Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109200/17/Re/Sta

Linz, 14.07.2004

 

 

 VwSen-109200/17/Re/Sta Linz, am 14. Juli 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des H H S, vertreten durch G R, Rechtsanwalt in J, K, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 16.7.2003, S-10.298/03-4, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (iF: StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23.6.2004, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe zum Faktum 3. des Straferkenntnisses vom 16.7.2003, S-10.298/03-4, auf 100 Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verringert sich auf Grund der Herabsetzung der verhängten Strafe zum Faktum 3. auf 10 Euro (10% der verhängten Geldstrafe).
  3. Es entfallen jegliche Kostenbeiträge zum Berufungsverfahren vor dem
    Oö. Verwaltungssenat.

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1.
Zu II. und III.: §§ 64 und 65 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 16.7.2003,
S-10.298/03-4, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in der Höhe von

  1. 30 Euro
  2. 70 Euro
  3. 150 Euro,

für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von

  1. 12 Stunden
  2. 36 Stunden
  3. 72 Stunden

verhängt, weil er am 18.3.2003 um 0.37 Uhr

  1. in Linz, Wiener Straße, Kreuzung Turmstraße bis Höhe Salzburger Straße 2 mit dem Kraftfahrzeug Kennzeichen , das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" missachtet hat,
  2. in Linz, Wiener Straße ab Höhe Nr. 196 bis Höhe der Tankstelle Salzburger Straße 1 mit dem KFZ die Einbahnstraße entgegen der angezeigten Fahrtrichtung befahren hat und
  3. in Linz, Wiener Straße 258 (Anhalteort) wie anlässlich der Anhaltung festgestellt wurde, das Fahrzeug in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung gelenkt hat, die es ihm nicht mehr gestattete, das Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines solchen zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, weil er unter Medikamenteneinfluss stand.

 

Weiters wurde ihm gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von 10 % der verhängte Geldstrafe vorgeschrieben.

 

Dagegen hat der Berufungswerber, vertreten durch Rechtsanwalt G R, J, K, innerhalb offener Frist Berufung erhoben; diese Berufung wurde von der Bundespolizeidirektion Linz dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gemäß § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch Einzelmitglied zu entscheiden, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

 

In der Berufung wird im Wesentlichen vorgebracht, der Berufungswerber leide am Parkinson-Syndrom und müsse auf Grund dieser Beeinträchtigung täglich Medikamente zu sich nehmen. Er habe bereits im Rahmen seiner Rechtfertigung anlässlich der Beeinspruchung der Strafverfügung darauf hingewiesen, dass er zur Bekämpfung seiner Krankheit die Medikamente Sinemet und PK-Merz in entsprechend vorgeschriebener Dosierung einnehme. Laut Angaben der behandelnden Ärzte würden diese bei Einhaltung der vorgeschriebenen Dosierung nicht zur Fahruntauglichkeit führen. Dem Beweisantrag, ein ergänzendes amtsärztliches Gutachten einzuholen, sei nicht nachgekommen worden. Beipackzettel der Medikamente wurden beigelegt. Das Gutachten sei in Bezug auf die Beipackzettel ergänzungsbedürftig. Im Beipackzettel des Medikamentes PK-Merz bestehe zwar ein Warnhinweis, die bei Unklarheiten erforderliche fachliche Beratung habe er jedoch bei seinen Ärzten eingeholt. Von diesen wurde eine Fahruntauglichkeit verneint. Im Übrigen sei seit der letzten Tabletteneinnahme um 16.00 Uhr bis zum Zeitpunkt der Anhaltung um 0.37 Uhr ein Zeitraum von 8 1/2 Stunden verstrichen. Es werde beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu die verhängte Strafe in eine mildere umzuwandeln oder gemäß § 21 VStG ganz nachzusehen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23.6.2004.

 

An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber persönlich nicht teil. Für ihn war eine Vertreterin der von ihm bevollmächtigten Anwaltskanzlei R anwesend. Als Zeugen vernommen wurden einerseits die bei der Anhaltung anwesende Vertreterin der Bundespolizeidirektion Linz, Frau G S sowie der anlässlich der Anhaltung beigezogene Amtsarzt T R C. Ein Vertreter der Bundespolizeidirektion Linz war bei der mündlichen Verhandlung entschuldigt.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde zunächst außer Streit gestellt und von der Vertreterin des Berufungswerbers ausdrücklich bestätigt, dass die gegenständliche Berufung, welche auf ihrer ersten Seite sämtliche übertretenen Tatbestände bzw. Gesetzesbestimmungen der Straßenverkehrsordnung lt. Straferkenntnis zitiert, ausschließlich das Faktum 3. des Spruches dieses Straferkenntnisses bekämpft, die Tatbestände 1. und 2., betreffend die Missachtung des Verbotszeichens "Einfahrt verboten" und das Befahren einer Einbahnstraße gegen die angezeigte Fahrtrichtung somit von der Berufung nicht erfasst und der Spruch des bekämpften Erkenntnisses diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen ist.

