Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109565/9/Br/Gam

Linz, 03.03.2004

  
VwSen-109565/9/Br/Gam
Linz, am 3. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. L F K,
gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Jänner 2004, VerkR96-2515-2003, nach der am 3. März 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 14,40 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1 VStG.

Zu II: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

  1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o.a. Straferkenntnis dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 10.4.2003 um 17.42 Uhr, in Linz, Freistädterstraße 91-93, Fahrtrichtung stadtauswärts, auf dem dort gelegenen Schutzweg als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen, einer Fußgängerin nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht, indem er vor dem Schutzweg nicht angehalten habe. Dem Berufungswerber wurde aus diesem Anlass eine Geldstrafe von 72 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit zwölf Stunden Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Schuldspruch auf die dienstliche Wahrnehmung eines Organs der Bundespolizeidirektion Linz. Demnach habe sich die Fußgängerin etwa auf Mitte des Schutzweges befunden als der Berufungswerber mit unverminderter Geschwindigkeit den Schutzweg befahren (gequert) habe. Ferner wies die Behörde erster Instanz auf die damalige Abschaltung der Fußgängerampel wegen durchgeführter Reparaturarbeiten hin. Die diesbezüglich durchgeführten Überprüfungen stimmten mit den Angaben des Meldungslegers überein.

 

2. Der Berufungswerber führt in seiner dagegen fristgerecht erhobenen Berufung abermals aus, dass die Ampelanlage zum fraglichen Zeitpunkt außer Betrieb gewesen wäre. Ferner weist der Berufungswerber darauf hin, dass gegen ihn keine als straferschwerend zu wertenden Vormerkungen vorlägen.

 

3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier trotz einer unter 500 Euro festgesetzten Geldstrafe in Wahrung der gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK zu garantierenden Rechte dennoch geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung wurden von hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Örtlichkeit Fotos angefertigt, sowie im Wege des Systems DORIS digitale Luftbilder und darauf Vermessungen der Straßenbreite auf Höhe des Schutzweges vorgenommen (Bildbeilagen im Akt). Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurden diese Bilddokumente im Zuge der Beschuldigten- und der zeugenschaftlichen Vernehmung des Meldungslegers, RevInsp. R, erörtert. Im Wege einer schriftlichen Anfrage bei der Firma VA TECH ELIN EBG GmbH wurde der vom Berufungswerber bestrittene Umstand der Ampelabschaltung abermals überprüft.

 

4. Zum Sachverhalt hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Zum Sachverhalt:

Der Berufungswerber lenkte an der o.a. Örtlichkeit und Zeit sein Fahrzeug in Richtung stadteinwärts (westliche Richtung). Seine Fahrgeschwindigkeit betrug in der Annährungsphase an den westlich gelegenen Schutzweg vor dem Objekt Freistädterstraße 91-93 zwischen 40 u. 50 km/h. Zu diesem Zeitpunkt versah der Meldungsleger wegen der damals abgeschalteten Ampelanlage Verkehrsüberwachungsdienst um im Falle einer Staubildung verkehrsregelnd einzugreifen. Sein Standort war die südliche Seite der Freistädterstraße im unmittelbaren Bereich des Schutzweges. Die Freistädterstraße ist beim Schutzweg ca. zwölf Meter breit und weist in beiden Fahrtrichtungen zwei Fahrstreifen auf, wobei in der Mitte der Fahrbahn ein durch den Schutzweg unterbrochener Fahrbahnteiler errichtet ist.

 

Die Fußgängerin überquerte die Freistädterstraße in nördliche Richtung, wobei diese sich bereits in Fahrbahnmitte befand, als der Berufungswerber nicht anhielt, sondern mit der oben genannte Geschwindigkeit den Schutzweg überquerte und dadurch die Fußgängerin am ungehinderten Überqueren behinderte.

 

4.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die im Rahmen der Berufungsverhandlung durchgeführten zeugenschaftlichen Vernehmung des Meldungslegers. Dieser bestätigte in Übereinstimmung mit der Anzeige und seiner Zeugenaussage im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens die Behinderung der Fußgängerin auf dem Schutzweg. Da schließlich über h. Anfrage durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Herrn Ing. T, die Abschaltung der Verkehrsampel im fraglichen Zeitraum bestätigt wurde, ist der Sachverhalt zweifelsfrei erwiesen. Dem trat schließlich auch der Berufungswerber nicht mehr entgegen, wobei ihm darin gefolgt werden konnte, dass ihm angesichts des regelmäßigen Befahrens dieser grundsätzlich ampelgeregelten Kreuzung dieser Fehler in der mangelhaften Beobachtung des Schutzweges unterlaufen sein mag. Da ein Fahrzeuglenker in kurzer Zeitsequenz viele einzelne Signale in seinem Blickfeld zu verarbeiten hat, wobei insbesondere auf so stark frequentierten Straßenzügen, wie der Freistädterstraße im Abendverkehr, die in Fahrbahnmitte stehende Fußgängerin subjektiv nicht bzw. zu spät wahrgenommen worden sein könnte.

