Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108753/10/Bi/Gam

Linz, 17.07.2003

 

 VwSen-108753/10/Bi/Gam Linz, am 17. Juli 2003

DVR.0690392

 
 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau W, vertreten durch RA B, vom 18. Dezember 2002 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Dezember 2002, VerkR96-12297-2002/Hu, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 17. Juli 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:
 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches und des Ausspruches über die Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 370 Euro herabgesetzt wird.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 37 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG,

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 508 Euro (7 Tagen EFS) verhängt, weil sie am 18. März 2002 um 20.10 Uhr im Gemeindegebiet Ansfelden auf der A1 Westautobahn bei Strkm 170.000 in Fahrtrichtung Wien das Kfz, pol Kz (D) entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 100 km/h" mit einer Geschwindigkeit von 177 km/h gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 50,80 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 17. Juli 2003 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Beschuldigtenvertreterin RA Mag. H durchgeführt, die auch die Zustellung der Berufungsentscheidung zu ihren Handen begehrt hat. Die Vertreterin der Erstinstanz ist entschuldigt nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde öffentlich mündlich verkündet.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, nicht sie selbst habe den auf sie zugelassenen Pkw laut Tatvorwurf gelenkt, sondern sie habe diesen Herrn M überlassen, den sie während seines Aufenthaltes in Ulm in einer Diskothek kennengelernt habe. Er habe angegeben, im Urlaub bei Freunden zu verweilen, und es habe sich eine kurze Affäre ergeben. In dieser Zeit habe Herr M ihr Auto zweimal für Ausflüge nach Österreich ausgeliehen, wobei ihr jedoch der genaue Zweck dieser Reisen nicht bekannt gewesen sei. Sie wisse auch die genaue Adresse und das Geburtsdatum des Herrn nicht, nur dass er aus Kragujevac, Republik Jugoslawien, sei. Nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Sie selbst sei nicht die Fahrerin des Wagens gewesen, sodass die Strafe unrechtmäßig sei.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die rechtsfreundliche Vertreterin der Bw gehört, die vorgelegte Erklärung der Bw sowie das bisherige Parteienvorbringen erörtert wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Von der Bw unbestritten ist zugrunde zu legen, dass der Pkw, zugelassen auf die Bw, am 18. März 2002 um 20.10 Uhr auf der A1 Westautobahn bei km 170.000, Fahrtrichtung Wien, in der dortigen 100 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung mit einer Geschwindigkeit von 187 km/h mittels Radar MUVR 6FA Nr.1401 gemessen wurde. Nach Abzug der vorgesehenen Toleranzen ergab sich eine Geschwindigkeit von 177 km/h.

Die Bw begehrte und erhielt zwar Akteneinsicht, indem ihrem Rechtsvertreter der Akt in Kopie übermittelt wurde, gab aber trotz Aufforderung zur Rechtfertigung keine Stellungnahme zum Tatvorwurf ab, sodass seitens der Erstinstanz das angefochtene Straferkenntnis erging. Erst in der Berufung wurde die Lenkereigenschaft des Herrn M behauptet, dies jedoch bei nochmaliger Nachfrage und Beweisurgenz nicht wesentlich und vor allem unüberprüfbar konkretisiert.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde eine schriftliche Erklärung der Bw vorgelegt, in der diese darlegt, sie habe den angegebenen Lenker in einer Diskothek in Ulm kennengelernt und mit ihm eine kurze Affäre gehabt. Er habe ihr erzählt, er sei aus Kragujevac, Republik Jugoslawien, und bei Freunden zu Besuch. Sie wisse weder seine genaue Adresse noch sein Geburtsdatum und habe auch nach seiner Rückkehr keinen Kontakt mehr zu ihm. Sie habe ihm damals für zwei Ausflüge nach Österreich ihren Pkw geborgt; er habe ihr allerdings nicht gesagt, dass er damit eventuell eine Verwaltungsübertretung begangen habe.

Dieses Vorbringen deckt sich mit dem bisherigen schriftlichen Parteienvorbringen.

 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 52a Z10a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zeigt das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Die Bw hat die Geschwindigkeitsüberschreitung hinsichtlich Ausmaß, technischen Mitteln ihrer Feststellung und rechtlicher Grundlage für die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nie bestritten, sondern lediglich eine andere Person als Lenker genannt und damit den gegen sie gerichteten Tatvorwurf als unrechtmäßig behauptet.

