Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260207/2/WEI/Bk

Linz, 18.11.1997

VwSen-260207/2/WEI/Bk Linz, am 18. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des H geb. , Fleischhauer, L, vom 24. Oktober 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 14. Oktober 1996, Zl. Wa 96-10-1996-Lac, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 2 lit h) iVm § 32 Abs 4 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. Oktober 1996 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben eine gemäß § 32 Abs. 4 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) bewilligungspflichtige Einleitung in eine Kanalisation ohne Bewilligung vorgenommen, weil Sie bis zum 21. Juni 1996 in der Betriebsstätte R, regelmäßig Schlachtungen von Rindern (jeweils im Abstand von zwei Wochen 1 Rind) durchgeführt haben und die dabei anfallenden Abwässer, nicht entsprechend dem jetzigen technischen Standard vorgereinigt, in die Ortskanalisation von H eingeleitet haben. Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen." Dadurch erachtete die belangte Behörde § 137 Abs 2 lit h) iVm § 32 Abs 4 WRG 1959 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959" (richtig: Strafrahmen des § 137 Abs 2 WRG 1959) eine Geldstrafe von S 1.500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde der Betrag von S 150,-- vorgeschrieben. 1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 15. Oktober 1996 eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 24. Oktober 1996, die am 25. Oktober 1996 bei der belangten Behörde einlangte und mit der beantragt wird, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen. Auch eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Mit Äußerung vom 21. Juni 1996, Zl. BauW-III-140000/7842-1996/BI/BR, berichtete der Amtssachverständige für Abwassertechnik über einen Lokalaugenschein in H, R. Die anwesenden Herren W sen. und jun. hätten übereinstimmend angegeben, daß der Hauptteil der Schlachtvorgänge - nämlich das Stechen von Schweinen und Kälbern - im neuen Betrieb durchgeführt werde. Im alten Fleischhauereibetrieb in der R 12, in dem keinerlei Investitionen geplant wären, fände regelmäßig die Schlachtung von Rindern statt, wobei es sich teilweise auch um Notschlachtungen handelte.

Nach Ansicht des Amtssachverständigen wäre somit aus abwassertechnischer Sicht Herrn aufzutragen, sämtliche Schlachtungen im alten Fleischhauereibetrieb einzustellen und keinerlei Abwässer aus der Schlachtung und Fleischverarbeitung in die Ortskanalisation abzuleiten.

2.2. Gegen die von der belangten Behörde zunächst erlassene Strafverfügung vom 16. August 1996 brachte der Bw den näher begründeten Einspruch vom 27. August 1996 ein. Zum angelasteten Sachverhalt gestand er zu, daß er Schlachtungen in seiner Betriebsstätte R geführt hätte. Dabei wären aber lediglich 25 Rinder pro Jahr geschlachtet und das Schlachtblut aufgefangen und ordnungsgemäß entsorgt worden. Nur geringfügige Mengen an Waschwässern wären in den Kanal geleitet worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat er die Ansicht, daß wegen der äußerst niedrigen Schlachtzahlen die Abwässer haushaltsähnlich wären und daher keiner eigenen wasserrechtlichen Bewilligung bedürften. Die vorgenommene Einleitung wäre durch den Kanalbewilligungsbescheid des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 21. April 1978, Wa-1963/3-1978/Do, bewilligt. Unter Spruchpunkt 4 heiße es nämlich, "Die Zustimmung zur Einleitung von Betriebsabwässern, deren Beschaffenheit vom häuslichen Abwasser nicht wesentlich abweicht, oder die der Menge nach verhältnismäßig geringfügig sind, darf im Sinne des § 32 Abs. 4 WRG 1959 von der Gemeinde H als Kanalisationsunternehmen erteilt werden." Da es sich mengen- und inhaltsmäßig um haushaltsähnliche Abwässer handelte und die Gemeinde H der Ableitung zugestimmt hätte - er bezahlte Kanalanschluß- und Kanalbenützungsgebühr für den Standort - läge eine rechtmäßige Einleitung vor.

