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VwSen-108658/2/Br/Pe

Linz, 12.11.2002

VwSen-108658/2/Br/Pe Linz, am 12. November 2002

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau BN, vertreten durch Dres. H, U, Mag. M u. Mag. L, Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, VerkR96-16616-2002, vom 25. September 2002, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Z1 2. Fall Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 36 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden auferlegt und folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 20.5.2002 um 3.15 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der Attersee-Bundesstraße in Pichlwang gelenkt und kamen Sie bei km 1,900 auf das rechte Straßenbankett und fuhren gegen den Beginn der Leitschiene, wobei ein Leitpflock, die Leitplanke und ein Leitplankensteher beschädigt wurden. Obwohl Ihr Verhalten am Unfallort mit der Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtungen in ursächlichem Zusammenhang stand, haben Sie nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl Sie den zuständigen Straßenerhalter von der Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtungen nicht unter Bekanntgabe Ihres Namens und Ihrer Anschrift in Kenntnis gesetzt haben."

1.1 Die Behörde erster Instanz ging in der Begründung des Schuldspruches im Ergebnis davon aus, dass die Berufungswerberin zumindest mit einer Beschädigung von Sachen hätte rechnen müssen. Der "Schockverantwortung" der Berufungswerberin wurde nicht gefolgt. Ferner ging die Behörde erster Instanz von einer Meldung des Unfalles beim GP Timelkam erst am 21. Mai 2002 um 08.07 Uhr aus.

2. In der dagegen fristgerecht durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin inhaltlich Folgendes aus:

"In außen bezeichneter Rechtssache habe ich den ausgewiesenen Vertreter Dr. FH mit meiner Rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und ersuche ich, in Zukunft sämtliche Zustellungen zu seinen Handen zu tätigen.

Binnen offener Frist erhebe ich gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 25.9.2002, durch Hinterlegung zugestellt am 17.10.2002, sohin binnen offener Frist das Rechtsmittel der

Berufung

und führe diese aus wie folgt:

Der Bescheid wird seinem ganzen Inhalt nach angefochten und wird ersatzlose Aufhebung des Bescheides beantragt.

Mir wird in dem als "Straferkenntnis" betitelten Bescheid der BH Vöcklabruck vorgeworfen, ich hätte gegen § 99 Abs. 2 lit.e StVO verstoßen, indem ich es unterlassen hätte, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen.

Dieser Vorwurf kann eine Verwaltungsstrafbarkeit nach § 99 Abs.2 lit. e StVO nicht begründe, wie im Folgendem ausgeführt wird.

Inkriminiert durch diese Norm bzw. durch § 31 Abs.1 StVO wird, wenn eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt wird, die unterlassene Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder des Straßenerhalters unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub.

Weiters ist der Vorwurf nicht richtig, ich hätte den zuständigen Straßenerhalter nicht von der Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtungen unter Bekanntgabe meiner Identität und Anschrift in Kenntnis gesetzt.

Wie sich aus dem Verwaltungsverfahren eindeutig ergibt, habe ich am 20.5.2002 nicht bemerkt, dass ich mit meinem PKW eine Verkehrsleiteinrichtung beschädigt haben soll. Dadurch, dass ich von der Straße abgekommen bin und über eine ca. 8 m hohe Böschung gefahren bin, habe ich einen erheblichen Schock erlitten. Aufgrund dieses Schocks war es mir nicht möglich, Nachforschungen über eine allfällige Beschädigung öffentlicher Einrichtungen anzustellen.

Die Unfallszeit war noch dazu gegen 3 Uhr, sodass in dieser Dunkelheit ebenfalls keine Schäden wahrgenommen werden konnten, zumal die Schäden nur äußerst minimal gewesen sind, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat.

Die Einwirkung des Schocks war so stark, dass ich mit dem Taxi nach Hause gefahren bin.

Ich bin am Morgen des nächsten Tages unverzüglich zur Unfallstelle gefahren. Ich bin bei dieser Gelegenheit erstmalig auf die Beschädigung der Leitschiene und des Leitpflockes aufmerksam geworden.

Ich habe darauf hin umgehend den Gendarmerieposten Timelkam persönlich in Kenntnis der Beschädigung gesetzt (Hervorhebung von der Berufungsbehörde).