 

Demnach lenkte der Berufungswerber am 18.3.2003 um ca. 0.37 Uhr sein Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen in Linz in der Wiener Straße, Kreuzung Turmstraße bis Höhe Salzburger Straße 2, wobei er dort das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" missachtet hat und im Bereich Wiener Straße ab Höhe Nr. 196 bis Höhe der Tankstelle Salzburger Straße 1, wobei er in diesem Bereich die dort verordnete Einbahnstraße entgegen der angezeigten Fahrtrichtung befahren hat . Im Rahmen der auf Grund dieser Übertretungen erfolgten Anhaltung des Berufungswerbers durch die Organe der Bundespolizeidirektion Linz wurde zunächst auf Grund des auffälligen Zustandes des Berufungswerbers ein Alkotest durchgeführt, jedoch mit negativem Ergebnis, weshalb in der Folge der Amtsarzt beigezogen wurde. Dieser attestierte letztlich nach durchgeführter Untersuchung die Fahruntauglichkeit wegen einer Beeinträchtigung durch Medikamente.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wiederholt die Vertreterin des Berufungswerbers in Bezug auf das bisherige Vorbringen die Aussage des behandelnden Arztes des Berufungswerbers, wonach dieser ihm bestätigt habe, dass er sowohl in geistiger als auch in körperlicher Hinsicht fahrtüchtig sei. Eine diesbezügliche schriftliche Bestätigung liege derzeit nicht vor. Die Medikamente würden individuell auf den Patienten eingestellt, weshalb die Beipacktexte wenig Aussagekraft besitzen.

 

Die amtshandelnde Vertreterin der Bundespolizeidirektion Linz gab im Rahmen der zeugenschaftlichen Einvernahme bei der Berufungsverhandlung ohne Widerspruch gegenüber der in der Anzeige befindlichen Sachverhaltsdarstellung an, der Berufungswerber habe langsam reagiert und wirkte verwirrt. Er hatte Schwierigkeiten beim Vorweisen der Fahrzeugpapiere sowie beim Aussteigen aus dem Fahrzeug. Er konnte nicht angeben woher er kam und machte weitausholende Armbewegungen beim Gespräch. Er hatte Gleichgewichtsauffälligkeiten, die Sprache war langsam und teilweise stotternd, der Alkotest verlief jedoch negativ. Nach Einschätzung der Polizeibeamtin war der Berufungswerber körperlich und geistig nicht in der Lage, das Fahrzeug zu beherrschen bzw. sich entsprechend den Rechtsvorschriften zu verhalten. Das auffällige Verhalten sei ihrer Meinung nach nicht nur auf Nervosität zurückzuführen gewesen.

 

Der Amtsarzt und im Rahmen der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich einvernommene R T C bestätigte im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme das zusammenfassende Ergebnis der ärztlichen Untersuchung, wonach diese Untersuchung zur gutächtlichen Aussage führte, dass sich der Berufungswerber auf Grund der beobachteten Symptome und festgestellten Ergebnisse des psychophysischen Tests zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges durch Medikamente beeinträchtigt und nicht fahrfähig war. In der Folge gab er konkret zu einzelnen Untersuchungsergebnissen des im Verfahrensakt der belangten Behörde aufliegenden ärztlichen Befundes und Gutachten vom 18.3.2003 an:

 

