Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109461/6/Br/Gam

Linz, 30.01.2004

 

 

 VwSen-109461/6/Br/Gam Linz, am 30. Jänner 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W K, vertreten durch Dr. M W, Rechtsanwältin und Mediatorin, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding, vom 21. Oktober 2003, Zl. VerkR96-2706-2003/Ah, nach der am 30. Jänner 2004 im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird im Schuldspruch keine Folge gegeben; im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/20002- AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.3 Z1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG.

 
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 
 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro und für den im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 26 Stunden verhängt und ihm zur Last gelegt, er habe am 18.4.2003 gegen 14.25 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen im Stadtgebiet Schärding auf der Passauer Straße auf Höhe des Friedhofsparkplatzes stadteinwärts gelenkt, wobei er Fußgängern, die sich bereits auf dem Schutzweg befunden haben, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglichte, indem die Fußgänger stehen bleiben hätten müssen, weil er vor dem Schutzweg nicht angehalten habe; dadurch habe er nach § 9 Abs. 2 StVO 1960 i.d.g.F verstoßen.

 

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding führte in der Begründung ihres Straferkenntnisses folgendes aus:

"Der strafbare Tatbestand ist durch die dienstliche Wahrnehmung eines Organes des Gendarmeriepostens Engelhartszell erwiesen.

 

Rechtslage:

 

Nach § 9 Abs. 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

 

Sachverhalt:

 

Die behördliche Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 12.5.2003 zur gleichen Aktenzahl haben Sie rechtzeitig mit der Begründung beeinsprucht, den Vorwurf entschieden zurückzuweisen. Eine Behinderung von Fußgängern sei nicht erfolgt. Vielmehr hätten Sie bei Annäherung an den Schutzweg die Geschwindigkeit reduziert. Ein Fußgänger habe jedoch mittels Handzeichen gedeutet, dass Sie weiterfahren könnten. Dies könne die Beifahrerin (Ehefrau) bezeugen.

 

Die Behörde hat das Ermittlungsverfahren eingeleitet durch die Einvernahme des Meldungslegers als Zeugen. Diese Zeugenaussage wurde am 12.7.2003 durchgeführt.

 

Der Meldungsleger verwies zunächst auf den Inhalt seiner Anzeige und erhob diese zu seiner zeugenschaftlichen Aussage. Er erklärte, damals auf dem Friedhofsparkplatz in unmittelbarer Nähe zum Schutzweg gestanden zu sein. 6 Personen hätten versucht, die Fahrbahn auf dem dortigen Schutzweg zu überqueren und zwar Richtung Friedhof. Er habe einen Pkw Richtung Stadtzentrum fahren gesehen. Dieser sei vor dem Schutzweg nicht stehen geblieben und habe die Fahrt Richtung Zentrum fortgesetzt. Die 6 Fußgänger hätten deshalb stehen bleiben müssen obwohl sie sich bereits auf dem Schutzweg befanden (schon in Annäherung an die Mitte der dortigen Fahrbahnbreite). Er habe noch gehört, wie eine Person aus dieser Gruppe das Verhalten des nichtangehaltenen Fahrzeuglenkers kritisiert habe. Das Kennzeichen dieses Fahrzeuges habe er sich notieren können und es habe gelautet. Er habe diesen Lenker jedoch nicht mehr anhalten können. Er habe als Meldungsleger nicht gesehen, dass eine Person aus dieser Gruppe ein Zeichen gegeben habe, dass dieser Lenker (Beschuldigter) die Fahrt ohne anzuhalten fortsetzen solle.

 

Im Zuge des Verfahrens wurde noch einvernommen Ihre Ehegattin am 12.8.2003 über die Polizeiinspektion Passau. Sie erklärte zeugenschaftlich, dass sie am 18.4.2003 mit Ihnen unterwegs gewesen sei. Man sei auch in Schärding gefahren. Es habe sich dort ein Fußgängerüberweg befunden. Auf der linken Fahrbahnseite wären mehrere Fußgänger gestanden. Auf der rechten Seite zwei Gendarmeriebeamte. Als Sie an den Überweg herangefahren wären, habe ein Mann aus dieser Gruppe ein Zeichen gegeben. Dieses habe man als Aufforderung zur Weiterfahrt verstanden. Richtig sei aber, dass Sie vor dem Übergang nicht angehalten hätten, weil eben ein Passant das Handzeichen zum Weiterfahren gegeben habe. Die beiden anderen Gendarmeriebeamten wären am Gehsteig gestanden und hätten keine Anstalten gemacht, den Schutzweg zu betreten.

