Bemessung der Geldstrafe berücksichtigt worden.

Dazu wird ausgeführt, dass die Strafhöhe in der Berufung nicht bemängelt wurde. Insbesondere im Hinblick auf den vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafrahmen erscheint die verhängte Geld- bzw Ersatzfreiheitsstrafe auf die konkreten Umstände bezogen durchaus angemessen, wobei zu bemerken ist, dass verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen schlechthin den Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ausschließen. Entgegen der Annahme der Erstbehörde kann somit dieser Milderungsgrund nicht festgestellt werden, zumal aus dem Verfahrensakt mehrere Vormerkungen zu ersehen sind. Nach dem Grundsatz der "reformatio in peius" konnte dieser Umstand jedoch nicht mehr bei der Strafbemessung berücksichtigt werden.

I.7. Zusammenfassend wird festgestellt, dass der Beschuldigte weder durch den Schuldspruch noch durch die Strafbemessung in seinen Rechten verletzt wurde, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Beurteilung eines Überholmanövers mit dem kinematischen Rekonstruktionsprogramm Analyzer Pro 4.0

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