Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109793/20/Bi/Be

Linz, 04.03.2005

 

 

 VwSen-109793/20/Bi/Be Linz, am 4. März 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F P, vertreten durch RA Dr. M V, vom 17. Mai 2004 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 29. April 2004, VerkR96-20184-2002/Pos, wegen Übertretungen der StVO 1960, in der Verhandlung am 4. März 2005 eingeschränkt auf Punkt 1) dieses Straferkenntnisses, aufgrund der Ergebnisse der am 20. Jänner 2005 und am 4. März 2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung), zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als Punkt 1) des Straferkenntnisses im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass von einer tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit von 155 km/h auszugehen ist, die Geldstrafe auf 300 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage herabgesetzt wird.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 30 Euro, ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG,

zu II.: §§ 64 und 65 VStG

 

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 7 Abs.1 1.Satz iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 udn 3) 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 364 Euro (144 Stunden EFS), 2) 36 Euro (24 Stunden


EFS) und 3) 72 Euro (72 Stunden EFS) verhängt, weil er am 30. Juni 2002 gegen 8.44 Uhr im Gemeindegebiet Ansfelden, Bezirk Linz-Land, Oberösterreich, auf der A1, Westautobahn, in Fahrtrichtung Salzburg als Lenker das Kraftfahrzeug, pol. , gelenkt habe, wobei er

  1. das Fahrzeug bei Strkm 172.036 entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h" mit einer Geschwindigkeit von 157 km/h gelenkt habe,
  2. von Strkm 170.000 bis 173.000 das Fahrzeug nicht so weit rechts gelenkt habe, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei, und
  3. bei Strkm 172.328 beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 142 km/h lediglich einen Sicherheitsabstand von max. 10 Metern eingehalten habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 47,20 Euro auferlegt.

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entsche0iden (§ 51c VStG). Am 20. Jänner 2005 und am 4. März 2005 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. M V, des Zeugen RI R S und des technischen Amtssachverständigen Ing. R H durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Da sich der Bw laut ärztlicher Bestätigung Dris M. P, Arzt für Allgemeinmedizin in Wien vom 18. Jänner 2005, wegen eines fieberhaften Infekts der oberen Atemwege zu Hause schonen sollte und daher bei der Verhandlung nicht anwesend sein konnte, jedoch der rechtsfreundliche Vertreter dessen ausdrückliche Einvernahme beantragte, wurde die Verhandlung auf 4. März 2005 vertagt. Die Berufung wurde auf Punkt 1) des Straferkenntnisses eingeschränkt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, seine Geschwindigkeitsüberschreitung sei dadurch gerechtfertigt, dass seine Mutter wegen Herzbeschwerden dringend ein Medikament benötigt habe. Dafür habe er die Einvernahme seiner Mutter im Iran beantragt, die aber nicht durchgeführt worden sei. Weiters habe die Erstinstanz es unterlassen, das Protokoll über die Neubereifung des Zivilfahrzeuges anzufordern bzw einen kfztechnischen Sachverständigen beizuziehen. Die Aussage des für technische Belange beim LGK f Oö., Verkehrsabteilung, zuständigen GI F sei nicht geeignet, seine Einwände zu entkräften, weil der Zeuge zum Reifenumfang keine Auskunft geben habe können und nicht ersichtlich sei, auf welches Fahrzeug sich die Aussage beziehe. Die ihm gemachten Vorwürfe würden jedoch wesentlich vom technischen Zustand des Zivilfahrzeuges abhängen und zwischen Reifenumfang und Tachoabweichung bestehe ein direkter Zusammenhang. Die noch nicht abgelaufene Nacheichfrist sei ohne Bedeutung, weil der Eichschein nur den Zustand zum Eichzeitpunkt wiedergebe, während sich der Vorfall ein Jahr später ereignet habe. Er weise ausdrücklich darauf hin, dass die Reifen des Zivilfahrzeuges bereits abgenutzt gewesen seien.

Zur Verordnung weise er darauf hin, dass für den von der Erstinstanz angeführten "Schreibfehler" keine Beweise vorlägen und sich der räumliche Geltungsbereich geändert habe. Der Tatvorwurf eines angeblich nicht eingehaltenen Sicherheitsabstandes beruhe auf einer Schätzung des Beamten, die verlässlich gar nicht möglich sei. Die Erstinstanz sei aber auf seinen Einwand, vor ihm habe ein Fahrzeug den Fahrstreifen gewechselt, nicht eingegangen. Dadurch habe sich aber kurzfristig der Tiefenabstand geändert, was ein unvermeidliches Ereignis dargestellt habe und ihm nicht vorgeworfen werden könne.

