Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-109932/4/Br/Wü

Linz, 17.09.2004

 

 

 VwSen-109932/4/Br/Wü Linz, am 17. September 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn D.-I. J T, H A, vertreten durch R H, L u. P R F, L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 14. Juli 2004, Zl. VerkR96-172-2004-OJ/Gr, nach der am 17. September 2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
 

I. Der Berufung wird im Punkt 1. im Schuldspruch keine, im Strafausspruch jedoch mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 110 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden ermäßigt wird. Im Punkt 2. wird das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002 - VStG;

 

 

II. Im Punkt 1. ermäßigt sich der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf 11 Euro; im Punkt 2. entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 65 u. § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Wider den Berufungswerber wurden mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung wegen der Übertretungen nach §§ 4 Abs.4 (gemeint wohl Abs.1) lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a und § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 145 Euro und 2.) 110 Euro und für den Nichteinbringungsfall 48 und 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei ihm zur Last gelegt wurde, er habe am 22.12.2003 um 15:30 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in Linz, Salzburger Straße auf der Kreuzung mit der Puschkastraße stadtauswärts gelenkt, wobei er

1 . nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang stand, nicht sofort angehalten, dadurch habe er gegen die Bestimmung des § 4 Abs.1 lit.a) StVO verstoßen, weshalb er gemäß § 99 Abs.2 lit.a) StVO zu bestrafen gewesen sei und;

2. es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist unterblieben sei; dadurch habe der Berufungswerber gegen die Bestimmung des § 4 Abs.5 StVO verstoßen, weshalb er gemäß § 99 Abs. 3 lit. b) StVO zu bestrafen gewesen sei.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte den Schuldspruch unter Hinweis auf den Gesetzestext des § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960. Ferner wurde von der Wahrnehmbarkeit des vom Berufungswerber nicht verschuldeten Verkehrsunfalls ausgegangen. Worin auch die Meldepflicht verletzt erachtet wurde hat die Behörde erster Instanz nicht dargetan. Die Strafzumessung wurde u.a. damit begründet, dass diese erforderlich wäre um den Berufungswerber von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

 

  1. In der fristgerecht durch den ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber Folgendes aus:

"In der umseits näher bezeichneten Verwaltungsstrafsache gibt der Berufungswerber bekannt, dass er - die H L U P R ,L, mit der Wahrung seiner rechtlichen Interessen beauftragt und entsprechend bevollmächtigt hat. Die ausgewiesenen Rechtsvertreter berufen sich bezüglich ihres Einschreitens auf die ihnen erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG iVm § 8 Abs. 1 RAO.
 

1. Sachverhalt:
 

1.1 Am 22. Dezember 2003 fuhr der Berufungswerber mit seinem Pkw auf der Salzburger Straße stadtauswärts. Am Ende des Wasserwaldes auf Höhe der Kreuzung mit der Purschkastraße hielt der Berufungswerber am Ende einer aus 3 bis 4 Fahrzeugen bestehenden Fahrzeugkolonne sein Fahrzeug an, da die Verkehrsampel Rot zeigte. Da der Berufungswerber eine Verschmutzung auf der inneren Seite der Scheibe bemerkte, holte er das Putztuch zum Scheibenreinigen hervor und beugte sich nach vorne, um die Scheibe zu reinigen. Zu diesem Zeitpunkt spürte der Berufungswerber plötzlich einen Ruck, der durch das Fahrzeug ging. Er führte diesen Ruck darauf zurück, dass er bei eingelegtem Vorwärtsgang versehentlich eingekuppelt und damit den Motor abgewürgt hat. An die Alternative, dass ihm ein Automobilfahrer bei einer Ampel, die auf Rot stand, bei bester Sicht, trockener Straße und einer Einsicht von 760 in zur Ampel und leuchtenden Bremslichtern, noch dazu bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h, in das Pkw-Heck gefahren wäre, dachte der Berufungswerber überhaupt nicht und musste dies auch nicht, da es keinerlei Hinweise auf einen Auffahrunfall gab. Als er kurze Zeit später einen Schaden am Heck des Fahrzeuges entdeckte, die Heckklappe war eingedrückt und die Zierleiste fehlte, kam der Berufungswerber plötzlich auf die vage Vermutung, dass der Ruck an der Ampel nicht nur aus seinem versehentlichen Einkuppeln, sondern auch aus einem Auffahrunfall resultieren könnte. Deshalb fuhr der Berufungswerber unverzüglich zu der ihm bekannten nächstgelegenen Polizeidienststelle. Bedingt durch die hohe Verkehrsdichte mit Staus benötigte der Berufungswerber bis 16.30 Uhr, um diese Polizeidienststelle zu erreichen. Dort machte er die Unfallmeldung, seine Daten wurden aufgenommen und festgehalten.
 

