Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109603/2/Bi/Be

Linz, 02.03.2004

 

 

 VwSen-109603/2/Bi/Be Linz, am 2. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J P, vom 16. Februar 2004 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 29. Jänner 2004, VerkR96-9792-2003, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:


Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro (52 Stunden EFS) verhängt, weil er am 29. August 2003 um 6.21 Uhr den Pkw in Sattledt auf der Westautobahn A1 in Fahrtrichtung Wien gelenkt habe, wobei er auf Höhe des Strkm 197.500 die in diesem Bereich erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 11 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1VStG).



3. Der Bw bestreitet den Tatvorwurf vehement und führt aus, es gebe keine stichhaltigen Beweise für seine angebliche Schuld, sondern nur die Aussagen einer Privatperson, die keine Zeugen, kein Radarfoto und kein Videoband habe.

Es stehe vielmehr Aussage gegen Aussage und die Behörde neige dazu, der Privatanzeiger mehr Glauben zu schenken als ihm, einer laut Verfassungsgesetz gleich zu behandelnden Privatperson. Der Anzeiger sei nicht glaubwürdig, weil er seine Aussage geändert habe im Hinblick auf das Radarwarngerät, das ihm erst nach vier Monaten eingefallen sei. Außerdem habe er erst gesagt, er sei ihm bis zur Abfahrt Sattledt gefolgt, nun sei er plötzlich bei Baustellenbeginn langsamer geworden. Es könne sich seiner Meinung nach um einen taktischen Rückzieher handeln, weil er sich sonst selbst strafbar gemacht hätte.

Der Bw bezweifelt die korrekte Eichung der Radarwarnanlage und stelle deren Funktionsfähigkeit wegen der damaligen hohen Temperaturen in Frage. Ein Ansprechen der Anlage deute nur auf ein Überschreiten des eingestellten Grenzwertes hin. Die Anlage diene lediglich der Orientierung, mache aber keine Fotos. Außerdem hätten sich im Baustellenbereich auch andere Fahrzeuge bewegt, die die Warnanlage auslösen hätten können. Er habe die vor der Baustelle vorgeschriebene stufenweise Reduktion der erlaubten Höchstgeschwindigkeit durchgeführt und keine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen. Er ersuche daher um Gleichbehandlung und Beachtung seiner Argumente.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass laut Anzeige R N, von Beruf Gendarmeriebeamter, als Privatperson am 29. August 2003 um 6.21 Uhr auf der Westautobahn mit seinem PrivatPkw in Richtung Wien fahrend bei km 197.500, Baustellenbereich Aitertalbrücke mit Gegenverkehr und 80 km/h-Beschränkung, wahrgenommen hat, dass der Lenker des Pkw GM-66IH eine Geschwindigkeit von ca 125 km/h eingehalten habe. Außerdem wurde dem selben Lenker in der Anzeige zur Last gelegt, bei km 203.504, Auffahrt Vorchdorf bis zum Voralpenkreuz und im Baustellenbereich Aitertalbrücke, ausschließlich und ständig ohne ersichtlichen Grund den linken Fahrstreifen benützt zu haben, obwohl mehrmals die Möglichkeit bestanden habe, den rechten Fahrstreifen zu benützen. Die Anzeige wurde über Handy der Autobahngendarmerie Wels erstattet, wobei der Anzeiger außerdem anführte, der Linksfahrer habe zahlreiche Autolenker zu vorschriftswidrigem Rechtsüberholen veranlasst. Seine Geschwindigkeit habe ca 120 bis 130 km/h betragen und er habe diese auch im Baustellenbereich eingehalten. In der Baustelle sei dadurch der Radarwarner ausgelöst worden.

Im Rahmen der von der BH Wels-Land verlangten Lenkerauskunft vom 10. September 2003 hat sich der Bw selbst als Lenker bezeichnet.



In seiner Stellungnahme vom 13. November 203 gab er zu, den linken Fahrstreifen ununterbrochen benutzt zu haben, wobei er auf die rechtskräftige Strafverfügung der BH Gmunden zu VerkR96-8450-2003 verwies. Er betritt allerdings eine Geschwindigkeitsüberschreitung.

