Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109045/9/Br/Gam

Linz, 12.06.2003

  
VwSen-109045/9/Br/Gam
Linz, am 12. Juni 2003

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H P, A H G, A-P, vertreten durch Herrn Mag. H K, Rechtsanwalt, S 22, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, AZ. VerkR96-18981-2001, vom 17. März 2003, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 117/2002 - VStG.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis eine Geldstrafe von 109 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt und in dessen Spruch folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 29.7.2001 um 12.10 Uhr das Motorrad auf S L aus Richtung R kommend in Fahrtrichtung S a.A. gelenkt und haben Sie bei km 6,0, im - Bereich der Kreuzung S-L - G Sch den Pkw überholt, obwohl Sie nicht einwandfrei erkennen konnten, ob Sie Ihr Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen können."

 

1.1. Begründend führte die Erstbehörde folgendes aus:

"Sie brachten durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter gegen die ha. Strafverfügung vom 19.11.2001 einen Einspruch ein und begründeten diesen dahingehend, dass bei Beginn Ihres Überholmanövers sowohl der Pkw als auch der vor diesem befindliche Pkw standen.

 

Auf Grund Ihrer Einspruchsangaben wurden die Lenkerin des Pkw, Frau R E, und der Lenker des Pkw, Herr M B, als Zeugen befragt. Beide Personen wurden anlässlich der Zeugenbefragung zur Wahrheit verpflichtet und auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht. Das Ergebnis der Befragung wurde Ihnen bzw. Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter nachweislich zur Kenntnis gebracht und wurde dabei die Möglichkeit zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme eingeräumt.

 

Sie wiesen in Ihrer Stellungnahme dann nochmals darauf hin, dass sowohl Frau R als auch Herr B ihre Fahrzeuge angehalten haben und es sich somit nicht um ein Überholen gehandelt hätte. Auch machen Sie geltend, dass die Bestimmungen des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 primär eine Gefährdung des entgegenkommenden Verkehrs bzw. des von rechts kommenden Querverkehrs hintanhalten. Der Tatbestand des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 sei nur dann erfüllt, wenn zu Beginn des Überholvorganges nicht erkennbar wäre, ob das Überholmanöver überhaupt möglich ist, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu behindern oder zu gefährden, wobei eine konkrete Behinderung oder Gefährdung nicht erforderlich sei.

 

Im gegenständlichen Falle sei jedoch nicht einmal eine abstrakte Gefährdung oder Behinderung denkmöglich, zumal bei Beginn des Überholmanövers für Sie einwandfrei erkennbar gewesen sei, dass Sie sich nach dem Überholvorgang wieder ohne Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer einordnen können.

 

Die Situation sei dergestalt gewesen, dass die vor Ihnen fahrenden Pkw Lenker, nachdem sie einen Radfahrer überholt hatten, anhielten. Für Sie hätte es den Anschein gehabt, dass die Pkw Lenkerin R mit den Fahrradfahrer kurz gesprochen hat und der Lenker des Polos, Herr B, vorerst überholen wollte, dann jedoch von diesem Vorhaben Abstand genommen hätte.

Auch hätte Frau R vor dem Abbiegevorgang Gegenverkehr gehabt und hätte sie ca. 3 - 4 Pkws aus Fahrtrichtung Sch passieren lassen, ehe sie nach links abgebogen sei.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes wird festgestellt, dass die Behörde der Ansicht ist, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung zweifellos begangen haben und wird dies wie folgt begründet:

Beide Zeugen sagen übereinstimmend aus, dass ein Abbiegen nach links ohne anzuhalten möglich war, weil kein Gegenverkehr herrschte. Diese Aussagen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar während es sich bei Ihren Angaben ganz offensichtlich um den untauglichen Versuch handelt, dermaßen einer Bestrafung zu entgehen. Ihre Aussage ist in sich widersprüchlich. Einerseits behaupten Sie, dass nichts darauf hinwies, dass Frau R beabsichtigte, mit Ihrem Pkw nach links abzubiegen, andererseits machen Sie geltend, dass die Genannte vor dem Abbiegevorgang wegen Gegenverkehrs (3 - 4 Pkws) anhalten musste. Wäre dies der Fall gewesen, dann wären für Sie jedoch deutliche Zeichen eines Abbiegevorhabens erkennbar gewesen.

