Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108580/9/Le/Be

Linz, 10.12.2002

VwSen-108580/9/Le/Be Linz, am 10. Dezember 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des E, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. S und Dr. S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 27.8.2002 , Zl. VerkR96-4279-2001/Ah, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 4.12.2002 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straf-erkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 87 Euro zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 27.8.2002 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretungen des

1) § 16 Abs.1 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO),

2) § 16 Abs.1 lit.c StVO und

3) § 16 Abs.2 lit.b StVO

jeweils Geldstrafen in Höhe von 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 48 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 23.4.2001 gegen 9.30 Uhr den Pkw der Marke Alfa Romeo mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet von Taiskirchen auf der Unterinnviertler Landesstraße Richtung Taiskirchen gelenkt, wobei er

1) ca. auf Höhe von km 9,230 als Lenker des Fahrzeuges verbotenerweise mehrspurige Fahrzeuge überholt habe, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten (Gegenverkehr musste abbremsen und ausweichen), 2) habe er an dieser Stelle verbotenerweise mehrspurige Fahrzeuge überholt, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werden könne (Abbremsmanöver Gegenverkehr),

3) habe er als Lenker des Fahrzeuges verbotenerweise an dieser Stelle infolge einer unübersichtlichen Straßenstelle (Fahrbahnkuppe, Fahrbahnkrümmung) überholt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 10.9.2002, mit der beantragt wird, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass die Sachverhaltsannahmen unzutreffend wären. Es sei nicht richtig, dass die Überholstrecke nur 270 Meter wären und dass Sattelkraftfahrzeuge bei einer siebenprozentigen Steigung durchschnittlich 60 km/h fahren könnten. Die Behörde wäre nicht berechtigt gewesen davon auszugehen, dass es sich um ein Sattelkraftfahrzeug mit einer "enormen Leistungskapazität" gehandelt hätte. Unrichtig sei auch, dass der Beschuldigte selbst den Sattelkraftwagen überholen wollte und nur, weil es sich nicht ausging, sich zwischen dem ersten Pkw vor diesem Sattelkraftfahrzeug und letzterem hineinzwängte. Die Erstbehörde hätte auf jeden Fall aufgrund der Stellungnahme des Beschuldigten ein Gutachten dahingehend einholen müssen, ob nach den von ihm genannten Angaben ein gefahrloses Überholen beider Pkw`s möglich gewesen wäre oder nicht. Wenn die Erstbehörde ein Ergänzungsgutachten eingeholt hätte, wäre das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat für den 4.12.2002 eine öffentliche Berufungsverhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. Klaus-Dieter S teil; die Erstbehörde hatte sich entschuldigt. Bei der Verhandlung wurde weiters der Meldungsleger, Herr Rev.Insp. D als Zeuge gehört; Herr TAR Ing. L wirkte als Amtsachverständiger für Verkehrstechnik an der Verhandlung mit.

3.2. Als Ergebnis der Verhandlung steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Berufungswerber war zur Tatzeit auf der Unterinnviertler Landestraße in Richtung Taiskirchen unterwegs. Er fuhr mit seinem Pkw der Marke Alfa Romeo, Typ 75, hinter drei Fahrzeugen nach, wobei das vordere ein Sattelkraftfahrzeug war und die beiden anderen Pkw´s. Etwa auf Höhe von Straßenkilometer 9,230 begann der Berufungswerber seinen Überholvorgang. Er überholte die beiden vor ihm fahrenden Pkw´s und zwängte sich dann zwischen dem vorderen und dem Sattelkraftfahrzeug hinein, weil ihm ein Gegenverkehr in Form eines Gendarmerieautos, gelenkt von Herrn Rev.Insp. D, begegnete. Der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges musste sein Fahrzeug erheblich abbremsen und ganz an den Straßenrand lenken.

