Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108231/2/Le/Rd

Linz, 10.05.2002

VwSen-108231/2/Le/Rd Linz, am 10. Mai 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der Frau F, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4.4.2002, Zl. VerkR96, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich in beiden Tatvorwürfen bestätigt.

Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die zum Tatvorwurf 1. verhängte Strafe richtet, keine Folge gegeben; die zu Tatvorwurf 2. verhängte Geldstrafe wird auf 36 Euro herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 7,20 Euro.

Hinsichtlich des ersten Tatvorwurfes beträgt der Beitrag für die Kosten des Berufungsverfahrens 7,20 Euro, hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4.4.2002 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin wegen Übertretungen des

1) § 23 Abs.4 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) und

2) § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihr vorgeworfen, sie habe am 23.5.2001 um 7.30 Uhr in Linz gegenüber dem Haus R 1

1) die Tür des Kraftfahrzeuges so geöffnet, dass dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten und

2) es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 22.4.2002, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte die Berufungswerberin aus, dass die Begründung des Straferkenntnisses doch eher knapp ausgeführt worden sei, was nicht dem Gesetz entspreche.

Zum ersten Tatvorwurf behauptete die Berufungswerberin, der Radfahrer habe einen zu geringen Seitenabstand zum Fahrzeug gewählt, weshalb er für sie als im toten Winkel des Rückspiegels befindlich nicht sichtbar gewesen sei. Es müsste einem Autolenker zugestanden werden, dass er die Türe zumindest in einem Umfang öffnet, dass er sich durch den Spalt der geöffneten Türe davon überzeugen kann, dass er keine weiteren Personen oder Fahrzeuge behindert oder gefährdet.

Weiters wurde darauf hingewiesen, dass in der Anzeige ausgeführt werde, dass der Fahrradfahrer zu Sturz gekommen sei, wogegen nach seiner eigenen Aussage der Fahrradfahrer nicht zu Sturz gekommen sei.

Hinsichtlich des zweiten Punktes führte die Berufungswerberin aus, dass der Radfahrer erst nachträglich Schmerzen im Bereich der linken Schulter verspürt hätte. Unmittelbar nach dem Zusammenprall sei ein Identitätsaustausch zwischen den Personen erfolgt und hätte der Radfahrer gegenüber der Berufungswerberin nichts von einer Verletzung erwähnt. Erst nachträglich, rund eine dreiviertel Stunde später, wäre er dann im Krankenhaus erstversorgt worden. Nachdem die Berufungswerberin dies erfahren habe, hätte sie unverzüglich die nächste Polizeidienststelle aufgesucht. Zuvor wäre dies nicht notwendig gewesen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, vor allem der Verkehrsunfallanzeige der BPD Linz vom 23.5.2001 und den angeschlossenen Unterlagen, insbesonders den Niederschriften mit der Berufungswerberin und dem unfallbeteiligten Radfahrer S steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Berufungswerberin parkte am 23.5.2001 um 7.30 Uhr ihren Pkw in Linz gegenüber dem Hause R Nr. 1 parallel zum rechten Fahrbahnrand. Als sie die Fahrertür öffnete, stieß der von hinten kommende und am Pkw vorbeifahrende Schüler S mit seinem Mountainbike gegen diese Fahrertür und kam dabei zu Sturz. Nachdem die Mutter des Schülers verständigt worden war und diese mit dem Sohn ins AKH fuhr, verständigte die nunmehrige Berufungswerberin um 8.45 Uhr das Verkehrsunfallkommando. Bei der dortigen niederschriftlichen Vernehmung gab sie wörtlich Folgendes an:

"Am 23.5.2001 um 07.30 Uhr hatte ich den Pkw, gegenüber dem Hause R Nr.1, parallel zum Fahrbahnrand abgestellt und wollte das Fahrzeug verlassen.

Ich öffnete die Fahrzeugtür und im gleichen Augenblick fuhr ein Radfahrer am abgestellten Fahrzeug vorbei. Der Radfahrer stieß gegen die Lenkertür und kam in der Folge zu Sturz. Anschließend gab der Radfahrer an, dass er verletzt sei, Schmerzen in der Brust verspüre. Die Mutter vom Radfahrer wurde verständigt, die anschließend an der Unfallstelle eintraf und sich mit dem Sohn in das AKH begab.

Durch den Anstoß des Radfahrers an der Lenkertür, wurde die Lenkertür und die Seitenscheibe beschädigt. Ich wurde durch den Vorfall nicht verletzt.

Am Zustandekommen des Verkehrsunfalls fühle ich mich schuldig, da ich den Radfahrer beim Verlassen des Fahrzeuges übersehen hatte".

Der Radfahrer S gab vor der Polizei am selben Tage an, durch den Zusammenstoß nicht zu Sturz gekommen zu sein.

Allerdings geht aus der Verletzungsanzeige des AKH Linz, aufgenommen am selben Tage, hervor, dass er um ca. 7.30 Uhr beim Fahrradfahren über eine plötzlich geöffnete Autotüre auf die linke Schulter gestürzt sei.

Am 25.7.2001 wurde die gegen die nunmehrige Berufungswerberin erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs.1 StPO von der Staatsanwaltschaft Linz zurückgelegt.

