Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260199/5/WEI/Bk

Linz, 06.08.1997

VwSen-260199/5/WEI/Bk Linz, am 6. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des J, Bürgermeister und Obmann des R A, gegen den Ermahnungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 12. Juli 1996, Zl. Wa 96-724-1995, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 2 lit g) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Ermahnungsbescheid aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 1996 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und ermahnt:

"Sie sind als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des R A dafür verantwortlich, daß Abwasser aus der Abwasserreinigungsanlage des R. A in L a) am 14. 8. 1995 mit einem BSB5-Wert von 55 mg/l b) am 15. 8. 1995 mit einem BSB5-Wert von 50 mg/l c) am 16. 8. 1995 mit einem BSB5-Wert von 55 mg/l d) am 27. 8. 1995 mit einem BSB5-Wert von 35 mg/l e) am 29. 8. 1995 mit einem BSB5-Wert von 40 mg/l in die A abgeleitet und dadurch entgegen der mit Bescheid des Landeshauptmannes von O.Ö. vom 28. 7. 1972, Wa-411/3-1972, erteilten wasserrechtlichen Bewilligung eine Einwirkung auf ein Gewässer vorgenommen, weil mit diesem Bescheid der Grenzwert für BSB5 mit 30 mg/l festgesetzt wurde." Dadurch erachtete die belangte Behörde § 137 Abs 3 lit g) iVm § 32 Abs 1 und 2 WRG 1959 und iVm dem bezeichneten Bescheid des Landeshauptmannes vom 28. Juli 1972 sowie § 9 VStG als verletzte Rechtsvorschriften. Die Strafbehörde sah gemäß § 21 Abs 1 VStG von einer Strafe ab und erteilte eine Ermahnung. Begründend wurde lediglich auf die getroffenen Maßnahmen (Inbetriebnahme eines Regenbeckens seit September 1995, wodurch kein Schlammabtrieb aus dem Nachklärbecken mehr stattfände) hingewiesen, durch die eine Einhaltung des BSB5-Wertes nun möglich wäre. Den der Ermahnung zugrundeliegenden Schuldspruch hat die belangte Behörde nicht begründet.

1.2. Gegen diesen Ermahnungsbescheid, der dem Bw am 19. Juli 1996 zugestellt wurde, richtet sich die Berufung vom 29. Juli 1996, die am 30. Juli 1996 rechtzeitig zur Post gegeben wurde und mit der sinngemäß der Schuldspruch und die ausgesprochene Ermahnung bekämpft wird. Die Berufung bringt vor, daß die in der Ermahnung angeführten Tage laut Betriebsprotokoll Regentage gewesen wären. Der Wasserrechtsbehörde wäre bekannt gewesen, daß es an Regentagen zu erhöhtem Schlammabtrieb und damit zu erhöhten BSB5-Werten im Ablauf der Kläranlage kommen konnte. Aus diesem Grund wäre mit dem wasserrechtlichen Bescheid vom 25. Oktober 1994, Wa-100021/99, die Einleitung in die Biologie zurückgenommen und mit 310 l/s anstatt der ursprünglichen 460 l/s festgelegt worden. Ein zusätzliches Regenrückhaltebecken wäre bescheidkonform errichtet worden, um die erhöhten Schlammabtriebe zu vermeiden. Die Umbauarbeiten wären im September 1995 abgeschlossen worden.

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen. Auch eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Zur Überprüfung der Behauptungen des Bw hat der erkennende Verwaltungssenat von der Wasserrechtsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung Ablichtungen vom Bescheid des Landeshauptmannes vom 25. Oktober 1994, Wa-100021/99/Spi/Pen, und der bezughabenden Verhandlungsschriften vom 21. Februar 1994 und 13. Oktober 1994 beigeschafft. Nach Einsicht in diese Urkunden ergibt sich für den O.ö. Verwaltungssenat der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 25. Oktober 1994 wurde dem R im Spruchabschnitt I. die wasserrechtliche Bewilligung zur Abänderung des vorhandenen und wasserrechtlich bewilligten Anlagenbestandes seiner Verbandskläranlage durch Maßnahmen zur Zwischenspeicherung von Regenwasser und zur Abänderung des bestehenden Konsenses für den Zeitraum bis zur Gesamterweiterung der Kläranlage unter Beachtung von Nebenbestimmungen erteilt.

