Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108791/21/Br/Wü

Linz, 15.12.2004

 

 

 

 
VwSen-108791/21/Br/Wü
Linz, am 15. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R P, T S, vertreten durch a. U. P. D. M W, Verteidiger in Strafsachen, Z S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, Zl. S S 6665/St/02, vom 23. Dezember 2002, wegen einer Übertretung nach § 52a Z11a StVO 1960, zu Recht:

 

 

I. Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge gegeben, im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe, dass die Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage ermäßigt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf
10 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 290 Euro und für den im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen verhängt, wobei ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 10.03.2002 um 00.21 Uhr im Gemeindegebiet von 4470 Enns, Bezirk Linz-Land, auf der Rheinstraße (Gemeindestraße) im Industriehafengelände, aus Richtung Westen kommend in Richtung Firmengelände der Primagaz GesmbH, Donaustraße 1, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen die durch Vorschriftszeichen (Zonenzeichen) kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 129 km/h betragen habe, wobei die Überschreitung mittels geeichtem Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät festgestellt wurde. Die gesetzlich vorgeschriebenen 3 % Abzug von der gemessenen Geschwindigkeit sei dabei berücksichtigt worden.

 

2. Die Behörde erster Instanz begründete die Entscheidung wie folgt:

"Der Lenker des KFZ mit dem pol. Kennzeichen wurde angezeigt, weil er am 10.03.2002 um 00.21 Uhr in Enns, auf der Rheinstraße im Industriehafengelände, aus Richtung Westen kommend in Richtung Firmengelände der Primagaz GmbH, Donaustr. 1 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritt, weil die Fahrgeschwindigkeit 129 km/h betrug. Die Übertretung wurde von Beamten der Verkehrsabteilung des LGK für und des Gendarmerieposten Enns wahrgenommen. Die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte mittels Messung mit geeichtem Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät der Marke LTI. Die gesetzlich vorgeschriebene Messtoleranz (3% Abzug von der Geschwindigkeit) wurden berücksichtigt.

 

Sie wurden mittels Ladungsbescheides der BPD Steyr zum hiesigen Amt geladen, um sich rechtfertigen und die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweise beibringen zu können.

 

In Ihrer schriftlichen Rechtfertigung , vertreten durch D. M W, gaben Sie an, das es richtig ist, dass Sie zum angeführten Zeitpunkt in der Rheinstraße, Enns, Bez. Linz-Land den angeführten PKW lenkten. Da es sich um ein weiträumiges Industriegelände mit zum Teil stillgelegten Betrieben ohne Wohnbau handelt, hätten Sie angenommen, die 50km/h Zone schon längst verlassen zu haben.

Weiters wäre die 50 km/h-Zonen-Verordnung unsachlich und gesetzwidrig. Sie ersuchten weiters um Bekanntgabe des Mess-Systems, der Vorlage des Eichblattes des gegenständlichen Gerätes und zeugenschaftliche Einvernahme der kontrollierenden Beamten.

Eine Vertretungsvollmacht wurde mit gleichem Schreiben vorgelegt.

 

Im Rechtshilfeweg wurden von der BH Linz-Land die zeugenschaftliche Einvernahme des Anzeigers und des Messbeamten veranlaßt. Diese hielten die in der Anzeige gemachten Angaben vollinhaltlich aufrecht. Die Messung wurde mit geeichten Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerät LTI-Type 20/20 TS/KM-E, durchgeführt. Die Benützungsvorschriften wurden genauestens eingehalten.

 

Die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h galt gemäß Verordnung des Stadtamtes Enns, Zi. 120-2-755/2001-Mau-Ha als Zonenbeschränkung für den gesamten Wirtschaftspark - Hafengelände Enns. Die 50 km/h Zonenbeschränkung beginnt in der Industriehafenstraße beim Ortsende Enns und endet in der lndustriehafenstraße bei der Ortstafel Enns. Die Zone des Wirtschaftsparkes besteht weiters aus folgenden Verkehrsflächen: Ennshafenstraße, Donaustraße, Mainstraße, Rheinstraße und Regensburger Straße. Weiters sind im gegenständlichen Areal noch umbenannte Verbindungsstraßen vorhanden.

