Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108536/8/Le/Be

Linz, 28.11.2002

VwSen-108536/8/Le/Be Linz, am 28. November 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des E, vertreten durch Rechtsanwälte Z, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 13.8.2002, VerkR96-8654-2001/Her, wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 in Verbindung mit den Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und 3821/85, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.11.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Tatvorwürfe 1. und 10. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen beiden Punkten aufgehoben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Hinsichtlich der übrigen Tatvorwürfe wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verringert sich daher um 18,10 Euro auf insgesamt 90,50 Euro.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 13.8.2002 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber wegen insgesamt 13 Übertretungen des § 102 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (im Folgenden kurz: KFG) in Verbindung mit den Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und 3821/85 13 Geldstrafen in Höhe von 36 Euro bis 218 Euro, insgesamt 1.086 Euro (bzw. Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von einem Tag bis zu sechs Tagen, insgesamt 30 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 9.11.2001 gegen 16.15 Uhr ein (näher bezeichnetes) Sattelkraftfahrzeug auf der A25 Linzer Autobahn in Fahrtrichtung Wels gelenkt, wobei anlässlich einer Kontrolle auf Höhe von km 6,0 (Autobahnparkplatz) im Gemeindegebiet von Weißkirchen a.d.Tr. festgestellt wurde, dass Schaublätter über den für sie bestimmten Zeitraum hinaus verwendet wurden, Lenkzeiten und tägliche Ruhezeiten nicht eingehalten wurden, Schaublätter nur teilweise ausgefüllt oder mehr als ein Schaublatt pro 24-Stunden-Zeitraum verwendet wurden.

(Die Verwaltungsübertretungen wurden im angefochtenen Straferkenntnis im Detail beschrieben und sind hier - zur Vermeidung von Wiederholungen - nur gerafft wiedergegeben.)

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 2.9.2002 , mit der beantragt wird, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das Straferkenntnis der BH Wels-Land ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu das Straferkenntnis aufzuheben und nach Abmahnung das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu das Strafausmaß auf ein schuld- und tatangemessenes Maß zu reduzieren.

Diese Berufung wurde mit dem weiteren Schriftsatz vom 30.9.2002, vorgelegt anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung am 19.11.2002, näher ausgeführt.

Darin wurde vorgebracht, dass die Erstbehörde gegen den Berufungswerber wegen des selben Sachverhaltes mehrere Strafen verhängt hätte, was dem Verbot der Doppelbestrafung widerspreche.

Wegen der Fahrtzeit von 8.11. bis 9.11. wäre sowohl eine Strafe wegen Überschreitung der Gesamtlenkzeit als auch wegen der Nichteinhaltung der Ruhezeiten verhängt worden. Wegen dieser Tat hätte jedoch nur eine Strafe verhängt werden dürfen. Gleiches gelte auch für den Zeitraum von 4.11. bis 7.11.2001: dem Berufungswerber wäre hier vorgeworfen worden, einerseits die Ruhezeit, andererseits die Lenkpausen nicht eingehalten zu haben, was aber nur Gegenstand einer Bestrafung sein dürfe.

Überdies handle es sich nicht jeweils um einzelne Delikte, sondern um ein fortgesetztes Delikt, welches auch nur einmal zu behandeln und daher auch nur einmal zu bestrafen sei. Sowohl betreffend der Fakten, dass das Schaublatt nicht ausgefüllt worden sei, auch als der Fakten, dass mehr als ein Schaublatt verwendet worden sei und auch der Fakten der Fahrzeiten lägen jeweils eine sachliche, zeitliche und örtliche Einheit vor, die nur eine einmalige Bestrafung zulassen würden.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird gerügt, dass dem deutschen Rechtsanwalt des Berufungswerbers, der selber deutscher Staatsbürger sei, keine Aktenkopie zur Verfügung gestellt worden sei. Wenn die angeforderte Aktenkopie übersandt worden wäre, hätte der Berufungswerber Gelegenheit gehabt, die Vorwürfe zu zerstreuen. Schließlich sei die Strafe zu hoch bemessen, weil der Berufungswerber Schulden habe. Er sei verheiratet und habe ein 13 jähriges Kind. Sowohl Kind als auch Ehefrau wären zu 40 % behindert.

Der Berufungswerber sei über dies verwaltungsbehördlich unbescholten und habe ein Geständnis abgelegt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung für 19.11.2002 anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Der Berufungswerber konnte persönlich nicht zur Verhandlung erscheinen, er war durch seine Rechtsanwältin Mag. S L vertreten. Die belangte Behörde hatte sich entschuldigt.