Zu dem im Befund Seite 1 festgestellten starken Augenzittern bei einem Winkel von 45 Grad führt er aus, dass dieses Ergebnis auffallend sei und aussagt, dass der Untersuchte durch irgend etwas beeinträchtigt ist. Auch das Ergebnis beim Test betreffend "Schielen", durchgeführt mit dem sogenannten Bleistifttest, zeigt eine Auffälligkeit. Die hiebei nicht festgestellte Reaktion der Augen ist ein Zeichen von einer Einflussnahme durch Alkohol, Drogen oder Medikamente. Der auf Befundseite 2 festgestellte Wert von 12 Sekunden des "Dreh-Nachnystagmus" beinhaltet eine deutliche Auffälligkeit; Normalwerte liegen bei 6 Sekunden und würde der festgestellte Wert von 12 Sekunden, verglichen mit einer Alkoholbeeinträchtigung, einen Blutalkoholwert von 1,2 Promille bedeuten. Dieses Symptom wird auch durch Drogen oder Medikamente verursacht. Die psychophysische Beurteilung ergab einen benommenen, dh schläfrigen oder übermüdeten Zustand, welcher sich auf das Fahrverhalten im Straßenverkehr auswirken kann. Zur Feststellung, in welcher Menge der Berufungswerber tatsächlich Medikamente oder Drogen eingenommen hat, wäre eine Urin- und Blutuntersuchung wesentlich gewesen, diese wurde jedoch vom Berufungswerber verweigert. Auch das Anheben der Arme beim sogenannten "Geh- und Drehtest" bedeutet, dass der Untersuchte durch Drogen, Alkohol oder Medikamente beeinträchtigt ist. Beim "Romberg-Test" war festzustellen, dass der Untersuchte im Rahmen des ruhigen Stehens in einem Zeitraum von 30 Sekunden laut Amtsarzt fast eingeschlafen wäre.

 

Zur Wirkung der vom Berufungswerber angegebenen und von ihm eingenommenen Medikamente PK-Merz und Sinemet stellt der Amtsarzt fest:

"Zur Wirkung der eingenommenen Medikamente Sinemet gebe ich an:

Ich zitiere aus dem medizinischen Codex, in welchem die Beipacktexte angeführt sind: Nebenwirkungen: Zentrales Nervensystem: selten treten auf Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Albträume, Angst, Verwirrung, Nervosität, Somnolenz (Schläfrigkeit). [Festgehalten wird vom Verhandlungsleiter an dieser Stelle, dass dieses Zitat ident ist mit dem im Akt befindlichen Beipacktext des Medikamentes Sinemet]. Weiters ist angeführt, dass im Falle einer Überdosierung mit einem verstärkten Auftreten von L-Dopa-Nebenwirkungen zu rechnen ist. Dies sind diese Nebenwirkungen, die ich im oben zitierten Befund festgestellt habe. Grundsätzlich ist zur Frage der Überdosierung zu sagen, dass dann, wenn sich der Patient an die ärztlich verordnete Verschreibung hält, nicht von einer Überdosierung ausgegangen werden kann. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die genannten Nebenwirkungen nicht nur bei Überdosierung (dort jedenfalls) auftreten, sondern auch bei normaler Dosierung eintreten können (Zitat "selten treten auf..."). Ich gehe in einem solchen Fall davon aus, dass bei den von mir festgestellten Symptomen der Patient entweder durch Überdosis beeinflusst ist oder durch Suchtgift. Wenn mir der Patient glaubhaft versichert, dass er keine Überdosis genommen hat, auch keine Drogen nimmt, dann muss es sich zwangsläufig um eine selten vorkommende Nebenwirkung bei verordneter Dosiseinnahme handeln, andernfalls ich an seinen Aussagen in Bezug auf Überdosis oder Drogen ernsthaft zweifeln muss.

Wenn ich mir nun den Akt aufliegenden Beipacktext zum Medikament PK-Merz letztlich ansehe, gebe ich hiezu an:

Bei diesem Medikament sind nicht die selben einschlägigen Nebenwirkungen wie bei Sinemet angeführt, sondern unter den Warnhinweisen angeführt, dass dieses Arzneimittel auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen soweit verändern kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird. Diese Warnhinweise sind keine Nebenwirkungen, sondern handelt es sich hiebei um Forschungsergebnisse.