 

Zu Ihrem Argument, dass sich die Bestimmungen des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 auf den Gegenverkehr und den von rechts kommenden Querverkehr beziehen wird festgestellt, dass dem nicht so ist. Vielmehr dient die Vorschrift des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 der Vermeidung einer Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer und damit natürlich auch dem Schutz jener Straßenbenützer, die ein Linksabbiegen beabsichtigen.

 

Als Sie mit dem Überholmanöver begannen, befanden sich zwei Fahrzeuge vor Ihnen, und zwar jene der beiden Zeugen. Auch wenn Ihnen zugute gehalten wird, dass Sie das Anzeigen des Linksabbiegens durch Frau R auf Grund des Sonnenstandes wirklich nicht gesehen haben, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Sie sich einer Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 schuldig gemacht haben. Sie mussten jedenfalls auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vor dem Pkw fahrende und für Sie nicht völlig sichtbare Lenkerin des Pkw nach links in den dort befindlichen Güterweg abbiegen will. Schon der Umstand, dass die vor Ihnen fahrenden Fahrzeuge plötzlich langsamer wurden hätte Sie auf diese Möglichkeit hinweisen müssen und hätten Sie folglich Ihre Absicht zu überholen, hintanstellen müssen.

 

Es ist festzuhalten, dass durch die Aussagen der Zeugen R und B der Sachverhalt mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit feststeht. Die Behörde ist nämlich verpflichtet, bei widersprechenden Angaben zu berücksichtigen, dass Zeugen bei der Abgabe einer falschen Zeugenaussage mit gerichtlich zu ahndenden Folgen zu rechnen haben, während es dem Beschuldigten freistellt, sich unter Umständen auch mit falschen Aussagen zu rechtfertigen, ohne hiefür zur Verantwortung gezogen werden zu können.

 

Auf Grund des erwiesenen Sachverhaltes war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 727,00 im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 2 oder 4 zu bestrafen ist.

 

Zu den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 wird festgestellt, dass Sie zu Ihren Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnissen keine Angaben machten. Da Sie jedoch den ausgesprochenen Strafbetrag der Höhe nach nicht beeinspruchten, wird angenommen, dass er Ihren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen angemessen ist.

 

Bei der Strafbemessung waren in die selbe schädliche Neigung fallende Verwaltungsübertretungen als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände lagen nicht vor.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet."

 

  1. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter folgendes aus:

"Gegen das Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 17.03.2003, AZ.: VerkR96-18981-2001, zugestellt am 21.03.2003, erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsvertreter in offener Frist

 

B E R U F U N G

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich und stelle die

 

A N T R Ä G E:

 

der Unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsbehörde möge:

 

a) das hier angefochtene Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 17.03.2003, AZ.: VerkR96-18981-2001, ersatzlos aufheben und das gegen mich geführte Verwaltungsstrafverfahren einstellen, oder

b) das angefochtene Straferkenntnis der BH Vöcklabruck aufheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

 

Meine Berufung begründe ich wie folgt:

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde ich wegen Verletzung von § 16 Abs. 1 lit. c StVO nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO zu einer Geldstrafe von EUR 109,00 bzw. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verurteilt.

 

Die BH Vöcklabruck führte im Spruch des Straferkenntnisses an, ich hätte am 29.07.2001 um 12.10 Uhr das Motorrad mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Sch Landesstraße in Fahrtrichtung Sch gelenkt und bei Kilometer 6,0 im Bereich der Kreuzung Sch Landesstraße/G Sch den Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen überholt, obwohl ich nicht einwandfrei erkennen habe können, ob ich mein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen würde können.

