Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-108543/2/Br/Pe

Linz, 30.09.2002

VwSen-108543/2/Br/Pe Linz, am 30. September 2002

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn JN, vertreten durch Dr. JL, Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. August 2002, Zl. VerkR96-12352-2002/U, zu Recht:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.3 Z1 u. 2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000- VStG;

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 174 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.1 und § 37 Abs.4 Z1 FSG eine Geldstrafe in Höhe von 870 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen verhängt, weil er am 24.4.2002 um 17.05 Uhr an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Wels, den Pkw mit dem Kennzeichen gelenkt habe, obwohl ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24.10.2000, VerkR21-682-2000 bis 24.4.2003 die Lenkberechtigung entzogen worden sei.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion Wels, Wachzimmer Pernau. Bei der Strafzumessung ging die Behörde erster Instanz von einem Monatseinkommen in Höhe von 1.453 Euro, der Sorgepflicht für vier Kinder und keinem Vermögen aus. Als straferschwerend wurde eine einschlägige Vormerkung gewertet. Im beigelegten EDV-Ausdruck wurde diesbezüglich auf das Straferkenntnis vom 5.11.2001, VerkR-3811-2001, Bezug genommen.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Folgendes aus:

" Ich erhebe innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

B e r u f u n g

Begründung:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird mir vorgeworfen, ich habe gemäß § 1 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 und § 37 Abs. 4 Ziff. 1 Führerscheingesetz 1997 (FSG 1997) am 24.04.2002 um 17.05 Uhr in Wels das KFZ, pol. Kennzeichen, ohne eine von der Behörde erteilte gültige Lenkerberechtigung für die Klasse "B" gelenkt.

Der von § 37 Abs.4 Führerscheingesetz geforderte Entzug muss rechtskräftig verhängt worden sein. Tatsächlich liegt zu meinen Lasten weder ein rechtskräftiger noch ein rechtswirksamer Entzug der Lenkerberechtigung vor.

Die Berufung ist das den Eintritt der Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit hemmende ordentliche Rechtsmittel. Rechtskraft und Vollstreckbarkeit sind zwei verschiedene Dinge (vgl. Entscheidung 3 in Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 522).

In der Begründung des Straferkenntnisses wurde darauf nicht eingegangen wurde und nur angeführt, dass das Rechtsmittel der Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid die Vollstreckbarkeit nicht hemmt, es sei denn, bei diesem Mandatsbescheid handelt es sich um die Vorschreibung von Kosten.

Allerdings besteht die Vollstreckbarkeit eines Bescheides darin, dass ein bescheidmäßig gebotenes Verhalten mit den Mitteln des Exekutionsrechtes durchgesetzt werden kann (vgl. Walter Mayer, Grundriss des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 179) bzw. die in dem Bescheid festgestellte Leistungspflicht im Verwaltungsweg erzwungen werden kann (vgl. Entscheidung 3a in Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Seite 1138).

Hingegen ist ein Bescheid rechtskräftig, wenn gegen ihn keine Berufung bzw. Vorstellung zulässig ist (vgl. Walter Mayer, Grundriss des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 173) bzw. durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann (vgl. Entscheidung 3a in Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 1138).

Am 24.4.2002 war somit weder die Lenkerberechtigung rechtskräftig entzogen noch rechtskräftig ein Lenkverbot auferlegt. Die Lenkerberechtigung war deshalb i.S.d. § 1 Abs. 3 FSG noch gültig erteilt und gehörte zum genannten Zeitpunkt noch dem Rechtsbestand an, sodass ich an diesem Tage keine Verwaltungsstraftat begangen habe.

Nach § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Nach § 37 Abs. 4 Ziff. 1 FSG, der eine Ausnahmebestimmung gegenüber der allgemeinen Strafsanktion des § 37 Abs. 1 FSG darstellt und deshalb eng auszulegen ist, ist eine Mindeststrafe von € 726,00 zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl die Lenkerberechtigung entzogen wurde.

Am 24.04.2002 befand ich mich in einer Ausnahmesituation. Ich lebe in äußerst ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Das Einkommen aus der Arbeitsstelle in der Nähe des Tatortes ist unabdingbare Voraussetzung, dass ich meine Familie mit 4 minderjährigen Kindern und Ehegattin erhalten kann. Mein Verhalten war demnach nicht nur menschlich begreiflich, sondern ein achtungswerter Beweggrund, was als Milderungsgrund im Straferkenntnis nicht berücksichtigt wurde.

Ich habe niemanden gefährdet oder geschädigt. Seit dem Vorfall vom 25.10.2000 trinke ich keinen Alkohol. Auch am 24.04.2002 ergab die Messung meiner Atemluft auf Alkohol 0,00 mg/l, sodass unter dem Blickwinkel der besonderen Verwerflichkeit von Alkoholdelikten meine Verkehrszuverlässigkeit wieder vorliegt.