Zur Frage in Bezug auf das Berufungsvorbringen, die vorgegebenen Medikamente würden jeweils um 8.00 Uhr, um 12.00 Uhr und um 16.00 Uhr eingenommen, die Untersuchung um 0.37 Uhr ergibt somit einen Zeitraum von 8 1/2 Stunden seit der letzten Medikamenteneinnahme, gebe ich an, dass der Untersuchte dann, wenn sein behandelnder Arzt ihm diese Einnahme verordnet hat, davon ausgehen muss, dass die letzte Einnahme um 16.00 Uhr auch reicht. Ich muss davon ausgehen, dass die Behandlung des Herrn S grundsätzlich in Ordnung war. Ich kann nicht sagen, ob die Tatsache, dass die Medikamente um 8.00 Uhr, 12.00 Uhr und um 16.00 Uhr eingenommen werden, ob auf allfällige Nebenwirkungen um Mitternacht noch einen Einfluss hat. Als Erklärung für den von mir festgestellten Zustand des Berufungswerbers in Bezug auf die Medikamenteneinnahme kann daher nur sein, dass entweder eine Überdosierung vorliegt oder eine sogenannte Kumulierung der Normaldosis, was einen laufend steigend Wert im Körper bedeutet. Andere Varianten wären nur mehr Alkohol und Suchtgift. Alkohol wurde untersuchungstechnisch ausgeschlossen, Suchtgift wurde vom Untersuchten verneint."

Weiters führte er über Befragen der Vertreterin des Berufungswerbers aus:

"Ich habe den Untersuchten nicht befragt, wie viele Tabletten er genau genommen hat. Auch über die Verordnung des Arztes Therapie etc. habe ich ihn nicht befragt. Unter einer Überdosierung verstehe ich die tatsächliche Mehreinnahme von Tabletten, zB. 3 x 3 Tabletten anstelle 3 x 1 Tablette, somit eine Einnahme von mehr Tabletten als zur konkreten Behandlung der festgestellten Parkinsonsyndrome tatsächlich notwendig und verordnet sind. Aufgrund der bereits mehrjährigen Behandlung sollte man davon ausgehen können, dass der Patient ausreichend eingestellt ist.

Zur Frage, warum im Beipacktext des Medikamentes Sinemet nichts von einer möglichen Beeinträchtigung des Fahrverhaltens steht, gebe ich an, dass ich diese Frage nicht beantworten kann. Die Inhalte des Beipacktextes sind Ergebnisse der laboratorischen Untersuchungen. Möglicherweise weil die normale oder verordnete Einnahme dieses Medikaments diese Nebenwirkungen wie Somnolenz Schläfrigkeit etc. nur selten bewirken kann. Das ist aber nur meine Interpretation. Zur Frage, ob die festgestellten Symptome auch durch Übermüdung hervorgerufen sein könnte, da Herr S einen anstrengenden Tag hinter sich hatte und die Untersuchung erst um 2.00 Uhr in der Früh durchgeführt wurde, gebe ich an, dass der Untersuchte mir gegenüber von Müdigkeit nichts erwähnt hat. Ergänzend stelle ich fest, dass die festgestellten 12 Sekunden beim Test Dreh-Nachnystagmus nicht durch Übermüdung hervorgerufen werden kann, sondern durch andere Beeinflussung. Die festgestellte Benommenheit alleine kann sicherlich auch ausschließlich durch Übermüdung hervorgerufen werden."

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Auffassung, dass die Aussagen der Gendarmeriebeamtin und des Amtsarztes im Rahmen der zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat einerseits übereinstimmend mit den Ergebnissen des erstinstanzlichen Verfahrens, andererseits in sich widerspruchsfrei und schlüssig sind. Es bestehen keinerlei Bedenken, diese Aussagen der Entscheidung zu Grunde zu legen. Die unter Wahrheitspflicht erfolgte Vernehmung der Zeugen im Rahmen der Berufungsverhandlung ergab somit entscheidungstaugliche Aussagen. Von der Beamtin der Bundespolizeidirektion sowie von einem Amtsarzt ist grundsätzlich zu erwarten, dass sie einen derartigen einschlägigen Sachverhalt entsprechend wiedergeben können. Sie sind insbesondere auch speziell für solche Aufgaben geschult. So wurde bereits von der Polizeibeamtin glaubhaft das auffallende Verhalten des Berufungswerber dargestellt, woraus bereits sie eine Beeinträchtigung des Berufungswerber vermutete, sowie die körperliche und geistige Fähigkeit, das Fahrzeug zu beherrschen bzw. sich entsprechend den Rechtsvorschriften zu verhalten, in Frage stellte und deswegen der Amtshandlung einen Amtsarzt beizog.