1.2 Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 14. Juli 2004, VerkR96-172-2004-0J/Gr, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von EUR 145,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 99 Abs. 2 lit. a) StVO und eine Geldstrafe in Höhe von EUR 110,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 99 Abs. 3 lit. b) StVO sowie Kosten in Höhe von EUR 25,50 verhängt, weil der Berufungswerber den PKW, Kennzeichen: in Linz, Salzburger Straße stadtauswärts, Kreuzung mit der Purschkastraße,
 

1 . nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang stand, nicht sofort angehalten hätte; dadurch hätte der Berufungswerber gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. a) StVO verstoßen, weshalb er gemäß § 99 Abs. 2 lit. a) StVO zu bestrafen gewesen sei;
 
sowie
 

2. es unterlassen hätte, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang stand, die nächste Polizei oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben sei; dadurch hätte der Berufungswerber gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO verstoßen, weshalb er gemäß § 99 Abs. 3 lit. b) StVO zu bestrafen gewesen sei.
 

Der erste Zustellversuch des verfahrengegenständlichen Straferkenntnisses erfolgte am 23. Juli 2004, der zweite Zustellversuch am 26. Juli 2004, wobei die Hinterlegung am selbigen Tag erfolgte. Der Berufungswerber kehrte am 26. Juli 2004 nach einem längeren Urlaub an die Abgabestelle zurück, und behob den Bescheid noch am selben Tag.
 
2. Berufungsantrag:

 

Der Berufungswerber erhebt durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 14. Juli 2004, AZ: VerkR96-172-2004-0J/Gr, zugestellt am 26. Juli 2004, innerhalb offener Frist
 

Berufung

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und stellt den

 

A n t r a g
 

2.1 die Berufungsbehörde möge der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis -eventuell nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - zur Gänze ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen;
 
in eventu
 

2.2 die Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß herabsetzen.
 

3. Begründung:
 

3.1 Die Behörde hat sich in keinster Weise mit dem ausführlichen Vorbringen des Berufungswerbers im Zuge seines Schriftsatzes vom 5. Februar 2004 auseinandergesetzt. Dies, obwohl die Ausführungen in diesem Schriftsatz vor allem auch im Hinblick auf das subjektive Tatbestandselement des Verschuldens des Berufungswerbers von Bedeutung sind. In der Begründung führt die erkennende Behörde hinsichtlich dieses Schriftsatzes lediglich aus, dass der Berufungswerber in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung ausführte, dass er einen Ruck, der durch das Fahrzeug ging, verspürt hat sowie, dass darin weiter ausgeführt wurde, wie der Berufungswerber diesen Ruck interpretiert hat.
 

Inhaltlich hat sich die Behörde mit der Frage der "Interpretation des Ruckes" überhaupt nicht auseinandergesetzt.
 

So ist die Behörde nicht auf das Vorbringen eingegangen, dass der Berufungswerber den Ruck darauf zurückführte, dass ein Vorwärtsgang eingelegt war, er versehentlich eingekuppelt und somit den Motor "abgewürgt" hat.
 

Weiters ist sie nicht auf das Vorbringen des Berufungswerbers eingegangen, wonach dieser in keinster Weise auf den Gedanken gekommen wäre, dass unter den gegebenen Fahrbahn- und Sichtverhältnissen sowie der gegebenen Situation ein anderes Kraftfahrzeug in das Heck seines Pkws gefahren wäre.
 

Hätte sich die Behörde mit diesem Vorbringen eingehend auseinandergesetzt, so wäre sie zu der Einsicht gekommen, dass in subjektiver Hinsicht das Wissen oder das fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens nicht vorlag und hätte Feststellungen dahingehend getroffen, dass den Berufungswerber keinerlei Verschulden vorzuwerfen ist.
 

