Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108871/13/Fra/Pe

Linz, 27.05.2003

 

 

 VwSen-108871/13/Fra/Pe Linz, am 27. Mai 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn MB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Ing. Mag. KH, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4. Februar 2003, VerkR96-735-2002, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung iVm einem Lokalaugenschein am 19. Mai 2003, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) a) wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.b leg.cit eine Geldstrafe von 216 Euro (EFS 72 Stunden) und b) wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 216 Euro (EFS 72 Stunden) verhängt, weil er am 11.12.2001 um 11.30 Uhr das Kfz, Ford Transit - Kasten, Kennzeichen, in Linz, S gelenkt hat und

a) es nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, unterlassen hat, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist und

b) nach diesem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Der Bw macht als Berufungsgründe Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtige rechtliche Beurteilung und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Der Bw bestreitet die ihm zur Last gelegten Taten. Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach er die Verursachung des Schadens zugegeben hätte und für eine Unfallszeugin aus einer Entfernung von ca. 20 m das Anstoßgeräusch wahrnehmbar gewesen wäre. Er wirft der belangten Behröde vor, es unterlassen zu haben, sich in der nötigen Intensität mit seiner Verantwortung auseinanderzusetzen. Er habe klar ausgeführt, dass er wohl aufgrund des Motorgeräusches den Anstoß akustisch nicht wahrnehmen habe können. Der Umstand, dass für eine Zeugin in einer Entfernung von etwa 20 m das Anstoßgeräusch wahrnehmbar gewesen wäre, stehe keinesfalls im Gegensatz zu seiner Verantwortung, kein Anstoßgeräusch bemerkt zu haben. Die von der erstinstanzlichen Behörde aus diesen beiden Aussagen gezogenen Schlüsse lassen sich nicht nachvollziehen. Eine Streifung eines anderen Fahrzeuges sei ihm erst durch die Aufmerksammachung durch die Gendarmerie bewusst geworden. Er habe aufgrund der ihm gezeigten Schäden sodann eine mögliche Übereinstimmung feststellen können, sodass wohl naheliegenderweise tatsächlich eine Streifung stattgefunden haben wird. Ihm sei weder bei, noch nach dem Zustandekommen einer allfälligen Berührung mit dem weiteren Pkw Citroen eine solche aufgefallen, sondern eben erst im Nachhinein, nachdem die Gendarmerie an ihn herangetreten ist. Eine derartige Berührung sei für ihn, sei es aufgrund des Motorlärms, oder aufgrund des Umgebungsgeräusches akustisch nicht wahrnehmbar gewesen. Es treffe ihn sohin kein Verschulden am Fehlen einer akustischen Wahrnehmung einer allfälligen Streifung bzw. Kollision mit einem anderen Fahrzeug. Er habe auch keinen Anstoß in Form eines Ruckes oder einer Verzögerung festgestellt. Wenn die belangte Behörde argumentiert, dass für eine ca. 20 m entfernte Zeugin das Anstoßgeräusch hörbar gewesen sei, gebe er dazu an, dass ein im Freien stehender Zeuge, der sich auf ein derartiges Geschehen konzentriert, schon aufgrund seiner Konzentration und andererseits aufgrund des fehlenden Motorgeräusches und der Schalldämmung, die in einem Fahrzeug besteht, solche Geräusche wesentlich besser wahrnehmen könne. Es handelte sich bei dem von ihm gelenkten Fahrzeug nicht um sein Fahrzeug, dessen Abmessungen ihm nicht so 100 % vertraut sind, wie die eines eigenen Fahrzeuges. Es habe sich um einen wesentlich größeren Lkw gehandelt, dessen Abmessungen wesentlich schwerer einzuschätzen sind, als die eines normalen Pkw´s. Der Bw zieht sohin den Schluss, dass auch die visuelle Wahrnehmbarkeit nicht gegeben war. Auch seine Beifahrerin habe ihn nicht auf einen derartigen Anstoß oder eine solche Berührung aufmerksam gemacht. Die Angaben der Zeugin K seien darüber hinaus auch insofern merkwürdig, als diese von einem Ruck spricht, der nicht zu "überhören" gewesen wäre. Die Zeugin vermengt offenbar einerseits die akustische Wahrnehmbarkeit mit einer Anstoßbewegung, was sich nicht nachvollziehen lasse.

 

Der Bw stellt den Antrag, seiner Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen, jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und in eventu die über ihn verhängten Geldstrafen auf jeweils max. 100 Euro, sohin max. 200 Euro herabzusetzen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung iVm einem Lokalaugenschein am 19. Mai 2003.

 

Demnach ist erwiesen, dass der Bw tatbildlich iSd angefochtenen Schuldspruches gehandelt hat. Der Oö. Verwaltungssenat stützt sich insofern auf die Aussage der Zeugin CF, die aus ca. 20 m von der Tatörtlichkeit entfernt den Kollisionsvorgang wahrgenommen hat. Auch der Bw schließt nicht aus, dass er beim Rückwärtsausparken ein rechts von ihm geparktes Fahrzeug beschädigt bzw. gestreift habe.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH können Verstöße gegen § 4 Abs.1 und Abs.5 StVO 1960 auch fahrlässig begangen werden. Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder ihm zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte, anders ausgedrückt, dass die Person, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang erkennen hätte können. Dem Bw ist im Ergebnis zuzustimmen, wenn er aufgrund seines Vorbringens schlussfolgert, dass nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt werden kann, dass er den Verkehrsunfall mit Sachschaden sowie den ursächlichen Zusammenhang erkennen hätte können.