 

Die Kundmachung erfolgt gem. § 44 StVO 1960 idgf durch die Anbringung der Verkehrszeichen nach § 52 lit. a Ziff. 11 a und 11 b StVO 1960 idgf und tritt mit deren Aufstellung in Kraft. Die Aufstellung bzw. Anbringung der Verkehrszeichen erfolgte am 8.9.2001 um 15.00 Uhr.

 

Das Ermittlungsergebnis wurde Ihnen mit der neuerlichen Aufforderung zur Rechtfertigung, zugestellt mit Rsa-Brief durch Hinterlegung am 26.11.2002 zur Kenntnis gebracht.

 

In Ihrer Stellungnahme wurde die Messtoleranz von 3 % gerügt, und verwiesen Sie hier auf die deutsche Judikatur zum Lasermesssystem LTI 20.20, weiters wäre Ihr Verteidiger nicht von der zeugenschaftlichen Einvernahme der Meldungsleger verständigt worden, sodass dieser nicht sein Fragerecht ausüben konnte und bezweifelten neuerlich die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Verordnung.

 

Die Behörde hat aufgrund des durchgeführten Ermittlungsergebnises wie folgt erwogen:

Der Sachverhalt ist durch die Angaben des Meldungslegers über seine eigene dienstliche Wahrnehmung als erwiesen anzusehen. Es bestand kein Anlaß, seine Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal einem besonders geschulten und im Verkehrsüberwachungsdienst eingesetzten Organ der Straßenaufsicht zugestanden werden muss, eine Verkehrssituation richtig einzuschätzen und nur das tatsächliche Geschehen in der Anzeige zu formulieren und diesem aufgrund seiner Schulung die vorschriftsmäßige Durchführung der Lasermessung zuzumuten ist. Die Angaben der als Zeugen vernommenen Beamten sind in sich ohne Widerspruch und geben den Ablauf des Geschehens glaubhaft wieder.

Gemäß der ständigen Rechtssprechung des VwGH ist ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser der angeführten Bauart grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehalten Geschwindigkeit. Beim Messgerät handelte es sich um ein geeichtes und gemäß den Bestimmungen in regelmäßigen Abständen überprüftes Messgerät.

 

Zur Rechtsfrage ist zu sagen, dass gem. § 52 a Ziff. 11 a StVO 1960 der Lenker eines Fahrzeuges verpflichtet ist, eine mit dem VZ nach § 52 lit. a Ziff. 11 a StVO 1960 angezeigte Geschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, nicht zu überschreiten.

 

Ein Zuwiderhandeln gegen die o.a. Verwaltungsvorschriften stellt eine Verwaltungsübertretung dar und ist gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 mit einer Geldstrafe bis zu € 726,--, im Nichteinbringungsfall mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen. Da Sie die durch das Vorschriftszeichen gem. § 52 lit. a Ziff. 11 a StVO 1960 kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 79 km/h überschritten haben, war der Tatbestand verwirklicht.

 

Mildernde Umstände wurden nicht bekannt. Erschwerend wurde die eklatante Überschreitung gewertet, weshalb der Unrechtsgehalt der Übertretung als schwer anzusehen ist.

 

Auf Ihre Einkommens, Familien- und Vermögensverhältnisse konnte bei der Strafbemessung nicht eingegangen werden, da Sie uns diese nicht bekanntgegeben haben. Es wurde daher bei der Strafbemessung von einem zumindest durchschnittlichen monatlichen Einkommen von ca. 1.200,-- Euro ausgegangen, weiters, dass Sie kein für die Strafbemessung relevantes Vermögen besitzen und keinen Sorgepflichten nachzukommen haben.

