Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107587/2/SR/RI

Linz, 30.05.2001

VwSen-107587/2/SR/RI Linz, am 30. Mai 2001 DVR.0690392   E R K E N N T N I S      

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des O K, Üstraße, G, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von U-U, vom 26. März 2001, Zl. VerkR96-1941-2000-BB/KB, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:     I. Der Berufung wird stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 1 VStG eingestellt. II. Der Kostenbeitrag hat zu entfallen.     Rechtsgrundlagen: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 51c und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2000 - VStG. zu II.: § 66 Abs.1 VStG.     Entscheidungsgründe:   1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:   "Sie haben am 22.04.2000 um 10.35 Uhr den PKW, Kennzeichen U, in L, A, Richtungsfahrbahn S, zwischen km und gelenkt und dabei beim Fahren hinter dem nächsten vor Ihnen fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, daß Ihnen jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, da Sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 80 km/h zum Vorderfahrzeug nur einen Abstand von ca. 5 Meter über eine Strecke von ca. 700 m einhielten. Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 99 Abs.3 lit.a iVm § 18 Abs.1 StVO. 1960, BGBl.Nr. 159, idgF. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von 2.000,00 Schilling 48 Stunden 99 Abs. 3 lit.a StVO. 1960   Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 200,00 Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S bzw. 14,53 EU angerechnet); Schilling (00,00 EU) als Ersatz der Barauslagen für Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2.200,00 Schilling (159,88 EU)."   2. Gegen dieses dem Bw am 29. März 2001 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 6. April 2001 bei der Behörde erster Instanz mündlich und schriftlich eingebrachte Berufung.   2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass die Verwaltungsübertretung durch die dienstliche Wahrnehmung eines Beamten der Bundespolizeidirektion L sowie dessen zeugenschaftlichen Bestätigung erwiesen sei. Der Zeuge habe 350 m zurück und 350 m nach vorne blicken können und daher genau feststellen können, dass nur ein Abstand von 5 m auf einer Fahrstrecke von 700 m eingehalten worden wäre. Ein beginnender Überholvorgang bzw. eine Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers sei vom Zeugen nicht bemerkt worden.   2.2. Dagegen bringt der Bw u.a. vor, dass eine Nachfahrstrecke von 350 Meter fragwürdig erscheinen würde und eine Einreihung bei einem Abstand von 5 Metern nicht möglich wäre.   3. Die Bezirkshauptmannschaft U-U hat die Berufung und den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.   3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Einsicht in den Verwaltungsstrafakt genommen und aufgrund dessen steht folgender Sachverhalt fest:   Der Bw hat das gegenständliche Fahrzeug zur Tatzeit auf der A, Richtungsfahrbahn S zwischen Straßenkilometer und gelenkt. Der Zeuge BI E stand mit dem Zivil-Krad bei Straßenkilometer, ist in der Folge dem BW nachgefahren und hat bei Straßenkilometer die Anhaltung vorgenommen.   Es kann nicht festgestellt werden, dass der Abstand des Bw zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug auf der A, zwischen Straßenkilometer und, lediglich 5 Meter betragen hat. Der Bw hat sich mit seinem PKW kurzfristig dem vor ihm fahrenden genähert und der Abstand hat dabei ca. 10 Meter betragen. 3.2. Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz ist die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegte Verwaltungsübertretung nicht zweifelsfrei durch die Aussage des Zeugen BI E erwiesen.   