Der die Amtshandlung führende Gendarmeriebeamte RevInsp. W V wurde als Zeuge befragt.

3.2. Als Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 9.11.2001 führte der Gendarmeriebeamte RevInsp. V mit einem Kollegen Routinekontrollen auf der A25 Linzer Autobahn durch, wobei auch der nunmehrige Berufungswerber, der ein Sattelkraftfahrzeug lenkte, kontrolliert wurde. Dabei wurde festgestellt, dass der Berufungswerber bei der Firma A in Freilassing als Kraftfahrer beschäftigt war. Er war mit einem LKW dieser Firma unterwegs.

Bei der Auswertung der vorgelegten Schaublätter wurde von den Gendarmeriebeamten eine Reihe von Übertretungen gegen die EU-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 festgestellt.

Anlässlich seiner Einvernahme vor der Gendarmerie (siehe die Niederschrift vom 9.11.2001) gab der Berufungswerber diese Übertretungen auch zu und erklärte seine Fahrtstrecke. Er gab an, alleine mit diesem Sattelkraftfahrzeug gefahren zu sein und durch das Verwenden von weiteren Schaublättern ursprünglich das Vorhandensein eines zweiten Fahrers vortäuschen wollte. Er fahre auf Kilometergeld (1,40 DM pro km) und wollte daher mehr fahren, weil er "noch von früher her einige Schulden" habe, die er damit abzahlen wolle.

Die festgestellten Übertretungen wurden dem Berufungswerber im vorliegenden Straferkenntnis vorgeworfen, sie sind aus den Originalschaublättern eindeutig nachvollziehbar und wurden bei der mündlichen Verhandlung mit dem Zeugen auch tatsächlich erörtert.

Der Zeuge wies weiters darauf hin, dass aus den vorgelegten unbeschrifteten Schaublättern ersichtlich ist, dass der Berufungswerber die Schaublätter immer wieder wechselte, wobei er zunächst auf einer ordnungsgemäß ausgefüllten Scheibe fuhr und diese nach dem Ende der regulären Lenkzeit herausnahm und durch ein unbeschriftetes Schaublatt ersetzte, auf welchem er dann weiterfuhr; dann wechselte er wieder auf die beschriftete Scheibe usw.

Es ist aus den Aufzeichnungen auf den Schaublättern ersichtlich, dass die Schaublätter 1 bis 9 einander ergänzen. Aus den Schaublättern 5 und 6 ist ersichtlich, dass der Berufungswerber bis zu 18 Stunden durchgefahren ist.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtslage der EU-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die übersichtliche und vollständige Darstellung auf den Seiten drei und vier des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen.

4.2.1. Das Ermittlungsverfahren, insbesondere die Einsicht in die abgenommenen Schaublätter sowie die Einvernahme des amtshandelnden Gendarmeriebeamten hat ergeben, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen - mit Ausnahme der Tatvorwürfe 1. und 10. - tatsächlich begangen hat. Der Berufungswerber hat diese Übertretungen grundsätzlich auch nicht bestritten; sie sind aus den beschlagnahmten Schaublättern eindeutig nachvollziehbar.

4.2.2. Der Tatvorwurf 1. des Straferkenntnisses entspricht in seiner Form nicht der Anzeige der Gendarmerie und ist auch inhaltlich nicht nachvollziehbar:

Während laut Anzeige "das Schaublatt vom 2.11. auf den 3.11. im Zeitraum von 12.30 Uhr bis 17.30 Uhr mind einmal überschrieben wurde" wurde laut Tatvorwurf 1. "das Schaublatt welches am 2.11.2001 gegen 12.30 Uhr eingelegt wurde, über den Zeitraum (24-Std.-Zeitraum) für den es bestimmt ist, hinaus verwendet".

Aus dem beschlagnahmten, dem Verwaltungsakt beiliegenden Schaublatt Nr. 1 ist zu entnehmen, dass über den gesamten 24-Stunden-Zeitraum eine Ruhezeit eingetragen ist; innerhalb der Zeit von 12.30 Uhr bis 17.30 Uhr finden sich jedoch auch (zusätzlich) Aufzeichnungen über stattgefundene Fahrbewegungen; der Fahrer hat das Datum händisch ausgefüllt mit " 2.11." und "3.11.".