Der Bw stellte den Vorfall so dar, dass er kurz vor der Auffahrt Vorchdorf Richtung Wien mehrere Lkw überholt habe, wobei ein Lkw zwischen Pannenstreifen und 1. Fahrstreifen hin und her gependelt sei, als sich ein Pkw von hinten mit hoher Geschwindigkeit und ständigen Lichtzeichen genähert habe, den er im Zuge des Überholens über eine Strecke von 500 bis 600 m nicht vorbeilassen habe können, weil keine Lücke zu finden gewesen sei. Er vermute, dass der Anzeiger der Lenker dieses Pkw gewesen sei. Ein Rechtsüberholen sei aber weder für diesen noch für andere Lenker möglich gewesen. Nach Passieren der Lkw sei er weiter links geblieben, wobei ihm der Pkw in geringstem Abstand gefolgt sei, zumal ihm ein Rechtsüberholen mangels ausreichender Lücken nicht gelungen sei. Der Lenker habe ständig Lichtzeichen gegeben und er habe sich durch diesen genötigt gefühlt. Im Baustellenbereich Aitertalbrücke sei er dann sicher nicht 125 km/h, aber auch vielleicht nicht wirklich 80 km/h gefahren. Um das feststellen zu können, hätte ihm der nachfolgende Lenker zumindest mit annähernd gleicher Geschwindigkeit nachfahren müssen, wobei eine Geschwindigkeitsdifferenz ohne Hilfsmittel - offenbar gebe es kein Beweisvideo - nicht so leicht festzustellen sei. Das würde aber bedeuten, dass der Privatanzeiger ebenfalls mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei. Dieses "Spiel" sei bis zur Ausfahrt Sattledt fortgesetzt worden, wo der Drängler die Autobahn verlassen habe. Selbst wenn der Anzeiger Gendarmeriebeamter sei, könne er nicht privat mit seinem Pkw Verfolgungsjagden durchführen; er vermute in der Anzeige eine private Racheaktion, weil er ihn nicht vorbeigelassen habe.

Der Zeuge N gab bei seiner Befragung am 3. Dezember 2003 auf die strafgerichtliche Wahrheitspflicht hingewiesen unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach offensichtliche "Aggressivität und Rücksichtslosigkeit" des Bw gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern an, der Bw sei unmittelbar vor der Einfahrt in den Baustellenbereich bereits von mehreren Lenkern rechts überholt worden. Die Geschwindigkeit von 125 km/h habe er durch Ablesen seines Tachos festgestellt, wobei eine "Messtoleranz" noch nicht abgezogen sei.

Bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 13. Jänner 2004 vor der BH Wels-Land ergänzte der Zeuge seine Aussage dahingehend, der Tacho seines Privatfahrzeuges sei nicht geeicht. Der Bw habe vor dem Baustellenbereich 120 bis 130 km/h eingehalten und diese beibehalten. Er selbst habe im Baustellenbereich auf ca 80 km/h verzögert. Durch den Bw sei der Radarwarner ausgelöst worden, zumal zum Zeitpunkt der Übertretung andere Fahrzeuge nicht vorhanden gewesen seien.



