Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108276/6/SR/Ri

Linz, 20.06.2002

VwSen-108276/6/SR/Ri Linz, am 20. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der I K, Sstraße , D-B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Zl. VerkR96-4568-2002 vom 5. April 2002 wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:

I. Die Berufung gegen die Schuld wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Berufung gegen die Strafhöhe wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 300 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit 4 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, festgesetzt wird.

II. Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 30 Euro, d.s. 10 % der verhängten Strafe.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.5 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002 - VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 17.11.2001 um 11.30 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen G (D) auf der Westautobahn A in Fahrtrichtung W gelenkt, wobei Sie im Gemeindegebiet von St. L bei KM die durch Vorschriftszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 75 km/h überschritten haben.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 52 lit.a Z.10a StVO. 1960.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling falls diese uneinbringlich ist gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

399,00 Euro 180 Stunden 99 Abs.3 lit.a StVO.1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetztes (VStG) zu zahlen:

39,90 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 14,53 angerechnet);

Der zu zahlende Geldbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 438,90 Euro."

2. Gegen dieses der Bw am 18. April 2002 eigenhändig zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 22. April 2002 bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass die Tat aufgrund der Radarmessung erwiesen sei. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme habe die Bw nicht Gebrauch gemacht. Die persönlichen Verhältnisse seien geschätzt worden. Es wären weder mildernde noch erschwerende Umstände vorgelegen.

2.2. Dagegen ersuchte die Bw im Rechtsmittel um ein Foto, da sie nicht wüsste, wer "grad" gefahren sei. Weiters wäre die Strafe zu hoch. Sie würde daher um Herabsetzung der Strafe und um ein Foto bitten.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung und den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat für den 25. Juni 2002 die mündliche Verhandlung ausgeschrieben und die Verfahrensparteien geladen.

3.2. Die Bw hat nach Erhalt der Ladung telefonisch mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird. Zur Tatzeit ist sie im Auto gesessen, könne aber nicht angeben, wer das Fahrzeug am Tatort gelenkt hat. Zur Klärung würde sie ein Foto benötigen. Nachdem der Bw zur Kenntnis gebracht worden war, dass auf dem Foto nur das Heck des Fahrzeuges abgebildet ist und daraus keine Rückschlüsse auf den Fahrer gezogen werden können, ersuchte die Bw um Verminderung der Strafe. Ergänzend brachte die Bw vor, dass sie kaum über ein regelmäßiges Einkommen verfügen würde. Dieses sei geringer als das behördlich geschätzte und sie wäre in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht absolut unbescholten. Bei der Übertretung sei das Verkehrsaufkommen sehr gering gewesen, sonst hätte die gemessene Geschwindigkeit nicht gefahren werden können.

Ergänzend zum Telefonat hat die Bw am 17. Juni 2002 schriftlich mitgeteilt, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen wird. Weiters gab sie an, dass sie am 17. Juni 2002 den Pkw mit dem Kennzeichen G nicht gelenkt habe. Sie hatte das Auto zwei Ungarn geborgt, die beide arbeitslos wären. Ihr Lebensunterhaltgeld sei sehr niedrig. Daher würde sie um eine niedrigere Strafe und ein Foto ersuchen.

3.3. Da beide Parteien mitgeteilt haben, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, wurde diese abberaumt.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Die Geschwindigkeitsübertretung als solche und die gemessene Geschwindigkeit sind unbestritten. Um Wiederholungen zu vermeiden wird diesbezüglich auf die rechtlichen Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen.

4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat zur Erforschung der materiellen Wahrheit die Berufungsverhandlung ausgeschrieben. Die Bw hat aufgrund der Ladung mitgeteilt, dass sie an der Berufungsverhandlung nicht teilnehmen wird. So hat der Unabhängige Verwaltungssenat versucht, im Zuge des Telefonates mit der Bw seiner Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit nachzukommen. Die Bw ist aber der sie treffenden Mitwirkungspflicht - Namhaftmachung der anderen Mitfahrer/Fahrer - weder im Telefonat noch in der schriftlichen Ausfertigung nachgekommen. Trotz der Aufforderung, Beweismittel für ihre Behauptung vorzulegen und die in Frage kommenden Insassen namhaft zu machen, hat sie sich nicht veranlasst gesehen, jene Personen, in deren Einflussbereich sich das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt befunden hat, zu nennen.

4.3. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus (VwGH 24.5.1989, 89/02/0017, 24.2.1993, 92/03/0011, siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759).

Das Vorbringen der Bw ist allgemein gehalten und teilweise widersprüchlich. Einerseits hat sie eingestanden sich bei der Verwaltungsübertretung im Fahrzeug befunden zu haben und andererseits ausgeführt, dass die den Pkw zwei arbeitslosen Ungarn geborgt hatte. Ihr allgemein gehaltenes Vorbringen ist als Schutzbehauptung zu werten und darüber hinaus hat sie nicht im erforderlichen Maße im Verfahren mitgewirkt. Die Bw konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sie an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Es ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Rechtfertigungsgründe sind nicht hervorgekommen.

4.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Hinsichtlich der verhängten Strafe ist die Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. Das festgesetzte Strafausmaß der Behörde erster Instanz erweist sich grundsätzlich als nachvollziehbar. Im Berufungsverfahren ist eine schlechtere wirtschaftliche Situation hervorgekommen. Bei der Strafbemessung war auch die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu berücksichtigen.

Geschwindigkeitsübertretungen stellen immer wieder die Ursache schwerer Verkehrsunfälle dar, weshalb im Hinblick auch auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Ausmaß sowohl Gründe der Spezialprävention als auch der Generalprävention für eine hohe Geldstrafe sprechen.

Was die Strafhöhe anbelangt, ist der Unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, dass die nunmehr festgesetzte Geldstrafe durchaus tat- und schuldangemessen ist. Aus Gründen der Generalprävention bedarf es der verhängten Strafe um Übertretungen in vergleichbaren Fällen hintan zuhalten.

Darüber hinaus ist die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen. Von einem nur geringfügigen Verschulden war nicht auszugehen, da durch das Verhalten der Bw genau jener Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erfüllt wurde, welcher in der Verwaltungsvorschrift unter Strafdrohung gestellt wurde. Es war daher nicht von der Strafe abzusehen und auch nicht mit Ermahnung vorzugehen.

5. Der Kostenausspruch war spruchgemäß zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Mitwirkungspflicht