Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108210/14/Bi/Stu

Linz, 15.07.2002

VwSen-108210/14/Bi/Stu Linz, am 15. Juli 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau A S, K, L, vertreten durch RA Mag. L K, H, L, vom 20. März 2002 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 5. März 2002, VerkR96-2144-2000-K, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, auf Grund der Ergebnisse der am 28. Juni 2002 und 4. Juli 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlungen (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren im Zweifel ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 364 Euro (5 Tagen EFS) verhängt, weil sie am 16. Februar 2000 um 11.37 Uhr im Gemeindegebiet von S auf der Bundesstraße 3 bei Km 232.160 in Richtung L das Kfz, im Bereich des Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 70 km/h" mit einer Geschwindigkeit von 121 km/h gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 36,40 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 28. Juni 2002 und am 4. Juli 2002 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Bw, ihres Rechtsvertreters, des Zeugen GI J B sowie des kfz-technischen Amtssachverständigen Ing. H R durchgeführt. Ein Vertreter der Erstinstanz ist bei beiden Terminen unentschuldigt nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde am 4. Juli 2002 mündlich verkündet.

3. Die Bw bestreitet, die vorgeworfene Geschwindigkeit tatsächlich eingehalten zu haben und macht im Wesentlichen geltend, dort herrsche dafür ein viel zu hohes Verkehrsaufkommen, zumal sie bei einer solchen Geschwindigkeit überholen hätte müssen, was unmöglich gewesen wäre. Überdies beantragt sie die weitere Zeugeneinvernahme des Ml zur Frage der Einhaltung der Verwendungsbestimmungen des verwendeten Radargerätes und die Ergänzung der beiden Gutachten durch den Amtssachverständigen dazu. Konkret wird das Vorliegen einer Triple-Spiegel-Fehlmessung behauptet und dazu auf einen Aufsatz der Autoren B/L verwiesen. In rechtlicher Hinsicht wird die Abtretung des Verfahrens gemäß § 29a VStG angefochten, zumal keine Verfahrensvereinfachung oder -beschleunigung dadurch erfolgt sei. Beantragt wird die Einstellung des Verfahrens, in eventu Strafherabsetzung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, weitere Ermittlungen zur Rechtsgrundlage der 70 km/h-Beschränkung sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Bw und ihr rechtsfreundlicher Vertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, der bereits im Ruhestand befindliche Ml zeugenschaftlich einvernommen und auf dieser Grundlage das bereits vorliegende technische Sachverständigengutachten ergänzt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Mittwoch, dem 16. Februar 2000, führte der Ml, ein Beamter des LGK für, Verkehrsabteilung, L, alleine vom Standort bei km 232.160 der B3, Gemeindegebiet S, mit dem im Gendarmeriefahrzeug eingebauten geeichten Radargerät Multanova MUVR 6F Nr.383 zwischen 10.20 Uhr und 12.00 Uhr Geschwindigkeitsmessungen in beiden Fahrtrichtungen durch. Das nach außen hin nicht als solches erkennbare Gendarmeriefahrzeug mit Deckkennzeichen war in Fahrtrichtung L am Bankett neben dem Rechtsabbiegestreifen nach P - dort befindet sich eine Kreuzung mit Zufahrt zu einem Schotterwerk auf der einen und zum vielfach von Pendlern genutzten Parkplatz beim Bahnhof P auf der anderen Seite - parallel zum Richtung L führenden Fahrstreifen abgestellt, wobei das Radargerät in das Fahrzeug eingebaut war.