Den in der Folge erlangten Untersuchungsergebnissen des Amtsarztes und dessen ausführliche Erläuterung im Rahmen der Berufungsverhandlung ergaben ebenso zweifelsfrei, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Anhaltung körperlich und geistig nicht in der Lage war, das Fahrzeug zu beherrschen bzw. sich entsprechend den Rechtsvorschriften zu verhalten. Es war daher auch Aufgabe des Amtsarztes festzustellen, welche Art von Beeinträchtigung im gegenständlichen Fall vorliegt. Den unwidersprochenen und glaubwürdigen Aussagen des Amtsarztes zufolge sind Untersuchungsergebnisse wie insbesondere der 12 Sekundenwert beim Dreh-Nachnystagmus, das starke Augenzittern bei einem Winkel von 45 Grad, die Augenstarre beim Schieltest wie auch weitere Ergebnisse wie zB die schläfrige bzw. schlaffe Reaktion beim Geh- und Drehtest eindeutige Hinweise auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol oder Drogen oder Medikamente. Ein ausschließliches Übermüdetsein wurde dabei gleichzeitig ausgeschlossen. Schlüssig ist weiters die Aussage, dass einerseits der durchgeführte Alkotest negativ verlief, andererseits die Beschuldigte die Drogeneinnahme ausschließlich verneint hat und diesbezügliche Tests durch Urin- bzw. Blutuntersuchung verweigert hat, somit als Ursache der Beeinträchtigung der Medikamenteneinfluss übrig bliebt, welcher vom Beschuldigten durch die Angabe der für die Behandlung des Parkinson-Syndroms angegebenen, regelmäßig eingenommenen Medikamente zusätzlich verstärkt wurde.

Das Berufungsvorbringen, der Berufungswerber nehme lediglich die ihm von seinem Arzt verordneten Medikamente ein und sei ihm versichert worden, dass bei Einnahme dieser Menge von Medikamenten eine Fahruntauglichkeit nicht besteht, kann den Berufungswerber - wie unten zu erläutern sein wird - in gewisser Weise, jedoch nicht völlig entschuldigen. Die Aussagen des Amtsarztes stellen ausdrücklich fest, dass es sich bei den von ihm bei der Untersuchung festgestellten Symptomen entweder um eine Überdosierung der Medikamente oder um eine selten vorkommende Nebenwirkung bei Einnahme der verordneten Dosis des Medikaments handelt. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Kumulierung der Normaldosis, was einen laufend steigenden Wert im Körper bei länger dauernder Einnahme bedeutet.

Diese Aussagen beziehen sich auf das Medikament Sinemet, welches im Beipacktext ausdrücklich auf das zentrale Nervensystem wirkende Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Angst, Verwirrung, Nervosität, Somnolenz (Schläfrigkeit) festhält.

Darüber hinaus ist noch auf die Warnhinweise im Beipacktext zum Medikament PK-Merz zu verweisen, welcher ausdrücklich darauf hinweist, dass das Arzneimittel auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen soweit verändern kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt wird. Es handelt sich hiebei um Forschungsergebnisse, doch sind auch solche jedenfalls Anlass für den Lenker eines Kraftfahrzeuges, bei Einnahme derartiger Medikamente ein verstärktes Augenmerk auf die eigene Körperverfassung, und zwar in Bezug auf das Lenken von Kraftfahrzeugen zu richten.

Auch das Vorbringen der Vertreterin des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung, die festgestellten Symptome könnten auch durch Übermüdung hervorgerufen worden sein, da Herr S einen anstrengenden Tag hinter sich hatte und die Untersuchung erst um 2.00 Uhr früh durchgeführt worden sei, kann nicht zur Aufhebung des Straferkenntnisses führen. Zum einen stellt der Amtsarzt zweifelsfrei fest, dass der Untersuchte ihm gegenüber von Müdigkeit nichts erwähnt hat, darüber hinaus könne zB das Ergebnis beim Test Dreh-Nachnystagmus das ausschließliche Vorliegen von Müdigkeit jedenfalls ausgeschlossen werden.

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht somit die Beeinflussung des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt durch Medikamente als erwiesen fest, insbesondere auch aus dem Grund, als die beiden anderen Varianten der Einflussnahme (Alkohol und Suchtgift) auszuschließen waren.

Gemäß § 58 Abs.1 StVO darf ein Fahrzeug unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs.1 nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 99 Abs.3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges .... gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt. ...