 

Die verhängte Geldstrafe ist somit schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt der Tat sowie Ihren Einkommens- und Familienverhältnissen angepaßt und erscheint der Behörde geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung einer derartigen Übertretung abzuhalten."

2.1.1. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und führt darin aus:

"Gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 23.12.2002, S 6665/St/02, meinem Rechtsvertreter zugestellt durch Hinterlegung am 2.1.2003, erhebe ich in offener Frist

 

Berufung

 

an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, fechte dieses Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge Anwendung einer rechtswidrigen Verordnung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens an und führe dazu aus:

 

Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

 

1) wegen Anwendung einer rechtswidrigen VO:

 

Ich wurde wegen Übertretung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Enns vom 27.9.2001 (50 km/h Zonenbeschränkung für den Wirtschaftspark Ennshafen) bestraft. Diese Verordnung ist aus mehreren Gründen rechstwidrig:

 

a) § 2 der bekämpften Verordnung lautet: "Die derzeitige, in der Industriehafenstraße verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h VerkR-1 10305/289-1990/Rö vom 30.4.1990, wurde mit Verordnung vom 12. Juli 2001, VerkR 10-5-289-1995/2001 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land aufgehoben."

 

Die hinsichtlich der Zuständigkeit der die VO erlassenden Behörden bestehende Merkwürdigkeit, daß eine 50 km/h Verordnung des Gemeindesrates Enns von der BH Linz-Land (sie!) aufgehoben und durch eine neuerliche 50km/h, nunmehr Zonen VO des Gemeinderates Enns ersetzt wurde, erweckt zunächst den Eindruck, daß die ortspolizeiliche VO in den Zuständigkeitsbereich Linz-Land eingreift (- und schon deshalb rechtswidrig ist). Der mit der bekämpften VO befaßte Bearbeiter, Herr KontrInsp M, hat meinem Rechtsfreund (Telephonat vom 13.1.2003) die Genesis so geschildert: Mit der VO vom  

30.4.1990 war nur eine "einfache" 50 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet. Da man diese durch eine "Zonen VO" ersetzen wollte, wurde die alte VO aufgehoben. Auf den Einwand meines Rechtsvertreters, daß dies nicht erkläre, wieso die BH Linz-Land eine VO des Gemeinderates Enns aufhebt und ob denn vielleicht Teile des von der VO umschlossenen Gebietes in die Zuständigkeit der BH Linz-Land hineinreichte, hat Herr Kontrlnsp M dies verneint und erklärt, daß für alle Straßenzüge (der VO vom 27.9.200 1) die Stadt Enns örtlich zuständig ist. Auf den weiteren Einwurf, daß dann ja die Stadt Enns die VO aufheben hätte müssen (und die BH Linz-Land mithin für die Aufhebung gar nicht zuständig war), hat Herr M gesagt: "Ja, das ist eigentlich richtig".

 

Lag also eine Unzuständigkeit zur Verordnungsaufhebung der BH Linz-Land vor, so hat dies zur Konsequenz, daß die VO VerkR-1 10305/289-1990 vom 30.4.1990 nicht von einer aufhebenden Wirkung der VO VerkR 10-5-289-1995/2001 betroffen sein konnte, sodaß die VO vom 30.4.1990 in Wahrheit noch in Kraft steht. Damit trifft aber die gegenständliche (bekämpfte) VO vom 27.9.2001 auf eine noch in Kraft stehende VO, sodaß sie keine Wirksamkeit entfalten konnte. (- Daß die VO vom 27.9.2001 bereits per se der konkurrierenden VO vom 30.4.1990 derogierte, ist - sollte man solches überhaupt f'ür möglich halten hier nicht denkbar, weil die VO vom 27.9.2001 ja nur nach Außerkrafttreten der"alten" VO in Geltung gesetzt werden sollte). Nach der"alten" VO vom 30.4.1990 hätte ich aber nicht bestraft werden können, weil diese nicht für das "Zonengebiet" galt, in dem die Rheinstraße liegt.

