Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108807/2/Fra/Bek/Gam

Linz, 26.02.2003

 

 

 VwSen-108807/2/Fra/Bek/Gam Linz, am 26. Februar 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung und den Antrag auf Verfahrenshilfe der Frau AB, vertreten durch die Sachwalterin Frau Mag. ME, gegen das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 9. Dezember 2002, VerR96-1-146-2002-Ga, wegen Abweisung eines Antrages auf Neuzustellung zu Recht erkannt:

  1. Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.
  2. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) BGBl.
Nr. 51/1991 i.V.m. § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG)

zu II.: § 51a VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

I.:

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8.11.2002 wurde der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) mitgeteilt, dass hinsichtlich der Verwaltungsstrafakte VerkR96-6128-2002 und VerkR-1-146-2002-Ga ein Betrag in der Höhe von 1.501,50 Euro offen und zu bezahlen sei.

 

Durch die Sachwalterin der Bw wurde mit Schreiben vom 22.11.2002 ein Antrag auf Neuzustellung gemäß § 73 AVG gestellt, falls es sich beim Schreiben vom 8.11.2002 um keinen Bescheid handle, in eventu wurde Berufung beantragt.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden verfasste daraufhin ein Schriftstück vom 9.12.2002 mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Frau B!

Sehr geehrte Frau Mag. E!

 

Unter Bezugnahme auf Ihre Eingabe vom 22.11.2002 wird mitgeteilt, dass es, entgegen Ihrer Ansicht, keine Indizien dafür gibt, die darauf hinweisen, dass zum Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide (Ladungsbescheid vom 19.06.2002/VerkR96-1-146-2002-Ga; Bescheid über die Entziehung der Lenkberechtigung vom 19.06.2002/VerkR21-330-2002-Ga, jeweils persönlich übernommen am 21.06.2002) Prozessunfähigkeit gegeben war.

Die Zustellung der vorangeführten Bescheide erfolgte mittels Rückscheinbrief unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes.

 

Sie haben am 28.6.2002 - aufgrund des von Ihnen am 21.06.2002 zugestellten Ladungsbescheides - bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vorgesprochen.

Die Vorsprache erfolgte somit innerhalb der gebotenen Frist von zwei Wochen, es gab anlässlich Ihrer Vorsprache keinerlei Bedenken oder Anzeichen einer "Prozessunfähigkeit", Sie waren zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, keinesfalls unzurechnungsfähig, also dispositionsfähig.

Dies wird vom Gefertigten bestätigt, von welchem auch in der Folge die Strafverhandlung durchgeführt wurde.

Hätten sich vor Beginn der Amtshandlung/Strafverhandlung Bedenken hinsichtlich Ihrer Zurechnungsfähigkeit ergeben, so wäre vor Beginn der Amtshandlung der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden beigezogen worden, um Ihre Dispositionsfähigkeit zu prüfen.

Dies war aber aufgrund der vorgeschilderten Umstände nicht erforderlich.

 

Vor Beginn der Strafverhandlung wurde mit Ihnen ausführlich der Vorfall vom 27.05.2002 besprochen, Sie haben Ihr Fehlverhalten bzw. den Unrechtsgehalt der Taten eingesehen, dem Gefertigten aber Ihre damals schwierige Situation - bevorstehende Delogierung, angespannte finanzielle Situation, für fünf Kinder zu sorgen - mitgeteilt. Alle diese Probleme waren Ihren Angaben zufolge schlussendlich der Grund für Ihr Fehlverhalten am 27.05.2002.

Die Strafverhandlung wurde sodann um 09.25 Uhr begonnen und um 09.50 Uhr beendet. Es gab wie bereits vorstehend angeführt, keinerlei Hinweise oder Anzeichen einer Dispositionsunfähigkeit. Das Gespräch zwischen Ihnen und dem Verhandlungsleiter/dem Gefertigten war sachlich, sachbezogen und zielorientiert.

 

Im Anschluss an die Strafverhandlung wurde mit Ihnen die weitere Vorgangsweise - hinsichtlich der begleitenden Maßnahmen nach Ablauf der Entzugsdauer - besprochen. Dabei wurde auch auf die verschiedenen Institutionen hingewiesen, welche die geforderten begleitenden Maßnahmen anbieten; das mit Bescheid vom 19.06.2002 übersandte Informationsblatt (über jene Institutionen, welche die begleitenden Maßnahmen anbieten) war Grundlage dieser Besprechung.