 

Beide zeugenschaftlichen Aussagen wurden übermittelt. Es wurde keine Rechtfertigung dazu mehr bekannt.

 

Die Behörde schließt sich den sehr glaubhaft vorgebrachten Angaben des Meldungslegers an. Er ist seit Jahren im Verkehrsüberwachungsdienst unter anderem eingeteilt. Vor der Einvernahme wurde auf die strafgerichtlichen Konsequenzen im Falle einer falschen Aussage hingewiesen. Es fanden sich aus behördlicher Sicht keine Anzeichen, dass er im Hinblick auf die erstattete Anzeige eine ihm unbekannte Person mit falschen Angaben belastet.

 

Zusätzlich kann zur Untermauerung seiner Glaubwürdigkeit angeführt werden, dass der genannte Zeuge linksseitig (Richtung Stadtzentrum gesehen) auf dem sogenannten "Friedhofsparkplatz" stand, also in unmittelbarer Nähe zum dort auf der Fahrbahn der Passauerstraße angebrachten Schutzweg. Laut zeugenschaftlicher Aussage und des Inhaltes der Anzeige entspricht es somit nicht den Tatsachen, dass zugleich zwei Gendarmeriebeamte auf der rechten Seite der genannten Straße standen. Der Meldungsleger hat alleine eine Kontrolle über die Einhaltung der genannten und zitierten Bestimmung vorgenommen. Ein weiterer Beamter war zu dieser Zeit zumindest nicht zugegen. Die Aussage Ihrer Ehegattin widerspricht daher der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers dazu erheblich, gibt doch Ihre Gattin an, auf der rechten Seite hätten sich zwei Gendarmeriebeamten aufgehalten, was nicht zutreffend ist.

 

Dass die Aussage der Zeugin M K nicht als glaubhaft zu werten ist, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass sie letztlich erklärte, dass jene Personengruppe die Fahrbahn auf dem Schutzweg noch gar nicht betreten habe. Diese Aussage steht erneut im Widerspruch zur Aussage des Meldungslegers, welcher in seiner zeugenschaftlichen Angaben unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass sich diese Personengruppe bereits in Annäherung an die Mitte der dortigen Fahrbahn befunden hätten.

 

Es widerspricht den allgemeinen Erfahrungen, dass eine Person, die zunächst erkennbar die Fahrbahn auf einem Schutzweg überqueren will, einen ankommenden Fahrzeuglenker ein Zeichen zur Weiterfahrt gibt. In aller Regel will ein solcher Fußgänger die Fahrbahn an einer solchen geeigneten Stelle überqueren und wartet darauf, dass ein ankommender Fahrzeuglenker ihm dies durch ein erkennbares Anhalten ermöglicht; die Aussage, eine Person aus dieser Gruppe habe ein Zeichen für die Weiterfahrt abgegeben, überzeugt daher nicht.

 

Darüber hinaus kann der zeugenschaftlichen Aussage von Frau K - schon im Hinblick auf die erwähnten Widersprüche zur Zeugenaussage des Meldungslegers - mit einem gewissen Vorbehalt begegnet werden, als es sich bei der genannten Zeugin um Ihre eigene Ehegattin handelt, wodurch auf Grund des persönlichen Naheverhältnisses diese Aussage als nicht ausreichend objektiv zu beurteilen war; hat doch erfahrungsgemäß die Ehegattin eines Angezeigten nicht vordergründig ein Interesse daran, dass durch ihre Hinweise eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erfolgt; eine gewisse Befangenheit ist daher anzunehmen. Dass im Gegensatz dazu der Meldungsleger einen Grund hatte, eine ihm unbekannte Person mit unwahren Angaben zu belasten, wurde im gesamten Verfahren nicht erkennbar.