Die Erstbehörde trifft dann in weiterer Folge jedoch keine Feststellungen zu jenen Umständen, die für die Unzulässigkeit des Überholvorganges maßgeblich sind. Es fehlen insbesondere Feststellungen zur Sichtstrecke, zur Länge des Überholvorganges, zur Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge, deren Anzahl und Tiefenabstand zueinander. Weiters wären auch noch Feststellungen über das Vorhandensein allfälliger bereits im Zeitpunkt des Beginnes des Überholmanövers dem Lenker erkennbarer Hindernisse zu treffen, die unter Berücksichtigung der erforderlichen Überholstrecke einem gefahrlosen Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten.

 

Auch aus dem Umstand, daß die vor mir fahrenden Fahrzeuge plötzlich langsamer geworden wären, konnte ich nicht darauf schließen, daß für mich ein gefahrloses Überholen nicht möglich sein sollte. Es ist hierbei insbesondere zu berücksichtigen, daß keines der beiden vor mir fahrenden Fahrzeuge in auffälliger Weise zum Linksabbiegen zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet gewesen wäre. Auch einen linken Blinker konnte ich nicht sehen. Es hatte für mich vielmehr den Anschein, als würden die beiden vor mir fahrenden Pkws ihre Geschwindigkeit in Anbetracht des am rechten Fahrbahnrand befindlichen Fahrradfahrers reduzieren. Die Geschwindigkeitsreduktion der beiden vor mir befindlichen Pkws war derart auffällig, daß ich sogar den Eindruck hatte, diese würden ihre Fahrzeuge zum Stillstand bringen. Ich verweise diesbezüglich auf meine Niederschrift vor dem Gendarmerieposten Sch vom 13.08.2001.

 

Da das angefochtene Straferkenntnis jedoch keine FeststeIlungen über jene Umstände enthält, die für die Unzulässigkeit des Überholvorganges maßgeblich sind, ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben und das vorliegende Straferkenntnis somit rechtswidrig. Ich verweise diesbezüglich auf die einschlägigen Erkenntnisse des Verwatungsgerichtshofes zu den Zahlen 85/03/0152 97/ 03/0120.

 

Auch der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich hat in seinem Erkenntnis vom 25.06.1993 zur GZ. VwSen-100988/5/Sch/Rd ausgesprochen, daß die Strafbarkeit wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO voraussetzt, daß jene Umstände festgestellt werden, die für die Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung sind. Hiezu gehören die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge (bei mehreren zu überholenden Fahrzeugen deren Anzahl und Tiefenabstand), die dem Lenker zur Verfügung stehende Sichtstrecke sowie Hinweise auf ein gefahrloses Wiedereinordnen.

 

Ich wiederhole daher den eingangs gestellten Antrag auf Aufhebung des vorliegenden Straferkenntnisses und erhebe da rüber hinaus das gesamte im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Vorbringen auch zum Berufungsvorbringen."

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Beischaffung des Tonbandprotokolls eines im Rahmen eines Ortsaugenscheins und unter Beiziehung eines kfz-technischen Sachverständigen durchgeführten zivilgerichtlichen Verfahrens. Von den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen wurde der Vertreter der Behörde erster Instanz und dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers in Kenntnis gesetzt und folglich die bereits anberaumte Berufungsverhandlung wieder abberaumt. Ebenfalls wurde ein Luftbild aus dem System Doris beigeschafft.