Auch in Zusammenhalt mit der Aussage des Berufungswerbers vor der Gendarmerie kann daraus nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass der Berufungswerber dieses Schaublatt tatsächlich am 2.11. um 12.30 Uhr eingelegt hat. Er könnte es auch zu jeder anderen Zeit eingelegt haben, weil die eingetragenen Fahrbewegungen nicht zwingend zu dem Zeitpunkt begonnen haben müssen, als das Schaublatt eingelegt wurde.

Angemerkt wird in diesem Zusammenhang weiters, dass auf dem Schaublatt Nr. 1 nur eine durchgehende senkrechte Markierung eingetragen ist, wie sie bei Kontrollgeräten der gegenständlichen Art durch den Geschwindigkeitsschreiber in Form eines senkrechten Striches beim Öffnen des Gerätes auf dem Schaublatt vermerkt wird, und zwar um ca. 21.43 Uhr. Diese Markierung passt wiederum mit dem Beginn der Fahrbewegungen zusammen, die laut Scheibe Nr. 2 am 3.11. um ca. 21.45 Uhr begonnen haben. Auch daraus ist somit nicht zu entnehmen, dass dieses Schaublatt zu der im Straferkenntnis angeführten Zeit eingelegt wurde.

Der Tatvorwurf in dieser Form war daher nicht erweisbar.

4.2.3. Der Tatvorwurf 10. wurde auf "§ 102 Abs.1 KFG 1967 iVm EG-VO 3821/85 Art. 15 Abs.2 und § 134 Abs.1 KFG 1967" gestützt. In der genannten Bestimmung des Art. 15 Abs.2 leg.cit. findet sich jedoch kein Vorschrift, der der Berufungswerber mit dem vorgeworfenen Verhalten zuwider gehandelt hätte.

Das strafbare Verhalten, das der Berufungswerber im Zusammenhang mit der unerlaubten Verwendung des Schaublattes in der Beifahrerlade am 8.11.2001 gesetzt hat, ist nunmehr in Art. 15 Abs.8 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 beschrieben. Diese Bestimmung ist jedoch (erst) durch die Verordnung (EG) Nr. 2135/98 eingeführt worden. Infolge der statischen Verweisung in § 134 Abs.1 KFG auf die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ..., geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3272/90, ist dieses Verhalten zwar ein Verstoß gegen EU-Recht, jedoch nicht nach
§ 134 Abs.1 KFG strafbar. Der Tatvorwurf konnte daher nicht auf diese neue Rechtslage geändert werden, sondern war daher aufzuheben.

4.3. Zur subjektiven Tatseite hat die Erstbehörde keine Feststellungen getroffen.

Aus der Verantwortung des nunmehrigen Berufungswerbers bei seiner Einvernahme vor der Gendarmerie, wo er als Rechtfertigung für seine Verwaltungsübertretungen angab, dass er auf Kilometergeld fahre und von früher einige Schulden habe, die er damit abzahlen wollte, und auch aus der Verwirklichung der einzelnen Tatbilder ist ersichtlich, dass der Berufungswerber diese Verwaltungsübertretungen vorsätzlich begangen hat. Ihm kam es darauf an, möglichst viele Kilometer zu fahren, um möglichst viel zu verdienen, um Schulden zurückzahlen zu können und um seine Übertretungen im Falle einer Kontrolle zu verschleiern.

Diese Verschuldensform ist bei allen Tatvorwürfen des angefochtenen Straferkenntnisses anzunehmen.

4.4. Den in der ergänzenden Berufungsausführung vorgebrachten Argumenten ist folgendes entgegen zu halten:

4.4.1. Der Berufungswerber vermeint, dass wegen Überschreitung der Gesamtlenkzeit und Nichteinhaltung der Ruhezeiten in der Zeit vom 4.11. bis 7.11. und vom 8.11. bis 9.11. nur eine einzige Strafe verhängt hätte werden dürfen.

Dem ist entgegen zu halten, dass nach der Legaldefinition des Artikel 6 Abs. 1 der EG-Verordnung 3820/85 die Tageslenkzeit die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit ist. Demnach wird die Gesamtlenkzeit von Ruhezeiten eingegrenzt, und zwar am Beginn und am Ende; keinesfalls überschneiden sich diese Zeiten. Das bedeutet, dass die Überschreitung der höchstzulässigen Lenkzeit nicht zwingend auch die Unterschreitung oder Nichteinhaltung der Ruhezeiten bedingt, sondern es durchaus zutreffen kann, dass ein Fahrer zwar die erlaubte Gesamtlenkzeit überschreitet, danach aber wieder eine ausreichend lange Ruhezeit konsumiert.

Die Behauptung ist daher unzutreffend.