 

Im Anschluss daran erfolgte sodann die Strafverhandlung wegen des am 28.05.2002 gesetzten Deliktes (Inbetriebnahme/Lenken eines Kraftfahrzeuges trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines).

 

Zusammenfassend wird daher festgehalten und mitgeteilt, dass eine "neuerliche Zustellung der Bescheide" aus den von Ihnen angeführten Gründen unter Heranziehung der von der Verwaltungsbehörde anzuwendenden Bestimmungen nicht möglich ist, abgesehen davon, dass die von Ihnen geltend gemachte nicht vorschriftsmäßige Zustellung der Bescheide dadurch saniert ist, weil Sie innerhalb der gebotenen Frist - von zwei Wochen - bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vorgesprochen haben. Sie haben hinsichtlich der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen ein vollinhaltliches Geständnis abgelegt, Sie haben auch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 19.06.2002 (persönlich übernommen am 21.06.2002) nicht in Beschwerde gezogen bzw. keine Vorstellung erhoben.

 

Ergänzend dazu wird mitgeteilt, dass in den anhängigen Verwaltungsverfahren, aufgrund der Bestimmungen des AVG 1991, die "Wiederaufnahme des Verfahrens" - im Sinne des § 69 AVG 1991 - bzw. die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" (Im Sinne des § 71 AVG 1991) möglich sind, jedoch darauf hingewiesen werden muss, dass aufgrund der Ausführungen in den Bestimmungen der §§ 69 und 71 AVG 1991, sowohl der Antrag auf "Wiederaufnahme des Verfahrens" als auch ein Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" abzuweisen sind. Ausgehend von der vorliegenden Sach- und Rechtslage kann weder ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens noch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet werden.

 

Gleichzeitig darf Ihnen aber mitgeteilt werden, dass hinsichtlich der verhängten Geldstrafen (in den Strafverfahren VerkR96-1-146-2002-Ga, VerkR96-6128-2002) die Einhebung der Geldstrafen dann unterbleibt, wenn diese uneinbringlich sind.

Bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafen ist zu prüfen, ob Hafttauglichkeit besteht (in diesem Falle wäre die anstelle der Geldstrafe vorgesehene Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken). Ob Hafttauglichkeit vorliegt, ist vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu prüfen. Die Vorlage entsprechender Befunde oder Gutachten, welche eine Haftunfähigkeit bestätigen, wird daher empfohlen.

 

Zur Entziehung der Lenkberechtigung wird festgehalten:

Vor Ablauf der festgesetzten Entzugsdauer (VerkR21-330-2002-Ga, 27.05.2002 bis 27.09.2002, 4 Monate; VerkR21-412-2002-Lai, 28.09.2002 bis einschließlich 28.12.2002, 3 Monate) sind, aufgrund der geltenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes 1997 bzw. der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung 1997 eine Nachschulung (Rechtsgrundlagen: §§ 26 Abs. 8, 25 Abs. 3, 2- Satz, i.V.m. § 24 Abs. 3, 4 Abs. 8 FSG 1997), die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens (Rechtsgrundlage: § 26 Abs. 8 FSG 1997) und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme (Rechtsgrundlage: § 17 Abs. 1 Ziff. 2 FSG-GV 1997) erforderlich.

Darüber hinaus müssen Sie damit rechnen, dass vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, vor Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens, die Beibringung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (in welchem auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einzugehen ist) gefordert wird. Eine Abänderung der beizubringenden Nachweise/Stellungnahmen/ Befunde/Gutachten ist aus gesetzlichen Gründen nicht möglich. Diesbezüglich wird auf die vorangeführten gesetzlichen Bestimmungen verwiesen.

 

Aufgrund der bestehenden Sach- und Rechtslage ist es der Bezirkshauptmannschaft Gmunden als erkennende Behörde nicht möglich, in den im Gegenstand angeführten Verfahren eine anders lautende Entscheidung zu treffen. Die jeweils anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen sind im gegenständlichen Schreiben angeführt, der Ergänzung halber wird aber noch festgehalten, dass auch der Umstand, dass Sie am 29.05.2002 wegen Selbst- und Fremdgefährdung in das Wagner-Jauregg Krankenhaus Linz eingewiesen wurden (dies haben Sie im Schreiben vom 22.11.2002 anher mitgeteilt) eine Änderung des Sachverhaltes, insbesondere hinsichtlich der von Ihnen behaupteten möglicherweise bestehenden Prozessunfähigkeit zum Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide, nicht bewirken kann.