Der Ml bestätigte bei der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2002 zeugenschaftlich, er habe naturgemäß keine Erinnerung mehr an diesen Tag, sondern könne nur die übliche Vorgangsweise bei solchen Messungen schildern. Er sei als Beamter der Verkehrsabteilung des im Hinblick auf Geschwindigkeitsmessungen mit dem verwendeten Radargerät geschult und geübt gewesen, zumal er ständig solche Messungen durchgeführt habe. Er legte in der Verhandlung die Einhaltung der Verwendungsbestimmungen, insbesondere die in der Berufung als unrichtig angezweifelte Überprüfung der Parallelität der Antenne zum Fahrstreifen mittels Messlatte, und die Abzüge der Fehlergrenzen bei Radargeräten der Bauart 6FM bei Messungen vom Fahrbahnrand aus dar. Der Ml konnte auf Grund der verstrichenen Zeit von mehr als zwei Jahren verständlicherweise keine Angaben mehr auf den konkreten Fall bezogen machen, insbesondere zum Verkehrsaufkommen - dazu verwies er auf das Messprotokoll, auf dem 597 gemessene Fahrzeuge für die Zeit von 10.20 Uhr bis 12.00 Uhr angeführt sind - zur Temperatur - Geräte dieser Bauart sind für Temperaturen zwischen -10 Grad und +50 Grad zugelassen; Vorfallstag war der 16. Februar - und zum konkreten Verkehrsgeschehen bei der Messung des Pkw der Bw. Er verwies auf das Radarfoto, auf dem der Pkw als einziges Fahrzeug in abfließendem Verkehr zu sehen ist, und auf die gemessene Geschwindigkeit von 127 km/h. Zur Frage des Ausschlusses einer Triple-Spiegel-Fehlmessung konnte sich der Zeuge konkret nicht äußern. Er gab an, er sitze bei den Messungen im Fahrzeug und vergleiche die augenscheinliche Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges mit dem vom Gerät angezeigten Messergebnis. Falle ihm hier ein Widerspruch auf, notiere er das Kennzeichen und es werde hinsichtlich dieses Radarfotos keine Anzeige erstattet. Er konnte sich aber mangels jeglicher Erinnerung nicht mehr äußern, ob dies auch im gegenständlichen Fall so gewesen ist.

Die Bw wurde am 4. Juli 2002 einvernommen, konnte sich jedoch naturgemäß nicht an den Vorfallstag erinnern, zumal sie damals nicht angehalten wurde. Von einer angeblich von ihr eingehaltenen überhöhten Geschwindigkeit erfuhr sie nachweislich erstmals durch die einen Monat nach dem Vorfallstag an sie ergangene Anfrage der Erstinstanz gemäß § 103 Abs.2 KFG, die sie dahingehend beantwortete, dass sie sich selbst als Lenkerin am 16. Februar 2000, 11.37 Uhr, bezeichnete. An eine überhöhte Geschwindigkeit konnte sie sich nicht erinnern, machte aber geltend, auf dem dortigen Abschnitt der B3 herrsche ständig ein so hohes Verkehrsaufkommen und die Einhaltung von 121 km/h ohne Überholmanöver sei wohl nicht zu bewerkstelligen, sodass sie die ihr vorgeworfene Geschwindigkeit sicher nicht einhalten hätte können. Außerdem habe sie die Termine an diesem Tag - sie ist P - rekonstruiert, wobei sich ergeben habe, dass sie sicher nicht unter Zeitdruck gestanden sei und eine so hohe Geschwindigkeit überflüssig gewesen wäre. Auch sie konnte weder zu den Temperaturen an diesem Tag noch zur konkreten Verkehrssituation Angaben machen.

Der Amtssachverständige Ing. R erörterte unter Hinweis auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren von ihm erstellten Gutachten sowie auf einen von ihm durchgeführten Ortsaugenschein am Messort die Messbedingungen, konnte auch den Standort des Gendarmeriefahrzeuges einwandfrei nachvollziehen und als fehlerfrei und im Einklang mit den Verwendungsbestimmungen für Radargeräte der verwendeten Bauart stehend qualifizieren. Er führte anhand des Radarfotos aus, dass die Messung insofern einwandfrei zuzuordnen sei, als das gemessene Fahrzeug beim Verlassen des zweiten Viertels des Radarbildes zu sehen sei, was auf eine korrekte Messung hinweise und eine Verwechslung mit einem auf dem Foto ersichtlichen anderen Fahrzeug ausschließe.