Der Amtsachverständige für Verkehrstechnik, Herr TAR Ing. L, führte einen Lokalaugenschein durch und erhob die Verhältnisse an Ort und Stelle. Dabei stellte er fest, dass die Fahrbahn der L 513 in Fahrtrichtung des Beschuldigten vor der Überholposition eine langgezogene und unübersichtliche Linkskurve beschreibt. Die Kurve ist deshalb unübersichtlich, da sich kurveninnenseitig eine Böschung befindet und in weiterer Folge ein Strauchbewuchs. Das Kurvenende befindet sich etwa auf Höhe von Straßenkilometer 9,300 und die Fahrbahn verläuft hier in einer Steigung von ca. 7 %. Die L 513 ist mit einer Bitumenkiesoberfläche versehen und die Breite der Fahrbahn beträgt 6,1 Meter. Aufgrund des Streckenverlaufes hat man von Straßenkilometer 9,230 (jene Stelle, wo man erstmals eine entsprechende Sicht auf den Gegenverkehr hat - auch als Überholbeginn für den Beschuldigten angegeben) eine Sichtweite bis ca. auf Höhe von Straßenkilometer 9,570. Die Sichtweite ist deshalb mit 340 Meter eingeschränkt, da sich auf Höhe von Straßenkilometer 9,570 wiederum eine Rechtskurve und eine Fahrbahnkrümmung ergibt.

Zur Fahrgeschwindigkeit der überholten Fahrzeuge gab der Berufungswerber an, dass diese mit 30 km/h gefahren wären, weil es sich bei dem erwähnten Sattelkraftfahrzeug um einen Schwertransport gehandelt habe.

Der als Zeuge einvernommene Gendarmeriebeamte Rev.Insp.D gab an, dass ihm hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit des Sattelkraftfahrzeuges (im Gegenverkehr) nichts aufgefallen war, insbesonders nicht, dass dieses besonders langsam oder besonders schnell gefahren wäre. Er schätzte die Fahrgeschwindigkeit als normale Fahrgeschwindigkeit ein, wobei er aus Erfahrung angeben konnte, dass Sattelkraftfahrzeuge in diesem Straßenstück (trotz 7 %iger Steigung) zwischen 60 und 80 km/h schnell fahren.

Diese Angabe deckt sich auch mit der Erfahrung des technischen Amtsachverständigen, der diese Strecke oft befährt und deshalb angeben konnte, dass Sattelkraftfahrzeuge in diesem Bereich tatsächlich die vom Gendarmeriebeamten angegebene Geschwindigkeit fahren.

Der Sachverständige berechnete die Überholvorgänge unter verschiedenen Varianten:

Einerseits mit der Variante, dass lediglich die beiden Pkw´s überholt werden sollten, und als zweite Variante, dass auch das Sattelkraftfahrzeug überholt werden sollte. Dabei ging er von einer Überholsichtweite von 340 Meter aus, einer maximalen mittleren Beschleunigung des Pkw Alfa Romeo von 1,85 m/s² und einem Sicherheitsabstand der beiden hintereinanderfahrenden überholten Pkw´s von einer Sekunde.

Bei einer Fahrgeschwindigkeit dieser Fahrzeuge von 30 km/h kam der Sachverständige zum Ergebnis, dass die Überholstrecke 100,4 Meter beträgt, die Überholzeit 6,84 Sekunden, die Überholsichtweite ohne Gefährdung des Gegenverkehrs 290,5 Meter und jene ohne Behinderung des Gegenverkehrs von 340 Meter.

Bei der zweiten Variante, wonach die beiden Pkw sowie das Sattelkraftfahrzeug überholt werden sollten, beträgt unter diesen Voraussetzungen der Überholweg 146,8 Meter, die Überholzeit 8,85 Sekunden, die Überholsichtweite ohne Gefährdung des Gegenverkehrs 395,5 m und jene ohne Behinderung des Gegenverkehrs 447,7 Meter.

In einem weiteren Beispiel berechnete der Sachverständige diese Parameter, ausgehend von einer Kolonnengeschwindigkeit von 40 km/h:

Wenn lediglich zwei Pkw´s überholt werden sollten, beträgt der Überholweg 152,3 Meter, die Überholzeit 8,38 Sekunden, die Überholsichtweite ohne Gefährdung des Gegenverkehrs 385,3 Meter und jene ohne Behinderung des Gegenverkehrs 438,3 Meter.