3.1. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte daher letztlich angesichts des sich schon aus der Aktenlage ergebenden Notwendigkeit einer Verfahrenseinstellung unterbleiben (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Wie sich aus dem Verfahrensakt und den unter der AZ, 13C 1322/02s am 9.4.2003 durch gerichtliche Feststellungen klar nachvollziehen lässt, lenkte der Berufungswerber am 29.7.2001 um 12.10 Uhr sein Motorrad auf der ca. 5,6 m breiten und mit einer Leitlinie versehenen S L westlicher Richtung (Richtung W). Der Straßenverlauf ist dort laut den im Akt erliegenden Lichtbildkopien und der beigeschafften Luftbilder geradlinig und übersichtlich. Vor dem Berufungswerber befanden sich zwei weitere Pkw´s, wobei das vordere Fahrzeug nach links in den sogenannten Schacha Güterweg einbiegen wollte. Was hier auf sich bewenden kann, müsste laut dem Straßenverzeichnis aus dem digitalen Raumin-formationssystem

der Vorfallsort bei Strkm 5.920 liegen. Auch die vom Berufungswerber zu überholen beabsichtigten Fahrzeuge waren für ihn ohne jeglichen Zweifel überblickbar, sodass die Möglichkeit, sich nach dem Vorgang wieder einordnen zu können objektiv wohl nicht in Frage gestellt werden kann. Dabei dürfte der Berufungswerber jedoch das bevorstehende Abbiegemanöver, welches durch die Lenkerin des abbiegenden Fahrzeuges bereits sieben bis zehn Sekunden vorher angezeigte, was allenfalls jedoch vom nachfahrenden Fahrzeug für den Berufungswerber verdeckt worden sein könnte, im Zuge seines eingeleiteten linksseitigen Überholmanövers zu spät bemerkt haben. Andererseits bemerkte sehr wahrscheinlich auch die Berufungswerberin den offenbar bereits vor der Einleitung ihres Abbiegemanövers eingeleiteten Überholvorgang nicht rechtzeitig, sodass es folglich im genannten Kreuzungsbereich zur Kollision und Sturz des Berufungswerbers kam.

Unbestritten ist, dass es sich bei dieser Örtlichkeit um eine ungeregelte Kreuzung handelt.

 

Mit der Strafverfügung vom 19.11.2001 wurde dem Berufungswerber der Tatbestand nach § 15 Abs.2 lit.a StVO zur Last gelegt, wonach er ein Fahrzeug (links) überholte, welches seine Absicht nach links abzubiegen angezeigte. Auch im Rahmen der weiteren Kenntnisnahmen der von der Behörde erster Instanz eingeholten Beweisen kam es jedoch zu keiner Verfolgungshandlung in Hinblick auf den Vorwurf des Verbots eines Überholens mehrspuriger Kraftfahrzeuge auf einer ungeregelten Kreuzung.

Ab dem 26.3.2002 blieb der Akt bis zur Erlassung dieses Straferkenntnisses am 17.3.2003 und der Einstellung des Tatvorwurfes iSd Strafverfügung am gleichen Tag offenbar unbewegt.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

5.1.1. § 16 Abs.1 lit.a und c StVO 1960 lauten:

 

Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen:

a) wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist,

c) wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern;

Demgegenüber lautet der Verbotstatbestand nach § 16 Abs.2 lit.c StVO: "..... mehrspurige Fahrzeuge auf Kreuzungen, auf denen der Verkehr nicht durch Arm- oder Lichtzeichen (§ 36) geregelt wird; es darf jedoch überholt werden, wenn die Kreuzung auf einer Vorrangstraße durchfahren wird oder wenn rechts zu überholen ist (§ 15 Abs. 2),...."

 

5.1.2. Zweck der allgemeinen Überholverbotsnormen ist der Ausschluss der Gefährdung von Straßenbenützern. Unzweifelhaft ist, dass es sich hier um einen Überholvorgang gehandelt hat der klar entgegen zuletztgenannten Schutznorm durchgeführt wurde, wenngleich auch der Lenkerin des zu überholen versuchten (abbiegenden) Fahrzeuges offenbar durch Unterbleiben eines sogenannten Blicks in den Rückspiegel bzw. Schulterblick ein Fehler unterlaufen sein mag. Dabei wurde jedoch jedenfalls kein Gegenverkehr gefährdet. Daher kann von einer Zuwiderhandlung im Sinne des Schutzziels gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO wohl nicht die Rede sein (vgl. etwa h. Erk. vom 20. Jänner 1998, VwSen-105075/11/GU/Mm).

 

5.1.3. Eine konkrete Behinderung oder Gefährdung wäre nach dem Tatbild des § 16 Abs.1 lit.c StVO wohl nicht erforderlich. Die Zulässigkeit des Überholens ist nicht vom Endpunkt des Überholmanövers, sondern von dessen Beginn aus zu beurteilen (VwGH 20.11.1967, ZVR 1969/11 u.v.a.). Dabei ist für eine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich die Feststellung jener Umstände vorausgesetzt, die für die Länge der für den Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung ist, das sind in erster Linie die Geschwindigkeiten des Überholenden und des (der) zu überholenden Fahrzeuge(s). Ebenso sind vor dem Überholmanöver Umstände zu beurteilen, welche einem Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten (VwGH 12.3.1986, 85/03/0152). Gegen diese Tatbestandselemente wurde mit dem Überholvorgang des Berufungswerbers dezidiert nicht verstoßen.

Wenn etwa die Schutzfunktion hinsichtlich des § 16 Abs.1 lit.a StVO nicht nur darin besteht, einen gefahrlosen Gegenverkehr zu ermöglichen, sondern auch, alle Schäden zu verhindern, die beim Überholen und Wiedereinordnen entstehen können (vgl. OGH 23.11.1977, 8 Ob 160/77, ZVR 1979/120), konnte hier auf Grund des Beweisergebnisses der Tatvorwurf auch nicht unter die Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.c StVO subsumiert werden. Es würde die Rechtslage verkannt, würde man jegliches Fehlverhalten eines Dritten - was letztlich ex post betrachtet in einem Kollisionsfall den Überholvorgang immer als unsicher beurteilen lässt - den Lenker eines überholenden Kraftfahrzeuges im Wege der hier angewendeten Rechtsvorschrift zurechnen wollen. Mit Blick darauf erweist sich der Vorwurf mit dem Linksabbiegen, nicht gerechnet zu haben, als unzutreffend. Dieser Möglichkeit ist jedoch mit dem Schutzziel des § 16 Abs.2 lit.c StVO Rechnung getragen.

 

5.2. Hier lässt sich jedoch hinsichtlich der spezielleren Schutzvorschrift nach § 16 Abs.2 lit.c StVO eine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG nicht erkennen (VwGH 23.1.1991, 89/03/0302, mit Hinweis auf HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. h zu § 32 VStG, S. 882, und die dort zitierte Judikatur).

Die entsprechenden Tatbestandselemente lassen sich hier weder aus der Anzeige noch aus einem als Verfolgungshandlung zu qualifizierenden Verfahrensschritt (innerhalb von sechs Monaten) nachvollziehen. Der Berufungswerber war dadurch in Wahrheit nicht in der Lage einen auf den (richtigen) Tatbestand zielende Verteidigungshandlungen vorzunehmen. Daher wäre er mit einer Änderung des Tatvorwurfes in seinen Verteidigungsrechten verletzt. Mit einer entsprechenden Spruchänderung würde eine Tatausdehnung und damit eine unzulässige Neuerung in Form einer Auswechslung (ein aliud) verbunden. Der Berufungsbehörde ist demnach eine Korrektur verwehrt.

 

5.2.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das bedeutet, dass die Tat hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, dass eine Zuordnung zur Verwaltungsvorschrift, die durch diese Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A, VwGH 13.12.2000, 2000/03/0294).
Da eine diese Erfordernisse Rechnung tragende Verfolgungshandlung nicht vorliegt, bzw. das zur Last liegende Tatverhalten begangen wurde, war das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

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