Ich bitte daher den hohen Senat, der Schönheit des Rechtsstaates Raum zu geben und das Verfahren zur Anfechtung der VO vom 27.9.2001 (Art 129 a Abs. 3 B-VG, Art 89 B-VG) zu unterbrechen.

 

b) Die VO vom 27.9.2001 ist unsachlich.

Das von der ZonenVO umschlossene Gebiet besteht aus weiträumigen, völlig verlassenen Flächen, die zum Teil zu aufgelassenen Betrieben gehören und vermutl. einige Quadratkilometer umspannt. Der äußere Eindruck ist der einer "Einöde". Die Rheinstraße selbst ist eine schnurgerade breite Straße im ebenen Gelände mit mindestens einen Kilometer Sicht. Sie ist umgeben von weiten Grasflächen. Weit und breit gibt es keine Bebauung und keinen Verkehr (bzw eine Verkehrsfrequenz von der Häufigkeit eines sich vielleicht dorthin verirrenden Fahrzeuglenkers). Wieso aufgrund der äußeren Merkmale dort überhaupt
50 km/h verordnet sein kann, erschließt sich keinem einigermaßen vernünftig denkendem Menschen. Welche Art einer Gefährdung dort bestehen soll, sodaß eine 50 km/h VO gerechtfertigt sein könnte, ist schlicht unerfindlich (allenfalls Jagdschutzgründe?). Es geht auch aus dem zur VO vom 27.9.2001 hinführenden Aktengeschehen keine Stellungnahme eines Verkehrssachverständigen hervor, die eine 50 km/h VO begründen würde.

 

Fehlt bereits jede Spur einer Begründung im Tatsächlichen, so macht darüber hinaus aber vor allem der Wechsel der Charakteristik der äußeren Merkmale die VO unsachlich. Am Ort der Kundmachung der 50 km/h Zone (eine auffällig klein gewählte Beschilderung am Ortsende Enns) besteht noch Wohnbebauung. Diese Charakteristik ändert sich nach etwa 20 m schlagartig, indem das Gelände in das beschriebene weitläufige Gebiet von völlig anderer Charakteristik übergeht. Die sachliche Rechtfertigung am Ort der Kundmachung kann also nicht dieselbe sein wie in der Rheinstraße. Die Gravität dieses Fehlers führt zu einem verfassungswidrigen (gleichheitswidrigen) Inhalt der VO vom 27. 9. 2001.

 

Da es sich geradezu um einen (sonst nur konstruierbaren) Lehrbuchfall einer unsachlichen VO handelt, rege ich auch aus diesem Grund die Verordnungsprüfung an.

 

2) Tatbildirrtum

 

Wie ich in meiner Stellungnahme vom 18.9.2002 bereits vorgebracht habe, hatte ich aufgrund der äußeren Merkmale der Rheinstraße den Eindruck, die 50 km/h Zone schon längst verlassen zu haben. Ich mußte diesen Eindruck auch haben, weil es völlig ausgeschlossen ist, daß auf einer geraden, breiten Straße mit einer Sicht von mehr als 1000 in 50 km/h verordnet sind. Es kann mir daher kein Vorwurf gemacht werden, die 50 km/h Zone, mit der ich auch objektiv nicht mehr rechnen mußte, nicht beachtet zu haben (vgl Bouska, DAR 1989, 441 f ; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, StVO § 41 Rz 248). Begründet ist der Vorwurf einer überhöhten Geschwindigkeit (insofern habe ich dies auch nie in Zweifel gezogen) nur insoweit, als ich 100 km/h überschritten habe.