Bei der Variante "Überholen zweier Pkw´s und des Sattelkraftfahrzeuges" wurde der Überholweg mit 199,6 Meter, die Überholzeit mit 10,16 Sekunden, die Überholsichtweite ohne Gefährdung des Gegenverkehrs mit 481,9 Meter und jene ohne Behinderung des Gegenverkehrs mit 537,5 Meter berechnet.

Bei höheren Geschwindigkeiten der Kolonne verlängert sich naturgemäß der Überholweg, die Überholzeit und auch die erforderliche Sichtweite erheblich.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kam der Unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass die Behauptung des Berufungswerbers, die Kolonne sei lediglich mit 30 km/h gefahren, eine Schutzbehauptung ist. Dafür spricht jedenfalls, dass der Gendarmeriebeamte als Zeuge ausgesagt hat, dass ihm eine so langsame Fahrgeschwindigkeit aufgefallen wäre. Überdies hätte der Gendarmeriebeamte sein Fahrzeug nicht so erheblich abbremsen und an den Straßenrand lenken müssen, wenn der Berufungswerber tatsächlich eine lediglich mit 30 km/h fahrende Kolonne überholt hätte.

Ursprünglich wollte der Berufungswerber (nach eigenen Aussagen) die beiden Pkw´s und das Sattelkraftfahrzeug überholen, was sich seiner Einschätzung nach ausgegangen wäre. Der Sachverständige kam jedoch bei seinen Berechnungen auch bei einer Fahrgeschwindigkeit von lediglich 30 km/h zum Ergebnis, dass die erforderliche Sichtweite ohne Gefährdung des Gegenverkehrs 395,5 Meter, also deutlich über den vorhandenen 340 Meter bestanden hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Berufungswerber die Situation falsch eingeschätzt hat. Selbst bei einer Fahrgeschwindigkeit von lediglich 40 km/h der Kolonne war der Überholvorgang ohne Gefährdung des Gegenverkehrs nicht mehr möglich gewesen.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Überholvorgang in Anbetracht der Fahrgeschwindigkeiten und der vorhandenen Überholsichtweite eine Gefährdung des Gegenverkehrs darstellte.

4.3. Nach § 16 Abs.1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen:

a) wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist, ....

c) wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern...

Nach Abs.2 leg.cit. darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in dem in Abs.1 angeführten Fällen nicht überholen:....

b) bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs.2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird,...

4.3.1. Der nach § 16 Abs.1 lit.a StVO strafbare Tatbestand besteht darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, also mit dem Überholen beginnt oder dieses nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Der Inhalt dieser Bestimmung bezieht sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer - wenngleich dies die Folge eines unerlaubten Überholmanövers sein kann -, sondern auf ein, dem überholenden Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden- oder Behindern-Können bzw. einen Platzmangel. Es genügt eine abstrakte Gefährdung oder Behinderung, also die bloße Möglichkeit einer solchen (siehe hiezu VwGH vom 22.2.1989, ZfVB 1989/5/1654; 29.8.1990, ZfVB 1991/4/1638 u.a.).

4.3.2. Auch für das Tatbild des § 16 Abs.1 lit.c. StVO genügt die abstrakte Gefährdung oder Behinderung. Nach dieser Bestimmung darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Im vorliegenden Fall konnte der Berufungswerber zu Beginn des Überholvorganges offensichtlich nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen, dass er sich nach dem Überholvorgang wieder gefahrlos auf dem rechten Fahrstreifen einordnen kann. Er hat vielmehr auf "Gut Glück" überholt und sich dann zwischen dem Sattelkraftfahrzeug und dem vorderen Pkw hineingedrängt. Dieses war offensichtlich nur möglich, weil der Gegenverkehr sein Fahrzeug erheblich abbremste und an den rechten Fahrbahnrand lenkte und wohl auch weil der vordere überholte Pkw entsprechend Platz machte. Immerhin hat der Berufungswerber bei der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass das Wiedereinordnen "sicher leichter möglich gewesen wäre, wenn der Abstand größer gewesen wäre".