Zu I. A) wurde für den Niederschlagsfall das Maß für die Einleitung von bloß mechanisch vorgereinigten Mischwässern in den M und in weiterer Folge in die A über den Überlauf des Regenbeckens mit maximal 150 l/s nach oben begrenzt. Außerdem wurde im Satz 2 bestimmt, daß dem biologischen Teil der Verbandskläranlage bei Regenwetter maximal 310 l/s Mischwasser zugeleitet werden dürfen.

Zu I. D) wurde die wasserrechtliche Bewilligung bis zur Inbetriebnahme der "Erweiterungs- und Anpassungskläranlage", jedoch längstens bis zum 31. Dezember 1999 befristet.

Im Spruchabschnitt II. des oben bezeichneten Bescheides wurde festgestellt, daß die ausgeführten Anlagen mit den Bewilligungen nach den Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Juli 1972, Wa-411/3-1972,und vom 17. Oktober 1974, Wa-129/5-1974, im wesentlichen übereinstimmen. Geringfügige Abweichungen wurden nachträglich genehmigt.

Die direkte Ausleitung von Mischwasser im Regenwetterfall in den M über den Notüberlauf zwischen Vorklärbecken und Belebungsbecken war längstens bis zur Fertigstellung der im Spruchabschnitt I. bewilligten Anlagenänderung dauernd einzustellen.

2.2. Den Verhandlungsschriften vom 21. Februar und 13. Oktober 1994 ist zu entnehmen, daß die Verbandskläranlage in der durch die wasserrechtlichen Bescheide aus 1972 und 1974 bewilligten Form bei Regenwetter hydraulisch überlastet werden kann. Der biologische Teil der Kläranlage wurde schon bisher aufgrund negativer Betriebserfahrungen nicht mit Mischwasser im konsensgemäßen Ausmaß von 460 l/s, sondern mit lediglich ca. 310 l/s beschickt und die Differenzmenge von ca. 150 l/s über einen Notüberlauf in den M ausgeleitet. Der Grund dafür lag in der Tatsache, daß es beim Betrieb der Biologie mit 460 l/s zu erheblichem Schlammabtrieb aus dem Nachklärbecken kommt. Das Ausschwemmen des Belebtschlammes beeinträchtigte die Funktionsfähigkeit der Kläranlage und führte zu deutlichen Erhöhungen des BSB5-Wertes im Ablauf. Deshalb war für den Regenwetterfall eine Drosselung der an sich noch konsensmäßigen Zulaufmenge erforderlich.

Zum Ausführungsoperat "Kläranlage A" (Dezember 1987) wurde daher eine Ergänzung des technischen Berichts (Projekt Mai 1994) vorgelegt und in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 1994 behandelt. Nach dem Befund war diese Ergänzung notwendig, weil sich im Laufe des Kläranlagenbetriebes herausstellte, daß der biologische Teil der Verbandskläranlage hydraulisch bis zu einer Zulaufmenge von maximal 310 l/s betrieben werden kann. Die Ergänzung sah vor, die Differenzwassermenge bei Regenereignissen von 150 l/s in ein zusätzliches Regenbecken mit Nutzinhalt von 500 m3 zu leiten und erst danach eine Ableitung der mechanisch vorgereinigten Abwässer über einen Überlauf in den Vorfluter zu ermöglichen. Diese Lösung der hydraulischen und klärtechnischen Probleme der Verbandskläranlage wurde ausdrücklich nur als befristete Übergangslösung bis zur Ausführung eines Anpassungs- bzw Erweiterungsprojektes der Kläranlage A an den Stand der Technik betrachtet. Im Gutachten zum ergänzenden technischen Bericht stellen die Amtssachverständigen schließlich fest, daß die Reduzierung der Abwasserzulaufmenge zum biologischen Teil der Kläranlage auf maximal 310 l/s eine abwassertechnische Zwischenlösung darstellt, die es ermöglicht, die hydraulische Überlastung des biologischen Teiles der Verbandskläranlage zu mindern bzw teilweise ganz hintanzuhalten.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und ergänzender Beischaffung entscheidungswesentlicher Urkunden von der Wasserrechtsabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung den unter Punkt 2 dargestellten Sachverhalt erhoben, der mit dem Berufungsvorbringen im Einklang steht.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 3 lit g) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer ohne die gemäß § 32 Abs 1 und 2 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung oder entgegen einer solchen eine Einwirkung auf Gewässer vornimmt.