 

Der Oö. Verwaltungssenat verweist vorerst auf das Gutachten des Amtssachverständigen Ing. JL vom 3.6.2002, VT-010000/4810-2002/LJLee, welches dieser bei der Berufungsverhandlung aufrecht erhalten hat. Nach diesem Gutachten erfolgte der Anstoß kontinuierlich und von geringer Heftigkeit. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass das dabei entstandene Anstoßgeräusch im Umgebungs- bzw. Motorlärm untergegangen ist bzw. vom Bw falsch interpretiert wurde. Überdies erfolgte eine Kontaktierung am Fahrzeug des Geschädigten an einer Stelle die relativ leicht deformiert werden kann. Die Tür besitzt im Anstoßbereich keine sehr hohe Festigkeit. Außerdem ist der Lkw mit einer Kunststoffstange ausgestattet. Bezüglich der Wahrnehmung in Form einer Stoßreaktion stellte der Sachverständige fest, dass die Streifung im Türbereich erfolgte. Durch die größere Masse des Kleintransporters kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass der Beschuldigte den Verkehrsunfall eindeutig in Form einer Stoßreaktion feststellen konnte.

 

Sohin bleibt zu untersuchen, ob der Bw bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall visuell hätte wahrnehmen müssen. Diese Frage ist eine rechtliche, über die der Oö. Verwaltungssenat folgende Erwägungen angestellt hat: Der VwGH judiziert, dass bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei denen die Gefahr einer Kollision mit einem anderen Kfz besteht, der Lenker den Geschehnissen und seinem Fahrzeug volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem derartig verursachten Unfall verschuldet. Es ist daher nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob das verfahrensrelevante Fahrmanöver riskant war. Aufgrund des Ergebnisses der Berufungsverhandlung ist festzustellen, dass das Ausparkmanöver für den Bw normal war. Er hatte deshalb dem neben ihm befindlichen Fahrzeug auch in der Folge keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, weil er nicht auf die Idee gekommen ist, dass eine Kollision stattgefunden hätte. Aus diesem Grund ist ihm auch keine Beschädigung eines neben ihm geparkten Fahrzeuges aufgefallen. Auch die Beifahrerin Frau CK hat nichts von der Kollision bemerkt. Diese hat lediglich einen Ruck nach vorne wahrgenommen, der jedoch auch auf andere Ursachen zurückzuführen sein kann. So hat der Bw ausgeführt, dass er im Zuge des Rückwärtsausparkens, welches mit schleifender Kupplung erfolgte, zu abrupt die Kupplung habe kommen lassen. Frau K hat außerdem ausgesagt, dass die Fahrbahn matschig und ziemlich rutschig war. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw über einen Eisbrocken fuhr, der den genannten Ruck verursachte. Dem Bw ist somit kein Anhaltspunkt aufgefallen, dass im Zuge des Ausparkmanövers etwas passiert war. Es hat die Gefahr einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug nicht bestanden, noch hat es sich bei dem Ausparkmanöver um ein riskantes Fahrmanöver gehandelt. Dieser Ausparkvorgang war an sich mit keinerlei Gefahren und keinem besonderen Risiko verbunden. Der Bw war auch durch keine zusätzlichen selbstgeschaffenen Hindernisse wie zB. durch ein zu lautes Radio und dergleichen in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt. Mangels einer konkreten Kollisionsgefahr oder eben eines anderen Hinweises auf eine solche, war er nicht zu einer genauen Beobachtung der daneben befindlichen Fahrzeuge verpflichtet, weil er ja keinerlei Anhaltspunkte hatte, dass es zu einer Beschädigung gekommen ist. Würde man dies aufgrund der festgestellten Umstände dieses konkreten Falles bejahen, würde dies einer Überspannung der gebotenen Sorgfaltspflicht gleichkommen. Dazu muss im gegenständlichen Fall noch berücksichtigt werden, dass dem Bw keine Motivation an der Begehung einer "Fahrerflucht" unterstellt werden kann, zumal er nicht Zulassungsbesitzer des von ihm gelenkten Lkw´s war und aufgrund des Umstandes, dass bei Lkw`s auch keine Bonusmaluseinstufung existiert, eine Kollision auch für den tatsächlichen Zulassungsbesitzer keine Bedeutung gehabt hätte. Der Lkw war vollkaskoversichert. Wenn der Bw den Verkehrsunfall mit Sachschaden bemerkt hätte, hätte dies für ihn keine negativen Auswirkungen gehabt.

 

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass gegenständlich die Verschuldenskomponente der gehörigen Aufmerksamkeit iSd oa Rechtsprechung nicht nachgewiesen werden konnte, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 
4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

Dr. F r a g n e r

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