Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240299/2/WEI/Bk

Linz, 15.12.1998

VwSen-240299/2/WEI/Bk Linz, am 15. Dezember 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Ing. H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. Dezember 1997, Zl. SanRB 96-354-1996-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 74 Abs 1 iVm §§ 7 Abs 1 lit c), 8 lit f) Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 63/1998) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien zur U-Zahl: Grundlage für den Schuldspruch bildete. II. Der Berufungswerber hat im Berufungsverfahren einen weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von S 400,-- zu leisten. Gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 hat er auch die Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien zur U-Zahl: zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 4. Dezember 1997 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ - handelsrechtlicher Geschäftsführer - der Firma S, zu verantworten, daß am 28.5.1996 vom Betrieb der vorgenanntn Firma in H, M, durch die Firma N das falsch bezeichnete Produkt "Hendl-Brust frisch verpackt" an die Fa. L, geliefert und damit verbotenerweise in Verkehr gebracht wurde.

Das gegenständliche Produkt war laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Linz, UZ.: , insofern falsch bezeichnet als es nach Durchführung eines Lagerversuches bis zum Ende der deklarierten Aufbrauchsfrist am 31.5.1996 mikrobiell stark verunreinigt war und abwegige Geruchseigenschaften aufwies, so daß es zu diesem Zeitpunkt als verdorben zu beurteilen war. Dieses Produkt wurde somit mit irreführenden Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über die Haltbarkeit, in Verkehr gebracht." Durch diese Tatanlastung erachtete die belangte Strafbehörde den § 7 Abs 1 lit c) iVm § 8 lit f) und § 74 Abs 1 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 1 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 2.000,-- sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde ein Betrag von S 200,-- und als Ersatz der Barauslagen für Untersuchungskosten zu UZ.: der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz ein Betrag von S 3.150,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters am 18. Dezember 1997 zugestellt wurde, richtet sich die am 30. Dezember 1997 rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 23. Dezember 1997, mit der primär die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens und hilfsweise ein Absehen von der Strafe nach dem § 21 VStG beantragt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

2.1. Der dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zugrundeliegende Sachverhalt ist im einzelnen der Begründung der belangten Behörde zu entnehmen. Dem Schuldspruch liegt eine Anzeige vom 18. September 1996 des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung X - Gesundheitswesen, zugrunde, mit der das amtliche Untersuchungszeugnis vom 27. August 1996 der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in 1090 Wien, Kinderspitalgasse 15, zur U-Zahl: (Hendl-Brust frisch) samt Probenbegleitschein übermittelt wurde. Anläßlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision vom 30. Mai 1996 im M, wurden um 10.00 Uhr 2 Packungen "Hendl-Brust frisch" als Proben entnommen und mit Kühltasche zur Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien transportiert, wo die Proben um 13.38 Uhr einlangten und eine Temperatur von 2,8ï‚°C aufwiesen. Die Lagerbedingungen waren für die gegenständliche Frischware mit -2ï‚°C bis +4ï‚°C angegeben.

Die eine Probe wurde sofort untersucht, wobei zwar eine erhöhte Keimzahl, aber noch keine sinnfälligen Mängel festgestellt werden konnten. Mit der zweiten Probe wurde ein Lagerversuch bis zum Ende der deklarierten Aufbrauchsfrist bei einer Lagertemperatur von 3ï‚°C durchgeführt. Diese Probe wies am 31. Mai 1996 abwegige Geruchseigenschaften auf und war mikrobiell stark verunreinigt, weshalb sie als verdorben zu beurteilen war. Nach dem Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien war die Aufbrauchsfrist zu lange bemessen und damit irreführend. Die Probe war nach den Richtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches (ÖLMB) Kapitel B 14, Abschnitt F, Punkt F.5.9., als falsch bezeichnet iSd § 8 lit f) LMG 1975 zu beurteilen und unterlag somit dem Verbot des § 7 Abs 1 lit c LMG.