Grundsätzlich ist der Begründung der Behörde erster Instanz zu folgen, dass der Zeuge BI E "350 m nach vorne und 350 m zurück blicken konnte". Von seinem Standort aus konnte der Zeuge BI E aber - folgt man seinen Angaben in der Anzeige - den Bw erst in einer Entfernung von 300 Metern wahrnehmen. Da er jedoch im Zuge der Vorbeifahrt des Bw die Nachfahrt aufgenommen hat, war ihm ein Blick vom Standort aus in der beschriebenen Art "350 m nach vorne" unter gleichzeitiger Wahrnehmung der Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes durch den Bw nicht möglich. Bei der Zeugenbefragung am 11. August 2000 (BPD L-Strafamt) hat der Zeuge widersprüchlich zu seiner Anzeige ausgeführt, dass er "von seinem Standort aus gesehen 350 m zurück und 350 m nach vorne blicken und genau feststellen konnte, dass nur ein Abstand von ca. 5 m eingehalten wurde. Dieser Abstand habe sich während der gesamten 700 m nicht geändert." Abgesehen davon, dass der Zeuge BI E den Bw nach der Zeugenaussage 50 Meter weiter entfernt (als in der Anzeige dargelegt) erstmals wahrgenommen haben will, kann nicht nachvollzogen werden, wie er einerseits den Beginn der Örtlichkeit der Verwaltungsübertretung in einer derartigen Entfernung so genau festgestellt haben konnte und wie es andererseits möglich war, bei diesem Blickwinkel auf eine Entfernung von - nunmehr 350 Meter - einen gleichbleibenden Abstand von ca. 5 Meter zum davor fahrenden Fahrzeug zu erkennen.   Nicht nachvollziehbar ist auch die Annahme, dass der Bw auf einer Strecke von 700 Metern einen Abstand von ca. 5 Meter eingehalten hat. Der Anzeige ist zu entnehmen, dass der Bw bei Straßenkilometer angehalten worden ist. Der Anhalteort deckt sich mit dem Endpunkt der Tatortanlastung. Unabhängig davon, dass der Zeuge BI E bei der Nachfahrt den Bw nicht durchgehend beobachten konnte - dicht befahrene und durchgehend besetzte linke Fahrspur, hätte das vor dem Bw fahrende Fahrzeug im Zuge der Anhaltung ebenfalls die Geschwindigkeit so verringern müssen, dass der Abstand zum Bw bei ca. 5 Metern konstant geblieben wäre. Weiters müsste man auch ab dem Wechsel des Zeugen BI E auf den rechten Fahrstreifen, direkt vor den Bw, davon ausgehen, dass der Bw bis zum Anhalteort hinter dem Zeugen einen Abstand von 5 Metern eingehalten hat.   Aufgrund der in sich unschlüssigen Anzeige und Zeugenaussage des BI E kann dem Bw nicht vorgeworfen werden, dass er auf der bezeichneten Fahrstrecke einen Abstand von ca. 5 Meter zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten hat. 4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen: 4.1. § 18 Abs.1 StVO: Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.   § 99 Abs.3 lit. a StVO (auszugsweise): Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.   4.2. Der Überholende darf sich einem Fahrzeug nur soweit nähern, dass ihm die Einhaltung der Bestimmung des § 18 Abs.1 StVO möglich ist. Der Sicherheitsabstand soll etwa gleich sein mit der Länge des Reaktionsweges. Da das Ermittlungsverfahren einen kurzfristig bestehenden Abstand von ca. 10 Metern zwischen den beiden Fahrzeugen erbracht hat und festgestellt wurde, dass die Fahrgeschwindigkeit mindestens 70 km/h betragen hat, ist grundsätzlich von einem Reaktionsweg von 19 Metern auszugehen. Durch persönliche Umstände kann sich dieser auf ein Drittel verkürzen. Im gegenständlichen Verfahren ist jedoch von einer punktuellen Annäherung an das vor dem Bw fahrende Fahrzeug auszugehen. Diese kurzfristige Annäherung kam durch glaubwürdiges Abbremsen zustande.   4.3. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte nicht bewiesen werden, dass der Bw die spruchgemäß vorgeworfene Verwaltungsübertretung auf einer Fahrstrecke von 700 Metern begangen hat.   Da die dem Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht erwiesen werden konnte, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 1 VStG einzustellen.   5. Der Kostenausspruch war spruchgemäß zu fällen.     Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.   Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.     Mag. Stierschneider     Beschlagwortung: Nachfahrt, Beobachtungsstrecke, Abstand