Beantragt wurde die neuerliche Einvernahme der RIen S und V zum Beweis für seine ordnungsgemäß eingehaltene Geschwindigkeit, dass er nur zum Überholen den linken Fahrstreifen benutzt habe und der Tiefenabstand mehr als 10 m betragen habe und nur kurzfristig durch das Verhalten eines anderen Lenkers reduziert worden sei, die Einholung eines technischen Gutachtens zum Beweis für die Mangelhaftigkeit des digitalen Tachometers und die Abweichung von der Eichung, Einsichtnahme in den Verordnungsakt betreffend km 172.036 bis 172.328 sowie die Einvernahme der in seinem Fahrzeug mitfahrenden Zeugin im Rechtshilfeweg per Adresse im Iran, im übrigen Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein rechtsfreundliche Vertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz im angefochtenen Straferkenntnis berücksichtigt, der Meldungsleger RI S (Ml) zeugenschaftlich unter Hinweis auf § 289 StGB einvernommen, die ProViDa-Aufzeichnungen vom in Rede stehenden Vorfall eingesehen, die der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h im genannten Abschnitt der A1, RFB Salzburg, zugrundeliegenden Verordnungen eingesehen, der technische Zustand der am Zivilstreifenfahrzeug BG-4268 am Vorfallstag montierten Reifen erörtert und auf dieser Grundlage ein kraftfahrtechnisches Gutachten des Amtssachverständigen Ing. H eingeholt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Sonntag, dem 30. Juni 2002, gegen 8.44 Uhr waren der Ml und RI Veneder, beide Beamte des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung Linz, in einem Zivilstreifenfahrzeug (BG 4.268 mit Deckkennzeichen, Opel Vectra-B, Bereifung 205/55R16) mit eingebauter ProViDa-Anlage (zuletzt geeicht vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) am 12. Juli 2001 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2004) auf der Westautobahn, RFB Salzburg, im Bereich der Auffahrt Linz unterwegs, wobei RI V das Zivilstreifenfahrzeug lenkte und der Ml Beifahrer war.

Letzterem fiel im Rückspiegel der Pkw auf, der sich von hinten mit offensichtlich überhöhter Geschwindigkeit näherte. RI V beschleunigte das Zivilstreifenfahrzeug auf etwa 115 km/h - dort besteht eine deutlich durch Vorschriftszeichen gemäß § 52a Z10 lit.a StVO kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h - und wurde dieses bei ca km 171.000 vom Bw gelenkten Pkw überholt, der daraufhin mit weiter augenscheinlich überhöhter Geschwindigkeit auf dem äußerst linken Fahrstreifen weiterfuhr.

Wie aus den ProViDa-Aufzeichnungen hervorgeht, beschleunigte RI V daraufhin das Zivilstreifenfahrzeug bis auf eine Geschwindigkeit bis 164 km/h, dh nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen von 5 % vom Geschwindigkeitswert ca 155 km/h, wobei auf die Strecke bis km 173.000 sich der Abstand zunächst als annähernd gleichbleibend darstellte, dann sich aber bei gleichbleibender Geschwindigkeit des Zivilstreifenfahrzeuges der Abstand durch Beschleunigung des Pkw des Bw vergrößerte. Nach dem Überholen des Zivilstreifenfahrzeuges befanden sich auf dem rechten und dem mittleren Fahrstreifen keine weiteren Fahrzeuge mehr; der Bw fuhr jedoch auf dem linken Fahrstreifen weiter. Erst im Bereich von ca km 172.000 schloss er auf den rechten und den mittleren Fahrstreifen befahrende Pkw auf, von denen einer vor dem Bw auf den linken Fahrstreifen wechselte. Der Bw fuhr jedoch, ohne dass aufleuchtende Bremslichter zu sehen wären, links weiter und so verkleinerte sich der Nachfahrabstand zu diesem Pkw auf schätzungsweise ca 10 m bei einer zu diesem Zeitpunkt vom Bw laut SV-Gutachten eingehaltenen Geschwindigkeit von jedenfalls 110 km/h. Das Zivilstreifenfahrzeug schloss auf den Bw auf, worauf dieser, ebenso wie der vor ihm fahrende Pkw, auf den mittleren Fahrstreifen wechselte. Nach der Videoaufzeichnung leuchteten beim Pkw des Bw erstmals beim Herannahen des Zivilstreifenfahrzeuges unmittelbar vor dem Fahrstreifenwechsel die Bremslichter auf.

