Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240250/6/WEI/Bk

Linz, 19.05.1998

VwSen-240250/6/WEI/Bk Linz, am 19. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der C, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 18. März 1997, Zl. SanRB 96-233-1995-Fu, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 20 iVm § 74 Abs 5 Z 3 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975 zuletzt geändert mit BGBl Nr. 756/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen Spruchpunkt 3) wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis insofern aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und werden die Spruchpunkte 1), 2), 4) und 5) mit der Maßgabe bestätigt, daß die Berufungswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin das Inverkehrbringen der in diesen Spruchpunkten angeführten Lebensmittel durch die Fleischgroßmarkt Gesellschaft m.b.H. in deren Verkaufsraum in durch die geschilderten Arten des Feilhaltens im Kundenbereich, ohne daß vor hygienisch nachteiliger Beeinflussung durch äußere Einwirkung vorgesorgt worden wäre, zu verantworten hat.

III. Die Berufungwerberin hat im Strafverfahren erster Instanz zu den Spruchpunkten 1), 2), 4) und 5) des angefochtenen Straferkenntnisses je einen Kostenbeitrag von S 80,-- (insgesamt S 320,--) zu leisten. Im Berufungsverfahren hat sie zu diesen Spruchpunkten je einen weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von S 160,-- (insgesamt S 640,--) zu leisten.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 64 Abs 1 und 2 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. März 1997 wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ - handelsrechtliche Geschäftsführerin - der Firma Fleischgroßmarkt Gesellschaft m.b.H. in am 4.7.1995 um 09.15 Uhr im Betrieb der vorgenannten Firma in Lebensmittel in Verkehr gebracht, ohne vorzusorgen, daß diese nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt wurden, obwohl es nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung zumutbar gewesen wäre, da sie ohne jeglichen Schutz gegen Sputum (Anhusten, Anniesen, ....) bzw. ohne Schutz gegen den unbefugten Zugriff durch die Kunden die nachstehend angeführten unverpackten Lebensmittel in Verkehr gebracht haben und zwar 1) in einer Kühltruhe diverse Wurstwaren (übliches Sortiment), Selchstelzen, Faschiertes, Koteletts, gewürzte Bauchstreifen, Schinkensteaks und verschiedene Fleischteile vom Schwein 2) auf dem Zerlegetisch (Tafel) mehrere Lammkeulen 3) in zwei Verkaufswägen insgesamt ca. 50 kg geselchter Bauch bzw. geselchte Schulter 4) auf einem Ständer aufgehängt ca. 40 Stk. Srenska (Würste) und 5) in einem Korb und in einem Karton ca. 40 Stk. Semmeln und Salzgebäck. Diese im Kundenbereich feilgebotenen Lebensmittel verleiten aufgrund der Art und Weise des Feilbietens die Kunden zur Selbstbedienung. Es wäre sehr wohl zumutbar und möglich gewesen, diese unverpackten Lebensmittel mit Bedienung abzugeben bzw. den Abgabebereich so zu gestalten, daß eine negative Beeinflussung durch die Kunden unmöglich ist." Dadurch erachtete die belangte Behörde in 5 Fällen § 20 iVm § 74 Abs 5 Z 3 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen jeweils nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 Geldstrafen zu 1) bis 5) von je S 800,-- (insgesamt daher S 4.000,--) und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 1) bis 5) Ersatzfreiheitsstrafen von je 6 Stunden. Gemäß § 64 VStG wurde "als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens" der einheitliche Betrag von S 400,-- (statt richtig: 5 x S 80,--) vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Handen ihres Rechtsvertreters am 26. März 1997 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 8. April 1997 zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, die am 9. April 1997 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG an. 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt und im Vorlageschreiben angemerkt, daß die Menge zu Spruchpunkt 3 innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27. Februar 1996, zugestellt am 6. März 1996, berichtigt worden sei. Ohne Angabe von Gründen sei niemand bei der belangten Behörde erschienen. 2. Die Berufung bestreitet die hygienisch nachteilige Beeinflussung durch äußere Einwirkung und bringt zu den einzelnen Spruchpunkten im wesentlichen vor: Zu 1: Die in der Verkaufsvitrine mit Normalfüllung angebotenen Waren wären nicht auf eine dem § 20 LMG 1975 widersprechende, sondern auf eine vollkommen übliche Weise in Verkehr gebracht worden. Eine andere Vorgangsweise wäre nicht zumutbar.