Zur Frage einer Erkennbarkeit einer Triple-Spiegel-Fehlmessung bestätigte der Sachverständige, es sei nicht möglich, eine solche vom vorliegenden Radarfoto her auszuschließen. Bei einer solchen Fehlmessung wird exakt das Doppelte der gefahrenen Geschwindigkeit - im gegenständlichen Fall also von 63,5 km/h - angezeigt und für das Zustandekommen ist entweder ein Zusammenlaufen von drei senkrecht zueinander stehenden Flächen (zB bei einem Kellerfenster bei Messungen im verbauten Bereich) erforderlich, an denen der Messstrahl reflektiert und das Fahrzeug zweimal gemessen wird, oder die im - auch vom Beschuldigtenvertreter vorgelegten - als Fachliteratur anerkannten Aufsatz "Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren" der Autoren RA W-D B, M, und Dipl-Physiker Dr. O U L, F, 1994 bzw 1996, dargestellte Konstellation. Demnach ist von der seriösen Möglichkeit des Entstehens einer solchen Fehlmessung auch bei bewegten Triple-Spiegeln auszugehen. Solche Konstellationen sind zB bei bestimmten Felgen von Motorrädern im Gegenverkehr nachgewiesen, wobei diese nicht unbedingt auf dem Radarbild zu sehen sein müssen. Es ist wohl möglich, dass auf Grund der Verzögerung des Auslösens des Radarfotos nach der Messung das im Gegenverkehr befindliche Fahrzeug (Triple-Spiegel) auf dem Radarfoto nicht mehr zu sehen ist und eine unrichtige Zuordnung der gemessenen Geschwindigkeit erfolgt. Aus technischer Sicht ist nach den Ausführungen des Amtssachverständigen das Vorliegen einer Triple-Spiegel-Fehlmessung im gegenständlichen Fall nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, zumal der Ml, der sich im Übrigen seit fast zwei Jahren im Ruhestand befindet, naturgemäß zum konkreten Vorfall keine Erinnerung mehr hatte.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Tatvorwurfs und der Zuordnung des Messwertes insofern vorhanden, als nach den Ausführungen des Ml eine so hohe wie die hier gemessene Geschwindigkeit am genannten Messort eher selten vorkommt, was angesichts der Gefährlichkeit der genannten Kreuzung - die B3 verbindet den Linzer mit dem Perger Raum nördlich der Donau und ist erfahrungsgemäß an Werktagen stark befahren, sodass das Argument der Bw nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist; außerdem entstehen dort durch Einbiegevorgänge von Schotter-Lkw sowie in Richtung P fahrende Fahrzeuge Verzögerungen im Verkehrsfluss, was auch Grundlage für die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h im Bereich zwischen km 232.012 und 232.400 war - nachvollziehbar ist.

Zu bedenken ist auch, dass die Bw, die in der Verhandlung einen sehr positiven persönlichen Eindruck hinterließ, verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und wohl anzunehmen ist, dass eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung in auffallendem Widerspruch zu ihrem üblichen Verkehrsverhalten stünde, zumal sich auch für den Zeitraum nach dem Vorfall seitens der Erstinstanz kein Hinweis auf irgendeine Vormerkung ergab.

Das Vorliegen einer Triple-Spiegel-Fehlmessung kann im gegenständlichen Fall nach den Ergebnissen des auch schon bei der Erstinstanz umfangreichen Beweisverfahrens aus dem vorliegenden einzelnen Radarfoto nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Zum einen konnte sich der Ml nicht mehr an den Vorfall erinnern, insbesondere auch nicht, ob er sich im konkreten Fall handschriftliche Aufzeichnungen über die Nichtverfolgung des Lenkers eines bestimmten gemessenen Pkw wegen Diskrepanzen des Messwertes mit der geschätzten Geschwindigkeit gemacht hat. Es erfolgte auch keine Anhaltung der Lenkerin an Ort und Stelle, bei der ein derartiger Widerspruch aufgeklärt hätte werden können und bei der ein zweiter Beamter verlässlich die Geschwindigkeit des von der Bw gelenkten Pkw beobachten und im Vergleich zum Messwert abschätzen hätte können. Um der Gefahr einer Triple-Spiegel-Fehlmessung bei Radarmessungen durch einzelne Gendarmeriebeamte zu entgehen, könnten auch wie bei fixen Radargeräten zwei Fotos angefertigt werden, sodass die Geschwindigkeit aus dem Zeit-Weg-Diagramm zu errechnen und auch eine eindeutige Zuordnung gewährleistet wäre.

In rechtlicher Hinsicht war daher gemäß § 45 Abs.1 Z1 1.Alt VStG wegen Nichterweisbarkeit der der Bw zur Last gelegten Tat, sohin im Zweifel zugunsten der Bw, der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht vorzuschreiben waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Triple-Spiegel-Fehlmessung ist nach Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht auszuschließen - Einst. im Zweifel.

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