2.3. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. August 1996, Wa-600247/7/Kes/Gc, wurde dem Bw der wasserpolizeiliche Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erteilt, die Einleitung betrieblicher Abwässer von seiner Betriebsstätte R in H über einen Hausanschluß in die systematische Ortskanalisation der Gemeinde H zu unterlassen. Begründend verwies die Wasserrechtsbehörde auf regelmäßige Schlachtungen von Rindern in der alten Betriebsstätte R und die Einleitung dieser betrieblichen Abwässer über einen Hausanschluß ohne Vorreinigung und ohne wasserrechtliche Bewilligung. Auf Befragen am 25. Jänner 1996 im (neuen) Betrieb L, Gemeinde H, hätten die Herren W sen. und jun. erklärt, daß keinerlei Investitionen in der alten Betriebsstätte beabsichtigt wären. Es bestünde somit keine Aussicht auf ordnungsgemäße betriebliche Abwasserentsorgung.

Gegen diesen wasserpolizeilichen Auftrag wurde Berufung eingebracht. Eine Berufungsentscheidung des BMLF ist nicht aktenkundig.

2.4. Über Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. September 1996, mit der eine Tatanlastung wie im angefochtenen Straferkenntnis erfolgte, erschien der Bw am 25. September 1996 bei der belangten Strafbehörde, verwies auf seine Einspruchsangaben und erklärte, daß bis zum 21. Juni 1996 jeweils im Abstand von 2 Wochen ein Rind im alten Betrieb wegen der Raumhöhe geschlachtet worden wäre. Weitere Angaben zur Sache waren nicht Gegenstand der niederschriftlichen Vernehmung. Ebensowenig hat die belangte Strafbehörde weitere Ermittlungen durchgeführt. In der Folge erging das angefochtene Straferkenntnis vom 14. Oktober 1996, das sich im wesentlichen auf den Bericht (Äußerung) des Amtssachverständigen für Abwassertechnik vom 21. Juni 1996 bezieht.

2.5. In der Berufung bringt der Bw zum Sachverhalt abermals vor, daß er lediglich etwa 25 Rinder pro Jahr und zwar etwa alle zwei Wochen ein Rind geschlachtet hätte. Es hätte sich jeweils um Notschlachtungen gehandelt. Das Schlachtblut wäre aufgefangen und ordnungsgemäß entsorgt worden. Nur geringfügige Mengen Waschwasser wären in den Kanal eingeleitet worden. Unter Hinweis darauf, daß es die belangte Strafbehörde nicht der Mühe wert gefunden hätte zu seinen Einwendungen Stellung zu nehmen, stellt der Bw nunmehr den Antrag auf Beischaffung des Kanalbewilligungsbescheides des Landeshauptmannes vom 21. April 1978, Wa-1963/3-1978/Do. Der Bw wiederholt seinen Standpunkt, daß die Schlachtung von etwa 25 Rinder pro Jahr in der von ihm geschilderten Art verbunden mit der ordnungsgemäßen Entsorgung des aufgefangenen Schlachtblutes lediglich der Abwassereinleitung von Haushalten entspreche. Ein großer Wohnblock mit zB 60 Wohneinheiten leitete nach seiner Ansicht sowohl mengen- als auch inhaltsmäßig mehr in den Kanal ein. Zum Beweis dafür, daß die Abwässer nicht über jene eines Wohnblocks mit 60 Wohneinheiten zu je drei Personen (180 Personen) hinausgehe, beantragt er die Einholung eines abwassertechnischen Gutachtens oder allenfalls eines chemischen Gutachtens. Der im Straferkenntnis erwähnte Bericht des Amtssachverständigen für Abwassertechnik hätte zu diesem Beweisthema offenbar keine Ausführungen enthalten. Er hätte keine Gelegenheit gehabt, dieses Gutachten einzusehen und dazu Stellung zu nehmen.