Zu 2: Der Zerlegetisch sei ein sog. Kundenbearbeitungstisch. Bei den Lammkeulen hätte es sich um bereits verkaufte Waren gehandelt, die nicht mehr in Verkehr zu bringen gewesen wären. Es sei auch tatsächlich so, daß immer nur der Kunde in vorderster Reihe stehe, dessen Fleisch gerade zerlegt wird. Andere Überlegungen entbehrten jeder Grundlage und eines Beweisergebnisses.

Zu 3: Zum Vorwurf des Feilhaltens von ca. 50 kg geselchtem Bauch bzw geselchter Schulter in zwei Einkaufswägen habe ein gerichtliches Strafverfahren zur Zahl 18 des BG Linz stattgefunden, in dem die Bwin anläßlich der Hauptverhandlung vom 24. Juli 1996 rechtskräftig freigesprochen worden sei. Es handle sich offensichtlich um ein und denselben Sachverhalt, der auf der Nachschau vom 4. Juli 1995 basiere. Die verwaltungsbehördliche Strafbarkeit sei nicht gegeben.

Zu 4: Es handelte sich um Würste, die ohne Haut gegessen werden, weshalb sie tatsächlich zur Selbstbedienung geeignet gewesen wären und nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden könnten. Es sei unzulässig von einer völlig unüblichen und lebensfremden Verzehrweise mit Haut auszugehen.

Zu 5: Eine Abdeckung von Semmeln und Salzgebäck mit einem Baumwolltuch sei ausreichend, eine andere Art der Vorsorge gegen nachteilige hygienische Beeinflussungen nach der Verkehrsauffassung nicht zumutbar.

Aus diesen Gründen wären die vorgeworfenen Tatbestände nicht verwirklicht worden und hätten die Verfahren eingestellt werden müssen. Im übrigen bestreitet die Berufung, daß der Bwin die Möglichkeit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, eingeräumt worden ist. Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 27. Februar 1996 hätte im wesentlichen die Strafverfügung wiederholt und keine Beweismittel in Fotokopie übermittelt. Die Zeugeneinvernahme des Lebensmittelaufsichtsorgans sei nie zur Äußerung zugestellt worden. Ebensowenig wären die im angefochtenen Straferkenntnis erwähnten Fotos zur Kenntnis gebracht worden. Das Verfahren sei insofern mangelhaft geblieben. Verfahrensmängel lägen auch in der Unterlassung des schon im Einspruch beantragten Ortsaugenscheines und in der fehlenden Einvernahme des Zeugen J, die wegen dessen zwischenzeitigen Ablebens leider nicht nachgeholt werden könne. Hilfsweise werde auf geringes Verschulden und keinerlei nachteilige Folgen verwiesen, weshalb in Anwendung des § 21 VStG von einer Strafe abgesehen werden könne.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und die Berufung im wesentlichen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft. Aufgrund der klaren Aktenlage kann der unabhängige Verwaltungssenat auf die unbedenklichen Feststellungen der belangten Strafbehörde im angefochtenen Straferkenntnis verweisen, die den entscheidungswesentlichen Sachverhalt hinreichend darstellen und in einem mängelfreien Verfahren erhoben wurden.

