Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108278/2/Ki/Pe

Linz, 03.06.2002

VwSen-108278/2/Ki/Pe Linz, am 3. Juni 2002 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des HW, vertreten durch Rechtsanwälte Prof. Dr. F, vom 2. Mai 2002 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 5. April 2002, VerkR96-4496-2001-Wam, wegen einer Übertretung des KFG 1967 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z. 2 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 5. April 2002, VerkR96-4496-2001-Wam, den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe als Zulassungsbesitzer des Personenkraftwagens mit dem Kz. trotz der auf Grund eines Rechtshilfeersuchens der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 23. Oktober 2001, VerkR96-4496-2001, im Zuge der Anhörung bei der Polizeiinspektion Simbach am 6. November 2001 um 20.45 Uhr, Zl. 2217-002114-01/5, durchgeführten Lenkererhebung der Behörde darüber keine Auskunft erteilt, wer dieses Fahrzeug am 21. Februar 2001 um 14.27 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Er habe dadurch § 103 Abs.2 KFG 1967 verletzt. Gemäß § 134 Abs.1 KFG wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 7,20 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis per Telefax am 2. Mai 2002 Berufung mit der Begründung, dass er mit dem PKW am Tattag zur Tatzeit nicht in Österreich gewesen sei und selbst auf Grund von Zeugnisverweigerungsrechten keine Auskunft zu geben brauchte und auch gar nicht geben könne, wer das Fahrzeug am 21. Februar 2001 um 14.27 Uhr gelenkt haben soll.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht hervor, dass die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn mit Schreiben vom 23. Oktober 2001 an die Regierung Oberpfalz unter Hinweis auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfeersuchen in Verwaltungsstrafen ein Rechtshilfeersuchen gestellt hat, dem Beschuldigten Akteneinsicht zu gewähren und ihm Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis der Erhebungen zu äußern. Weiters wurde in diesem Rechtshilfeersuchen ausgeführt, dass der Beschuldigte als Zulassungsbesitzer auf Grund dieser Aufzeichnungen gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 bekannt geben wolle, wer das gegenständliche Fahrzeug am 21. Februar 2001 um 14.27 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei.

Die Regierung der Oberpfalz hat dieses Ersuchen an die PI Simbach/Inn zur Erledigung weitergeleitet. Am 6. November 2001 wurde der Berufungswerber bei der Polizeiinspektion Simbach/Inn angehört.

In der Niederschrift über die Betroffenen-Anhörung findet sich eingangs folgender Vermerk: "Mir wurde eröffnet, welche Ordnungswidrigkeit mir zur Last gelegt wird. Ich wurde darauf hingewiesen, dass es mir nach dem Gesetz freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ferner wurde ich darauf hingewiesen, dass bei Fragen nach Vornamen, Familien-, Geburtsnamen, nach Ort und Tag der Geburt, nach dem Familienstand, dem Beruf, dem Wohnort, der Wohnung und der Staatsangehörigkeit die Pflicht zur vollständigen und richtigen Beantwortung und die Verletzung dieser Pflicht nach § 111 OWiG mit Geldbuße bedroht ist." Ein Hinweis dahingehend, dass der Beschuldigte im Sinne des § 103 Abs.2 KFG 1967 ausdrücklich aufgefordert wurde, als Zulassungsbesitzer bekannt zu geben, wer das tatgegenständliche Fahrzeug am 21. Februar 2001 um 14.27 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann bzw einen Hinweis darauf, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist, ist dieser Niederschrift nicht zu entnehmen. Der Beschuldigte hat letztlich zur Sache ausgeführt, dass er den Vorwurf zurückweise.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht, wer ua diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kfz gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht.

Grundsätzlich wird dazu festgestellt, dass Adressaten dieser Verpflichtung nicht nur österreichische Staatsbürger sind sondern auch andere Personen, die ein Kfz auf öffentlichen Verkehrsflächen im Bereich der Republik Österreich verwenden bzw als Zulassungsbesitzer verwenden lassen. Ein diesbezüglicher Rechtsirrtum ist grundsätzlich irrelevant, zumal von einem objektiv sorgfältigen Kfz-Lenker bzw Zulassungsbesitzer zu erwarten ist, dass er sich vor der Verwendung eines Kfz im Gebiet der Republik Österreich über die hiefür relevanten verkehrs- und kraftfahrrechtlichen Vorschriften hinreichend informiert.

Im vorliegenden Falle kann jedoch nicht als erwiesen angesehen werden, dass dem Berufungswerber tatsächlich ein entsprechendes Auskunftsverlangen gestellt worden ist. Zwar wurde im Rechtshilfeersuchen der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 23. Oktober 2001 auch ausgeführt, dass der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 bekannt geben wolle, wer das gegenständliche Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann, und es wurde in diesem Rechtshilfeersuchen auch darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist, aus der Niederschrift über die Betroffenen-Anhörung vor der Polizeiinspektion Simbach/Inn vom 6. November 2001 geht jedoch nicht hervor, dass dem Berufungswerber das entsprechende Auskunftsverlangen tatsächlich in aller Deutlichkeit weitergeleitet worden ist. Im Gegenteil wurde einleitend darauf hingewiesen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.

In Anbetracht dieser Umstände bestehen für die Berufungsbehörde jedenfalls Zweifel dahingehend, dass an den Beschuldigten tatsächlich ein entsprechendes Auskunftsbegehren gestellt wurde und wäre überdies ein allfälliger Rechtsirrtum insoferne als unverschuldet anzusehen, als der Berufungswerber durch die ersuchte Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Unter Berücksichtigung dieser "Rechtsbelehrung" kann wohl von einem Verschulden bzw einer Fahrlässigkeit des Berufungswerbers nicht mehr die Rede sein, weshalb jedenfalls ein Umstand vorliegt, welcher die Strafbarkeit ausschließt.

Aus all diesen Gründen war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das wegen einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

§ 103 (2) KFG 1967; mündliches Auskunftsverlangen vor ersuchter Behörde im Rechtshilfeweg; Verlangen und Hinweis hinsichtl. Strafbarkeit d. Verweigerung muss auf Niederschrift dokumentiert werden.