4.4.2. Der Berufungswerber bringt weiters vor, es handle sich jeweils nicht um einzelne Delikte, sondern um fortgesetzte, welche auch nur einmal zu ahnden und deshalb auch nur einmal zu bestrafen wären.

Lehre und Judikatur verstehen unter einem fortgesetzten Delikt eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren (zeitlichen) Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten... Fahrlässige Begehungen scheiden für die Annahme eines fortgesetzten Deliktes aus. Nur dann, wenn der Täter von vorn herein - wenn auch nur mit bedingtem Vorsatz - einen Gesamtvorsatz mit seinen wesentlichen Merkmalen ins Auge gefasst hat (Gesamtvorsatz) ist es gerechtfertigt, ihm nur eine einzige Straftat anzulasten. Das fortgesetzte Delikt kommt daher nur im Bereich der Vorsatzdelinquenz in Betracht. Im Falle eines fortgesetzten Delikts sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein (siehe Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 866).

Im vorliegenden Fall liegen Übertretungen des Art. 15 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 in drei Fällen, des Art. 15 Abs.5 leg.cit. in zwei Fällen sowie der Art. 6 Abs.1, 7 Abs.1 und 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in jeweils zwei Fällen vor.

Fortgesetzte Delikte können allenfalls innerhalb gleicher Deliktsgruppen, also innerhalb der angelasteten Übertretungen ein und derselben Norm in mehreren Fällen auftreten, keinesfalls aber deliktsübergreifend. Es könnten hier somit - wenn überhaupt - fünf fortgesetzte Delikte erfüllt sein.

Wenn man nun die vorliegenden Deliktsgruppen einer näheren Betrachtung unterzieht, so ist bei all diesen jedoch kein einheitlicher Willensentschluss erkennbar, die angelasteten Übertretungen zu begehen.

Bei den Übertretungen des Artikel 15 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ist bei den Punkten 6., 9. und 13 zu erkennen, dass die inkriminierte Verwendung von mehr als einem Schaublatt täglich an 3 verschiedenen Tagen begangen wurde, wobei die Taten jeweils abgeschlossen wurden und sodann ein neuer Willensentschluss nötig war, eine neue Verwaltungsübertretung zu begehen.

Auch die Übertretungen des Artikel 15 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 waren hinsichtlich der fehlenden Eintragungen bezogen auf das jeweilige Schaublatt. Ein Gesamtvorsatz, alle Schaublätter nicht auszufüllen, ist daraus nicht erkennbar, vor allem aber auch deshalb nicht, weil dazwischen immer wieder einzelne Schaublätter richtig ausgefüllt wurden. Es ist sohin ein einheitlicher Gesamtvorsatz, Schaublätter nicht oder nicht korrekt auszufüllen, nicht ableitbar.

Auch die beiden Übertretungen des Artikels 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) 3820/85 waren Einzeldelikte, die durch das zwischenzeitige Einlegen einer Ruhezeit abgeschlossen wurden. Für das Überschreiten der zulässigen Lenkzeit von 8. auf
9. November war wiederum wieder ein neuer Tatentschluss erforderlich. Ein einheitlicher Willensentschluss, Lenkzeiten grundsätzlich nicht einzuhalten, ist daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar.

Auch bei den Übertretungen des Artikel 7 Abs.1 leg.cit. ist festzustellen, dass dazwischen immer wieder korrekte Lenkpausen eingelegt wurden, wodurch der Berufungswerber sein strafbares Verhalten zwischenzeitig wieder aufgegeben und sodann wieder neu begonnen hat.

Hinsichtlich der Übertretung des Artikel 8 Abs.1 leg.cit. im Spruchabschnitt 3. hat die Erstbehörde dem Berufungswerber in diesem Zeitraum zwischen 4. und 7.11. zu Recht nur ein einziges Delikt vorgeworfen, obwohl er mehrere Ruhezeiten hätte einhalten müssen. Für diese Zeit ist jedenfalls ein einheitlicher Gesamtvorsatz erkennbar, Ruhezeiten nicht einzuhalten.

Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Nichteinhaltung der Ruhezeit zwischen 8. und 9.11. (siehe Spruchabschnitt 11.), wobei hier nur eine einzige Ruhezeit notwendig gewesen wäre, die aber nicht eingehalten wurde. Zum vorhin unter Spruchabschnitt 3. genannten Delikt besteht jedoch kein Fortsetzungszusammenhang durch einheitlichen Willensentschluss, weil nach der eingehaltenen Ruhezeit und der erlaubten anschließenden Lenkzeit in der Dauer von 4,5 Stunden ein neuerlicher Willensentschluss gefasst werden musste, keine Lenkpause bzw. Ruhezeit einzuhalten.

