Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109023/2/Bi/Be

Linz, 18.06.2003

 

 

 VwSen-109023/2/Bi/Be Linz, am 18. Juni 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn RA Dr. M, vom 23. April 2003 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 3. April 2003, VerkR96-5611-2002 Sö, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 14,60 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG,

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 73 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems auf ihr schriftliches Verlangen vom 20. März 2002 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt habe, wer das oa Kraftfahrzeug am 6. Jänner 2002 um 14.02 Uhr gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7,30 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen



Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG).

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Argumentation, die Benennung des Lenkers geschehe noch nicht im Verwaltungsstrafverfahren, könne er nicht folgen, da dies dem Zweck der Einleitung eines Strafverfahrens gegen die zu benennende Person diene, was einer Durchbrechung des Anklageprinzips gemäß Art 90 Abs.2
B-VG gleich komme, zumal keine Rede davon sein könne, dass derartige Anfragen nicht intentional für eine Informationsbeschaffung zum Zweck verwaltungsstrafrechtlicher Verfolgung dienen würden. Eine Durchbrechung des Anklageprinzips stehe seiner Meinung nach nur dann nicht im Widerspruch zu den Baugesetzen, wenn keine "gelinderen Mittel" zur Verfügung stünden, dh die Behörde nicht auf andere zumutbare Weise die für eine Strafverfolgung erforderlichen Informationen und Daten erhalten könnte.

Im gegenständlichen Fall gehe es offenbar um eine Geschwindigkeitsübertretung um 20 km/h auf einer Autobahn im 100 km/h-Bereich, wobei die Übertretung mit einer "Radarbox", dh auf automatisierte Weise, festgestellt worden sei. Zwar würde das Kennzeichen, nicht aber die Fahrerdaten aufgezeichnnet; dem Lenker sei das Auslösen nur bei einem Blitzgerät erkennbar. Ansonsten würden weder der Halter noch der Lenker und auch Behördenorgane die Tatsache der Verwaltungsübertretung nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Übertretung erfahren. Die Behörde nehme aber in Kauf, das zwar die Tatsache der Übertretung, nicht aber der Übertretende festgestellt werde. Würde auf andere Methoden der Verkehrsüberwachung zurückgegriffen, wäre es ein leichtes, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übertretung auch den Übertreter festzustellen; es sollten Beamte vor Ort die Regel sein, was allerdings mit erhöhten Kosten verbunden wäre.

Die Durchbrechung des Anklageprinzips stünde im Zusammenhang mit automatisierter Verkehrsüberwachung nur dann im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG, wenn aus sachlichen Gründen eine Überwachung durch Organe nicht möglich oder tunlich sei. Die Ermittlung anonymer Verkehrsübertretungen, die dem Zweck der Erschließung von Strafgeldern dienten und nicht dem Pönalisieren von Handlungen bzw Steigerung der Verkehrssicherheit, sei nicht gerechtfertigt. Die gegenständliche Anlage sei als solches zu qualifizieren, was sich schon dadurch ergebe, dass das Verfahren mit einer Anonymverfügung beginne und mit dem an versteckter Stelle eine atypische Geschwindigkeitsregelung auf möglichst unbemerkte Art und Weise überwacht werden solle. Die Durchbrechung des Anklageprinzips sei daher nicht gerechtfertigt. Außerdem wendet der Bw Verjährung ein und beantragt ersatzlose Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung.

 



4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

 

Daraus geht hervor, dass der Pkw, zugelassen auf den Bw, am 6. Jänner 2002 um 14.02 Uhr auf der A9 Phyrnautobahn bei km 10.600, Fahrtrichtung Liezen, im Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von 127 km/h mittels geeichtem Radar MUVR 6FA Nr.1075 - dort befindet sich rechtsseitig unmittelbar am Ende eines Tunnels, der der Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h ist, eine stationäre Radarbox - gemessen wurde. Der von RI Gruber, Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich, Verkehrsabteilung Linz, erhobenen Anzeige wurde nach Abzug der vorgesehenen Toleranzen von 5 %, aufgerundet zugunsten des Beschuldigten, eine Geschwindigkeit von
120 km/h, also eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 km/h, zugrundegelegt. Eine Anhaltung erfolgte nicht.

Mit Schreiben der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 20. März 2002 wurde an den Bw als Zulassungsbesitzer des genannten Kfz ein Ersuchen um Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 gerichtet und laut Rückschein am 25. März 2002 zugestellt. In diesem Schreiben war auch die Mitteilung enthalten, dass dem Lenker eine Verwaltungsübertretung, nämlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 20 km/h auf der A9, zur Last gelegt werde, und der Bw wurde auch darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen einer Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist.