Wie bereits ausgeführt habe ich gegen den Bescheid vom 29.11.2000, VerkR21-682-2000/LL, die Vorstellung bzw. gegen den Bescheid vom 10.5.2002, VerkR21-682-2001/MR, fristgerecht die Berufung eingebracht.

Allerdings legt das angefochtene Straferkenntnis eine nicht näher bezeichnete aufscheinende Vormerkung als straferschwerend zugrunde, obwohl nur rechtskräftig verhängte Strafen bei der Strafbemessung berücksichtigt werden dürfen (vgl. Entscheidung 89 in Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 851) und keine besondere Häufung vorliegt, zumal nur berufliche und familiäre Gründe dafür maßgeblich waren, daß ich am 24.04.2002 um 17.05 Uhr in Wels das KFZ, pol KZ, auf der unbenannten Verbindungstraße zwischen der Schafwiesenstraße und der Mitterhofstraße in Fahrtrichtung Osten gelenkt habe.

Beweis:

die angeführten Verwaltungsakte der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, meine Einvernahme.

Aus all diesen Gründen stellte ich an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nachstehenden

Antrag,

1. das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22.8.2002, VerkR96-12352-2002/U, ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafver-fahren einzustellen,

2. in eventu die Strafhöhe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen.

Enns, am 10.9.2002 JN"

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine Berufungsverhandlung konnte hier angesichts einer im Ergebnis bloß gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung in Verbindung mit einer allenfalls aus der Berufung ableitbar behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 u.2 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt, sowie in den Berufungsakt betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (VerkR-90352/7-2002-Vie-Hu). Daraus ergibt sich in Verbindung mit den hier amtsbekannten Tatsachen der einschlägigen Vormerkung der für die Entscheidung entscheidungswesentliche Sachverhalt. Mit der zur Frage der vermeintlich als zu Unrecht gewerteten einschlägigen Vormerkung beantragten Beschuldigtenvernehmung, könnte diese amtsbekannte Tatsache nicht widerlegt werden. Mit Blick auf verfahrensökonomische Erwartungen war daher von einer Berufungsverhandlung abzusehen.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Unbestritten bleibt in der Berufung der Tatvorwurf in Form der Lenkereigenschaft. Tatsache ist ferner, dass die Lenkberechtigung rechtswirksam entzogen wurde, wenngleich dagegen Berufung erhoben wurde.

Wie zu Punkt 4. im h. Erk. v. 28.12.2001, VwSen-107987/12/Br/Bk, festgestellt wurde, lenkte damals der Berufungswerber am 17.03.2001 gegen 15.17 Uhr im Gemeindegebiet von Asten, von der ÖMV-Tankstelle bis zur Anemonenstraße 39, den PKW, ohne sich im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse "B" gewesen zu sein, weil diese ihm lt. dem Bescheid auf dem sich die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land auch in diesem Verfahren beruft, schon 29.11.2000, entzogen war. Dies ist bereits durch den Ausspruch der einer Berufung aberkennenden aufschiebenden Wirkung der Fall. Das Entzugsverfahren ist zwischenzeitig rechtskräftig abgeschlossen, sodass dem Bw die Lenkberechtigung, jedenfalls zum hier verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt, als entzogen gewesen anzusehen ist. Der Punkt 4. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 5. November 2001, Zl. VerkR96-3811-2001-Hu, wurde damals vom Berufungswerber nicht bekämpft, sodass dieser bereits mit dem darüber hinaus (in den Punkten 1. bis 3. angefochtenen Straferkenntnis) in Rechtskraft erwachsen war.

Damit geht auch der Einwand, dass sich die Behörde erster Instanz zu Unrecht auf eine einschlägige Vormerkung berufen hätte, ins Leere.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Die Behörde erster Instanz hat hier das Tatverhalten in zutreffender Weise subsumiert und unter Anwendung des § 37 Abs.4 Z1 FSG auch richtig qualifiziert.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Wenn hier die Erstbehörde eine die Mindeststrafe nur geringfügig übersteigende Geldstrafe verhängt hat, so kann angesichts der bereits einschlägigen Vormerkung ein Fehler bei der Strafzumessung - selbst bei ungünstigen Einkommensverhältnissen des Berufungswerbers - nicht erblickt werden.

Insbesondere scheint hier aus spezialpräventiven Überlegungen ein die Mindeststrafe übersteigendes Strafausmaß geboten, da der Berufungswerber offenbar - so wie dies auch anlässlich der hier am 28.12.2001 verhandelten Sache darstellte - sich über den Entzug seiner Lenkberechtigung geradezu systematisch hinwegzusetzen scheint. Der Berufungswerber lenkte hier offenbar seinen Pkw von Enns bis Wels, wo er schließlich betreten wurde.

Die Anwendung des § 20 VStG kam hier schon wegen des Fehlens eines bloß geringen Verschuldens nicht in Betracht. Darüber hinaus ist das Lenken ohne Lenkberechtigung im Falle des Entzuges wegen hier offenkundig mangelnder Verkehrsanpassungsneigung wohl auch von nachteiligen Folgen begleitet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r