2.2. Nach Akteneinsicht wurde der belangten Behörde in der rechtsfreundlich vertretenen Stellungnahme vom 11. Februar 1997 bekanntgegeben, daß der Bw für die Bemessung der Aufbrauchsfrist persönlich verantwortlich sei und daß die Frist den langjährigen Erfahrungen und dem Erlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94, entspreche, in dessen Anlage unter lit f) die Verbrauchsfrist für rohe Hühner, ganz oder in Teilstücken mit Dehnfolie umhüllt (getwistet), mit 5 Tagen angegeben worden sei. Nach Übergabe der ausgelieferten Ware an den Transportunternehmer N hätte die Firma S keinen Einfluß mehr auf die Einhaltung der Lagerbedingungen gehabt. Die Einhaltung der hygienischen Produktionsbedingungen sei durch laufende tierärztliche Kontrolle gewährleistet. Das im Probenbegleitschreiben aufscheinende Auslieferungsdatum 28. Mai 1996 sei richtig.

Die belangte Behörde veranlaßte daraufhin im Rechtshilfeweg die Einvernahme des Transportunternehmers N und des A, Fleischhauer und Verantwortlicher für den Frischverkauf im M. Der Zeuge R (Niederschrift vom 18.04.1997) berichtete, daß er mit Klein-Tiefkühl-LKWs arbeite, bei denen der Fahrer über eine rote Leuchtanzeige im Armaturenbrett jederzeit die Temperatur, die zwischen -1ï‚°C und +1ï‚°C betrage, kontrollieren könne. Bei Anlieferung werde die Ware direkt aus dem Wagenladeraum in das Kühlhaus gebracht. Er könne ausschließen, daß die Ware der S nicht ordnungsgemäß gekühlt transportiert worden wäre.

Der Zeuge F gab als der für den Frischverkauf von Fleisch und Geflügel zuständige Fleischhauer zunächst an, daß die Ware ganz sicher gekühlt angeliefert worden wäre. Die gekühlte Ware werde unverzüglich vom LKW in den Kühlraum gebracht, wo die Temperatur 0ï‚°C bis +1ï‚°C betrage und regelmäßig kontrolliert werde. Der Weg in den Kühlraum sei in maximal 2 bis 3 Minuten zurückzulegen. Es könne daher nicht zu einer Unterbrechung der Kühlkette kommen. In den Kühlregalen werde das Geflügel bei +1ï‚°C bis +2ï‚°C gelagert.

2.3. Nach weiterer Akteneinsicht durch seinen Rechtsvertreter erstattete der Bw die Stellungnahme vom 27. August 1997, in der er bekanntgab, daß die Schlachtung am Freitag, dem 24. Juni 1996, bei der Firma M Geflügelges.m.b.H. in P und die Zerlegung und Verpackung erst am 28. Mai 1996, dem ersten Werktag nach Pfingsten, stattgefunden hätte, wobei die Schlachtpartie gekühlt entsprechend den Hygienebestimmungen angeliefert worden wäre. Die Haltbarkeitsfrist ab Verpackungstag sei wegen der Verzögerung durch den Pfingstfeiertag auf vier Tage verkürzt worden. Die tierärztlich beanstandeten Tiere wären ausgeschieden worden und eine nachteilige hygienische Beeinflussung bei Zerlegung und Verpackung könne infolge laufender Kontrollen ausgeschlossen werden. Eine tierärztliche Bestätigung sowie Untersuchungszeugnisse der Lebensmittelversuchsanstalt , die die Haltbarkeitsfrist bestätigen sollen, wurden in Ablichtung vorgelegt. Es handelt sich um die im folgenden angeführten Untersuchungszeugnisse betreffend Lagerversuche von Geflügelproben, die die S bei der genannten Lebensmittelversuchsanstalt in früheren Jahren einreichte:

1) Zl. 1060/JG/91 vom 5. März 1991 betr. "Junghühner-Filet frisch" 2) Zl. 1061/JG/91 vom 5. März 1991 betr. "Junghühner-Keulen frisch" 3) Zl. 6400P94.JG vom 27. Oktober 1994 betr. "Pico-Hendlflügel frisch" 4) Zl. 2812P95.JG vom 26. Juli 1995 betr. "Pico-Junghühner-Keulen frisch".

Zu 1) und 2) erfolgte die Lagerung bei +1ï‚°C und wurde die angegebene fünftägige Aufbrauchsfrist bei Lagerbedingung: "+2ï‚°C für Frischware" nach dem Lagerversuch für zutreffend erachtet.

Zu 3) erfolgte der Lagerversuch bei 0ï‚°C bis +2ï‚°C . Die Probe wurde noch am fünften Tag für genußtauglich befunden. Die Lagerbedingungen lauteten: "Frischware -1ï‚°C bis +2ï‚°C".