Nach § 32 Abs 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

Nach § 32 Abs 2 lit a) WRG 1959 bedarf die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen jedenfalls der Bewilligung im Sinne des Absatz 1.

4.2. Unbestritten und nach der Aktenlage unzweifelhaft ist die Überschreitung des nach dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1972 vorgeschriebenen Ablaufgrenzwertes für die organischen Schmutzfrachten (BSB5-Wert) von 30 mg/l an den im angefochtenen Ermahnungsbescheid angeführten 5 Tagen im August 1995. Damit ist an das Tatbild des Ungehorsamsdeliktes nach § 137 Abs 3 lit g) WRG 1959 in der Variante "entgegen einer wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 32 Abs 1 und 2 WRG 1959" zu denken, weil grenzwertüberschreitende Einwirkungen auf den Vorfluter durch den Betrieb der Verbandskläranlage feststehen. Der Bw hat allerdings mit seinen Einwänden in der Berufung dargetan, daß den R und damit auch ihn als Obmann dieser juristischen Person des öffentlichen Rechts (vgl §§ 87 ff WRG 1959) kein Verschulden trifft.

Das Problem der konsensgemäß ausgeführten Verbandskläranlage A liegt darin, daß es bei Regenwetter zu hydraulischer Überlastung und in weiterer Folge zum Ausschwemmen von Klärschlamm aus dem Nachklärbecken kommen kann, wobei in diesem Fall der BSB5-Ablaufgrenzwert zwangsläufig überschritten wird. Insofern handelt es sich um einen ursprünglichen bauartbedingten (projektsbedingten) Mangel, der durch die wasserrechtliche Bewilligung auch behördlich konsentiert wurde. Der vorgeschriebene BSB5-Grenzwert steht dabei im Gegensatz zu den technischen Möglichkeiten des bewilligten Projekts. Erst anläßlich der wasserrechtlichen Überprüfung im Jahr 1994 wurde eine Übergangslösung für die hydraulischen und klärtechnischen Probleme der Verbandskläranlage nach einem vom Reinhaltungsverband A eingereichten Projekt verhandelt und bewilligt, damit die vorgegebenen Ablaufwerte durch Zwischenspeicherung von Regenwasser und Begrenzung der Zulaufmenge des Mischwassers zum biologischen Teil der Kläranlage voraussichtlich eingehalten werden können. Damit ist erwiesen, daß im ursprünglichen Bewilligungsverfahren die besonderen technischen Probleme der Kläranlage nicht erkannt wurden und daß auch die Wasserrechtsbehörde seinerzeit von falschen Annahmen ausging (vgl zu einem ähnlichen Fall bereits VwSen-260133/2/Wei/Bk vom 26. Juni 1995).

Vom Wasserberechtigten kann grundsätzlich keine höhere Fachkenntnis verlangt werden, als sie die von der Wasserrechtsbehörde beigezogenen Amtssachverständigen hatten. Im praktischen Betrieb der Verbandskläranlage des R wurde ohnehin schon für einen eingeschränkten Zulauf des Mischwassers zur Biologie von ca 310 l/s anstatt der bewilligten 460 l/s gesorgt. Dennoch war mangels eines Rückhaltebeckens für eine größere Menge Regenwasser eine Ausschwemmung von Klärschlamm aus dem Nachklärbecken nicht zu vermeiden. Mit dem durch Bescheid des Landeshauptmannes vom 25. Oktober 1994, Wa-100021/99/Spi/Pen, bewilligten Änderungsprojekt wurde den projektsbedingten technischen Mängeln der konsensgemäß errichteten Verbandskläranlage Rechnung getragen. Es ist nach der Aktenlage nicht ersichtlich, welche Vorsorgemaßnahmen der Bw als Obmann des R hätte treffen können, um die Einhaltung des BSB5-Grenzwertes auch bei Regenwetter zu gewährleisten. Die belangte Strafbehörde hat zu dieser entscheidungswesentlichen Frage auch in keiner Weise Stellung genommen.

Bei der gegebenen Sachlage scheidet nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates schon mangels erwiesener objektiver Sorgfaltswidrigkeit der Tatbestand des Ungehorsamsdeliktes nach dem § 137 Abs 3 lit g) 2. Fall WRG 1959 aus. Damit konnte aber auch kein Verschulden hinsichtlich der angelasteten Konsensüberschreitungen vorliegen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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