Der Bw wurde ca bei km 174.000, der Zufahrt zur Autobahngendarmerie Haid, angehalten, wo er im Rahmen der vom Ml durchgeführten Amtshandlung angab, er sei deshalb zu schnell gefahren, weil seine Mutter dringend Medikamente brauche und er eine Apotheke suche. Die Beifahrerin war laut Aussage des Ml eine ältere Frau, die weder einen kranken noch unmittelbar hilfsbedürftigen Eindruck machte. Er habe den Bw darauf hingewiesen, dass er gerade eben an mehreren Ausfahrten vorbeigefahren sei, über die er sicher zu einer Apotheke gekommen wäre. Dieser habe aber nicht konkret nach dem Weg zu einer solchen gefragt und sei nach der Amtshandlung - ihm wurde die Anzeige angekündigt - auf die A1 und dann weiter auf der A25 Richtung Deutschland weitergefahren, wo er seine Schwester besuchen habe wollen. Der Bw hat das insofern anders geschildert, als er in Passau zu einer Apotheke wollte, da es dort nach Aussagen seiner in Mönchen-Gladbach lebenden Schwester das seiner Mutter verschriebene Medikament lagernd gab. Das habe der Ml aber nicht verstanden.

Der Ml hat in der Verhandlung zum einen die Wahrnehmung der Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Bw, zum anderen die von ihm durchgeführte Amtshandlung mit ihm geschildert, wobei er betonte, RI V habe sich allein auf die Erreichung eines annähernd gleichbleibenden Nachfahrabstandes konzentriert und er habe die ProViDa-Messung durch Knopfdruck ausgelöst. Das Gerät sei an sich auf eine Strecke von 1000 m eingestellt, jedoch sei eine Durchschnittsmessung nicht bis zum Ende erfolgt, weil er diese wegen des Aufschließens des Pkw des Bw auf die vor ihm fahrenden Pkw bei 828 m abgebrochen habe. Sowohl sein Kollege als auch er selbst seien für die ordnungsgemäße Bedienung solcher ProViDa-Geräte eingeschult worden. Da die dafür verwendeten Zivilstreifenfahrzeuge in der Garage der Verkehrsabteilung in Linz stünden und die Dienstfahrt von dort weg geführt habe, habe er bei Dienstbeginn beim dienstzugeteilten Fahrzeug auch die richtige Einstellung der ProViDa-Anlage, nämlich in Bezug auf Datum, Uhrzeit und ob der Digitaltacho auch bei Null weglaufe, kontrolliert und auch Beleuchtung, Blinker und vor allem die Reifen überprüft, zumal es bei solchen Fahrten oft zu Extremsituationen hinsichtlich der Geschwindigkeit kommen könne. Für technische Belange auch hinsichtlich der ordnungsgemäßen Bereifung sei eine eigene Abteilung beim LGK zuständig, die dafür sorge, dass rechtzeitig Reifenwechsel gemacht werden. Der Ml hat ausdrücklich ausgeschlossen, dass am Vorfallstag am verwendeten Zivilstreifenfahrzeug die Reifen abgefahren gewesen wären, und erklärt, dass üblicherweise die Reifen bereits bei ca 3 mm Profiltiefe gewechselt würden, weil Reifen mit grenzwertigem Profil bei hohen Geschwindigkeiten zu gefährlich seien und es auch nicht gut aussähe, wenn bei Amtshandlungen Mängel am Zivilstreifenfahrzeug vorhanden wären.

Die Angaben des Ml wurden durch die schriftlichen Ausführungen von GI F, dem Leiter der technischen Abteilung des LGK, vom 30. Dezember 2004 untermauert, wonach laut Rechnungen der Fa R.B. vom 22. April 2002 beim Pkw BG-4268 am 15. April 2002 bei einem Km-Stand von 52.633 zwei Reifen Fulda 205/55R16 91V C E TL und am 29. April 2002 zwei weitere solche Reifen bei einem Km-Stand von 56.134 montiert wurden. Laut schriftlicher Bestätigung von GI F wurden am 15. Juli 2002 bei diesem Zivilstreifenfahrzeug vier Sommerreifen der Marke Fulda mit der Dimension 205/55 R16 91V beim Km-Stand von 73.143 montiert, nachdem bei einer neuen Ausschreibung eine andere Reifenfirma zum Zug gekommen sei, bei der die Abrechnungen im Sammelrechnungsmodus erfolgten.