So ist eine vorsätzliche Fahrerflucht des Berufungswerbers schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung auszuschließen, da eine solche unter den gegebenen Umständen vollkommen widersinnig wäre. Denn der Berufungswerber hatte sein Fahrzeug ordnungsgemäß vor einer roten Ampel das Fahrzeug angehalten. Hätte er auch nur damit gerechnet, dass es sich bei dem Ruck um einen Auffahrunfall gehandelt hat, hätte er sein Fahrzeug auf jeden Fall im Sinne des § 4 Abs. 1 StVO angehalten und die nächste Polizeidienststelle verständigt oder zumindest die notwendigen Daten mit dem Unfallsgegner ausgetauscht. Dies vor allem deshalb, da beim gegenständlichen Unfall den Unfallsgegner, der auf ein vor einer roten Ampel haltendes Fahrzeug auffuhr, das alleinige Verschulden trifft und es somit einzig und alleine im Interesse des Berufungswerbers lag, die Identität des Unfallgegners zu erfahren, da der Unfallsgegner den, dem Berufungswerber entstandenen Schaden zur Gänze zu ersetzen hat und somit eine genaue Sachverhaltsdarstellung sowie zügige Schadensabwicklung nur im Interesse des Berufungswerbers gelegen ist. Ein vorsätzliches Verhalten ist deshalb jedenfalls auszuschließen.
 

Dem Berufungswerber kann aber auch nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden. Der Berufungswerber befand sich - wie bereits ausgeführt - als drittes oder viertes Fahrzeug in einer Kolonne, die vor einer roten Ampel angehalten hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Fahrzeug ab und zu "absterben" kann und dabei einen Ruck macht. Da es sich beim "Absterben" eines stehenden Fahrzeuges um ein relativ häufiges Ereignis handelt, dass immer auf einen eigenen Bedienungsfehler zurückzuführen ist, besteht kein Anlass zu kontrollieren, ob das "Absterben" eventuell auch darauf zurückzuführen ist, dass ein nachfolgender Autofahrer grob rechtswidrig auf das eigene Fahrzeug aufgefahren ist. Somit bestand für den Berufungswerber keinerlei Anlass für eine derartige Kontrolle, dies vor allem auch deshalb, weil es für den Berufungswerber keinerlei erkennbaren Hinweis auf einen Auffahrunfall gab.
 

Es gab kein für den Berufungswerber bemerkbares Anprallgeräusch. Er wurde vom Unfallgegner weder durch ein Hup- noch durch ein sonstiges Signal auf diesen Vorfall aufmerksam gemacht. Ebenso wenig gab es von anderen Verkehrsteilnehmern einen Hinweis auf einen Unfall. Auch der Umstand, dass ein Fahrzeug bei einer Ampel nahe aufschließt, deutet keineswegs auf einen Unfall hin. Vor allem gab es aber bei den gegeben Straßen- und Sichtverhältnissen nicht den geringsten Anlass für den
 

Berufungswerber davon auszugehen, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer derart rechtswidrig verhält und auf sein stehendes Fahrzeug auffährt. Somit blieb als einzig wahrnehmbare Tatsache der "Ruck" über und den hat der Berufungswerber, wie es jeder andere Fahrzeuglenker unter diesen Umständen an seiner Stelle auch täte, auf den eigenen Bedienungsfehler in Form des Abrutschens von dem Kupplungspedal zurückgeführt. Es gab somit nicht die geringsten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Auffahrunfalles.
 

Deshalb war dieser Verkehrsunfall mit Sachschaden trotz der gehörigen Aufmerksamkeit des Berufungswerbers - im Gegensatz zu den im Bescheid getroffenen Feststellungen als solcher auch nicht wahrnehmbar.
 

Somit ist dem Berufungswerber aber keinerlei Verschuldensvorwurf, weder in der Form des Vorsatzes, noch in der Form der Fahrlässigkeit zu machen, weshalb die gesamte Strafe rechtswidrig verhängt wurde. Dies alles hätte die Berufungsbehörde erkannt, wenn sie sich mit dem Vorbringen des Berufungswerbers ausreichend auseinandergesetzt und dieses entsprechend gewürdigt hätte.
 

.2 Dass sich der Berufungswerber stets ordnungsgemäß verhält, lässt sich auch aus der Tatsache ableiten, dass der Berufungswerber, als er die Schäden am Heck seines Fahrzeuges entdeckte, aufgrund der wagen Vermutung, dass der Ruck vielleicht durch einen Unfall herbeigeführt worden sein könnte, zur nächsten ihm bekannten Polizeidienststelle fuhr, wo er diese Vermutungen bekannt gab und eine Unfallsmeldung erstattete, wodurch er auch seiner Meldepflicht unverzüglich nachgekommen ist.
 