 

Dem Meldungsleger war daher zuzubilligen, dass er den von ihm zur Anzeige gebrachten Sachverhalt objektiv feststellen konnte. Nachdem laut seiner Aussage diese Fußgänger nicht mehr am linken Fahrbahnrand standen, sondern bereits auf dem Schutzweg die Fahrbahn überqueren wollten, ist auch nachvollziehbar, wenn der Beamten erklärt, er habe von keiner Person dieser Gruppe ein Zeichen gesehen, welches für Sie als Hinweis der Weiterfahrt interpretiert werden konnte. Eine solche Beobachtung geht auch mit dem allgemeinen Lebenserfahrungen einher, da auf Schutzwegen befindliche Fußgänger schon gar nicht auf ihren Vorrang, die Fahrbahn zu überqueren, verzichten, sondern diesen Schutzweg gerade zum Zwecke der sicheren Überquerung betreten.

 

Auf das behördliche Schreiben vom 22.8.2003 wurde nicht mehr reagiert. Weitere Erhebungen waren nicht erforderlich. Die Behörde gelangte jedenfalls in freier Beweiswürdigung auf Grund obiger Begründung zur Überzeugung, dass die Angaben des Meldungslegers wahrheitsgemäß erfolgt sind und Ihre Einwände nur vorgebracht werden, um damit bloß einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung zu entgehen.

 

Bei der Bemessung des Strafausmaßes konnte als mildernd Ihre bisherige Unbescholtenheit gewertet werden; Erschwerungsgründe fand die Behörde nicht. Die im Spruch verhängte Geldstrafe ist schuldangemessen und entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat; im gegenständlichen Fall wurden mehrere Personen auf dem Schutzweg behindert, weil Sie vor diesem nicht anhielten. Die Herabsetzung der Geldstrafe kam daher aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht in Frage.

 

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden wie folgt angenommen: 1.000 Euro monatlich netto, für Gattin zu sorgen, kein Vermögen.

 

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet."

 

 

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit der von seiner Rechtsvertreterin wie nachfolgend wiedergegeben ausgeführten Berufung:

"In der umseits bezeichneten Verwaltungsstrafsache zeige ich an, dass ich Frau Dr. M W, Rechtsanwältin, mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und Vollmacht gern. § 10 AVG erteilt habe.

 

Durch meine bevollmächtigte Vertreterin erhebe ich gegen das Straferkenntnis vom 21.10.2003, zugestellt am 30.7.03, in offener Frist

 

BERUFUNG,

 

beantrage dieser Folge zu geben und das wider mich geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe angemessen herabzusetzen.

 

Begründung:

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wird lediglich die Aussage meiner Gattin zur Aussage des anzeigenden Gendarmeriebeamten auf ihre Glaubwürdigkeit abgewogen, wobei allerdings konkret nicht bewiesene Tatsachen zu meinem Lasten unterstellt wurden.

 

So habe auch ich in Erinnerung, dass zwei Gendarmeriebeamte vor Ort waren. Die Tatsache, dass der Meldungsleger von einem zweiten Beamten nichts gesagt hat, heißt noch lange nicht, dass ein solcher nicht tatsächlich anwesend war! Von einem tatsächlichen Widerspruch in den Aussagen kann sohin keine Rede sein, zumal der Meldungsleger offenkundig nicht einmal danach gefragt wurde, ob er alleine oder mit einem weiteren Beamten Dienst gemacht hat.

 

Soweit meiner Gattin geradezu unterstellt wird, sie hätte den Sachverhalt zu meinen Gunsten nicht objektiv wiedergegeben, so ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass ja genauso eine falsche Aussage meiner Gattin strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Das Argument einer strafrechtlichen Konsequenz nur auf seiten des Beamten heranzuziehen, mag so jedenfalls nicht zu überzeugen. Darüber hinaus heißt eine unterschiedliche Sichtweise bzw. ein unterschiedliches Erinnerungsvermögen in Details noch lange nicht, dass einer der Zeugen bewusst falsch aussagt. So geht ja auch aus der Aussage meiner Frau im Detail nicht hervor, auf welchen Zeitpunkt genau sich ihrer Wahrnehmung der Personen am Fahrbahnrand bezieht.