Die Beschaffenheit seiner Abwässer würde sich von denen häuslicher Abwässer jedenfalls nicht wesentlich unterscheiden. Nach dem zitierten Spruchpunkt 4 des Kanalbewilligungsbescheides dürfe die Gemeinde H bei Betriebsabwässern, deren Beschaffenheit vom häuslichen Abwasser nicht wesentlich abweicht oder die der Menge nach verhältnismäßig geringfügig sind, die Zustimmung zur Einleitung iSd § 32 Abs 4 WRG 1959 erteilen. Über die erforderliche Vorbehandlung der Abwässer müsse die Gemeinde nach diesem Wasserrechtsbescheid Vorschreibungen machen. Dies habe die Gemeinde H deshalb nicht gemacht, da die Einleitung mengen- und inhaltsmäßig einer Haushaltseinleitung gleichzusetzen sei, bei der auch kein Schlammfang oder Fettabscheider vorgeschrieben werde. Die Zustimmung der Gemeinde ergebe sich aus der Vorschreibung der Kanalanschlußgebühr und Kanalbenützungsgebühr. Die Gemeinde kenne auch die genannten Schlachtzahlen, die wegen der Beschaugebühren des Tierarztes beim Gemeindeamt nachvollziehbar seien.

Schließlich ergänzt der Bw seinen bisherigen Standpunkt, indem er nunmehr vorbringt, daß die gegenständliche Einleitung bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der WR-Novelle 1990 am 1. Juli 1990 bestanden hätte. Es wäre daher von der alten Fassung des § 32 Abs 4 WRG 1959 auszugehen. Eine durch die Wasserrechtsnovelle 1990 allenfalls bewirkte Bewilligungspflicht komme nicht zum Tragen, weil durch § 33g Abs 3 WRG 1959 eine Legalbewilligung bis zum 31. Dezember 2002 erteilt worden wäre.

Die Frage, ob die Bewilligungspflicht der gegenständlichen Einleitung schon vor 1990 bestand, hänge von der Formulierung "in der Regel" im § 32 Abs 4 WRG 1959 aF ab. Der Regelfall wäre nach einer Entscheidung des VwGH vom 17. Mai 1990, Zl. 90/07/0005, dann anzunehmen, wenn die wasserrechtliche Bewilligung des Kanalisationsunternehmens zur Einbringung in den Vorfluter weder überschritten noch die Wirksamkeit vorhandener Reinigungsanlagen beeinträchtigt wird. Dies bedeute, daß vom Kanalisationsbescheid vom 21. April 1978 hinsichtlich der Erweiterung der Ortskanalisation H auszugehen wäre. Die Einleitung erfolge im Rahmen dieses Bewilligungsbescheides und damit konsensgemäß. Auch die Wirksamkeit vorhandener Reinigungsanlagen werde nicht beeinträchtigt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist. Die Durchführung weiterer Erhebungen zur Feststellung des von der belangten Behörde nicht ausreichend ermittelten Sachverhalts war entbehrlich, weil das angefochtene Straferkenntnis schon aus rechtlichen Gründen aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen war.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 2 lit h) WRG 1959 in der zur Tatzeit und zur Zeit des Straferkenntnisses (vgl § 1 Abs 2 VStG) anzuwendenden Fassung BGBl Nr. 252/1990 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen, wer eine bewilligungspflichtige Einleitung in eine Kanalisation (§ 32 Abs 4) ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen vornimmt.

Wer als Indirekteinleiter gemäß § 32 Abs 4 WRG 1959 idF BGBl Nr. 252/1990 Einbringungen in eine bewilligte Kanalisation vornimmt, bedarf nach dem ersten Satz des Absatz 4 bei Zustimmung des Kanalisationsunternehmens dann keiner wasserrechtlichen Bewilligung, wenn auf die einzuleitenden Abwässer und Stoffe bei der Bewilligung der Kanalisationsanlage Bedacht genommen wurde und eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Reinigungsanlage, bauliche Schäden oder Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Kanalisationsanlage oder zusätzliche Gefahren für das Wartungs- und Betriebspersonal nicht zu besorgen sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat mittlerweile mit Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zlen. G 51/95-12 et. al. die Worte "dann" und ",wenn auf die einzuleitenden Abwässer und Stoffe bei der Bewilligung der Kanalisationsanlage Bedacht genommen wurde und eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Reinigungsanlage, bauliche Schäden oder Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Kanalisationsanlage oder zusätzliche Gefahren für das Wartungs- und Betriebspersonal nicht zu besorgen sind" im ersten Satz und den dritten Satz des § 32 Abs 4 WRG 1959 idF der WR-Novelle 1990 unter Fristsetzung als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt danach mit Ablauf des 31. Dezember 1997 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht in Wirksamkeit. Die Bestimmung des § 32 Abs 4 WRG 1959 idF BGBl Nr. 252/1990 war daher auf andere als Anlaßfälle weiterhin anzuwenden (vgl Art 140 Abs 7 B-VG).