Von der Gendarmeriedienststelle Timelkam wurde ich an die Straßenmeisterei Timelkam mit der Bemerkung verwiesen, dass die Beschädigung nicht anzeigepflichtig bei der Gendarmerie sei.

Darauf hin hat sich das Versicherungsbüro H&H mit der Straßenmeisterei telefonisch und per Fax am 21.5. um 8.07 Uhr in Verbindung gesetzt und den Schaden gemeldet.

Unter Berücksichtigung, dass es sich beim 20.5.2002 um einen Feiertag, nämlich den Pfingstmontag, gehandelt hat, habe ich ohne unnötigen Aufschub den Straßenerhalter von der Beschädigung verständigt.

Schon der objektive Tatbestand des § 99 Abs. 2 lit. e StVO wurde von mir nicht erfüllt, da ich die Beschädigung erst am Morgen der 20.5.2002 wahrnehmen konnte. Unverzüglich nach dieser Wahrnehmung wurde der Straßenerhalter und die Gendarmeriedienststelle von mir benachrichtigt.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der objektive Tatbestand der Verwaltungsstrafnorm erfüllt sei, so mangelt es jedenfalls am erforderlichen Verschulden.

Wie oben bereits angeführt, konnte ich aufgrund des erlittenen Schocks und der in der Unfallzeit herrschenden Dunkelheit keinerlei Beschädigung am öffentlichen Gut erkenne.

Aus diesem Grund mangelt es am Verschulden, das die Behörde mir hätte nachweisen müssen, da es sich beim § 99 Abs. 2 lit. e nicht um ein Ungehorsamsdelikt handelt.

Darüber hinaus wurden im bekämpften Strafbescheid auch keinerlei Feststellungen zu einem Verschulden meinerseits getroffen, sodass der Bescheid aus diesem Grunde an Rechtswidrigkeit leidet.

Verwiesen wird diesbezüglich auch auf die Entscheidung VwGH vom 13.5.1978, 85/18/0067. In dieser Entscheidung stellt der VwGH klar, dass die Strafbarkeit eines tatbildmäßigen und rechtwidrigen Verhaltens nach § 99 Abs. 2 lit. e StVO ein Verschulden an der Beschädigung voraussetzt.

Die Behörde hätte feststellen müssen, dass mich ein Verschulden an der Beschädigung der Verkehrsleiteinrichtungen trifft, um zu einer Strafbarkeit nach der angezogenen Gesetzesnorm zu gelangen.

Dies wurde von der Behörde allerdings verabsäumt und wäre auch nicht möglich gewesen, da mich kein Verschulden am gegenständlichem Verkehrsunfall trifft.

Verwiesen wird weiters auf den Strafzweck der angezogenen Gesetzesbestimmung. Dieser liegt nicht darin, einen präsumtiven Täter zu bestrafen, sondern zu gewährleisten, dass im Fall einer Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung diese schnellstmöglich repariert werden kann.

Im gegenständlichem Fall wurde lediglich ein ganz minimaler Schaden an einer Leitschiene bzw. eines Leitpflockes in Höhe von € 43,09 verursacht.

Die Beschädigungen hatten keinerlei negativen Einfluss auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, sodass eine Zeitspanne wie im bisherigem Fall von wenigen Stunden keinesfalls tatbildlich im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. e sein und eine Strafbarkeit begründen kann, da keinerlei Beeinträchtigung des Verkehr erfolgt ist. Verwiesen wird diesbezüglich auf das im Akt erliegende Schreiben der Baurechtsabteilung des Landes vom 10. Juni 2002, sowie die Ausführungen MGA StVO, S. 1362, Z. 13.

1. Aus all diesen Gründen wird beantragt, den Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsverfahren einzustellen;

2. In eventu wird beantragt, den Bescheid aufzuheben und der erstinstanzlichen Behörde eine neue Entscheidung aufzutragen.