Der technische Amtssachverständige Ing H (SV) hat die vom LGK vorgelegten ProViDa-Aufzeichnungen eingesehen und festgestellt, dass die damals verwendete Kamera nicht mehr existiert und daher eine nachträgliche Kalibrierung nicht mehr möglich ist. Er hat daher - so wie in der mündlichen Verhandlung - einen Videobeamer verwendet, durch den eine derartige Vergrößerung erreicht wurde, dass eine augenscheinliche Auswertung erfolgen konnte. Die Aufzeichnung erstreckt sich über 18 Sekunden und über eine Wegstrecke von 828 m mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 164 km/h. Bei einer derartigen Geschwindigkeit ist laut den schlüssigen Ausführungen des SV unter Abzug der Toleranz von 5 % vom Messwert eine tatsächliche Geschwindigkeit von 155 km/h zugrundezulegen, wobei sich aber ab der 9. Sekunde der Pkw des Bw vom Zivilstreifenfahrzeug entfernte, sodass die tatsächliche Geschwindigkeit des Bw größer gewesen sein muss, da das Zivilstreifenfahrzeug die Geschwindigkeit annähernd beibehielt, wie aus der Tachoeinblendung ersichtlich ist.

Zum Nachfahrabstand führt der SV aus, die Geschwindigkeit des Bw habe sich beim Aufschließen auf den auf den linken Fahrstreifen wechselnden Pkw verringert, wobei eine niedrigste Geschwindigkeit unter Berücksichtigung einer Toleranz von zusätzlich 3% von 110 km/h eingehalten wurde. Eine Standbildauswertung unter Zugrundelegung der Länge einer Leitlinie von ca 6 m und des Abstandes bis zur nächsten Leitlinie von ca 12 m sowie der günstigsten Konstellation ergab eine Entfernung von ca 10 m, sodass der SV die Zeugenaussagen des Ml im Hinblick auf dessen auch schon in der Anzeige festgehaltenen Schätzung bestätigte. Auch wenn aufgrund der fehlenden Kalibrierung und damit der unbekannten Zoom-Einstellung der Abstand zwischen Zivilstreifenfahrzeug und Pkw des Bw nicht eruierbar ist, schloss der SV eine Notbremsung des Bw beim Fahrstreifenwechsel des vor ihm fahrenden Pkw aus. Er erklärte weiters, dass der Abrollumfang der Reifen bei Vergleich zwischen einem neuwertigen und einem abgefahrenen Reifen eine Strecke von ca 800 m und eine Geschwindigkeitsdifferenz von maximal 3 km/h umfasst, sodass eine damit zusammenhängende Geschwindigkeitstoleranz durch den Abzug der in den Eichbestimmungen vorgesehenen 5 % bereits berücksichtigt wäre.

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt in freier Beweiswürdigung zur Auffassung, dass die zeugenschaftlichen Aussagen des Ml zum einen durch die ProViDa-Aufzeichnungen dokumentiert sind und zum anderen auch bei der Schilderung der Amtshandlung mit dem Bw keine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit bestehen, zumal der Ml in der Verhandlung einen sehr korrekten und unvoreingenommenen Eindruck hinterließ. Der Bw bestritt auch bei der Anhaltung nicht, zu schnell gefahren zu sein, seine Argumente im Hinblick auf den zu geringen Nachfahrabstand durch den vor ihm herausfahrenden Pkw-Lenker werden durch die Videoaufzeichnungen ebenfalls widerlegt.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 52a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Mit Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 18. Dezember 2000, Zl. 138.001/133-II/B/8/00, wurde gemäß § 43 Abs.1 StVO 1960 zur Sicherheit des sich bewegenden Verkehrs auf beiden Richtungsfahrbahnen der Westautobahn A1 im Linzer Zentralraum die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der RFB Salzburg von km 165.600 bis km 175.180 auf 100 km/h beschränkt.

