Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-108329/2/Bi/Ka

Linz, 17.06.2002

 

VwSen-108329/2/Bi/Ka Linz, am 17. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau C S, W, R, vom 1. Juni 2002 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 22. Mai 2002, VerkR96-155-1/2002/Win, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld und Strafe mit der Maßgabe bestätigt, dass die Rechtsmittelwerberin den genannten Kombi "am 12. Jänner 2002 um ca 9.30 Uhr auf der Böhmerwald-Bundesstraße (B38) von Strkm 160.440 weg gelenkt hat, ohne sich, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre, zu überzeugen, dass dieser den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, weil die Kennzeichentafel vorne am Fahrzeug nicht angebracht war" und die übertretene Norm auf §§ 102 Abs.1 iVm 49 Abs.6 KFG 1967 abgeändert wird.
  2. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 6 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 2 und 19 VStG,

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

  1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 36 lit.b iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 30 Euro (12 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 12. Jänner 2002 um ca 9.30 Uhr auf der Böhmerwald-Bundesstraße (B 38) den Kombi, dem das behördliche Kennzeichen zugewiesen worden sei, von Strkm 160.440 weg gelenkt habe, obwohl der Kombi vorne am Fahrzeug das Kennzeichen nicht geführt habe. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 3 Euro auferlegt.
  2. 2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

  3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie könne den Tatvorwurf, sie habe bei der Nachschau nicht die gebotene Sorgfalt angewendet, nicht nachvollziehen. Vor dem Fahrzeug habe sich ein "Schneeriedl" gebildet und daher habe sie gar keine Sicht auf die Stelle, an der das Kennzeichen montiert war gehabt. Auch der Bedienstete der Straßenmeisterei habe das Kennzeichen erst auf der 2. Fahrt gefunden. Wäre es frei gelegen, hätte er es bei der 1. Fahrt gesehen. Das bestätige ihre Ansicht, dass ihr mangelnde Sorgfalt nicht vorgeworfen werden könne. Sie fühle sich nicht schuldig und ein Verschulden könne ihr nicht angelastet werden.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass gegen die Bw Anzeige erstattet worden war, weil A L, ein Bediensteter der Straßenmeisterei U, am 12. Jänner 2002 um 9.45 Uhr als Lenker eines Lkw, an dem ein Schneepflug angebracht war, auf der B38 bei Km 160.440 in Fahrtrichtung P in der dort befindlichen Linkskurve am rechten Fahrbahnrand ein "Schneegewühle" feststellte und die Stelle räumte, wobei der Schnee auf die Böschung geschleudert wurde. Er sagte am 4. April 2002 bei der Erstinstanz zeugenschaftlich aus, er habe festgestellt, dass rechts neben der Fahrbahn ein Fahrzeug in eine Wächte gefahren sein musste, weil ein Leitpflock schief gestanden und eine Schneestange abgebrochen gewesen sei. Am Nachmittag desselben Tages sei er noch einmal dort hingefahren, als der Schnee schon weitgehend geschmolzen gewesen sei. Erst zu dieser Zeit habe er eine Kennzeichentafel auf der Böschung liegen gesehen, die er offenbar in der Früh mit dem Schnee dorthin geworfen habe. Das Kennzeichen war das vordere des auf die Bw zugelassenen Pkw.

Die Bw verantwortete sich damit, sie habe weder eine Beschädigung der Schneestange noch den Verlust ihrer Kennzeichentafel bemerkt. Im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 23. April 2002 gab die Bw an, sie sei, als sie nach dem Schleudervorgang mit dem Pkw zum Stillstand gekommen sei ausgestiegen, um nach möglichen Schäden zu sehen, habe aber weder am Pkw noch an der Straßenleiteinrichtung Schäden erkennen können und sie habe auch nicht den Verlust des vorderen Kennzeichens bemerkt. Sie frage sich, warum im Bescheid vom 21.1.2002 nicht auf eine Übertretung gemäß § 36 lit.b KFG erkannt worden sei. Sie habe den Eindruck, als würde die Erstinstanz immer neue Tatbestände konstruieren, wenn ein ihr vorgeworfener entkräftet werde.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 36 lit.b KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger ... unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs.7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie das behördliche Kennzeichen führen.

Die zitierte Bestimmung legt fest, dass einem auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendeten (gelenkten) Kraftfahrzeug (grundsätzlich) ein behördliches Kennzeichen zugewiesen sein muss. Im gegenständlichen Fall wurde dem auf die Bw zugelassenen Pkw seitens der BH Rohrbach das Kennzeichen zugewiesen. Diese Bestimmung ist aber nicht auf den Fall anzuwenden, in dem eine Kennzeichentafel aus irgendwelchen Gründen verloren geht und die Fahrt auf Straßen mit öffentlichem Verkehr mit nur mehr einer Kennzeichentafel fortgesetzt wird. In einem solchen Fall wird nämlich nicht die Zulassung des Kraftfahrzeuges geändert, sondern es wurde (lediglich) eine der Kennzeichentafeln verloren.

Dieser Tatbestand fällt unter §§ 49 Abs.6 iVm 102 Abs.1 KFG 1967: Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug ... den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht.