Gegen die am 1.10.2001 erlassene Strafverfügung hat die nunmehrige Berufungswerberin rechtsfreundlich vertreten Einspruch erhoben, jedoch im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren keine Stellungnahme oder Rechtfertigung abgegeben.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Zum Tatvorwurf 1.:

Nach § 23 Abs.4 StVO dürfen die Türen eines Fahrzeuges so lange nicht geöffnet werden und auch nicht geöffnet bleiben, als dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden können.

Aus der zahlreichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes (abgedruckt in Messiner, StVO, Straßenverkehrsordnung idF der 19. StVO-Novelle, 9. Auflage, Manz Verlag Wien, Seite 550f) geht hervor, dass der an einem parkenden Fahrzeug vorbeifahrende oder vorbeigehende Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen kann, dass die Fahrzeugtüren nicht unvermutet, also nicht so geöffnet werden, dass er dadurch gefährdet oder behindert werden könne. Demnach ist auch ein geringfügiges Öffnen der Fahrzeugtür verboten, wenn es zu einer Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer kommen kann.

Die nunmehrige Berufungswerberin hat selbst in ihrer schriftlichen Vernehmung vor der Polizei angegeben, die Fahrertür geöffnet zu haben und im gleichen Augenblick sei ein Radfahrer vorbeigefahren, der gegen die Lenkertür gestoßen sei. Das bedeutet aber, dass die Berufungswerberin die Tür unmittelbar vor dem Radfahrer geöffnet hat.

Sie gab bei dieser Einvernahme weiters an, sich am Zustandekommen des Unfalls schuldig zu fühlen, da sie den Radfahrer übersehen hätte. Daraus folgt, dass sich die Berufungswerberin vor dem Öffnen der Tür nicht ausreichend versichert hat, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Damit aber hat die Berufungswerberin gegen die oben zitierte Bestimmung des § 23 Abs.4 StVO, die gerade solche Unfälle verhindern soll, verstoßen.

Der Einwand, der Radfahrer hätte sich im toten Winkel befunden, kann sie nicht entschuldigen, weil jeder Autofahrer vor dem Aussteigen nicht nur verpflichtet ist, in den Spiegel, sondern auch über die Schulter zu blicken.

4.3. Zum Tatvorwurf 2.:

Unter der Überschrift "Verkehrsunfälle" regelt § 4 StVO die Pflichten der Unfallbeteiligten.

Nach Abs.2 leg.cit. haben die in Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind. Sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen ...

Aus der zahlreichen Judikatur des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes (abgedruckt in Messiner, aaO, Seite 120 bis 127) zu dieser Bestimmung geht klar hervor, dass die zeitliche Wendung "sofort" wörtlich auszulegen ist und auch bei nicht nennenswerten Verletzungen besteht. Die Meldung hat sofort nach der Hilfeleistung zu erfolgen.

Im vorliegenden Fall passierte der Verkehrsunfall um 7.30 Uhr; die Berufungswerberin meldete den Unfall um 8.45 Uhr beim Verkehrsunfallkommando, also 1 1/4 Stunden später.

In seiner Entscheidung vom 19.3.1986, 85/03/0164, hielt der Verwaltungsgerichtshof eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle mehr als eine halbe Stunde nach dem Unfall nicht mehr als "sofort" erfolgt.

Im gegenständlichen Fall war der dazwischenliegende Zeitraum noch länger.

Es wäre vielmehr Aufgabe der Berufungswerberin gewesen, die Polizei noch vom Unfallort aus zu verständigen, zB mittels Handy (die Berufungswerberin hat gegenüber der Polizei eine Handynummer angegeben), weil sie laut ihrer eigenen Angabe vor der Polizei (entgegen der Behauptung in der Berufung !) von Anfang an gewusst hatte, dass sich der Radfahrer verletzt fühlte.

Damit aber hat sie die objektive Tatseite dieser Verwaltungsübertretung erfüllt.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Im vorliegenden Fall ist es der Berufungswerberin nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der angelasteten Vorschriften (die solche Ungehorsamsdelikte darstellen) kein Verschulden trifft, weshalb Verschulden in der Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese im Hinblick auf den ersten Tatvorwurf entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes erscheint die Verhängung der Mindeststrafe als angemessen, weshalb die von der Erstbehörde verhängte Strafe diesbezüglich herabzusetzen war. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ist kein Hinweis ersichtlich, dass die Berufungswerberin Vorstrafen hätte, weshalb die Unbescholtenheit jedenfalls als strafmildernd zu berücksichtigen war.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG (Absehen von der Strafe bzw Ausspruch einer Ermahnung) sind nicht erfüllt, weil weder das Verschulden der Berufungswerberin geringfügig ist noch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Der Radfahrer wurde zwar letztlich nicht schwer verletzt, doch konnte dies an der Unfallstelle nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden. Überdies wurde die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt. Deshalb kann aus spezialpräventiven Gründen § 21 VStG nicht angewendet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG der Berufungswerberin hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes nicht aufzuerlegen, weil der Berufung diesbezüglich zumindest teilweise Folge gegeben wurde. Hinsichtlich des ersten Tatvorwurfes wurde jedoch das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt, weshalb auch ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorzuschreiben war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung:

Öffnen der Fahrertür; sofortige Meldepflicht

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