Der Gesetzgeber hat mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1997 (BGBl I Nr. 74/1997) den § 32 Abs 4 WRG 1959 aufgehoben und eine Neuregelung für Indirekteinleiter nach § 32b WRG 1959 geschaffen. Auch die Strafbestimmung des § 137 Abs 2 lit h) wurde völlig neu gefaßt. Diese neuen (im Ergebnis nicht günstigeren) Regelungen stellen auf die vom BMLF mit Verordnung erlassenen Emissionsbegrenzungen und auf vom Kanalisationsunternehmen zugelassene Abweichungen ab. Strafbar ist nunmehr die Nichteinhaltung dieser Begrenzungen oder schlicht die Einleitung ohne Zustimmung des Kanalisationsunternehmens.

4.2. Durch § 32 Abs 4 WRG 1959 idF der Wasserrechtsnovelle 1990 wurde nachträglich eine Bewilligungspflicht für Indirekteinleiter gemessen am heutigen Stand der Technik ohne Übergangsbestimmung eingeführt. Diese verfassungsrechtlich problematische Vorgangsweise hat der Gesetzgeber durch die mit Novelle BGBl Nr. 185/1993 eingeführte Bestimmung des § 33g WRG 1959 über bestehende Kleinanlagen und Indirekteinleiter rückwirkend saniert, indem er auf die Neueinführung einer Bewilligungspflicht im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wasserrechtsnovelle 1990 abstellt (vgl dazu Rossmann, Kommentar zum Wasserrecht, 2. A, 1993, 150 f; Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 1993, Rz 7 f zu § 33g WRG). Diese Vorschrift sieht auch eine Anpassungspflicht entsprechend dem § 33c WRG 1959 über die Sanierung von Altanlagen vor.

Die Übergangsbestimmung des § 33g WRG 1959 sollte Erleichterungen schaffen und gewisse Härten vermeiden, die durch die verschärften Bewilligungs- und Sanierungsvorschriften der Wasserrechtsnovelle 1990 entstanden sind. Der § 33g Abs 3 WRG 1959 lautet:

"Indirekteinleiter (§ 32 Abs 4), für die mit 1. Juli 1990 eine Bewilligungspflicht neu eingeführt wurde, gelten als bewilligt, wenn sie den für sie sonst geltenden Vorschriften gemäß betrieben werden. § 33c findet mit der Maßgabe Anwendung, daß die in § 33c Abs 2 sowie die nach § 33c Abs 1 bestimmten Fristen nicht vor dem 1. Juli 1993 zu laufen beginnen. Die Bewilligung endet am 31. Dezember 2002." § 33g Abs 3 WRG 1959 fingiert demnach eine Bewilligung iSd § 32 Abs 4 WRG 1959, wenn die Indirekteinleitungen gemäß den für sie sonst geltenden Vorschriften betrieben werden.

Mit der Verschärfung des § 32 Abs 4 WRG 1959 durch die Wasserrechtsnovelle 1990 wurde eine Bewilligungspflicht nachträglich eingeführt. Die Vorläuferbestimmung des § 32 Abs 4 WRG 1959 erklärte noch lapidar:

"Wer Einbringungen in eine bewilligte Kanalisationsanlage mit Zustimmung ihres Eigentümers vornimmt, bedarf für den Anschluß in der Regel keiner wasserrechtlichen Bewilligung." 4.3. Zur Altfassung des § 32 Abs 4 WRG 1959 wurde in der früheren Kommentarliteratur (vgl näher Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht, 2. A, 1978, 207 f, Anm 17 und 18 zu § 32 WRG) ausgeführt, daß der Anschluß an eine bewilligte Kanalisationsanlage in der Regel Sache des Kanalisationsunternehmers sei. Einschränkende Bedingungen können in dessen wasserrechtlicher Bewilligung vorgesehen sein. Einbringungen in eine Kanalisation unterlagen sonst nur den landesgesetzlichen Vorschriften und gemeindlichen Regelungen. Nach älteren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 1959 und 1961 (vgl Grabmayr/Rossmann, Wasserrecht, 2. A, 185, E 39 zu § 32 Abs 4 WRG) bedurften Anschlußkanäle an sich keiner wasserrechtlichen Bewilligung. Eine gesonderte Bewilligung kam nur dann in Betracht, wenn ein wesentlicher Einfluß auf den Vorfluter ausgeübt und hiedurch der wasserrechtliche Konsens an diesem überschritten wurde. In VwSlg 6816 A/1965 wurde die Verantwortlichkeit des Kanalisationsunternehmers für die Einhaltung seiner wasserrechtlichen Bewilligung zur Einbringung in den Vorfluter betont und klargestellt, daß es sich bei einer Kanalisationsanlage um kein Gewässer im Sinne des § 32 Abs 1 WRG 1959 handelt.

Im Erkenntnis VwSlg 13200 A/1990 hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor der Wasserrechtsnovelle 1990 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien klargestellt, daß eine wasserrechtliche Bewilligung für die Einleitung in die Kanalisationsanlage schon deshalb unter keinen Umständen in Frage kam, weil es sich bei dieser Anlage um kein Gewässer iSd § 32 Abs 1 WRG 1959 handelte. Einbringungen in eine Kanalisation erfolgten nach einschlägigen landesgesetzlichen oder gemeindlichen Vorschriften und bedurften der Zustimmung des Kanaleigentümers. Aus wasserrechtlicher Sicht war nur die letztlich im Wege der Kanalisation erfolgte Einbringung der Abwässer in ein Gewässer, dh also in den Vorfluter zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, daß die Einbringung in die Kanalisation bewilligungsfrei erfolgte, wenn ein sog. Regelfall vorlag. Aus dem alten § 32 Abs 4 Satz 2 leitete er ab, daß ein Regelfall vorliegt, wenn die wasserrechtliche Bewilligung des Kanalisationsunternehmers zur Einbringung in den Vorfluter weder überschritten noch die Wirksamkeit vorhandener Reinigungsanlagen beeinträchtigt wird. Erst der Nachweis der Überschreitung dieses Regelfalls hätte - unabhängig von der Verantwortlichkeit des Kanalunternehmers - eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für den Indirekteinleiter nach sich ziehen können.

4.4. Die belangte Strafbehörde hat undifferenziert auf § 137 Abs 2 lit h) iVm § 32 Abs 4 WRG 1959 in der Fassung der Wasserrechtsnovelle 1990 abgestellt, obwohl es im vorliegenden Fall um wiederkehrende Ableitungen aus dem alten Fleischhauereibetrieb des Bw in die Ortskanalisation ging, die möglicherweise schon längere Zeit praktiziert wurden. Mangels Klärung der näheren Umstände und des genauen Tatzeitraumes konnte in der Berufung vorgebracht werden, daß die gegenständlichen Einleitungen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Wasserrechtsnovelle 1990 erfolgt und nach Art und Umfang nicht bewilligungspflichtig wären. Die belangte Behörde hat jedenfalls übersehen, daß im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 33g Abs 3 WRG 1959 die Rechtslage vor der Wasserrechtsnovelle 1990 von Bedeutung sein könnte. Das spezielle Delikt der konsenslosen Einleitung in eine Kanalisation gab es früher nicht. Strafbar war eine solche Einleitung eben nur unter dem Aspekt der Beeinträchtigung des Vorfluters durch Überschreitung des Regelfalles.