Gemäß § 49 Abs.6 KFG 1967 muss an Kraftwagen und Motordreirädern vorne und hinten ... die vorgesehene Kennzeichentafel mit dem für das Fahrzeug zugewiesenen Kennzeichen angebracht sein.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bw zwar eine Übertretung nach § 36 lit.b KFG zur Last gelegt, jedoch wurde ihr in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses durch wörtliche Umschreibung vorgeworfen, sie habe beim Vorfall mit der Schneewächte die vordere Kennzeichentafel verloren und bei der Nachschau nach möglichen Schäden offensichtlich nicht die gebotene Sorgfalt angewendet, weil ihr sonst auffallen hätte müssen, dass vorne am Fahrzeug die Kenzeichentafel gefehlt habe. Bei genauerer Suche an der besagten Straßenstelle hätte sie sie auch finden müssen. Sie habe daher in der Folge sehr wohl schuldhaft den Pkw gelenkt, ohne dass vorne eine Kennzeichentafel angebracht gewesen sei.

Das Straferkenntnis erging innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, die gemäß § 31 Abs.2 VStG mit dem Vorfall am 12. Jänner 2002 zu laufen begann und demnach mit 12. Juli 2002 endet. Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs.2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung, demnach auch die Begründung des Straferkenntnisses. Zu dieser sich die Bw in der Berufung insofern verantwortet, als sie genau auf diesen Vorwurf eingegangen ist, indem sie ihn mit Hinweis auf den Bediensteten der Straßenmeisterei abgestritten hat.

Die Bw hat sich damit verantwortet, sie habe ihren Pkw auf Schäden untersucht, aber keine gefunden. Um einen Pkw nach einem Verkehrsunfall auf Schäden zu untersuchen, muss man Sichtmöglichkeit auf die Fahrzeugteile haben, mit denen die Kollision erfolgt ist. Die Bw hat ausgesagt, sie habe keine Schäden am Pkw festgestellt, was zum einen ihrer eigenen Aussage, vor dem Pkw sei ein "Schneeriedl" gewesen und sie habe keine Sicht auf die Stelle, an der das Kennzeichen montiert gewesen sei, gehabt, widerspricht und zum anderen schon deshalb nicht richtig sein kann, weil sie, hätte sie den Pkw genau angesehen, das Fehlen der vorderen Kennzeichentafel bemerken hätte müssen. Es war von ihr als Lenkerin bzw. Inhaberin einer Lenkberechtigung auch zu erwarten, dass ihr die Bestimmung, wonach vorne und hinten eine Kennzeichentafel am Pkw angebracht sein muss, bekannt war, weshalb sie, bevor sie die Fahrt fortsetzte, auch diesbezüglich Nachschau halten hätte müssen, zumal solches einem Fahrzeuglenker zuzumuten ist. Beim Fehlen der Kennzeichentafel hätte sie entweder die Fahrt nicht fortsetzen dürfen oder eben die Tafel suchen müssen - dass ihr dies auf Grund örtlicher Gegebenheiten unzumutbar gewesen wäre, hat sie nicht einmal behauptet. Wenn ihr aber das Fehlen der Tafel gar nicht aufgefallen ist - der Bedienstete der Straßenmeisterei hatte gar keinen Anlass, überhaupt nach einer Kennzeichentafel zu suchen, wohl aber die Bw, weil an ihrem Pkw die dafür bestimmte Stelle leer war, - ist der Schluss, sie habe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgesehen, geradezu zwingend und der diesbezügliche Vorwurf auch aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates gerechtfertigt. Wenn nämlich die Bw die Stelle, an der das vordere Kennzeichen montiert ist, wegen des "Schneeriedls" nicht sehen konnte, ergibt sich daraus zwingend, dass sie die Fahrt, ohne sich um irgendwelche Schäden, egal ob an der Schneestange oder am eigenen Pkw, überhaupt zu kümmern, fortgesetzt hat.

Die Bw hat daher den ihr - wie bereits oben dargelegt - in nunmehr geringfügig geänderter Unschreibung und unter Änderung der übertretenen Norm vorgeworfenen Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihr die Glaubhaftmachung gänzlich fehlenden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 2.180 Euro Geld- bzw. im Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat - zutreffend - die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw als mildernd und keinen Umstand als straferschwerend gewertet. Weiters wurde ausgeführt, die finanziellen Verhältnisse der Bw seien berücksichtigt worden, ohne jedoch diesbezüglich anzuführen, welche Verhältnisse der Strafbemessung zugrundegelegt wurden. Diesbezüglich wurde aber zur Strafhöhe nichts vorgebracht.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die verhängte Strafe gemäß den Kriterien des § 19 VStG insofern angemessen, als diese dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung entspricht und nicht anzunehmen ist, dass der Unterhalt der Bw oder der eventueller Personen, denen sie zu Unterhalt verpflichtet ist, in irgend einer Weise gefährdet sein könnte. Laut Anzeige ist die Bw "Bereichsleiterin", was auf ein geregelten Einkommen in Höhe von zumindest 500 Euro monatlich (auch bei eventueller Teilzeitbeschäftigung) schließen lässt.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde gemäß dem gesetzlichen Strafrahmen im Verhältnis zur Geldstrafe bemessen. Für eine Herabsetzung der verhängten Strafe findet sich kein Ansatz; auch war ein geringfügiges Verschulden im Sinne des § 21 VStG nicht gegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger