Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240439/2/Gf/Stu

Linz, 30.07.2002

VwSen-240439/2/Gf/Stu Linz, am 30. Juli 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des H B, Dr. B, M, vertreten durch die RAe Dr. K W und Dr. M K, S, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf vom 17. Juni 2002, Zl. SanRB96-6-2002, wegen mehrfacher Übertretung des Lebensmittelgesetzes i.V.m. der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 931/3 Stunden festgesetzt und der Ausspruch über die Verpflichtung zur Leistung von Barauslagenersatz für Untersuchungskosten aufgehoben wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 100 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 VStG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf vom 17. Juni 2002, Zl. SanRB96-6-2002, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Wochen) verhängt, weil er es als Geschäftsführer einer G zu vertreten habe, dass von dieser im Zeitraum zwischen dem 21. März 2001 und dem 7. Februar 2002 in insgesamt 32 Fällen hinsichtlich ihrer Verbrauchsfrist falsch bezeichnete Seefische und Seefischteile in Verkehr gebracht worden seien; dadurch habe er eine Übertretung des § 19 i.V.m. § 74 Abs. 5 Z. 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: LMG) i.V.m. § 4 Z. 5 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr. 72/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. II 462/1999 (im Folgenden: LMKV), begangen, weshalb er nach § 74 Abs. 5 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 24. Juni 2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 8. Juli 2002 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch (im Folgenden: ÖLMB) für frische Seefische und Seefischteile das Verpackungsdatum gleichzeitig als Verbrauchsfrist gelte. Dem Rechtsmittelwerber sei es aber jeweils gezielt nur darauf angekommen, sein neuartiges Verpackungssystem, mit dem frischer Seefisch mehrere Tage haltbar gemacht werden könne, als eine gleichwertige Alternative am Markt zu installieren.

Im Zuge der Strafbemessung sei von vorsätzlicher Begehungsweise in Form eines fortgesetzten Deliktes mit gravierender Schädigung von Konsumenteninteressen auszugehen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich sein Unternehmen bereits seit Jahrzehnten mit dem Vertrieb von frischen Fischen beschäftige. In jüngster Zeit sei man zur Verpackung nach der MAP-Technologie ("modified atmosphere packaging") übergegangen, bei der unter einer luftundurchlässigen Folie die sauerstoffreiche Luft durch ein das Bakterienwachstum hemmendes Gasgemisch verdrängt wird; demgegenüber basieren die Festlegungen des ÖLMB noch auf der früher gängigen Verpackungsweise auf Styroportassen mit luftdurchlässiger Folie. Die MAP-Methode sei wissenschaftlich anerkannt und finde bereits im gesamten EU-Bereich Verwendung, wobei hinsichtlich diverser Produkte Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdaten zwischen 7 und 14 Tagen beobachtet werden könnten, während die verfahrensgegenständlichen Waren ohnehin höchstens mit einer Mindesthaltbarkeitsdauer von 5 Tagen gekennzeichnet gewesen seien.

Mangels Tatbestandsmäßigkeit der angelasteten Übertretungen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Kirchdorf zu Zl. SanRB96-6-2002; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 LMG i.V.m. § 4 Z. 5 LMKV begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen, der verpackte Waren nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum kennzeichnet.

4.2. Anders als in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargestellt ergibt sich die Festsetzung, dass für frische Seefische nur eine Verbrauchsfrist von einem Tag gilt, nicht aus dem ÖLMB selbst*, sondern aus einem auf den §§ 53 und 54 LMG fußenden Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission (vgl. den dementsprechenden Erlass des BKA, Zl. 32035/6-VI/B/1b/97).

Rechtssystematisch betrachtet ergibt sich daraus jedoch insofern keine Konsequenz, als nach § 51 LMG auch das ÖLMB (nicht etwa Verordnungsqualität aufweist, sondern - offenkundig aus Flexibilitätsgründen -) bloß als ein Sachverständigengutachten konzipiert ist (vgl. z.B. W. B u.a. [Hrsg.], Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Aufl., Loseblattausgabe seit 1991, Kommentar zum VII. Abschnitt und zu § 51, 3 ff, m.w.N.).