Zu 4) erfogte der Lagerversuch bei +2ï‚°C, wobei Proben nach 5 und sogar noch nach 6 Tagen - allerdings mit erhöhten Keimzahlen - als genußfähig befunden wurden. Die angegebene Lagerbedingung lautete: "Frischware +1ï‚°C bis +2ï‚°C".

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 4. Dezember 1997.

2.4. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Bw verweist auf die vorgelegten Untersuchungszeugnisse, insbesondere auf jenes betreffend "Junghühner-Filet frisch", das aus demselben Brustfleisch geschnitten werde, welches auch als "Hendl-Brust frisch verpackt" zum Verkauf gelange. Es könne demnach keine Rede davon sein, daß die Untersuchungszeugnisse andere Waren betrafen. Zu den von der belangten Behörde ins Treffen geführten besseren Lagerbedingungen nach den vorgelegten Untersuchungszeugnissen rügt der Bw, daß die Strafbehörde keine Erhebungen angestellt hatte, inwieweit sich der Unterschied überhaupt auswirken könnte. Für die strafbehördliche Feststellung, daß die Untersuchungszeugnisse offensichtlich für die Festsetzung der Haltbarkeitsfrist nicht anwendbar gewesen wären, lägen keine Beweisergebnisse vor. Allein aus den unterschiedlichen Lagerbedingungen könnten keinerlei Rückschlüsse auf die Angemessenheit der angegebenen Verbrauchsfrist gezogen werden. Der von der belangten Behörde angelegte Sorgfaltsmaßstab wäre jedenfalls überzogen, wenn ihm vorgeworfen werde, er hätte sich nicht auf die vorgelegten Untersuchungszeugnisse verlassen dürfen. Die belangte Behörde werfe ihm zu Unrecht bewußte Fahrlässigkeit vor und sei der Ansicht, daß für jede Charge eine mikrobiologische Untersuchung als Grundlage für die Ermittlung der Verbrauchsfrist durchgeführt werden müsse. Dies sei aber eine unzumutbare Mehrbelastung, die sachlich nicht gerechtfertigt sei, da auch auf diese Weise eine lückenlose Kontrolle nicht erreicht werden könne. Die Ansicht der belangten Behörde sei auch praktisch undurchführbar und lebensfremd. Die belangte Behörde lasse offen, was mit der Produktionscharge während der mikrobiologischen Untersuchung der gezogenen Probe geschehen soll. Das Ergebnis einer Laboruntersuchung läge erst vor, wenn die Haltbarkeitsfrist bereits abgelaufen sei. Auch die Kodexrichtlinien führten unter Kapitel B 14, Punkt D.2.5. an, daß die Deklaration von Haltbarkeitsfristen auf Grund betriebsbezogener Lagerversuche im Rahmen des redlichen Herstellungsbrauches erfolge. Von den geforderten Untersuchungen sei dabei keine Rede. Auch im Erlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94, werde für die Verbrauchsfristen der Verpackungstag, nicht aber der Tag der Schlachtung eingerechnet. Die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis seien daher nicht verständlich. Eine wirtschaftlich zumutbare Kontrolle müsse also zwangsläufig von Ergebnissen früherer Untersuchungen ausgehen. Gerade dieser Umstand werde aber von der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht. Die Ausgangsprodukte würden laufend tierärztlich kontrolliert. Wegen der geringfügigen Qualitätsschwankungen des Ausgangsmaterials wären die firmenintern durchgeführten Laboruntersuchungen als ausreichend zu betrachten. Ein Anhaltspunkt, der die mangelnde Genußtauglichkeit bis zum Ende der Aufbrauchsfrist erkennen lasse, sei dem angefochtenen Straferkenntnis nicht zu entnehmen.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungs-entscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß im wesentlichen strittige Rechtsfragen zu beurteilen sind. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 1 LMG 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs 2 Z 1 LMG 1975 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

Gemäß § 7 Abs 1 lit c) LMG 1975 ist es verboten, falsch bezeichnete Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen.

Nach der Begriffsbestimmung des § 8 lit f) LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Die belangte Behörde ging aufgrund des vorliegenden Gutachtens der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung Wien und der aktenkundigen Zeugenaussagen mit Recht davon aus, daß die gegenständliche Ware falsch bezeichnet in Verkehr gebracht wurde, da das Verbrauchsdatum und damit die Haltbarkeit unzutreffend angegeben waren. Der im Rahmen der deklarierten Lagerbedingungen durchgeführte Lagerversuch und die sensorische und mikrobiologische Untersuchung am letzten Tag der Frist haben bewiesen, daß die Ware abwegige Geruchseigenschaften aufwies sowie mikrobiell stark verunreinigt und damit genußuntauglich war. Die vom Bw eingewendete Unterbrechung der Kühlkette hat sich im Zuge des Beweisverfahrens nicht verifizieren lassen.