3.2. Die gerügte Verletzung des Parteiengehörs liegt in Wahrheit nicht vor, weil die belangte Behörde mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 27. Februar 1996 den unter Berücksichtigung der Einvernahme des Lebensmittelaufsichtsorganes ihrer Ansicht nach wesentlichen Sachverhalt angelastet und die Möglichkeit eingeräumt hat, entweder zu einem persönlichen Einvernahmetermin zu erscheinen oder eine schriftliche Rechtfertigung abzugeben. Von diesem Angebot iSd § 40 Abs 2 VStG hat die Bwin keinen Gebrauch gemacht. Sie oder ihr Rechtsvertreter hätten jederzeit bei der belangten Behörde Akteneinsicht nehmen und auch Kopien vom Akteninhalt gegen den üblichen Kostenersatz erhalten können. Die belangte Strafbehörde war nicht verpflichtet, Kopien des Akteninhalts von Amts wegen ihrer Verständigung anzuschließen. Eine genaue Aktenkenntnis hatte sich die Bwin selbst zu verschaffen. Die Möglichkeit dazu wurde ihr von der belangten Behörde ausdrücklich angeboten. Diese Verfahrensrüge ist daher unberechtigt. Abgesehen davon hätte die Bwin auch nach Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses Akteneinsicht nehmen können, um sich noch vor Verfassung der Berufung vollständig über die Aktenlage zu informieren.

Was den im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 29. November 1995 beantragten Ortsaugenschein und die begehrte Einvernahme des J betrifft, ist nicht erkennbar, welche weiteren wesentlichen Aufklärungen diese Beweisaufnahmen für das gegenständliche Strafverfahren hätten erbringen sollen. Die im Akt befindlichen Fotos zeigen ohnehin einen Teil des Verkaufsraumes im Fleischgroßmarkt und vermitteln einen Eindruck von der Gestaltung des Kundenbereiches im allein maßgeblichen Zeitpunkt der verfahrensgegen-ständlichen Lebensmittelkontrolle. Ein vorangekündigter späterer Lokalaugenschein hätte schon deshalb keinen relevanten Beweiswert, weil im Hinblick auf die Beanstandungen und Anzeigen des Lebensmittelaufsichtsorgans die Umgestaltung des Verkaufsraumes zu erwarten war. Außerdem hat die Bwin im gesamten Verfahren kein relevantes Beweisthema vorgebracht, das einen Ortsaugenschein erforderlich erscheinen ließe. Auch hinsichtlich der begehrten Einvernahme des mittlerweile verstorbenen J ist ein bestimmtes Beweisthema nicht vorgebracht worden. Dieser wird vielmehr nur pauschal zum gesamten Vorbringen im Einspruch namhaft gemacht, welches hauptsächlich Fragen der rechtlichen Beurteilung betrifft. Strittige Tatfragen von entscheidungswesentlicher Bedeutung sind jedenfalls nicht aufgetreten. Der erkennende Verwaltungssenat kann daher den Verfahrensrügen in der Berufung nicht beipflichten. 3.3. Aufgrund des Berufungsvorbringens zu Spruchpunkt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses sah sich der erkennende Verwaltungssenat in Ergänzung des strafbehördlichen Beweisverfahrens allerdings veranlaßt, den Strafakt des Bezirksgerichts Linz zu beizuschaffen und auszuwerten. Dabei hat sich herausgestellt, daß der zu Spruchpunkt 3) angelastete Sachverhalt (ca. 50 kg geselchter Bauch bzw. geselchte Schulter) unter dem Aspekt des fahrlässigen Inverkehrbringens von verdorbenen Lebensmitteln nach § 64 iVm § 63 Abs 1 Z 1 LMG 1975 Gegenstand des strafgerichtlichen Verfahrens war. Der zum gerichtlichen Strafverfahren erstatteten Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorgans vom 30. April 1996, Zl. SanLP-10/2/11-1996/He, die leider im Verwaltungsstrafverfahren trotz der amtswegig wahrzunehmenden Subsidiaritätsvorschriften des LMG 1975 nicht aktenkundig gemacht wurde, ist zu entnehmen, daß die im Verkaufsraum in zwei Einkaufswägen bereitgehaltenen ca. 50 kg geselchter Bauch bzw. geselchte Schulter aufgrund großflächiger deutlich sichtbarer Verschimmelung als offensichtlich verdorben einzustufen waren. Nach dem StPO-Formular U 8 (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung - bei Freispruch) wurde die Bwin u.a. vom Vorwurf des fahrlässigen Inverkehrbringens der verdorbenen ca. 50 kg geselchter Bauch bzw. geselchte Schulter wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Damit steht für den erkennenden Verwaltungssenat fest, daß der im Spruchpunkt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses angelastete Sachverhalt in modifizierter Form bereits strafgerichtlich verfolgt wurde.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 macht sich im Fall der Z 3 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist nach dem letzten Gliedsatz mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen der §§ 15 Abs 6 oder 17 Abs 2, 18 Abs 1, 20, 26 Abs 2, 30 Abs 5 erster Satz oder 34 Abs 1 zuwiderhandelt.