 

Völlig außer Acht gelassen wurde aber nach meinem Dafürhalten die Tatsache, dass man doch gerade dann, wenn sich zwei Beamte in unmittelbarer Nähe des Schutzweges befinden, diesen trotz Fußgehern, die die Überquerung beabsichtigen, nicht überfahren wird! Es hat auch meine Frau bestätigt, dass ich mich dem Schutzweg sehr langsam genähert habe, sodass mir ja prinzipiell ein jederzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Würde der Vorwurf, der von seiten der Behörde mir gegenüber in dieser konkreten Form erhoben wird, zutreffen, müsste man mir ja geradezu ein absichtliches in Kauf nehmen einer Anzeige unterstellt werden und dies widerspricht ja wohl eindeutig der allgemeinen Lebenserfahrung.

 

Wenn die erkennende Behörde zu meinen Lasten weiters ins Kalkül zieht, dass der erhebende Beamte von einem Handzeichen nichts gesehen hat, wird zu bedenken gegeben, dass es sich laut Meldungsleger immerhin um 6 Personen gehandelt hat und eine derartige Handbewegung sich im Sekundenbereich abspielt, die der Beamte notwendigerweise nicht beobachtet haben musste, sodass auch dieses Argument nicht zu überzeugen vermag.

 

Genau genommen wäre auch zu hinterfragen gewesen, ob nicht allenfalls ein Missverständnis bei der Interpretation der Handbewegung vorgelegen hat; möglicherweise habe ich diese Handbewegung, die ja tatsächlich von einem der Fußgänger abgegeben wurde, und welche die Behörde aus den schon genannten Gründen nicht einfach negieren kann, fehlinterpretiert. Dies würde an sich sogar korrespondieren mit der Aussage des Gendarmeriebeamten, wonach eine der Personen aus der Gruppe mein Verhalten kritisiert hat, wobei für diesen Fall aber darauf hinzuweisen ist, dass mir dies keinesfalls als subjektives Verschulden angerechnet werden kann.

 

Schärding, am 11. 11.20003 W K"

 

 

 

3. Die Berufung langte bei der Behörde erster Instanz 12. November 2003 ein, wobei der Berufungsakt erst mit Vorlageschreiben 16. Dezember 2003 an den Oö. Verwaltungssenat abgefertigt wurde und hier am 30. Dezember 2003 einlangte; zur verspäteten Vorlage kam es offenbar wegen des nicht an die Behörde erster Instanz zurückgelangenden Zustellnachweises des angefochtenen Straferkenntnisses (siehe AV der Behörde erster Instanz v. 29.12.2003).

Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts der Bestreitung der zu Last gelegten Übertretungshandlung in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde und dessen inhaltlichen Erörterung im Rahmen der verbunden mit einem Ortsaugenschein durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. An dieser nahm neben der Berufungswerber auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil. Dabei wurde der Meldungsleger RevInsp. G. S und die im Fahrzeug des Berufungswerbers damals mitfahrende Ehefrau, M K als Zeugen und auch der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Von der Vorfallsörtlichkeit wurde ein Lichtbild angefertigt, sowie die Straßenbreite vermessen (unten).

 

5. Nachfolgender Sachverhalt gilt als erwiesen:

 

Zur Örtlichkeit:: Der im Stadtgebiet von Schärding liegende Straßenzug verläuft an der fraglichen Stelle geradlinig und gut übersichtlich. In Fahrtrichtung Stadtzentrum liegt die östliche Einfahrt zum Friedhofsparkplatz linksseitig ca. 10 m nach der Überführung der B 137. Der verfahrensgegenständli-che Schutzweg befindet sich unmittelbar an der östlichen Parkplatzeinfahrt. Die Straße ist an dieser Stelle 11,5 m breit. Sie weist zwei durch eine Leitlinie gekennzeichnete Fahrstreifen auf.

Der Meldungsleger befand sich unmittelbar im Bereich der Straßenbrücke ca. 15 m bis 20 m von der Parkplatzeinfahrt bzw. dem Schutzweg entfernt. Er konnte von hinten auf das Fahrzeug und seitlich auf die Fußgänger blickend den Ablauf gut wahrnehmen (das beiliegende Bild wurde vom Standort des Ml aufgenommen und zeigt Personen vor dem Schutzweg in authentischer Situation).