Für die Annahme einer Überschreitung des bewilligungspflichtigen Regelfalles im Sinne der früheren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bietet der Akteninhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte. Hinsichtlich der Einleitung der gegenständlichen Schlachtabwässer in dem vom Bw behaupteten eingeschränkten Umfang (Auffangen des Schlachtblutes und ordnungsgemäße Entsorgung) - kann man nicht fundiert behaupten, daß der Konsens für die Ortskanalisation der Gemeinde H überschritten oder die Wirksamkeit der Reinigungsanlage der Ortskanalisation beeinträchtigt worden wäre. Die chemische Beschaffenheit des eingeleiteten Abwassers ist mangels einer vorhandenen Abwasserprobe nicht einmal aktenkundig. Außerdem darf für die Zeit vor der Wasserrechtsnovelle 1990 auf den heutigen Stand der Reinigungstechnik selbstverständlich nicht abgestellt werden. Erst die strengen Abwasseremissionsverordnungen aufgrund der durch die Wasserrechtsnovelle 1990 neugeschaffenen Bestimmungen schufen verbindliche Emissionsgrenzwerte für Einleitungen in eine öffentliche Kanalisation (vgl AAEV BGBl Nr. 179/1991 und nunmehr BGBl Nr. 186/1996 und zahlreiche AEVs für spezielle Bereiche von Abwasseremissionen, beispielsweise auch AEV über die Begrenzung von Abwasseremissionen Schlachtbetrieben und fleischverarbeitenden Betrieben, BGBl Nr. 182/1991 idF Art IV BGBl Nr. 537/1993). Einen kanalrechtlichen Grenzwert gab es in Oberösterreich zuvor nicht. Die Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit war Sachverständigenfrage. Nur nach gemeindlichen Regelungen konnten Einschränkungen vorgesehen sein. Kanalordnungen der Gemeinden enthalten aber meist nur ganz allgemeine Umschreibungen, wonach schädliche Stoffe in die Kanalisation nicht eingebracht werden dürfen.

4.5. Die Einlassung des Bw, daß er mit Zustimmung der Gemeinde H aus seinem alten Fleischhauereibetrieb in die Kanalisation ableite, zumal die Gemeinde die Schlachtzahlen kenne und er Kanalgebühren bezahle, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch das Berufungsvorbringen, daß die Gemeinde keine Vorschreibungen über die Vorbehandlung machte, da sie die gegenständlichen Einleitungen Haushaltseinleitungen gleich oder zumindest für haushaltsähnlich hielt, erscheint schlüssig. Diese Umstände hätten jedenfalls näherer Aufklärung bedurft. Die Erhebung der entscheidungswesentlichen Tatsachen hat die belangte Behörde aber unterlassen, weil sie die komplexe Rechtslage offenbar gar nicht erfaßte.

Selbst wenn die Voraussetzungen des § 33g Abs 3 WRG 1959 nicht vorliegen sollten, müßte man dem Bw im Hinblick auf die unübersichtliche und komplizierte Rechtslage bei Indirekteinleitungen nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates einen entschuldbaren Rechtsirrtum zubilligen. Der Bw, der vor der gegenständlichen Anzeige offenbar nicht beanstandet worden war und anläßlich des Lokalaugenscheines der Wasserrechtsbehörde freimütig zugab, daß er alle zwei Wochen ein Rind im alten Betrieb schlachte, konnte aufgrund der gegebenen Umstände darauf vertrauen, daß er auch weiterhin Waschwässer aus bloß 25 Schlachtungen pro Jahr - und nichts anderes ist nach der Aktenlage erwiesen - in die öffentliche Kanalisation einleiten dürfe. Von derart bedeutenden Einbringungen in die Ortskanalisation, die naheliegenderweise einen wasserrechtlichen Konsens erfordert hätten, brauchte er nicht ausgehen. Die Rechtskenntnisse der Berufung konnte der Bw offensichtlich erst nach rechtskundiger Beratung haben. Selbst die belangte Strafbehörde hat die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage nicht richtig erfaßt. Von einem Rechtsunterworfenen kann aber nicht mehr erwartet werden als von Behörden.