Mit Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 5. Dezember 2001, Zl. 314.501/61-III/10-01, wurde gemäß § 43 Abs.1 StVO 1960 der räumliche Geltungsbereich des Punktes 1 der do Verordnung vom 18. Dezember "2001", Zl. 138.001/133-II/B/8-00, hinsichtlich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km auf der RFB Salzburg auf km 167.360 bis 175.180 beschränkt.

Dass es sich bei der Zahl "2001" in der zuletzt zitierten Verordnung um einen Schreibfehler handelt und es richtig "2000" heißen müsste, ergibt sich zum einen aus der Zeitabfolge und geht auch aus der angeführten Geschäftszahl hervor. Der Einwand des Bw, es gebe dafür keine "Beweise", ist schlicht unverständlich.

Die Kundmachung der Einschränkung des 100 km/h-Bereichs von km 165.600 auf km 167.360, also um 1,760 km, wurde vom Leiter der Autobahnmeisterei Ansfelden, Herrn L, am 19. Dezember 2001, 11.30 Uhr, handschriftlich bestätigt.

Am Vorfallstag, dem 30. Juni 2002, reichte der 100 km/h-Beschränkungsbereich damit auf der RFB Salzburg von km 167.360 bis km 175.180. Der Tatortbereich zwischen km 170.000 und km 173.000 unterlag damit zweifellos einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bw in diesem Bereich eine Geschwindigkeit von zumindest 155 km/h eingehalten hat, wobei der von ihm behauptete Notstand, seine Mutter habe wegen Herzbeschwerden dringend ein Medikament gebraucht, ins Leere geht. Dabei mag es zwar durchaus sein, dass die Mutter des Bw unter Herzbeschwerden leidet, jedoch ist schon aus dem Verhalten des Bw nicht zu schließen, dass der Zustand seiner Mutter am 30. Juni 2002 um 8.44 Uhr so schlecht gewesen wäre, dass seine Missachtung der Geschwindigkeitsbestimmungen als im Sinne von Notstand gerechtfertigt anzusehen wäre. Schlichtweg unverständlich ist an den Ausführungen des Bw auch, warum er nicht in Wien auf ein bestelltes Medikament warten konnte, zumal auch die Fahrt von Wien nach Passau sicher 3 Stunden (auch bei einer solchen Geschwindigkeit) in Anspruch genommen haben muss. Nach den Ausführungen des Ml hat der Bw nichts von Passau erwähnt und nach Beendigung der Amtshandlung den Weg in Richtung Deutschland fortgesetzt, wie der Ml bei der weiteren Nachfahrt feststellte. Abgesehen davon hätte der Bw bei ernsten Herzbeschwerden seiner Mutter in Linzer Krankenhäusern entsprechende Hilfe erhalten. Auf dem linken Fahrstreifen der Westautobahn hätte der Bw, erst recht mit 155 km/h, mit Sicherheit keine Apotheke gefunden, die seiner Mutter helfen hätte können - überdies hat der Ml glaubhaft betont, die Frau habe keinen unmittelbar hilfebedürftigen Eindruck gemacht.

Der Bw hat zwar die Zeugeneinvernahme seiner Mutter im Iran beantragt, ohne aber eine ärztliche Bestätigung über die behauptete Herzerkrankung vorzulegen. Da eine Einvernahme im Rechtshilfeweg den konkreten Zustand der Mutter zur Vorfallszeit nicht zu belegen vermag, andererseits Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Notstandssituation nicht vorlag, die der Bw nicht zu entkräften vermocht hat, war die beantragte Einvernahme der Zeugin im Rechtshilfeweg - auch aus Gründen der Effizienz - verzichtbar.

Die beantragte Zeugeneinvernahme des Lenkers des Zivilstreifenfahrzeuges, RI Veneder, war ebenfalls entbehrlich, weil seine konkreten Wahrnehmungen - er war bei der Amtshandlung nicht dabei - und seine Nachfahrt hinsichtlich Einhaltung eines annähernd gleichbleibenden Abstandes anhand der ProViDa-Aufzeichnung dokumentiert ist, zu deren Aussagekraft das technische SV-Gutachten eingeholt wurde.

