Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108239/15/Br/Rd

Linz, 07.08.2002

VwSen-108239/15/Br/Rd Linz, am 7. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 7. März 2002, Zl.: VerkR96-17330-2001-Sö, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach der am 5. Juni und 8. Juli 2002 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1 VStG, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 Euro und für den Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen verhängt, weil er am 23.9.2001 um 08.38 Uhr als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen, in Wartberg/Krems, A9 bei Strkm 10,600 in Fahrtrichtung Kirchdorf a.d. Krems gelenkt und dabei die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h missachtete, indem seine Fahrgeschwindigkeit 151 km/h betragen habe.

1.1. Begründend stützte die Behörde erster Instanz ihre Entscheidung auf die mittels eines geeichten Radargerätes erfolgte Geschwindigkeitsmessung. Der Strafausspruch wurde mit Bezug auf § 19 VStG als schuldangemessen erachtet, wobei von einem Monatseinkommen von 872 Euro ausgegangen wurde.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung. Darin bestreitet er die Lenkereigenschaft und verweist gleichzeitig auf seine diesbezügliche per FAX an die Bundespolizeidirektion Graz getätigte Bekanntgabe des tatsächlichen Lenkers.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier angesichts der Tatsachenbestreitung in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK gewährleisteten Rechte erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, Zl.: VerkR96-17330-2001-Sö, im Rahmen der Berufungsverhandlung am 5. Juni 2002. Ferner durch Vernehmung des Berufungswerbers anlässlich der am 8. Juli 2002 fortgesetzten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Der angeblich in Deutschland vom Vater des Berufungswerbers - als angeblich damaligen Lenker - besuchte V, wurde von h. sowohl an seiner deutschen Adresse als auch an seiner zwischenzeitig in Österreich aktenkundig gewordenen Adresse in Leibnitz angeschrieben. Anlässlich der Berufungsverhandlung am 5. Juni 2002 wurde dem Berufungswerber aufgetragen, entsprechende Aufzeichnungen über die Überlassung seines Fahrzeuges vorzulegen und auch die von ihm namhaft gemachten Zeugen stellig zu machen oder von denen entsprechende eidesstattliche Erklärungen beizubringen.

Entsprechende notariell beglaubigte Urkunden wurden schließlich mit Schriftsatz vom 5. August 2002 vom Rechtsvertreter, sowohl hinsichtlich des Vaters des Berufungswerbers, M, als auch von V, vorgelegt.

Deren Inhalt wurde der Behörde erster Instanz fernmündlich noch in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

5. Folgender Sachverhalt gilt aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erwiesen:

5.1. Das Fahrzeug des Berufungswerbers wurde zu der im Spruch genannten Zeit und Örtlichkeit mit einer Fahrgeschwindigkeit von 151 km/h gemessen. Das Ergebnis der Messung wurde vom Berufungswerber in keiner Phase des Verfahrens in Abrede gestellt.

In der dem Berufungswerber von der Behörde zugestellten Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers, teilte er am 13.11.2001 mit, "er glaube das Fahrzeug persönlich gelenkt zu haben, er könne sich aber nicht 100%ig erinnern."

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gab der Berufungswerber schließlich am 14.2.2002 bei der Bundespolizeidirektion Graz als Beschuldigter dazu an, dass er zu diesem Vorfall nur angeben könne, nicht selbst gelenkt zu haben. Es könne sowohl ein Mitarbeiter der Firma als auch ein damals zu Besuch gewesener Verwandter gefahren sein.

In einem weiteren im Akt befindlichen, mit 19. Februar 2002 datiertem Formular einer Lenkerbekanntgabe, benannte er als Lenker seinen Vater - D - wh. in Rumänien. Dieses Schreiben - auf welches offenbar in der o.a. Vernehmung Bezug genommen wurde - gelangte jedoch offenbar erst mit der Berufung zur Vorlage bzw. zum Akt.

Anlässlich der Berufungsverhandlung schilderte der Berufungswerber die Umstände der Lenkerbekanntgabe bzw. die darauf gestützte Verantwortung wohl sehr unschlüssig und eher fern einer lebenspraktischen Nachvollziehbarkeit. Der Berufungswerber vermeinte an der angeführten Stelle kaum unterwegs zu sein. Über Vorhalt, dass unter diesem Aspekt seine ursprünglich eigene Benennung als Lenker wohl durchaus der Realität zu entsprechen scheint, glaubte er diesen Widerspruch mit einer Verwechslung des Ortes Kirchdorf mit einem anderen Kirchdorf (in der Steiermark) erklären zu können. Gänzlich im Dunkeln blieb schließlich, warum er nicht sogleich, sondern erst im dritten Anlauf, den vermeintlichen Lenker zu nennen vermochte. Dies begründete er mit bloßer Schlamperei.

Die vom angeblichen Lenker in Deutschland besuchte Person (V) reagierte auf zwei h. Schreiben nicht. Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 8. Juli 2002 wurde vom Berufungswerber die zuletzt genannte Person als Zeuge beantragt. Da dieser Zeuge nicht unmittelbar Auskunft über die Lenkereigenschaft an der fraglichen Örtlichkeit geben kann und mit einer schriftlichen Anfrage ebenfalls das Auslangen gefunden werden konnte, wurde auf dessen Ladung aus Kostengründen abgesehen.

Wenngleich die im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragene Verantwortung des Berufungswerbers unlogisch und wenig glaubwürdig anmutete, wurde letztlich durch die Vorlage der notariell beglaubigten Erklärungen zweier Personen, die Verantwortung des Berufungswerbers gestützt, sodass diese nicht (mehr) als bloße Schutzbehauptung abgetan werden kann. Offen bleibt, warum sich anlässlich der nur wenige Wochen nach dem Vorfall gemachten Lenkerauskunft der Berufungswerber im Ergebnis sich selbst als Lenker benannte. Wenn der Berufungswerber dies als Schlamperei bezeichnete, so wurde damit leichtfertig ein enormer Verwaltungsaufwand erzeugt. Letztlich wäre die Behörde erster Instanz gut beraten gewesen, diese nicht ganz präzise Lenkerbekanntgabe entgegen dem § 103 Abs.2 KFG zu ahnden.

Somit kann von einem Tatbeweis hinsichtlich der Lenkereigenschaft des Berufungswerbers zur fraglichen Zeit nicht ausgegangen werden.

Abschließend ist zur Frage der Beweiswürdigung noch zu bemerken, dass die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen hat. Die Unterstellung eines Sachverhaltes auf Grund von Indizien - hier in Form der ursprünglich im Ergebnis gegensätzlich lautenden Lenkerauskunft - würde dem Grundsatz eines fairen Verfahrens widersprechen. Im Lichte der obigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen (dazu insb. Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Der Verfassungsgerichtshof geht etwa im Bereich der sogenannten Ungehorsamsdelikte schon davon aus, dass § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986).

Selbst wenn nur Zweifel am Tatvorwurf bestehen, gilt der Nachweis als nicht erbracht und das Verfahren ist gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. sinngem.; Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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