§ 20 LMG 1975 verpflichtet den Inverkehrbringer von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit diese nach dem Stand der jeweiligen Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

4.2. Vorweg ist klarzustellen, daß der Spruchpunkt 3) des angefochtenen Straferkenntnisses schon im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 74 Abs 5 LMG 1975 ("..., sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, ...") aufzuheben und das Strafverfahren insofern mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen war. Wegen der ca 50 kg geselchter Bauch bzw. Schulter in zwei Einkaufs- bzw Verkaufswägen wurde bekanntlich ein gerichtliches Strafverfahren vor dem Bezirksgericht Linz durchgeführt, das nur wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat mit Freispruch endete. Dies ändert nichts daran, daß die Tat an sich gemäß § 64 iVm § 63 Abs 1 Z 1 LMG 1975 gerichtlich strafbar ist und insofern einer strengeren Strafe unterliegt. Die Anwendung des § 42 StGB setzt nämlich u.a. geringe Schuld und damit die Bejahung der gerichtlichen Strafbarkeit dem Grunde nach voraus. Subsidiaritätsklauseln wie im § 74 Abs 5 LMG 1975 vermeiden eine mehrfache Strafverfolgung aus demselben tatsächlichen Grund, die seit dem Urteil des EGMR im Fall Gradinger gegen Österreich (vgl ÖJZ 1995, 954 MRK ENr. 51 = NL 95/5/10) und dem im Anschluß daran ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, G 9/96 ua Zlen. (vgl JBl 1997, 447 ff oder EuGRZ 1997, 169 ff), verfassungsrechtlich unzulässig ist. 4.3. In den übrigen Spruchpunkten war die Berufung als unbegründet abzuweisen und den strafbehördlichen Erwägungen beizupflichten. Wie aus der im wesentlichen unbestrittenen Darstellung des Lebensmittelaufsichtsorganes hinsichtlich des Feilhaltens von Waren im Verkaufsraum der -Fleischgroßmarkt Ges.m.b.H. und aus den beiden aktenkundigen Fotos im Zeitpunkt der Kontrolle hervorgeht, wurden unverpackte Fleisch- und Wurstwaren in einer offenen Kühltruhe (nicht in einer geschlossenen Kühlvitrine) und auf einem offenen Zerlegetisch im Kundenbereich angeboten, wobei sich Kunden in unmittelbarer Nähe zu diesen Waren aufhalten und diese gegebenenfalls auch betasten konnten. Durch die gewählte Form der Feilhaltung war kein wirksamer Schutz vor unbefugtem Betasten, Anhusten oder Anniesen und damit vor der Übertragung von Krankheitserregern gewährleistet. Das gilt auch für die auf einem frei zugänglichen Ständer aufgehängten ca. 40 Stk. Srenska und die ca. 40 Stk. Semmeln und Salzgebäck in einem Korb bzw. Karton, die sich im Selbstbedienungsbereich befanden und lediglich durch ein Baumwolltuch abgedeckt waren, das weder den allgemeinen Zugriff der Kunden auf beliebige Gebäckstücke hindern, noch einen ausreichenden Schutz vor Verschmutzung und Übertragung von Krankheitserregern bieten konnte.