Zur Kenntnis wird eine Ablichtung der Strafverhandlungsschrift vom 28.06.2002 übermittelt (nicht neu zugestellt), angeschlossen ist ein Informationsblatt, aus welchem die Institutionen hervorgehen, welche eine Nachschulung und verkehrspsychologische Untersuchungen anbieten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bezirkshauptmann:

G."

 

Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die Sachwalterin bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung, wo zusammengefasst vorgebracht wird, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 9.12.2002 die Bw in ihrem Recht auf Wahrung des rechtlichen Gehörs durch ordnungsgemäße Zustellung verletze. Hinsichtlich der Begründung werde auf die bereits vorgebrachten Argumente im Berufungsantrag vom 22.11.2002 verwiesen und vollinhaltlich zum Inhalt dieses Rechtsmittels erklärt. Darin werde vorgebracht, dass eine ordnungsgemäße Zustellung Voraussetzung für den Eintritt der Rechtskraft eines behördlichen Schriftstückes sei. Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Zustellung nach Zustellgesetz sei die Prozessfähigkeit der Partei im Zeitpunkt der Zustellung. Die Prozessfähigkeit sei im gegenständlichen Fall nicht vorgelegen. Der Umstand, ob nun tatsächlich Prozessfähigkeit iSd Zustellgesetz vorgelegen habe oder nicht, sei durch ein entsprechendes Sachverständigengutachten zu klären. Auch das Ablegen eines Geständnisses oder der Verzicht bzw. die Nichteinbringung eines Rechtsmittels könne nur durch eine prozess- bzw. geschäftsfähige Person erfolgen.

Weiters werde ein Antrag auf Verfahrenshilfe im vollen Umfang gestellt, da sie zur Zeit Notstandshilfe beziehe, 5 minderjährige Kinder habe, wobei 4 davon mit ihr im gemeinsamen Haushalt bei der Mutter der Bw leben würden. Es seien eine Reihe von Exekutionen und Gerichtsverfahren gegen die Bw anhängig.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung, den Verfahrenshilfeantrag und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

Gemäß § 51e Abs. 2 VStG entfällt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, da die Berufung zurückzuweisen ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Absatz 2 erwähnten - hier nicht relevanten - Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Berufung kann dann unzulässig sein, wenn die angefochtene Erledigung kein Bescheid ist.

 

Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, dass es im Willen des Organes liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen (vgl. VfSlg. 4856/1964) und dass es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VfSlg. 5464/1967).

 

Nach ständiger Rechtsprechung kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (VwSlg. 9458/A).

 

Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung "teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist eher zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (VwGH 84/11/0115 vom 22.1.1986).

 

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist aber die angefochtene und wörtlich wiedergegebene Erledigung vom 9.12.2002, die nicht als Bescheid gekennzeichnet ist, lediglich als zusammenfassende Mitteilung einer Rechtsansicht anzusehen (vgl. auch die Anrede). Die Fassung des in Beschwerde gezogenen Schreibens ist nicht so gestaltet, dass daraus jedermann zweifelsfrei erkennen könnte, es sei damit verbindlich und somit einer der Rechtskraft fähigen Weise über eine Verwaltungsrechtssache abgesprochen worden.

 

Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 9.12.2002 ist somit nicht als Bescheid zu qualifizieren, sodass dagegen auch kein Berufung zulässig war.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

II.:

Der Verfahrenshilfeverteidiger nach § 51a VStG kann nur einem bedürftigen Beschuldigten, der außerstande ist die Kosten der Verteidigung zu tragen, beigegeben werden, wenn und soweit dies im Interesse der Verwaltungsrechtspflege und vor allem einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist.

 

Voraussetzung für die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers ist nach § 51a Abs. 2 VStG in jedem Fall ein in erster Instanz bereits durch Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsstrafverfahren, in dem Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden soll.

 

Da im gegenständlichen Fall kein erstinstanzlicher Bescheid vorliegt, war der Antrag auf Verfahrenshilfe als unzulässig zurückzuweisen.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. F r a g n e r

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