 

Zur Glaubwürdigkeit ihrer erstmals im Rechtsmittel dargelegten Lenkerbehauptung ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates zu sagen, dass es höchst zweifelhaft erscheint, dass jemand seinen privaten BMW einer im Grunde unbekannten Person für einen "Ausflug" in einen anderen Staat überlässt, wobei er von dieser Person nichts weiß außer dem angeblichen Wohnort in einem dritten Staat. Die Bw hat nie behauptet, sie habe sich den Führerschein oder sonstige Dokumente dieses Mannes zeigen lassen; sie weiß auch keine Daten außer dem genannten Wohnort. Sie hat vielmehr eine "Personenbeschreibung" geliefert, die vermutlich auf Hunderte zutrifft, war aber nicht in der Lage, die tatsächliche Anwesenheit dieses angeblichen Lenkers in Deutschland auch nur ansatzweise glaubhaft zu machen - wenn sie ihn in einer namentlich genannten Disko kennengelernt hat, hätten ihn ja auch Personen ("Freunde") sehen müssen, die diesbezüglich Angaben machen hätten können. Auch solche vermochte die Bw nicht zu nennen. Der angebliche Lenker, zu dem die Bw nun keinen Kontakt mehr hat, ist damit nicht erreichbar und die - nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates der allgemeinen Lebenserfahrung und logischen Überlegungen widersprechenden und damit gänzlich unglaubwürdigen - Angaben der Bw damit weder nachprüfbar noch nachvollziehbar.

Gegen die Version der Bw spricht auch, dass ihr erstmals im Rechtsmittel, offenbar angesichts der Strafhöhe, die Kreation einer möglichen Verantwortung überhaupt erst erforderlich erschien. Eine "kurze Affäre" allein ist als Erklärung für das angebliche Verborgen eines BMW für eine Fahrt ins Ausland unter den oben angeführten Umständen nicht akzeptabel (vgl VwGH [verst. Senat] v 4. Juni 1991, 90/18/0091, v 15. Dezember 2000, 99/02/0290, uva) - dass die Bw den angeblichen Lenker eventuell auf seinem Ausflug begleitet hätte, wurde nicht behauptet. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Zulassungsbesitzer sein Kraftfahrzeug nur Personen überlässt, die er näher kennt - wovon im gegenständlichen Fall wohl nicht die Rede sein kann.

 

Aus all diesen Überlegungen war davon auszugehen, dass die Bw selbst den auf sie zugelassenen Pkw laut Tatvorwurf gelenkt, somit den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsfeststellung mit technischen Mitteln keine Zweifel bestehen und diesbezüglich auch nichts eingewendet wurde.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe bzw. im Nichteinbringungsfall bis zu 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

 

Die Erstinstanz hat zutreffend berücksichtigt, dass die Bw verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist, was als Milderungsgrund zu werten war. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung wurde als straferschwerend gewertet, was allerdings gegen das Doppelverwertungsverbot insofern verstößt, als die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit bereits Tatbestandsmerkmal ist und damit den Unrechtsgehalt der Übertretung erhöht. Zu betonen ist allerdings, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung um immerhin 77 km/h auf eine eklatante Gleichgültigkeit gegenüber Geschwindigkeitsbestimmungen hinweist, zumal hier nicht nur die (wegen der zahlreichen Autobahnein- und -ausfahrten im Bereich Ansfelden der A1) örtlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit missachtet wurde, sondern die Bw sich auch über die in Österreich generell auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h massiv hinweggesetzt hat. Eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung hätte bei österreichischen Lenkern eine Entziehung der Lenkberechtigung für zwei Wochen zur Folge.

Die der Strafbemessung zugrundeliegende Einkommensschätzung (ca. 800 Euro monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflicht) wurde ebenfalls nicht bestritten und war daher der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 24.9.1997, 97/03/0128, ua) war jedoch die Geldstrafe herabzusetzen, weil auch bei einer eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung bei verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit und fehlendem Hinweis auf eine Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer durch das Verhalten der Bw bei durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen die Ausschöpfung des gesetzlichen Strafrahmens zu zwei Drittel - im gegenständlichen Fall waren es annähernd drei Viertel - auch unter spezialpräventiven Überlegungen nicht gerechtfertigt wäre.

Dass aber bei Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ausmaß von mehr als drei Viertel der erlaubten Höchstgeschwindigkeit die Verkehrssicherheit ganz erheblich reduziert wird, bedarf keiner näheren Erläuterung und muss jedem Laien einsichtig sein. Solche Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen auch eine häufige Ursache schwerster Verkehrsunfälle dar. Abgesehen davon ist für den Lenker eines Pkw, der die eingehaltene Geschwindigkeit auf dem Tachometer abzulesen und einen Zusammenhang zwischen der Tachometeranzeige und dem Durchdrücken des Gaspedals herzustellen in der Lage sein müsste, eine derartige Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit leicht feststellbar, sodass nicht mehr von Fahrlässigkeit, sondern bereits von dolus eventualis auszugehen ist.

 

Die nunmehr festgesetzte Geldstrafe entspricht dem nicht geringen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den finanziellen Verhältnissen der Bw. Sie hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll die Bw zur genauesten Beachtung der Geschwindigkeitsbeschränkungen in Österreich anhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist unter diesem Gesichtspunkt angemessen, sodass deren Herabsetzung nicht gerechtfertigt war.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

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