.3 Die Behörde stützt sich in ihrem Straferkenntnis einerseits darauf, dass der Berufungswerber sein Fahrzeug nicht sofort angehalten hat und subsumiert dies unter die Bestimmung des § 99 Abs. 2 lit. a) iVm § 4 Abs. 1 lit. a) StVO und andererseits darauf, dass der Berufungswerber die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt hat und subsumiert dies unter die Bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. b) iVm § 4 Abs. 5 StVO.
 

Dabei verkennt die Behörde, dass durch die Anwendung des § 99 Abs. 2 lit. a) StVO auch das dem Berufungswerber vorgeworfene Unterbleiben der Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle mitbestraft wurde und somit nicht noch einmal nach der Vorschrift des § 99 Abs. 3 lit. b) bestraft werden kann.
 

So normiert auch schon § 99 Abs. 3 lit. b) StVO, dass nach dieser Vorschrift nur der zu bestrafen ist, der in anderer, als der in Abs. 2 lit. a) bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt. Da aber in § 99 Abs. 2 lit. a) StVO normiert ist, dass nach dieser Vorschrift zu bestrafen ist, wer nicht anhält oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, ist das dem Berufungswerber in Punkt 2. des Spruches des Straferkenntnisses vorgeworfene Verhalten nicht nach der Bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. b) StVO zu bestrafen.
 

Somit wurde das dem Berufungswerber vorgeworfene Verhalten der Nichtinformation der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle durch die Anwendung der Bestimmung des § 99 Abs. 2 lit. a) StVO bereits konsumiert, weshalb es keinesfalls möglich ist, ihn für diesen selben Sachverhalt noch einmal nach der Vorschrift des § 99 Abs. 3 lit. b) StVO 1960 zu bestrafen.
 

3.4 Für die Strafbemessung im ordentlichen Verfahren obliegt es der Strafbehörde, die Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens zu begründen, wobei der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß des Verschuldens der Strafbemessung zugrunde gelegt werden müssen. Irrig geht die Behörde davon aus, dass der Berufungswerber durch sein Verhalten die Unfallsaufnahme erschwert hätte. Vielmehr hat der Berufungswerber, sobald er den Schaden an seinem Fahrzeug entdeckte, unverzüglich die nächste ihm bekannte Polizeidienststelle aufgesucht und somit durch sein Verhalten die Unfallsaufnahme nicht erschwert, sondern die vollständige Aufklärung des Unfalls erst ermöglicht. Dies kann ihm aber nicht als Erschwerungsgrund angelastet werden.
 
Beweis:
PV;


weitere Beweise ausdrücklich vorbehalten.
 

Linz, 6. August 2004 DI J T"
 

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes und durch Anhörung des Berufungswerbers im Rahmen der Berufungsverhandlung.

 

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

4.1. Unstrittig ist, dass der Berufungswerber den genannten Pkw an der fraglichen Örtlichkeit und Zeit lenkte. Ebenfalls unstrittig ist das Unfallereignis, wobei auf das Fahrzeug des Berufungswerbers - aus welchen Gründen auch immer - aufgefahren wurde und es dabei zu einem nicht unerheblichen Schaden gekommen ist. Ebenfalls ist die entstandene Stoßeinwirkung und deren Wahrnehmung unstrittig.

Lediglich zur Zuordnung desselben wird vom Berufungswerber in Abrede gestellt und damit seine Weiterfahrt nach dem Unfall begründet. Im Rahmen der Berufungsverhandlung räumte der Berufungswerber sinngemäß jedoch ein, dass er während der Weiterfahrt über die Ursache des wahrgenommenen Stoßes nachdachte und im Zuge dessen ein Auffahrereignis in Betracht zu ziehen begann. Nach der Wahrnehmung des Stoßes habe er nicht in den Rückspiegel geblickt und kein Signal (weder akustisch noch optisch) wahrgenommen, welches ihm ein Unfallereignis angedeutet hätte. Ursprünglich sei er der Meinung gewesen, während des Reinigens der Frontscheibe an der Innenseite von der Kupplung gerutscht zu sein.

In diesem Zusammenhang kann dem Berufungswerber wohl dahingehend gefolgt werden, dass er subjektiv die "Stoßwahrnehmung" tatsächlich fehlgedeutet hat und diese auf einen Handhabungsfehler des Fahrzeuges zurückgeführt hat, weil es wohl kaum realistisch wäre, dass er sich als der an diesem Vorfall "unschuldig fühlender" von der Unfallstelle entfernen hätte wollen. Subjektive Motive - wie etwa der Verdacht einer Alkoholisierung - bestanden hierfür offenkundig ebenfalls nicht. Immerhin hat sich der Berufungswerber ja bereits nach einer Stunde bei einer Polizeidienststelle (WZ D) gemeldet. Diese Zeitspanne wird unter anderem damit begründet, dass einerseits bis zur Feststellung des Schadens schon eine Zeit verstrichen ist und schließlich verzögerte sich, wie der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung glaubhaft machte, die Fahrt zum Wachzimmer durch Staubildung auf dem Weg dorthin.