Ebenso entbehrlich ist eine zeugenschaftliche Einvernahme von GI Feichtner zu den von ihm vorgelegten Unterlagen bzgl Bereifung des Zivilstreifenfahrzeuges. Die Dimension der in den Rechnungen genannten Reifen stimmt mit der im Eichschein angeführten überein; die bloße Behauptung des Rechtsvertreters - nicht des Bw (!) - die Reifen seien "abgefahren" gewesen, vermag zum einen die fundierte gegenteilige Zeugenaussage des Ml nicht zu widerlegen und zum anderen die gutachtlichen Ausführungen hinsichtlich des Spielraums der Abweichungen, die beim Toleranzabzug von 5 % des Messwertes ohnehin berücksichtigt wurde, nicht in Zweifel zu ziehen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf dieser Grundlage davon aus, dass der Bw unter Berücksichtigung aller Abzüge eine Geschwindigkeit von jedenfalls 155 km/h im im Spruch angeführten 100 km/h-Beschränkungsbereich der A1 eingehalten, damit den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, da ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sine des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zwei Wochen vorsieht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - zutreffend - die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw als mildernd gewertet und ist mangels anderer Angaben des Bw von einem geschätzten Einkommen als Diplomkrankenpfleger von 1.000 Euro netto monatlich bei Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten ausgegangen - dem ist der Bw nicht entgegengetreten, sodass auch im Berufungsverfahren davon auszugehen war. Auch spricht das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung von immerhin 55 % - die vom Bw eingehaltene Geschwindigkeit liegt auch noch um 25 km/h über der auf österreichischen Autobahnen höchst zulässigen Geschwindigkeit von 130 km/h - für eine eklantante Gleichgültigkeit des Bw, die auch nicht mit dem an einem Sonntag Morgen geringeren Verkehrsaufkommen zu begründen wäre. Da die Geschwindigkeit und insbesondere deren Erhöhung im Verhältnis zur Erhöhung des Drucks auf das Gaspedal auf dem Tachometer ablesbar ist und dem Bw seine weit überhöhte Geschwindigkeit wohl bewusst war, ist von vorsätzlicher Begehung (dolus eventualis: gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mir ihr abfindet) auszugehen.

Eine (geringfügige) Herabsetzung war im Hinblick auf die nunmehr unwesentlich geringere Geschwindigkeit gerechtfertigt. Die nunmehr verhängte Strafe liegt im mittleren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, entspricht den Kriterien des § 19 VStG, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw zur genauesten Einhaltung der Geschwindigkeitsbestimmungen auf Autobahnen anhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Am Rande sei zu den Punkten 2) und 3) des Straferkenntnisses festgestellt, dass zwar diesbezüglich die Berufung zurückgezogen wurde, jedoch im Film zu erkennen ist, dass das Überholen des Zivilstreifenfahrzeuges etwa auf Höhe der Ausfahrt zum Rasthaus Ansfelden stattfand, dh ca bei km 171.000, sodass ein ungerechtfertiges Linksfahren auf dem äußerst linken Fahrstreifen der A1, RFB Salzburg, im Bereich zwischen km 171.000 und 172.000 stattgefunden hat.

Zum Vorwurf der Nichteinhaltung des Nachfahrabstandes hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Bw im Bereich des Aufschließens auf den auf den linken Fahrstreifen wechselnden Pkw bei ca km 172.328 eine Geschwindigkeit von jedenfalls 110 km/h und dabei einen Abstand von schätzungsweise 10 m - der Ein-Sekundenabstand bei 110 km/h beträgt ca 30 m - eingehalten hat. Diesbezüglich sind die Berechnungen und Annahmen des SV insofern schlüssig, als es sich nicht um ein fundiertes Abstandsmessverfahren, sondern tatsächlich um eine Schätzung handelt. Etwas anderes als eine Schätzung blieb aber auch dem Bw beim Herannahen auf den auf seinen Fahrstreifen wechselnden Pkw nicht übrig, wobei auffällig ist, dass er seine Geschwindigkeit offenbar durch Gas-Wegnehmen, nicht aber durch eine Bremsung - und daher schon gar nicht durch eine Notbremsung - verlangsamt hat, weil auf der Aufzeichnung keinerlei Bremslichter zu erkennen sind. Eine Bremsung erfolgt erst zu dem Zeitpunkt, als sich das Zivilstreifenfahrzeug von hinten näherte. Von einer Notsituation kann daher keine Rede sein; der Bw hat seinen PKw vielmehr auf den vor ihm fahrenden auflaufen lassen.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

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