In Bezug auf die Erfüllung des objektiven Tatbildes lässt der diesbezüglich festgestellte Sachverhalt unschwer eine Subsumtion unter die zitierte gesetzliche Bestimmung zu. Dem Berufungsvorbringen nach Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens unter Berücksichtigung der Beipackzettel der vom Berufungswerber verwendeten Medikamente wurde - da berechtigterweise vorgebracht - entsprochen. Die Beantwortung der Frage, ob die wahrgenommenen Symptome den Schluss auf eine mangelnde Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 58 Abs.1 StVO 1960 zulassen, bedarf nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eingehender, allenfalls auch auf das Gutachten eines Sachverständigen gestützter behördlicher Feststellungen. Dass die Symptome auf die Beeinflussung durch Medikamente zurückzuführen sind, steht auf Grund der eindeutigen Aussagen des Amtsarztes fest.

Ergänzend sei an dieser Stelle angeführt, dass laut der diesbezüglich strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Zl. 312/68) bereits aus der Nichtbeachtung von Verkehrsvorschriften auf eine Beeinträchtigung im Sinne des § 58 Abs.1 geschlossen werden kann. Ergänzt wird dieses Erfordernis im gegenständlichen Verfahren durch Feststellungen der anhaltenden Beamtin der Bundespolizeidirektion, die auf Nebenwirkungen und Warnhinweisen Bezug nehmenden Beipacktexte der unbestritten eingenommenen Medikamente sowie letztlich die eindeutigen und schlüssigen Aussagen des Amtsarztes. Diese nunmehr vollständig vorliegenden Ermittlungsergebnisse belegen hinreichend, dass der Berufungswerber sein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt in einem durch Medikamentenbeeinflussung bedingten, nicht mehr den Anforderungen des § 58 Abs.1 StVO 1960 entsprechenden körperlichen und geistigen Verfassung befand und daher nach dieser Gesetzesbestimmung das Kraftfahrzeug hätte nicht mehr lenken dürfen.

Zur Strafbemessung ist festzustellen, dass die belangte Behörde die Strafe grundsätzlich richtig im Rahmen des gesetzlichen Strafsatzes (bis zu 726 Euro) nach den Kriterien des § 19 VStG bemessen hat. Die geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden von der Vertreterin des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung bestätigt. Als mildernd wurde das Fehlen von verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen gewertet, erschwerende Umstände lagen nicht vor.

Für die Verwirklichung von Ungehorsamsdelikten genügt fahrlässiges Verhalten. Der Beschuldigte hätte, da er regelmäßig unter Medikamenteneinfluss steht, es sich noch dazu um Medikamente handelt, in deren Beipacktexten auf Nebenwirkungen bzw. Warnhinweisen Bezug auf das Lenken von KFZ genommen wird, verstärkt auf seine körperlich Verfassung vor dem Lenken von Kraftfahrzeugen achten und hätte diesen Zustand, wie im Verfahren dargelegt wurde, selbst merken müssen, anderenfalls seine Fahrtauglichkeit generell in Zweifel zu ziehen ist. Im Rahmen des Berufungsvorbringens wurde jedoch glaubhaft dargelegt, dass sich der Berufungswerber - wie sich herausgestellt hat, zu sehr - auf die Aussagen seines behandelnden Arztes in Bezug auf die Fahrtauglichkeit trotz Medikamenteneinnahme verlassen hat. Diese Aussagen seines Arztes können ihn zum Teil entschuldigen und wurde daher dieser Umstand als strafmildernd berücksichtigt. Ein weiteres Herabsetzen der Strafe oder gar ein Absehen von der Strafe war jedoch auf Grund des bedeutenden Unrechtsgehaltes der Tat ausgeschlossen. Der Berufungswerber hat durch seinen Zustand schwere Verkehrsübertretungen begangen (Missachtung des Einfahrtverbotes, Befahren einer Einbahnstraße gegen die Fahrtrichtung) und dabei auch andere Straßenteilnehmer gefährdet. Die Bestrafung ist jedenfalls auch in spezialpräventiver Hinsicht erforderlich, um den Berufungswerber zu veranlassen, in Hinkunft verstärkt auf seine körperliche Verfassung zu achten und er im Zweifel, da er auch in Hinkunft Medikamente wird nehmen müssen, das Lenken des Kraftfahrzeuges unterlassen sollte. Dem Berufungswerber wird auch empfohlen, mit den Ergebnissen der amtsärztlichen Untersuchung Rücksprache bei seinem behandelnden Arzt zu halten, um die Dosierung seiner Medikamenteneinnahme zu überprüfen.

Aus den dargelegten Gründen war auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.

 

Die Kostenentscheidung ist in den angeführten Gesetzstellen begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. Reichenberger
 

 

Beschlagwortung:

Medikamente; Beeinträchtigung durch Medikamente

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