 

Zum Sachverhalt:

Der Berufungswerber lenkte sein Fahrzeug von dem ca. 100 bis 120 m vom Schutzweg entfernten Kreisverkehr in Richtung Stadtzentrum. Seine Fahrgeschwindigkeit ist in der Annährungsphase an den Schutzweg glaubhaft mit knapp 30 km/h anzunehmen. Dies erklärte der Berufungswerber im Rahmen des Ortsaugenscheins unter vergleichenden Hinweis auf diese Stelle schätzungsweise ebenfalls mit etwa dieser Fahrgeschwindigkeit passierenden Fahrzeuge. Bereits im Verlaufe dieser Annäherung an den Schutzweg, etwa 30 m von diesem entfernt, konnte er eine Gruppe von Personen unmittelbar im Bereich des Schutzweges und diesen in Richtung des nördlich gelegenen Friedhofs zu überqueren beabsichtigend wahrnehmen. Seine mitfahrende Gattin machte ihn laut deren Aussage auf diesen Umstand aufmerksam, wobei ein Fußgänger im ein Handzeichen zum weiterfahren gegeben haben soll, was jedoch vom Meldungsleger nicht wahrgenommen wurde. Der Berufungswerber passierte sodann den Schutzweg vor der Fußgängergruppe, während diese zwischenzeitig von links bereits den Schutzweg betreten hatte. Eine Behinderung derselben ist jedoch mit Blick auf die Breite der Straße nicht anzunehmen, weil diese sich zum Zeitpunkt des Querens durch den Berufungswerber noch auf der parkplatzseitigen Fahrbahnbereich auf dem Schutzweg befunden haben.

Diesbezüglich können sowohl die zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers und der Zeugin K mit Verantwortung des Berufungswerbers in Einklang gebracht werden. Der Meldungsleger erklärte zwar ein Handzeichen durch einen der Fußgänger nicht gesehen zu haben, wobei es durchaus nachvollziehbar ist, dass er dieses von seiner Position nicht sehen konnte, indem es durch einen anderen Fußgänger verdeckt worden sein mag.

Die Verantwortung des Berufungswerbers kann, wie auch im Rahmen der Berufungsverhandlung erörtert, durchaus im Einklang mit der Praxis gesehen werden, dass Fußgänger ein Handzeichen zum Queren eines Fahrzeuges geben, um diesem das Abbremsen zu ersparen, wobei von einer Behinderung am "ungehinderten Überqueren" im technischen Sinn, dann die nicht Rede sein kann, wenn - so wie hier - die Straße breit ist und der Fahrzeuglenker sich nicht auf den allenfalls vom Fußgänger bereits betretenen Fahrstreifen befindet. Da hier die Fahrgeschwindigkeit gering war, wäre angesichts des Umstandes, dass einerseits die Gruppe vom Berufungswerber schon so früh erblickt wurde und das Anhalten leicht möglich gewesen wäre, andererseits offenbar nur ein Fußgänger ein Zeichen zum Überqueren gab, wohl doch indiziert gewesen anzuhalten und das Überqueren der Fußgänger abzuwarten.

Nicht ausgeschlossen kann werden, dass - abgesehen von jenem Fußgänger der das Handzeichen gab - diese sich in ihrer Bewegungsfreiheit in Richtung des gegenüberliegenden Straßenrandes zumindest subjektiv etwas eingeschränkt oder bedrängt gefühlt haben könnten, da der zu dem auf dem gegenüberliegenden Fahrstreifen vorbeifahrenden Fahrzeug nur wenige Meter betragen haben dürfte.

Sehr wohl lässt sich die Verantwortung des Berufungswerbers rechnerisch gut nachvollziehen. Ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h wurde vom Berufungswerber der Fußgängerübergang ab der Wahrnehmung der Fußgänger am linken Rand der Fahrbahn nach knapp vier Sekunden erreicht. Geht man davon aus, dass die Gruppe ohne zu zögern losging, befanden sie sich bei einer normaler Schrittgeschwindigkeit (1,1 m/sek) maximal 4,5 m auf der Fahrbahn als der Berufungswerber den Schutzweg überquerte. Geht man nun ferner von einer Fahrlinie ca. 0,75 m vom rechten Fahrbahnrand und einer Fahrzeugbreite von 1,6 m aus, verblieb für die Fußgänger zumindest noch ein Abstand von drei Meter zur linken Fahrzeugseite des Berufungswerbers, ehe dieses den Schutzweg in der gesamten Breite passiert hatte.