Auf die bereits in hoher Dichte stattfindende Verwendung des Abblendlichtes am Tag auch in Ortsgebieten und die damit potentiell einhergehende Deselektion "nicht beleuchteter Objekte" aus dem Wahrnehmungshorizont sollte an dieser Stelle auch einmal hingewiesen sein.

 

Dennoch muss unter Zugrundelegung objektiver Sorgfaltsmaßstäbe von jedem Fahrzeuglenker die ausreichende Beobachtung von Schutzwegen im Zuge der Anhörung erwartet werden. Geht man davon aus, dass die Fußgängerin bei normaler Schrittgeschwindigkeit (1,1 m/sek) zumindest schon sechs Sekunden auf der Fahrbahn verweilte, befand sich der mit 40 km/h fahrende Berufungswerber zumindest noch 66 m vom Schutzweg entfernt ehe er diesen passierte. Daraus folgt, dass er ab der möglichen Wahrnehmung der Fußgängerin beim Betreten des Schutzweges auf der linken Straßenseite, unter Annahme einer Reaktionszeit von einer Sekunde, lediglich mit einer geringfügigen Bremsverzögerung von 1,15 m/sek2 sein Fahrzeug vor dem Schutzweg anzuhalten vermocht hätte bzw. durch Verringerung der Fahrgeschwindigkeit die Fußgängerin wohl die Überquerung ohne ein vollständiges Anhalten durch ihn gewagt hätte die Fahrbahn noch vor ihm ungehindert zu überqueren (Berechnung mit Analyzer Pro 4,5).

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. § 9 Abs.2 StVO unterscheidet zwischen Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befinden und solchen, die sich noch nicht auf diesem befinden (argum. diesen erkennbar benützen wollen). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm den Schutzbereich des Fußgängers über die als Zebrastreifen markierte Fläche hinaus ausdehnen. Durch die geltende Bestimmung reicht der Schutzzweck unter bestimmten Umständen über die angesprochene Fläche hinaus. Für den Fahrzeuglenker besteht grundsätzlich ein Unterschied, ob sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg oder beim Schutzweg befindet. Beim Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befindet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob dieser den Schutzweg "erkennbar" benützen will, sondern es stellt sich nur eingeschränkt die Frage, ob trotz Weiterfahrt dessen ungehinderte und ungefährdete Überquerung möglich ist. Im Gegensatz dazu hat der Fahrzeuglenker beim Herannahen eines Fußgängers zum Schutzweg bzw. beim direkt beim Schutzweg befindlichen Fußgänger zu beurteilen, ob dieser den Schutzweg erkennbar benützen möchte oder ob dieser zu erkennen gibt, dass er auf den Vorrang verzichtet und ob allenfalls eine berechtigte Weiterfahrt zulässig ist. Dies trifft insbesondere für den Fall zu, wenn sich ein Fußgänger bereits in der Mitte der Fahrbahn auf einem Fahrbahnteiler befindet.

 

Da § 9 Abs.2 StVO sowohl den Vorrang des auf dem Schutzweg befindlichen als auch des herannahenden Fußgängers regelt, ist von zwei unterschiedlichen Tatbeständen auszugehen.

 

Die zit. Bestimmung in der Fassung der 19. Novelle hat insofern eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht, dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist. Für den Fahrzeuglenker, insbesondere KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zur Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgängern, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Überquerung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357).

Wie die oben angestellten Überlegungen zeigen, war hier die Erkennbarkeit zeitlich in einer reichlichen Dimension gewährleistet, sodass hier ein Anhalten zwingend erforderlich gewesen wäre. Die allenfalls dagegen obwaltenden Aspekte im Sinne des Berufungsvorbringens oder sonstige die Wahrnehmung des Fußgängers erschwerende Umstände treten demgegenüber in den Hintergrund.

Unter den hier gegebenen und klar für eine Anhaltepflicht sprechenden Umstände liegt auch keine Anwendungsvoraussetzung für § 21 VStG vor.

 

Zur Strafzumessung:

 

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Selbst wenn hier dem Berufungswerber - entgegen der von der Behörde erster Instanz getätigten Annahme - der strafmildernde Umstand der Unbescholtenheit zu Gute kommt, ist angesichts der mit Blick auf die Verletzung des Schutzziels sehr maßvoll verhängten Geldstrafe ein Ermessensfehler in der Strafzumessung dennoch nicht anzunehmen. Auch generalpräventive Aspekte sprechen angesichts der Wertigkeit des vom Gesetzgeber einem Fußgängerübergang verstärkt zugedachten Schutzziels für eine entsprechende Ahndung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. B l e i e r

 

Beschlagwortung:
Objektiver Sorgfaltsmaßstab,
Beobachtung des Umfeldes d. Schutzweges
 
 

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