 

3) Begründungsmangel hinsichtlich der Messtoleranz

 

Ich rüge, daß eine Messtoleranz von nur 3% zugebilligt wurde. Ich habe in meiner Stellungnahme vom 10.12.2002 darauf hingewiesen, daß für das Lasermesssystem LTI 20.20 ein Toleranzabzug von jedenfalls 5% zuzubilligen ist. Ich habe der bel. Behörde auch die (freilich deutsche) Judikatur zu diesem "nicht unproblematischen Messverfahren" vorgelegt (RSpr mithin im Akt), das "besondere Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen" (Janker, Straßenverkehrsdelikte (Köln 2002) 106 Rz 294) verlangt. Es ist der bel. Behörde verwehrt, sich mit Stillschweigen über ein (relevantes) Vorbringen hinwegzusetzen (erwarten werden kann immerhin eine Wendung wie etwa "dem angestrebten Toleranzabzug von 5% war nicht zu folgen, weil..."). Aus welchen Erwägungen eine Messtoleranz von 3 % zugrundezulegen war (das Erkenntnis spricht vom "gesetzlich vorgeschriebenen Abzug" - für das Messsystem LTI 20.20 ?), ist mir nicht nachvollziehbar.

 

Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

 

a) Ich habe in meiner Rechtfertigung vom 18.9.2002 beantragt, zur Feststellung des Meßpunktes und der Lage, von der aus gemessen wurde, die Meldungsleger einzuvernehmen. Ich habe auch beantragt, meinen Rechtsvertreter von deren zeugenschaftlichen Einvernahme zu verständigen, damit dieser das Fragerecht ausüben kann. Dies ist trotz meiner Rüge vom 10.12.2002 unter Wiederholung des gestellten Antrages nicht geschehen. Ich habe bereits in meiner Rüge darauf hingewiesen, daß die Beweisaufnahme kontradiktorisch zu erfolgen hat (VfGH 8.6.1999, B 2966/97). Dies war in der vorliegenden Sache um so dringlicher, als mehrere Fahrzeuge an diesem Vorfall beteiligt waren und die Geschwindigkeit mehrerer Fahrzeuge gemessen wurden. Durch die Ausübung meines Fragerechtes wäre hervorgekommen, daß jedenfalls die vorgeworfene Messung sich nicht zwingend auf mein Fahrzeug beziehen läßt.

Wenn sich die bel. Behörde mit (unbrauchbaren) Aussagen wie "Die Angaben in der Anzeige entsprechen den Tatsachen" oder "Die Benützungsvorschriften wurden genauestens eingehalten" etc begnügt, so verkennt sie, daß Zeugen Wahrnehmungen zu Tatsachen zu bekunden haben (und nicht irgendwelche Bekundungen, deren Grundlage erst zu erforschen ist).

 

b) Ich habe die Beischaffung des Verordnungsaktes und Abhaltung eines Ortsaugenscheins unter Beiziehung eines Verkehrssachverständigen zur Darstellung der Unsachlichkeit der bekämpften Verordnung beantragt. Ich habe insbesondere folgende Feststellungen beantragt:

1) Entfernung der Rheinstraße vom Ort der Kundmachung der 50 km/h-Zone.

2) Die Feststellung der Größe des von der Zonenverordnung umschlossenen Gebietes.

3) Die Feststellung der äußeren Merkmale in der Rheinstraße (verlassene Gegend, schnurgerade Straße, kein Fußgängerverkehr, kein Verkehrsaufkommen, keine Straßenanrainer bzw. überhaupt weit und breit keine Bebauung, sodaß nicht einmal eine Lärmimmission denkbar ist), die Feststellung der Fahrbahnbreite und der Sichtverhältnisse.

4) Die Feststellung der äußeren Merkmale im Bereich der Verordnungskundmachung (dort bestehende Fahrbahnverengungen, Bebauung).

5) Die Feststellung, daß nur an einer einzigen Stelle die Verordnung kundgemacht ist und nicht angeführt ist, welche Straßenzüge der Verordnung unterliegen.

 

Ich verkenne nicht, daß der bel. Behörde eine VO-Prüfung entrückt ist. Sie hat aber (wenn dies beantragt ist) die Tatsachen festzustellen, die eine Überprüfung der VO (im Wege der Anfechtung durch den dazu ermächtigten Senat) erlauben. Ich wiederhole daher die unter b) gestellten Anträge nun auch im Verfahren vor dem erkennenden Senat.