Vöcklabruck, am 28.10.2002 BN"

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche und in der Substanz unstrittige Sachverhalt.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Die Berufungswerberin geriet am 20. Mai 2002 gegen 03.15 Uhr, auf der Attersee Bundesstraße aus nicht geklärter Ursache von der Fahrbahn ab und stürzte über eine 8 m hohe Böschung. Sie blieb dabei offenbar unverletzt. Es wurde jedoch ein Leitpflock und die Leitschiene beschädigt. Die Berufungswerberin verständigte folglich ein Taxi und fuhr mit diesem nach Hause. Nach Besichtigung der Unfallstelle und Feststellung des Schadens am Morgen des 20. Mai 2002 (Pfingstmontag) verständigte sie um 11.00 Uhr den GP Timelkam von diesem Vorfall. Am nachfolgenden Tag wurde schließlich auch die Straßenmeisterei von diesem Unfall mit Sachschaden in Kenntnis gesetzt.

Dies ergibt sich einerseits aus der mit der Berufungswerberin bei der Behörde erster Instanz am 4.7.2002 aufgenommenen Niederschrift, andererseits auch aus der Stellungnahme des RevInsp. H vom 16. Juli 2002. Offenbar unterlief in dieser Stellungnahme dem Meldungsleger ein Datumsfehler, indem er festhielt, "die Berufungswerberin sei am 21.05.2002 um 11.00 Uhr am GP Timelkam erschienen. Tatsächlich erschien sie dort jedoch bereits am 20.05.2002, wie dies aus einem Aktenvermerk vom 24. Juli 2002 unter Hinweis auf ein Gespräch mit dem Verfasser des Berichtes und auch aus der niederschriftlichen Verantwortung der Berufungswerberin am 4.7.2002 vor der Behörde erster Instanz hervorgeht.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die Behörde erster Instanz offenbar von der fehlerhaften Datumsangabe lt. Stellungnahme des RevInsp. H aus, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass die Meldung daher "zweifelsfrei verspätet" erfolgt wäre.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Die Bekanntgabe der Identität dient u.a. der Regelung des Schadenersatzes. Ein "Leitschiene und Leitpflock" sind im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung als eine "Verkehrsleiteinrichtung" anzusehen (VwGH 28.9.1988, Zl. 88/02/0133). Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e kommt somit iVm § 31 Abs.1 StVO 1960 gegenüber § 99 Abs.3 lit.b iVm § 4 Abs.5 StVO als lex spezialis zur Anwendung.

Es steht hier fest, dass sich die Berufungswerberin bereits wenige Stunden nach dem sich in der Nachtzeit ereigneten Vorfall, über Art und Umfang des Schadens vor Ort ein Bild machte und diesen Umstand schließlich noch am Vormittag des Pfingstmontag bei der Gendarmerie offenbar meldete. Somit kann hier ein Verstoß gegen die gesetzliche Intention nicht erblickt werden. Anderes wäre es jedoch zu beurteilen, wenn tatsächlich erst am 21.05.2002 diese Mitteilung an die Gendarmerie gemacht worden wäre. Davon ging die Behörde erster Instanz hier in aktenwidriger Weise aus.

Es kommt in diesem Zusammenhang nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292).

Der Meldepflicht wird entsprochen, wenn mit der Verständigung der Polizei- oder Gendarmeriebeamten oder auch des Straßenerhalters (wobei eine Verständigung einer Straßenmeisterei am Pfingstmontag in der Praxis nicht möglich gewesen sein dürfte) die Basis für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten geschaffen wird.

Diese Voraussetzungen werden durch eine Meldung unter Angabe der Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten), die genauen Angaben über Unfallort, Unfallzeit, des beschädigenden sowie beschädigten Objektes und der Unfallursache geschaffen. Das Schutzziel dieser Bestimmung liegt in der möglichst raschen Verständigung der in Betracht kommenden Stellen zur Abwendung von Gefahren, die mit der Zerstörung von Verkehrsleiteinrichtungen verbunden sind und weniger das Strafbedürfnis (vgl.Messinger, StVO-Kommentar, 9. Auflage, S 1288 Rz 13). Hier ist nicht erkennbar, dass mit der Meldung des Vorfalls um 11.00 Uhr des Vorfallstages öffentliche Interessen nachteilig berührt worden wären.

Auf das weitere Berufungsvorbringen ist im Lichte dieser Beurteilungsgrundlage nicht mehr einzugehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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