 

Auf diese Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 hat der Bw nicht reagiert, sodass mit Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom
18. Juni 2002 ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG eingeleitet wurde.

Im rechtzeitig eingebrachten Einspruch vom 8. Juli 2002 teilte der Bw mit, das Fahrzeug werde ausschließlich entweder von ihm oder seiner Gattin M gelenkt; anderen Personen werde dieses nicht überlassen. Eine Auskunftserteilung gemäß § 103 Abs.2 KFG hätte zur Folge, dass er sich entweder selbst beschuldigen oder seine Gattin einer Verwaltungsübertretung bezichtigen müsse. Das stünde aber im Widerspruch zum fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzip, dass niemand verpflichtet sei, sich selbst oder einen nahen Angehörigen zu belasten. Er sei daher zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet gewesen.

Die Rechtfertigung vom 11. November 2002 war gleichlautend, worauf das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:



Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung:) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. September 1988, G72/88 uva, die Rechtsansicht vertreten, dass die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 idF BGBl.Nr. 106/1986 durch die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des
§ 103 Abs.2 KFG verfassungsrechtlich gedeckt ist, weshalb sie weder Art 90 Abs.2 B-VG noch Art 6 MRK - den der Verfassungsgerichtshof (bloß) in seiner innerstaatlichen Maßstabfunktion anzuwenden hat - verletzt; sie ist daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

 

Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991, Nr.23 der Spruchbeilage).

 

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

Dieser Rechtsprechung hat sich auch der Unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre.

Zweck dieser Bestimmung ist es nicht, Strafgelder zu lukrieren, sondern der Lenker soll im Hinblick auf die Verkehrssicherheit dazu angehalten werden, die Geschwindigkeitsbestimmungen einzuhalten. Das Ersuchen um Lenkerauskunft


dient dazu, den Lenker persönlich ausfindig zu machen und zu erreichen. Eine solche kann aber nur der Zulassungsbesitzer, der über das Fahrzeug verfügungsberechtigt ist, erteilen, weshalb sich das Ersuchen gemäß § 103 Abs.2 KFG an diesen richtet. Dass eine Nichterteilung der Lenkerauskunft nicht sanktionslos sein kann, liegt wohl auf der Hand.

 

Zum Berufungsvorbringen ist zu sagen, dass die Anonymverfügungen aus der Überlegung geschaffen wurden, dem Zulassungsbesitzer ohne nähere Nachfrage die Bezahlung der Strafe für einen Verstoß beim Lenken des Fahrzeuges zu ermöglichen mit der Konsequenz, dass diesbezüglich keine Verwaltungsvormerkung bei der Behörde aufscheint, die ihm einmal zum Nachteil gereichen könnte.

Der Auffassung des Bw, die Regel bei der Verkehrsüberwachung sollte sein, dass sich Organe (der Straßenaufsicht) an Ort und Stelle befinden, die Geschwindigkeitsüberschreitungen persönlich wahrnehmen und den Lenker unmittelbar anhalten, sodass es nicht erforderlich ist, den verantwortlichen Lenker später im Wege der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG zu eruieren, ist als Vorspiegelung eines Idealzustandes grundsätzlich nichts entgegenzusetzen. Sie ist aber aus Geld- und Personalüberlegungen ganz und gar lebensfremd, wobei im Sinne der vom Bw geschilderten Überlegungen durchaus vom Vorliegen einer Untunlichkeit einer direkten Überwachung der Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf
100 km/h auszugehen ist. Es wäre dem Bw auch offen gestanden, ein Radarfoto zu verlangen, sodass ihm selbst oder seiner Gattin, wenn sie die Lenkerin zum Vorfallszeitpunkt gewesen sein sollte, eine örtliche Zuordnung des Tatvorwurfs eventuell möglich gewesen wäre.

 

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung war unmissverständlich.

Der Bw hat bei Nichterteilung der Auskunft schuldhaft gehandelt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal es sich bei der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG handelt und dem Bw die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens nicht gelungen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass § 134 Asb.1 KFG 1967 Geldstrafen bis zu 2.180 Euro bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen vorsieht.

 

Die Erstinstanz hat bei der Strafbemessung zutreffend die vom Bw nicht bestrittenen geschätzten finanziellen Verhältnisse (1.5000 Euro netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) zugrundegelegt und weder Milderungs- noch Erschwerungs



gründe angenommen - der Bw weist bei BH Innsbruck-Land eine nicht einschlägige rechtskräftige Vormerkung aus dem Jahr 2000 auf.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe entspricht den Kriterien des § 19 VStG; die Ersatzfreiheitsstrafe wurde im Verhältnis zur Geldstrafe günstig bemessen. Ansätze für eine Strafherabsetzung finden sich nicht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Lenkeranfrage vom VwGH ausjudiziert

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