 

Ich stelle sohin den

 

A n t r a g

Das angefochtene Straferkenntnis - nach angeregter VO-Prüfung - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (hilfsweise wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens) aufzuheben.

Linz, 14. 1. 03 R P

 

 

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier ungeachtet der unter 500 Euro liegenden Geldstrafe in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des von der Bundespolizeidirektion Steyr vorgelegten Verwaltungsstrafaktes. Beigeschafft wurden die Materialien zum Verordnungsakt des Bürgermeisters der Stadt Enns vom 28.9.2001, Zl. 120-2-755/2001-Mau-Ha und deren Kenntnisnahme durch die Oö. Landesregierung - Abteilung Verkehr, vom 17.10.2001, AZ: VerkR-120.016/81-2001-Au/Eis. Ferner wurde hinsichtlich des hier verfahrensgegenständlichen Areals ein Luftbild aus dem System Doris ausgedruckt, woraus sich die räumliche Ausdehnung und Strukturiertheit des Areals nachvollziehen lässt. (Letzteres langte vom Verfassungsgerichtshof nichts zurück). Vom Berufungswerber wurde einschlägiges Bildmaterial über den fraglichen Straßenverlauf vorgelegt. Im Wege des Stadtamtes Enns wurden Fotos über die Kundmachung der fraglichen Verordnung beigeschafft. Im Rahmen der Berufungsverhandlung am 25.2.2003 wurde der Berufungswerber als Verfahrenspartei die an der Amtshandlung beteiligten Gendarmeriebeamten als Zeugen gehört. Erörtert wurde auch das Einsatzprotokoll und der Eichschein betreffend das hier verwendete Messgerät, sowie das oben angeführte Bildmaterial.

Es wurden sodann der Beschluss auf Aussetzung des Verfahrens und Stellung eines Antrages auf Prüfung der verfahrensgegenständlichen Verordnung an den Verfassungsgerichtshof gestellt.

Nach Einlangen der antragsspezifischen Entscheidung wurden ergänzend noch Vormerkungen eingeholt und dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers im Wege einer telefonischen Mitteilung dieser Fakten Parteiengehör gewährt. Letzterer verzichtete auf eine diesbezüglich schriftliche Mitteilung und verwies im Ergebnis auf eine der Tatschuld angemessene Sacherledigung. (siehe AV v. 15.12.04, Subzahl 20).

 

4.1. Mit dem Erkenntnis vom 4. Oktober 2004, V 54/03-8 hat der Verfassungsgerichtshof den h. Antrag abgewiesen und die bezughabende Verordnung "50 km/h-Beschränkung" als rechtmäßig erkannt. Die Kundmachung scheint Beweisergebnis gesetztes Konform.

Als im Ergebnis unstrittig und im Lichte des Ergebnisses der Berufungsverhandlung nicht mehr weiter erörterungsbedürftig ist die dem Verfahren grundgelegte Geschwindigkeitsüberschreitung. Ebenfalls können nunmehr die sich überwiegend auf die Rechtmäßigkeit der Verordnung beziehenden und umfassenden Berufungsausführungen auf sich bewenden. Jedenfalls ergeben sich für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte an der hier vorliegenden Messung bzw. dem um den Verkehrsfehler berichtigten Ergebnis Zweifel zu hegen.

Der Messeinsatz erfolgte lt. Meldungsleger über einen Hinweis, dass sich mehrere Jungendliche im Hafengelände während der Nachtzeit für "Rennfahrten" verabredet hätten. Aus diesem Grund wurde dieser Messeinsatz zur Nachtzeit durchgeführt.

Die Messung mittels dem geeichten Gerät LTI, Type 20/20 TS/KM-Behörde erster Instanz Nr. 4421 hat laut Anzeige und zeugenschaftlicher Angabe des Meldungsleger im Rahmen der Berufungsverhandlung einen angezeigten Wert von 134 km/h ergeben.