Für den Beschwerdeführer bedeutet dies allerdings, dass derartige Festsetzungen nicht schon mit bloßen Behauptungen konträren Inhalts in Frage gestellt oder entkräftet werden könnten; vielmehr hätte er diesen auf gleicher fachlicher Ebene - nämlich im Wege eines entsprechenden Gegengutachtens - entgegentreten müssen (vgl. allgemein die zahlreichen Judikaturnachweise bei W. H - O. L, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, 374 f; s. im Besonderen zu den Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses z.B. VwSen-240314 v. 17. März 1999). Sein Antrag auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zum Zweck der Aufnahme entsprechender Sachverständigenbeweise zum Beleg für die Tauglichkeit seiner Verpackungstechnik läuft hingegen vielmehr auf die Einholung unzulässiger (vgl. W. H - O. L, a.a.O., 889 f) Erkundungsbeweise hinaus.

Indem es der Rechtsmittelwerber aber insgesamt besehen gänzlich unterlassen hat, derartige Gegengutachten oder vergleichbare Fachreferenzen zur Unterstützung seines Standpunktes vorzulegen, ist sohin davon auszugehen, dass die Festsetzung des Ständigen Hygieneausschusses, wonach von "frischem Seefisch" lediglich dann gesprochen werden kann, wenn als Haltbarkeitsdatum allein der Verpackungstag angeführt ist, auch für den gegenständlichen Fall maßgeblich bleibt. Dass er aber in sämtlichen ihm angelasteten Vorfällen längere Haltbarkeitsfristen (zwischen 2 und 5 Tagen) angegeben hat, wird von ihm selbst gar nicht bestritten.

Der Beschwerdeführer hat daher tatbestandsmäßig gehandelt.

4.3. Auf der Ebene des Verschuldens kann der Vorinstanz grundsätzlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einem vorsätzlichen Handeln mit Fortsetzungszusammenhang ausgegangen ist; auch der Rechtsmittelwerber bringt diesbezüglich keine Einwendungen vor.

4.4. Allerdings erhebt sich die Frage, weshalb die belangte Behörde das strafwürdige Verhalten des Beschwerdeführers über einen derart langen, nämlich nahezu 1 Jahr währenden Zeitraum bloß beobachtet hat, ohne selbst aktiv Gegenmaßnahmen - wie z.B die Erlassung eines abgesonderten Straferkenntnisses schon zu einem früheren Zeitpunkt - zu ergreifen.

Hätte nämlich die Tat des Rechtsmittelwerbers wirklich jene gravierende Interessenschädigung der Konsumenten zur Folge gehabt, wie dies von der belangten Behörde zur Begründung des Strafausmaßes angenommen wurde, dann wäre ihr langes untätiges Zuwarten selbst als rechtswidrig zu beurteilen.

Tatsächlich liegt aber eine derart massive Interessensbeeinträchtigung gar nicht vor, wurden zu den verschiedenen Tatzeitpunkten doch nicht etwa ganze Produktchargen, sondern lediglich einzelne (1 bis 3) Packungen beanstandet. Außerdem wurde lediglich die eintägige Verbrauchsfrist auf zwischen zwei und fünf Tagen erweitert, sodass im Ergebnis allenfalls lediglich ein Irrtum über die Eigenschaft als "frisch" entstehen konnte, ohne dass deshalb auch eine Beeinträchtigung der Genusstauglichkeit o.ä. festgestellt worden wäre.

Davon ausgehend findet es der Oö. Verwaltungssenat in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe auf 1.000 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 931/3 Stunden herabzusetzen.

4.5. Die Verpflichtung zum Ersatz der Untersuchungskosten gemäß § 45 Abs. 2 LMG setzt denknotwendig voraus, dass die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises überhaupt erforderlich war. Dies trifft jedoch nicht zu, wenn es zur Klärung von Sachfragen - wie hier (s.o., 4.2.) - keines besonderen Fachwissens (mehr) bedarf.

Die Beurteilung, dass die vom Ständigen Hygieneausschuss für frische Seefische festgelegte eintägige Haltbarkeitsfrist im gegenständlichen Fall dadurch missachtet wurde, dass auf der Verpackung eine solche zwischen zwei und fünf Tagen deklariert war, hätte aber die belangte Behörde offenkundig schon unschwer aus Eigenem vornehmen können.

4.5. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als die Geldstrafe mit 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 931/3 Stunden festgesetzt werden sowie der Ausspruch über die Verpflichtung zur Leistung von Barauslagenersatz für Untersuchungskosten aufgehoben wird; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 100 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Beschwerdeführer gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 16.12.2002, Zl.: 2002/10/0155

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