Aus der Gesamtschau dieser Übertretungen ist zu erkennen, dass es sich um jeweils gesondert gefasste und voneinander getrennt zu beurteilende Entschlüsse handelte, die genannten Vorschriften, die für das Lenken von Lastkraftwagen zu beachten sind, nicht einzuhalten. Ein Gesamtvorsatz, möglichst viele Kilometer zu fahren, wie er sich aus der Verantwortung des Berufungswerbers anlässlich seiner Einvernahme vor der Gendarmerie ergab, um (auf - verbotener - Kilometergeldbasis) damit seine Schulden abzuzahlen, mag zwar die Motivation des Berufungswerbers für sein gesetzwidriges Verhalten erklären, stellt aber keinen einheitlichen Gesamtentschluss und Gesamtvorsatz dar, bestimmte Verwaltungsübertretungen zu begehen. Diese Motivation ist für einen Gesamtvorsatz, wie er für eines oder mehrere fortgesetzte Delikte erforderlich ist, viel zu wenig spezifiziert und konkretisiert (siehe hiezu etwa VwGH vom 18.10.1989, 89/02/0073; 97/03/0095 vom 24.9.1997 u.a.).

4.4.3. Zur Behauptung, es läge ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil dem deutschen Rechtsanwalt des (deutschen) Berufungswerbers keine Kopie des Behördenaktes übermittelt wurde, wird auf die zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses verwiesen. Weiters wird darauf hingewiesen, dass der Berufungswerber im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem UVS ausreichend Gelegenheit hatte, die zu seiner Entlastung dienenden Beweismittel vorzulegen bzw. die ihm angelasteten Vorwürfe zu zerstreuen.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde:

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung legte die Rechtsvertreterin des Berufungswerbers eine schriftliche Mitteilung der deutschen Rechtsanwälte Hötl und Krüger vor, wonach der Berufungswerber verheiratet ist und ein dreizehnjähriges Kind hat. Sowohl Kind als auch Ehefrau wären zu 40 % schwer behindert, der Berufungswerber verdiene monatlich im Schnitt 1.600 Euro netto. Aufgrund eines Baukredites für das Haus bestünden Verbindlichkeiten in Höhe von 85.000 Euro sowie ein Avalkredit für den LKW der Firma A in Höhe von 4.601,63 Euro.

Beweise wie Kopien von Behindertenausweisen, Kreditverträgen oder Kontoauszügen wurden nicht vorgelegt.

Die Strafbemessung richtet sich nach § 19 VStG regelt die Bemessung der zu verhängenden Strafe. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen."

Bei der Prüfung der Verschuldensform wurde eine vorsätzliche Tatbegehung festgestellt. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen unter 4.3. verwiesen.

Aufgrund der massiven Lenkzeitenüberschreitungen und außerordentlichen Ruhezeitunterschreitungen wurde die Verkehrssicherheit in höchstem Ausmaß gefährdet, sodass erhebliche nachteilige Folgen durch die Taten eingetreten sind.

Wegen der Schulden des Berufungswerbers ist zu befürchten, dass er derartige Übertretungen wieder begehen wird, wenn ihm nicht das Unrecht seiner Handlungen drastisch vor Augen geführt wird. Daher hält es die Berufungsbehörde selbst in Anbetracht der bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers im Verwaltungsbezirk Wels-Land sowie der Schulden und familiären Belastungen für nicht vertretbar, die verhängten Strafen herabzusetzen. Das Geständnis war nur in untergeordnetem Ausmaß als mildernd anzusehen, weil nur ein qualifiziertes Geständnis einen echten Milderungsgrund darstellt, nicht jedoch ein Geständnis, das dadurch zustande kommt, dass einem die Fakten (hier in Form der Schaublätter) vor Augen gehalten werden und diese nur nicht mehr bestritten werden.

Der Berufungswerber wird vielmehr angehalten, seinen Schuldenberg durch andere Maßnahmen abzubauen und nicht durch derart massive Übertretungen der Bestimmungen zum Schutz der Verkehrssicherheit. Hier wird ausdrücklich auf die Gefahren hingewiesen, die von einem übermüdeten Lenker eines Schwerfahrzeuges ausgehen. Ein Unfall könnte verheerende Folgen haben und seine Existenz vernichten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung:

Lenkzeiten, Schaublätter

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