Es ist jedoch evident, dass der Straßenzug völlig geradlinig verläuft und daher mit dieser die erlaubte Höchst-geschwindigkeit weit überschreitenden Fahrten die nachteiligen Tatfolgen dennoch hinter dem Ausmaß als typischer Weise mit derartigen Handlungen einhergehen beträchtlich zurückbleiben. Dies vor allem mit Blick auf das zur Gänze fehlende Verkehrsaufkommen und der absoluten Übersichtlichkeit der sich auf zumindest 800 m geradlinig und überschaubar gestaltenden Wegstrecke (siehe Foto). Diese Fahrt war auch von der Absicht getragen sich nur auf diese Strecke zu beschränken und dabei jedoch die zu erreichende Geschwindigkeit im Vergleich zu einem anderen Fahrzeug festzustellen. Ein Fehlen von verkehrsspezifischen Gefährdungsaspekte in Verbindung mit dieser Fahrt wurde letztlich auch vom Meldungsleger eingeräumt.

 

5. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

5.1. Es trifft wohl zu und damit kann grundsätzlich den erstbehördlichen Ausführungen gefolgt werden, dass mit dem Schnellfahren in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einhergeht. Daher muss derartigen Übertretungen im Regelfall durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden. Aus dieser allgemeinen und in den überwiegenden Fällen zutreffenden Betrachtung wäre die hier von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe für den Durchschnittsfall durchaus gerechtfertigt gewesen.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch davon auszugehen, dass - wie oben bereits dargelegt - der im Tatbestand vertypte [geschwindigkeitsabhängige] Unrechtsgehalt mangels anderer Fahrzeuge in Verbindung mit der Beschaffenheit des Areals empirisch besehen hinter dem für derartige Übertretungshandlungen typischen Ausmaß zurückblieb. Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muss bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches (immer) gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).

 

5.1.1. Als weiterer Aspekt für die Reduzierung der Geldstrafe kommt hier die nicht dem Berufungswerber zuzurechnende Verfahrensdauer zum Tragen.

Diesbezüglich ist auf die der Judikatur des EGMR angelehnte Rechtsprechung zu verweisen. Demnach indiziert eine "unangemessen" - hier auf den Fall bezogen als überdurchschnittlich zu erachten - lange Verfahrensdauer einen geringeren Verschuldensgrad iSd § 34 Abs.2 StGB (Hinweis auf die EB zur RV zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP; zum Zeitfaktor ausführlich in ZVR Okt. 2002, S 339, mit Hinweis auf VfGH 5.12.2001, B 4/01 und dort des EGMR 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; 29.5.1986, Deumeland, EuGRZ 1988, 20; 29.3.1989, Bock, A/150; 24.10.1989, H gg. Frankreich, EuGRZ 1987, 301). Schließlich spricht auch der Präventionsgedanke, der eine möglichst einem Fehlverhalten rasch folgende Sanktionierung intendiert, für einen reduzierten Strafbedarf, wenngleich das ziffernmäßige Ausmaß der Fahrgeschwindigkeit beträchtlich, nämlich mehr als das Doppelte über dem erlaubten Maß gelegen ist.

 

6. Weil der Berufungswerber ferner bislang als Fahrzeuglenker im Bereich der StVO noch nie negativ in Erscheinung getreten ist, stellt dieses Fehlverhalten daher offenbar einen Ausreißer dar bzw. steht es zu seinem sonstigen Verkehrsverhalten in Widerspruch. Angesichts des mit (damals) 1.200 Euro bezifferten unterdurchschnittlichen Einkommens scheint auch die nunmehr verhängte Geldstrafe angemessen. Der Oö. Verwaltungssenat vermeint daher abschließend, dass angesichts der oben genannten Umstände auch mit der hier wesentlich reduzierten Geldstrafe dem Strafzweck ausreichend gerecht werden zu können (s. unter vielen das h. Erk. 2. Mai 2003, VwSen-108950).

 

II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

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