4.2. Der Bw vertritt im Ergebnis die Ansicht, daß ihn kein Verschulden an der unrichtigen Angabe der Haltbarkeitsfrist treffe, da er hinsichtlich der fünftägigen Dauer auf langjährige Erfahrungen und auf die im Rahmen der Eigenkontrolle eingeholten Untersuchungszeugnisse der Lebensmittelversuchsanstalt in Wien, die er in Ablichtung vorlegte, hätte vertrauen dürfen. Auch die Anlage zum Erlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94, in der u.a. auch Verbrauchsfristen für rohes Hühnerfleisch angeführt werden, führt der Bw zu seinen Gunsten an.

Dem Oö. Verwaltungssenat ist aus anderen, den Bw betreffenden Berufungsverfahren (vgl VwSen-240172 bis 240175/1996) der an die beteiligten Fachkreise ergangene Runderlaß des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (BMGSK) vom 16. Juni 1994, Zl. 32.014/6-III/B/1b/94, bekannt. Mit dem Erlaß vom 16. Juni 1994 hat der BMGSK die Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses zur Angabe des Verbrauchsdatums iSd § 5 LMKV kundgemacht. Er wurde auch in den "Mitteilungen der österreichischen Sanitätsverwaltung", Heft Nr. 7-8/1994 veröffentlicht. Aus der Anlage mit dem Titel "Verbrauchsfristen" zum Runderlaß des BMGKS vom 16. Juni 1994 ist abzuleiten, daß die dort aufgelisteten Fleischwaren, unter denen sich auch rohes Hühnerfleisch befand, nach der Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses jedenfalls als in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliche Waren iSd § 5 LMKV 1993 anzusehen sind, weshalb Verbrauchsfristen und nicht Mindesthaltbarkeitsfristen anzugeben sind. Die Anlage des Erlasses listete zunächst das in mikrobieller Hinsicht sehr leicht verderbliche Fleisch auf und ordnete dann dem jeweiligen Punkt eine Verbrauchsfrist einschließlich dem Verpackungstag zu. Dem Buchstaben f) "rohe Hühner, ganz oder in Teilstücken, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet), ausgenommen Junges, Innereien und Flügel;" wurden 5 Tage, dem Buchstaben g) "Flügel, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet);" wurden 3 Tage und dem Buchstaben h) "Junges und Innereien, mit Dehnfolie umhüllt (getwistet)." wurden ebenfalls 3 Tage Verbrauchsfrist zugeordnet. Ergänzend ist noch der Erlaß des BMGK vom 10. Februar 1995, Zl. 32.014/0-III/B/1/95, zu erwähnen, der noch einmal klarstellt, daß bei sämtlichen vom Ständigen Hygieneausschuß aufgezählten Fleischwaren ein Verbrauchsdatum zuzuordnen ist. Der Hygieneausschuß beschränkte sich auf die Nennung jener sehr leicht verderblichen Waren, die unbestrittenermaßen "nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten" (vgl § 5 LMKV 1993). Lediglich bei der Angabe der Verbrauchsfristen handelte es sich um Durchschnittswerte zur Orientierung, die im Einzelfall nach entsprechenden praxisnahen Lagerversuchen angepaßt werden können. Insofern besteht nach diesem Erlaß im Hinblick auf die Fachmeinung des Ständigen Hygieneausschusses eine Umkehr der Beweislast.