Wie oben schon erwähnt wird in einer Vielzahl solcher Abläufe zumindest von umsichtigen Fußgängern ein stiller Dialog (Blickkontakt, Handzeichen) mit Fahrzeuglenkern gepflogen, sodass im Sinne der Flüssigkeit des Verkehrs mit einer Verringerung der Schrittgeschwindigkeit und einem Handzeichen dem Fahrzeuglenker das Überqueren signalisiert wird, wobei hierin im Ergebnis keine Verletzung des genannten Schutzziels zu erblicken ist, wenngleich die Gesetzesbestimmung des § 9 Abs.2 StVO eine solche Dialogmöglichkeit und eine darauf abgestimmte Verhaltensweise zumindest dem Wortlaut nach nicht erkennen lässt. Daher könnte ein dieser Art das Überqueren nicht signalisierender Fußgänger sich durch die Herbeiführung einer so engen Weg-Zeit-Komponente zumindest subjektiv bedrängt gefühlt haben, wenngleich dahinter noch keine wie immer geartete Gefährdung erblickt werden kann.

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

6.1. § 9 Abs. 2 StVO unterscheidet zwischen Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befinden und solchen, die sich noch nicht auf diesem befinden (argum. diesen erkennbar benützen wollen). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm den Schutzbereich des Fußgängers über die als Zebrastreifen markierte Fläche hinaus ausdehnen. Durch die geltende Bestimmung reicht der Schutzzweck unter bestimmten Umständen über die angesprochene Fläche hinaus. Für den Fahrzeuglenker besteht grundsätzlich ein Unterschied, ob sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg oder beim Schutzweg befindet. Beim Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befindet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob dieser den Schutzweg "erkennbar" benützen will, sondern es stellt sich nur eingeschränkt die Frage, ob trotz Weiterfahrt dessen ungehinderte und ungefährdete Überquerung möglich ist. Im Gegensatz dazu hat der Fahrzeuglenker beim Herannahen eines Fußgängers zum Schutzweg bzw. beim direkt beim Schutzweg befindlichen Fußgänger zu beurteilen, ob dieser den Schutzweg erkennbar benützen möchte oder ob dieser zu erkennen gibt, dass er auf den Vorrang verzichtet und ob allenfalls eine berechtigte Weiterfahrt zulässig ist.

Da § 9 Abs.2 StVO sowohl den Vorrang des auf dem Schutzweg befindlichen als auch des herannahenden Fußgängers regelt, ist von zwei unterschiedlichen Tatbeständen auszugehen.

Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat insofern eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht, dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357). Wenn hier wohl eine ausreichende Geschwindigkeitsreduzierung in der unmittelbaren Annährungsphase erfolgte die ein Anhalten leicht ermöglicht hätte, ist diese Schutznorm zumindest bei formaler Betrachtung noch verletzt worden, ohne jedoch nachteilige Folgen im Sinne des Schutzziels mit sich gebracht zu haben (vgl. auch h. Erk.v. 21. September 2000, VwSen-107121/2/SR/Ri).

Zweifellos handelte es sich hier um einen Grenzfall der ein Anhalten schon erfordert hätte, wobei jedoch dem Schutzziel dieser Bestimmung in bloß geringst denkbarem Umfang zuwider gehandelt wurde. Dies mit Blick darauf, dass die Fußgänger in ihrer Absicht nur äußerst geringfügig beeinträchtigt wurden, indem sie sich in einer kurzzeitigen Phase gleichzeitig mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers am Schutzweg befunden haben, wobei der Abstand doch noch mehrere Meter betrug, wobei dieses Geschehen offenkundig sowohl unter Kontrolle des Berufungswerbers als auch jener der Fußgänger stand.

 

6.2. Nach § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde jedoch auch ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Wohl bedarf es aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates einer Ermahnung um dem Berufungswerber auf die in Österreich geltenden strengen und auch den Bereich um den Schutzweg schon greifenden Schutzbestimmungen bewusst zu machen und ihn künftighin von einer gleichartigen Übertretung abzuhalten. Unter den gegebenen Umständen ergibt sich aber ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG (vgl. dazu VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).

Wie selbst aus dem Tenor des o.a. Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hervorleuchtet, zielt die Rechtsnorm des § 21 VStG auf eine zu ermöglichende Einzelfallgerechtigkeit ab.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:
 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:
Schutzbereich, Verschulden
 
 
 

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