4.6. Abgesehen von den bisher dargelegten Bedenken hat die belangte Behörde auch keine ausreichende Tatanlastung iSd § 44a Z 1 VStG in bezug auf das Merkmal "eine bewilligungspflichtige Einleitung in eine Kanalisation (§ 32 Abs. 4)" vorgenommen. Die für die Bewilligungspflicht der Indirekteinleitung nach § 32 Abs 4 Satz 1 WRG 1959 idF BGBl Nr. 252/1990 maßgeblichen Tatumstände wurden weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zum Ausdruck gebracht. So ist schon offen geblieben, ob die belangte Strafbehörde davon ausging, daß der Bw aus seinem alten Fleischhauereibetrieb mit oder ohne Zustimmung des Kanalisationsunternehmens (Gemeinde H) Einbringungen in die Ortskanalisation vorgenommen hat. Für den Fall der Zustimmung hätte sich die belangte Behörde auch mit der Kanalbewilligung auseinandersetzen und darlegen müssen, daß auf die abgeleiteten Stoffe nicht Bedacht genommen wurde oder die Reinigungsanlage beeinträchtigt wäre oder sonstige Schäden oder Gefahren zu befürchten wären. Statt dessen verweist der Spruch nur auf den ohnehin nicht strittigen Umstand, daß die bei der Schlachtung entstehenden Abwässer nicht entsprechend dem heutigen technischen Standard vorgereinigt wurden. Auf dieses Merkmal kam es aber nach dem im konkreten Fall anzuwendenden Straftatbestand des § 137 Abs 2 lit h) iVm § 32 Abs 4 WRG 1959 idF BGBl Nr. 252/1990 nicht an.

Außerdem hat die belangte Strafbehörde nicht mit der im Strafverfahren notwendigen Klarheit zum Ausdruck gebracht, daß bei der wiederkehrenden Einleitung von Schlachtabwässern in eine Ortskanalisation nach einem bestehenden unternehmerischen Gesamtkonzept (unter den weiteren Voraussetzungen des § 32 Abs 4 Satz 1 WRG 1959) ein fortgesetztes Delikt innerhalb eines bestimmten Tatzeitraumes anzunehmen ist. Die Umschreibung "....weil sie bis zum 21. Juni 1996 in der Betriebsstätte .... regelmäßig Schlachtungen von Rindern ..... durchgeführt haben und die dabei anfallenden Abwässer, ......., in die Ortskanalisation von H eingeleitet haben." entspricht nicht den Erfordernissen der Konkretisierung des Spruchs nach § 44a Z 1 VStG. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind sowohl bei einem Dauerdelikt als auch bei einem fortgesetzten Delikt der Anfang und das Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen und damit der Tatzeitraum präzise einzugrenzen. Es ist eine kalendermäßig eindeutige Umschreibung des Tatzeitraumes erforderlich (vgl dazu VwGH 8.9.1981, 81/05/0052; VwGH 10.6.1983, 82/04/0192; VwGH 20.6.1983, 82/10/0047; VwGH 18.11.1983, 82/04/0156; VwGH 21.11.1983, 82/10/0129; VwGH 28.2.1986, 86/18/0034, 0045; VwGH 11.4.1986, 86/18/0051, 0052; VwGH 27.6.1989, 89/04/0002; VwGH 29.9.1989, 86/18/0044; VwGH 10.9.1991, 91/04/0104; VwGH 19.5.1992, 92/04/0035; VwGH 22.9.1992, 92/06/0087; VwGH 21.10.1992, 92/02/0165 u.v.a.) Den strengen Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z 1 VStG entspricht das angefochtene Straferkenntnis in mehrfacher Hinsicht nicht. Der Aktenlage kann auch keine taugliche strafbehördliche Verfolgungshandlung innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 137 Abs 9 Satz 1 WRG 1959 entnommen werden. Da der Gegenstand der erstbehördlichen Entscheidung und damit die Identität der Tat nicht unverwechselbar feststeht (vgl dazu verst Sen v 13.6.1984 VwSlg 11466 A/1984), hatte der unabhängige Verwaltungssenat die dargelegten inhaltlichen Rechtswidrigkeiten von Amts wegen aufzugreifen und das Verwaltungsstrafverfahren nach dem § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- zu entrichten.

Dr. W e i ß

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