Die dagegen vorgebrachten Einwände der Bwin verkennen den nach heutigen Maßstäben angemessenen hygienischen Standard ebenso wie den Charakter des § 20 iVm § 74 Abs 5 Z 3 LMG 1975 als abstraktes Gefährdungsdelikt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügt bereits die abstrakte Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln (vgl ua VwGH 21.1.1993, 92/10/0190; VwGH 27.11.1995, 93/10/0100). Das Bereithalten von rohem Fleisch und sonstigen unverpackten Fleisch- und Wurstwaren in einer ungeschützten offenen Kühltruhe, an der täglich viele Kunden in unmittelbarer Nähe vorbeigehen oder stehenbleiben und manipulieren können, ist zweifellos ein allgemein einleuchtender hygienischer Mißstand. Das Gleiche gilt für den frei zugänglichen Zerlegetisch, vor dem gleichzeitig mehrere Kunden stehen und das dort ungeschützt liegende - selbst wenn nur für einen bestimmten Kunden zerlegte - Fleisch anniesen und anhusten können. Dem ohnehin wenig schlüssigen Einwand, daß es sich um einen sog. Kundenbearbeitungstisch und um bereits verkaufte Ware handle, hat die belangte Behörde mit Recht keine rechtliche Relevanz zugeschrieben. Daß jeweils nur ein Kunde, dessen Fleisch gerade zerlegt werde, vor dem Tisch stehe, widerspricht den allgemeinen Erfahrungen des täglichen Lebens. Eine solche Einlassung kann nur als unbeachtliche Schutzbehauptung angesehen werden. Außerdem lassen die aktenkundigen Fotos, die den Zerlegetisch mit erheblichen Mengen Fleisch zeigen, eher die Annahme zu, daß auf dem Zerlegetisch nicht nur jeweils die Ware eines Kunden bearbeitet wird, sondern daß größere Fleischstücke, von denen Teilmengen entsprechend der jeweiligen Kundenorder abgeschnitten werden, dort allgemein feilgehalten werden. Es kann nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß die Verwendung einer zum Kundenbereich hin durch Glas oder Plexiglas angeschlossenen Kühlvitrine sowie eines ebenso beschaffenen Zerlegetisches nach heutigen hygienischen Maßstäben zu fordern und dem Verkäufer auch zumutbar ist.

Schließlich ist auch der Verkauf von Rohwurstsorten in Selbstbedienung ohne Verpackung oder Griffschutz nach der sachverständigen Meinung des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission aus hygienischen Gründen abzulehnen. Rohwürste können ohne weiteres in luftdurchlässigen oder luftundurchlässigen Folien verpackt werden. Auch Brot und Gebäck ist im Kundenbereich nur in verpackter Form oder durch geeignete Gebäckspender anzubieten, die ein Zurücklegen der einmal gewählten Ware ausschließen (vgl näher die bei Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Teil I A, Komm zu § 20 LMG, 12 ff, wiedergegebenen Erlässe je vom 1.4.1986 des BMGU, die nach Befassung des Ständigen Hygieneausschusses ergangen sind). 4.4. Im Ergebnis waren daher die Spruchpunkte 1), 2), 4) und 5) samt den Strafaussprüchen von jeweils S 800,-- zu bestätigen. Die verhängten Geldstrafen von jeweils weniger als 4 % des anzuwendenden Strafrahmens erscheinen auch bei dem eher geringen Einkommen der Bwin unbedenklich. Auch die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG im angemessenen Verhältnis dazu festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen können nicht beanstandet werden.

Das in der Berufung behauptete geringe Verschulden kann der unabhängige Verwaltungssenat schon im Hinblick auf die Faktenhäufung nicht erkennen. Außerdem hat das Lebensmittelaufsichtsorgan in der Anzeige und anläßlich der zeugenschaftlichen Einvernahme darauf hingewiesen, daß es auf den Mißstand des ungeschützten Feilhaltens unverpackter Lebensmittel im Kundenbereich schon bei früheren Revisionen aufmerksam machte und eine Umgestaltung des Verkaufsraumes in einen Kunden- und einen davon getrennten Arbeitsbereich anregte. Die vorangegangenen lebensmittelpolizeilichen Ermahnungen hat die Bwin offenkundig ignoriert. An eine bloße Ermahnung nach § 21 VStG war daher mangels geringen Verschuldens und im Hinblick auf die spezialpräventive Notwendigkeit der Strafe nicht zu denken.

5. Bei diesem Ergebnis hat die Bwin gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im Berufungsverfahren zu den Spruchpunkten 1), 2), 4) und 5) jeweils einen weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 20 % der Geldstrafe, ds. S 160,--, zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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