4.3.3. Am Tatort lag insofern ungenügende Sicht im Sinne des § 16 Abs.2 lit.b StVO vor, weil bei einer vorhandenen Sichtweite von lediglich 340 Meter (wegen linkskurvigem Straßenverlauf mit Innenböschung, innenseitigem Böschungsbewuchs, anschließender Rechtskurve) diese für das (ursprünglich geplante, in verkürzter Form durchgeführte) Überholmanöver nicht ausreichte.

Zu berücksichtigen, dass - nach den Berechnungen des Sachverständigen - bereits bei einer Fahrgeschwindigkeit der Kolonne von lediglich 40 km/h ein Überholmanöver von lediglich zwei PKWs ohne Gefährdung des Gegenverkehrs nicht mehr möglich war.

Tatsächlich ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kolonne eine noch höhere Fahrgeschwindigkeit einhielt, wie dies der Gendarmeriebeamte und der Sachverständige aus eigenen Erfahrungen in diesem Straßenbereich zu berichten wussten.

Keinerlei Anhaltspunkte ergaben sich für die Behauptung des Berufungswerbers, dass die Kolonne tatsächlich nur mit 30 km/h gefahren sei, weil das vordere Fahrzeug angeblich ein Sattelkraftfahrzeug gewesen wäre, das einen Schwertransport durchführte.

Der Zeuge hatte angegeben, dass ihm ein solcher Schwertransport sicherlich aufgefallen wäre aufgrund der geringen Geschwindigkeit. Überdies wies er zutreffend daraufhin, dass in einem solchen Fall ein Begleitfahrzeug vorangefahren wäre und/oder zumindest gelb-rote Drehleuchten verwendet worden wären. Beides war jedoch nicht der Fall.

Der Berufungswerber hätte daher zu Beginn des Überholmanövers diese geringe Sichtweite in seine Überlegungen einbeziehen müssen und hätte - wenn überhaupt! - von Anfang an lediglich das Überholen eines einzigen PKWs planen dürfen. Dadurch aber, dass er zu diesem Zeitpunkt (nach eigener Aussage bei der Verhandlung) beide PKW und das Sattelkraftfahrzeug überholen wollte und dieses Vorhaben dann auch auszuführen begann und lediglich wegen des herannahenden PKWs (= des Gendarmeriefahrzeuges) abbrach, hat er die ihm angelastete Übertretung des § 16 Abs.2 lit. b StVO in objektiver Hinsicht begangen.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Im vorliegenden Fall ist es dem Berufungswerber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der angelasteten Vorschriften (die solche Ungehorsamsdelikte darstellen) kein Verschulden trifft, weshalb Verschulden zumindest in der Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist.

Dabei ist anzumerken, dass es sich hier bereits um bewusste Fahrlässigkeit handelte, da der Berufungswerber immerhin den Willensentschluss, in dieser ungünstigen Situation dennoch zu überholen, bewusst in die Tat umsetzte, zumal ein "unabsichtliches" Überholen in dieser Situation nicht möglich ist.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG (Absehen von der Strafe bzw. Ausspruch einer Ermahnung) sind nicht erfüllt, weil weder das Verschulden (= bewusste Fahrlässigkeit) des Berufungswerbers geringfügig ist noch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. In Anbetracht der besonders gefährlichen Verhältnisse, die durch das riskante Überholmanöver des Berufungswerbers ausgelöst wurden, und der damit einhergegangenen erheblichen Gefährdung der Verkehrssicherheit konnte selbst in Anbetracht der behaupteten Arbeitslosigkeit des Berufungswerbers eine Herabsetzung der verhängten Strafen aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht durchgeführt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da Geldstrafen in Höhe von dreimal 145 Euro, also insgesamt 435 Euro verhängt wurden, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 87 Euro.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Leitgeb

Beschlagwortung:

Riskantes Überholmanöver

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