4.3. Die Einwendungen des Bw gegen die Annahme eines Verschuldens sind nicht stichhältig. Die vorgelegten Untersuchungszeugnisse betreffen zwar auch mit der gegenständlichen Ware vergleichbares Hühnerfleisch, sind aber schon im Hinblick auf die abweichenden Lagerbedingungen nicht vergleichbar. Es ist als selbstverständlich zu betrachten, daß die Haltbarkeit eines Produkts auch maßgeblich von der Lagertemperatur abhängt. Dieses Wissen gehört zum Allgemeinwissen vieler Haushalte, in denen Kühlschränke und Tiefkühlschränke verwendet werden. Bei einer in mikrobiologischer Hinsicht leicht verderblichen Ware wie bei rohem Hühnerfleisch ist gemäß § 5 LMKV 1993 eine Verbrauchsfrist vorgesehen, weil die Ware schon nach kurzer Zeit eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen kann und daher nach Fristablauf vom Konsum schlechthin abgeraten werden muß. Gerade bei einer so rasch verderblichen Frischware liegt es auf der Hand, daß schon geringe Abweichungen von der idealen Lagertemperatur im Bereich von -1ï‚°C bis 0ï‚°C die Haltbarkeitsdauer und damit auch die Dauer der Genußfähigkeit beeinträchtigen. Es ist daher mit der belangten Behörde davon auszugehen, daß es einen wesentlichen Unterschied macht, ob für eine Frischware eine höchstzulässige Lagertemperatur von +2ï‚°C oder wie im gegenständlichen Fall sogar das Doppelte von +4ï‚°C zugelassen wird. Besondere Erhebungen zu dieser schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung folgenden Tatsache brauchte die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Bw nicht anstellen. Dieser übersieht schließlich auch, daß er beim gegenständlichen Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG verpflichtet wäre, alles zu seiner Entlastung vorzubringen und geeignete Beweise vorzulegen. Es wäre also an ihm gelegen, der belangten Behörde Untersuchungszeugnisse vorzulegen, die mit den gegenständlichen Verhältnissen vollkommen vergleichbar erscheinen. Die Behauptung des Bw, daß allein aus den unterschiedlichen Lagerbedingungen keinerlei Rückschlüsse gezogen werden dürften, ist offenkundig unbegründet und damit verfehlt.

Abgesehen davon ist schon im Hinblick auf die Meinung des Ständigen Hygieneausschusses beim BMGSK, wiedergegeben im oben zitierten Erlaß vom 16. Juni 1994, nicht zu bezweifeln, daß grundsätzlich eine durchschnittliche Verbrauchsfrist einschließlich dem Verpackungstag von fünf Tagen bei rohem Hühnerfleisch mit Ausnahme von Junges, Flügel und Innereien möglich ist.

4.4. Die Berufung rügt weiters, daß die belangte Behörde einen überzogenen Sorgfaltsmaßstab angelegt hätte. Dies folge daraus, daß sich der Bw nach ihrer Ansicht nicht auf die vorgelegten Untersuchungszeugnisse hätte verlassen dürfen und für jede Charge eine mikrobiologische Untersuchung verlangt worden wäre.

Der erkennende Verwaltungssenat kann der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auf Seite 7, letzter Absatz, entnehmen, daß die belangte Behörde offenbar tatsächlich eine mikrobiologische Untersuchung jeder Charge verlangt hat. Diese Forderung ist in der Tat lebensfremd und überschießend, weil praktisch nicht mehr durchführbar. Die belangte Behörde hat allerdings mit Recht unter Bezugnahme auf § 18 Abs 1 der Geflügelfleisch-Hygieneverordnung, BGBl Nr. 403/1994, auf die Verpflichtung zur Eigenkontrolle durch regelmäßige Hygienekontrollen, insbesondere auch durch mikrobiologische Untersuchungen, hingewiesen. Sie hat weiters im Einklang mit den Bestimmungen im Kapitel B 14 Abschnitt D des ÖLMB ausgeführt, daß die Haltbarkeit von der Art des Ausgangsproduktes und seiner mikrobiologischen Beschaffenheit, den Herstellungs- und Verpackungsmaterialien, den Bedingungen der Herstellung und Lagerung vor Auslieferung sowie den praxisbedingten Kühlunterbrechungen abhängt. In weiterer Folge bezweifelte die Strafbehörde mit Recht, daß die vom Bw vorgelegten Untersuchungszeugnisse, die offenbar seine langjährige Erfahrungen dokumentieren sollten, den tatsächlichen Bedingungen und Gegebenheiten entsprechen. Da der Bw eine nachteilige hygienische Beeinflussung im Rahmen der Bearbeitung (Zerlegung und Verpackung) der von der Firma Mges.m.b.H. gelieferten Hühner pauschal ausschloß und damit für seinen Verantwortungsbereich sinngemäß beste hygienische Bedingungen behauptete, hielt es die belangte Behörde - im Hinblick auf die angeblich gleichbleibenden Herstellungs-, Lagerungs- und Verpackungs- bedingungen - aus der Sicht des Bw jedenfalls für erforderlich, die bakteriologische Unbedenklichkeit der gelieferten MHühner zu überprüfen, um eine Verbrauchsfrist zuverlässig angeben zu können. Diese Maßnahme der Eigenkontrolle erscheint auch dem erkennenden Verwaltungssenat zielführend, wenn man von der Richtigkeit der Behauptungen des Bw ausgeht. Damit hatte die Strafbehörde noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß jede Charge mikrobiologisch untersucht werden müßte. Diese Anforderung, die aus dem § 18 der Geflügelfleisch-Hygieneverordnung gar nicht abgeleitet werden kann, stellte die belangte Behörde erst einige Absätze später unnötigerweise auf. Abgesehen davon konnte der Bw nicht eine einzige Untersuchung der Beschaffenheit des von der Firma M Geflügelges.m.b.H. gelieferten Ausgangsmaterials nachweisen. Er hat lediglich schon nach den Lagerbedingungen nicht vergleichbare Untersuchungszeugnisse aus den Jahren 1991 und 1994 betreffend das an Letztverbraucher abgegebene Hühnerprodukt vorgelegt. Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Bw mit diesen Untersuchungszeugnissen nicht entlasten konnte.