Der Bw hat diese Aussagen nachhaltig dementiert und auf technische Unzulänglichkeiten sowie Widersprüche in der Zeugenaussage hingewiesen.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist der Aussage des Zeugen N aus verschiedenen Überlegungen mit Zweifel zu begegnen: Der Zeuge hat seine Geschwindigkeit vor der Baustelle mit 120 bis 130 km/h angegeben. Ein Ablesen einer Geschwindigkeit von einem ungeeichten Tachometer ist als Feststellung einer von einem anderen Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit nur dann als geeignet anzusehen, wenn eine Nachfahrt in annähernd gleichbleibendem Abstand über eine Strecke von zumindest 300 m stattfindet und eine "beträchtliche" Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit vorliegt (vgl VwGH 21.1.1997, 96/11/0279, ua), wobei bei ungeeichten Tachometern 10 km/h abgezogen werden (vgl VwGH 3.9.2003, 2001/03/0157 mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Ohne die berufliche Qualifikation des Anzeigers in irgend einer Weise anzweifeln zu wollen, ist jedoch zu betonen, dass bezogen auf den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereich der Baustelle Aitertalbrücke in seinen bisherigen Aussagen weder vom Nachfahren in einem annähernd gleichbleibendem Abstand noch über eine bestimmte Wegstrecke die Rede ist. Zur Art und Weise der Feststellung der Geschwindigkeit des Bw ergibt sich nur, dass der Bw vor dem Baustellenbereich eine Geschwindigkeit von ca 125 km/h (laut Tacho des PrivatPkw des Zeugen) eingehalten hat, während sich die beiden Pkw im Baustellenbereich Aitertalbrücke (die Anzeige - und darauf basierend die Aufforderung zur Rechtfertigung sowie das Straferkenntnis - enthalten für den Vorwurf der überhöhten Geschwindigkeit die km-Angabe 197.500) voneinander entfernt haben dürften, zumal der Zeuge im Baustellenbereich die erlaubten 80 km/h eingehalten habe, während nach dessen Eindruck der Bw die Geschwindigkeit von ca 125 km/h weitgehend beibehalten habe.

Abgesehen davon dürfte das doch einige Konzentration erfordernde Einhalten eines annähernd gleichbleibenden Nachfahrabstandes unter gleichzeitigem Ablesen der Tachoanzeige schwierig sein, wobei noch dazu kommt, dass in einem derart gestalteten Baustellenbereich mit Gegenverkehr schon von den baulichen Gegebenheiten her die Aufmerksamkeit eines Lenkers auf die Einhaltung seines eigenen Fahrstreifens gerichtet sein muss. Technische Hilfsmittel wie Videoaufzeichnung oder Police Pilot, wie in Fahrzeugen der Autobahngendarmerie üblicherweise vorhanden und für die objektive Geschwindigkeitsfeststellung taugliche Mittel (vgl ua VwGH 11.10.1995, 95/03/0163), standen dem Zeugen nicht zur Verfügung. Von einem Beifahrer, der das Verhalten des Bw beobachten hätte könne, ohne vom Lenken des Fahrzeuges abgelenkt zu sein, ist ebenfalls nicht die Rede.

Die tatsächliche Geschwindigkeit bei einer Tachoanzeige von 125 bzw 80 km/h wurde ebenfalls nicht ermittelt, was sich aber angesichts der geschilderten dürftigen objektiven Beweislage erübrigt. Das Auslösen eines Radarwarngerätes ist sicher keine taugliche Grundlage für den Tatvorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung.

Insgesamt ergibt sich aus der Aussage N, dass der Zeuge angesichts der grundlosen andauernden Benützung des linken Fahrstreifens durch den Pkw des Bw derart aufgebracht war, dass er telefonisch Anzeige erstattete. Der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung um 45 km/h im Baustellenbereich bei km 197.500 der A1 ist jedoch schon von den Umständen der Wahrnehmung des Zeugen her letztlich nicht objektivierbar, sodass auch keine ausreichende Grundlage für die Einholung eines Sachverständigengutachtens hiezu vorhanden ist. Die Anschuldigung beruht auf einer bloßen Schätzung des Zeugen aus sich vergrößernder Entfernung, ein Verfahren, das wegen der großen Ungenauigkeit, subjektiven Fehleranfälligkeit und letztlich mangelnden Nachvollziehbarkeit zugunsten einer weitgehend gesicherten Geschwindigkeitsfeststellung unter Einbindung geeichter technischer Hilfsmittel eliminiert wurde.

In rechtlicher Hinsicht ist daher der die Erfüllung des dem Bw zur Last gelegten Tatbestandes letztlich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachzuvollziehen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war. Naturgemäß fallen dabei Verfahrenskostenbeiträge nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

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