4.5. Auch die weiteren Ausführungen der Berufung gehen am entscheidungsrelevanten Thema des gegenständlichen Falles vorbei. Die belangte Behörde hat völlig richtig beanstandet, daß zwischen Schlachtung am 24. Mai 1996 und Bearbeitung der gegenständlichen Ware am 28. Mai 1996 ein verhältnismäßig langer Zeitraum vergangen ist. Unter Berücksichtigung der angegebenen Verbrauchsfrist bis 31. Mai 1996 hätte die sehr leicht verderbliche Hühnerware sogar für die Dauer von 8 Tagen genußtauglich sein müssen. Der Oö. Verwaltungssenat ist mit der belangten Behörde der Ansicht, daß man unter diesen Umständen von Frischware nicht mehr sprechen kann. Richtig ist zwar, daß die Verbrauchsfrist nach dem Erlaß des BMGSK vom 16. Juni 1994 einschließlich des Verpackungstages anzugeben ist. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, daß man die Zeit von der Schlachtung bis zur Verpackung bei Bestimmung der Haltbarkeitsfrist unberücksichtigt lassen kann. Der Bw selbst hat eine Verzögerung durch den Pfingstfeiertag eingeräumt und die Verbrauchsfrist deshalb mit "nur" 4 Tagen angegeben. Auch diese Angabe war freilich sehr großzügig bemessen. Es sollte auch für den Bw eine Selbstverständlichkeit sein, daß die Verpackung von rohem Hühnerfleisch so bald als möglich nach der Schlachtung stattzufinden hat. Im Kapitel B 14 des ÖLMB ist unter Punkt D.1.3. der zu beachtende Umstand nachzulesen, daß die Verpackung/Umhüllung gut durchgekühlter Ware ehebaldigst nach ihrer Herstellung zu erfolgen hat. Wird dieser Grundsatz - wie dies im vorliegenden Fall offenkundig geschehen ist - nicht genügend beachtet, so muß bei der Verbrauchsfrist auf die zu erwartende verminderte Haltbarkeit umso mehr Rücksicht genommen werden. Die bloße Reduktion der durchschnittlichen Haltbarkeitsfrist um einen Tag wurde den gegebenen Verhältnissen nicht gerecht, weil dann immer noch insgesamt 8 Tage von der Schlachtung bis zum Ende der Verbrauchsfrist vergehen konnten. Dazu kommt noch, daß die Lagerbedingungen mit zulässigen +4ï‚°C, welche Obergrenze in den Fällen der vorgelegten Untersuchungszeugnisse stets um zumindest die Hälfte unterschritten wurde, viel zu großzügig bemessen wurden. Der Bw hätte angesichts der vier Tage, die bis zum Tag der Verpackung bereits vergangen waren, vorhersehen können und müssen, daß die gegenständliche Ware unter diesen Umständen nicht bis 31. Mai 1996 genußtauglich sein wird.

Angesichts des beim Bw vorauszusetzenden einschlägigen Erfahrungswissens und der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles liegt bewußte Fahrlässigkeit bei der Bestimmung der Verbrauchsfrist durchaus nahe. Ob der Bw subjektiv aber tatsächlich eine verminderte Haltbarkeit für möglich hielt und auch bei Angabe der viertägigen Verbrauchsfrist noch Bedenken hegte, die er schließlich nach dem Motto "Es wird schon noch gehen" verwarf, vermag der erkennende Verwaltungssenat auf Grund der Aktenlage nicht festzustellen. Auf die Feststellung von bewußter Fahrlässigkeit kam es aber für den Schuldspruch ohnehin nicht an. Unbewußte Fahrlässigkeit in erheblichem Ausmaß hat der Bw mit Sicherheit zu verantworten, weil es genügend Anhaltspunkte für ihn gab, an der Unbedenklichkeit der von ihm festgelegten Haltbarkeitsfrist zu zweifeln. An die geforderte Anwendung des § 21 Abs 1 VStG ist von vornherein nicht zu denken, da schon geringes Verschulden nicht vorliegt. Außerdem konnte im Hinblick auf die gegenständliche Gefährdung der Volksgesundheit durch Falschbezeichnung der Haltbarkeit - das iSd § 19 Abs 1 VStG verletzte öffentliche Interesse, dessen Schutz die Strafdrohung des § 74 Abs 1 iVm §§ 7 Abs 1 lit c) und 8 lit f LMG 1975 dient, - auch von geringen Folgen, unter denen nicht nur konkret nachgewiesene Schadensfolgen zu verstehen sind, keine Rede sein.

4.6. Im Rahmen der Strafbemessung des Bw ging die belangte Strafbehörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 30.000,--, einem Kommanditanteil an der S in Höhe von S 1,745.000,-- und fehlenden Sorgepflichten aus. Der Bw ist der Annahme dieser persönlichen Verhältnisse nicht entgegengetreten, weshalb sie auch für das Berufungsverfahren maßgeblich waren.

Die belangte Strafbehörde hat auf die Kriterien des § 19 Abs 1 VStG hingewiesen und mit Recht eine Schädigung des Interesses der Konsumenten auf richtige Information über die angebotene Ware angenommen. Durch die unrichtige Verbrauchsfrist wurden die Verbraucher über die wesentliche Eigenschaft der Haltbarkeit und damit der Frische der gegenständlichen Hühnerprodukte getäuscht, was im Hinblick auf die sehr leichte Verderblichkeit der Ware auch eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen konnte (vgl dazu auch §§ 10 und 19 Abs 1 LMG 1975 sowie § 5 LMKV 1993). Der Bw ist weder als einschlägig vorbestraft, noch als unbescholten anzusehen, weil nach der aktenkundigen Auflistung zahlreiche rechtskräftige Vorstrafen wegen Übertretung der GewO und der LMKV 1993 vorliegen, die zeigen, daß die gegenständliche Tat nicht im auffallenden Widerspruch zum bisherigen Lebenswandel des Bw steht, wie es der Milderungsgrund gemäß § 33 Z 2 StGB voraussetzt (vgl auch VwGH 16.3.1995, 94/16/0300). Strafmildernde Umstände hat die belangte Behörde daher mit Recht verneint. Die Geldstrafe war nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 1 LMG 1975 innerhalb eines Strafrahmens von bis zu S 50.000,-- zuzumessen. Nach Abwägung der vorliegenden Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung des Schuldmaßes kann der unabhängige Verwaltungssenat nicht finden, daß die ausgesprochene Geldstrafe von S 2.000,-- überhöht wäre. Mit dieser im untersten Bereich des Strafrahmens liegenden Geldstrafe, die eher als milde anzusehen ist, hat die belangte Behörde lediglich 4 % des Strafrahmens ausgeschöpft. Sie ist gemessen an der Schuld als auch an den persönlichen Verhältnissen des Bw unbedenklich und erscheint jedenfalls notwendig, um künftiges Wohlverhalten zu erzielen.

Die gemäß § 16 Abs 1 und 2 Satz 1 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit innerhalb eines Strafrahmens von 2 Wochen festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe wurde von der belangten Behörde mit 13 Stunden im angemessenen Verhältnis zur Primärstrafe bemessen und war daher ebenfalls zu bestätigen. 5. Bei diesem Ergebnis hat der Bw gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im Berufungsverfahren einen weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von S 400,-- (20 % der Geldstrafe) zu leisten. Als Folge des Schuldspruchs hatte der Bw gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 auch die von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien begehrten Untersuchungskosten für die Beurteilung der Probe zur UZ.: in Höhe von S 3.150,-- zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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