Dennoch hätte dem Berufungswerber bei obwalten lassen eines bloßen Minimums an gebotener Aufmerksamkeit und Beobachtungsneigung um sein Fahrzeug herum, sowie in realistischer Beurteilung eines offenbar markanten Stoßes, das Unfallereignis evident werden müssen. Auch wenn der Unfallgegner ihm dies weder akustisch noch optisch signalisierte. Dies allenfalls deshalb weil durch den Auffahrunfall die entsprechenden Funktionen nicht mehr gegeben gewesen sein mögen oder der Zweitbeteiligte mit dem Wegfahren des Vordermanns offenbar wohl nicht rechnen musste und ihm dafür daher keine Zeit mehr blieb.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Der § 4 Abs.5 StVO 1960 lautet:

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.1.1. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes iSd § 4 Abs.1 lit.a StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Es reicht also die Schuldform der Fahrlässigkeit aus - VwGH 11.9.1979, ZfVB 1980/4/1233. Auch mit dem Wegfahren nach dem Unfallereignis wird gegen diese Vorschrift verstoßen.

Alleine der Blick in den Rückspiegel hätte aus dem Beurteilungshorizont eines durchschnittlichen Autofahrers (rechtlich gemessen an der "objektivierten Maßfigur des jeweiligen Verkehrskreises") genügen müssen um zu erkennen, dass sich offenbar sich ein Fahrzeug unmittelbar am Heck seines Fahrzeuges befand. Dieses Faktum nicht mit einem tatsächlich wahrgenommenen Ruck in Verbindung zu bringen lässt sich bei objektiver Betrachtung nur schwer nachvollziehen. Inwiefern der Berufungswerber den in diesem Zusammenhang "wahrgenommenen Stoß" anstatt der Wahrnehmung des Unfalls als ein Abrutschen von der Kupplung deuten konnte, bleibt unerfindlich. Es muss doch von jedem Autofahrer ein Mindestmaß der Wahrnehmungsfähigkeit um sein Fahrzeug herum erwartet werden können, um nicht dessen Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellen zu müssen.

Die Pflicht an der Unfallstelle auch anzuhalten - und sich nicht wieder sofort zu entfernen - dient der nachfolgenden Feststellung von Sachverhaltselementen gemeinsam mit dem Zweitbeteiligten, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel die für 'Aufklärung des Unfallgeschehens' erforderlich sind (vgl. auch VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.1991, 90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048, und 89/02/0164).

Dem Berufungswerber wäre wohl im Unrecht, wenn er vermeinte die ihm hier angelasteten Übertretungstatbestände würden grundsätzlich einander ausschließen (vgl. VwSlg 13495 A/1991). Bei Auslegung dieses Begriffes ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. etwa VwGH 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0168 und die dort angeführte Judikatur). Dennoch kann hier ein Verstoß gegen die rechtzeitige Meldepflicht nicht zur Last gelegt werden.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 StVO bezweckt, dass hier dem Zweitbeteiligten - der wohl selbst den Unfall verschuldet haben dürfte - unnötige Nachforschungen hinsichtlich des Mitbeteiligten am Unfall erspart geblieben sind. Indem hier die Meldung sofort nach Erkennen des Schadensereignisses, nämlich eine Stunde nach dem Unfall verständigt wurde, erschöpft sich hier der Schuldvorwurf in der Verletzung der Anhaltepflicht. Wenn demnach der Berufungswerber das Unfallereignis als solches fehl deutete und er wegen der unterbliebenen Anhaltepflicht bestraft wurde, muss im Lichte dessen der dem § 4 Abs.5 StVO zuzuordnende Zeitfaktor vom Zeitpunkt des tatsächlichen Erkennens des auch die Meldepflicht auslösenden Ereignisses beurteilt werden. Demnach konnte hier der Berufungswerber gar nicht früher die Meldung machen als er dies auch tatsächlich getan hat.

Daher kann ihm in diesem Fall die Erfüllung der Meldepflicht "erst" nach einer Stunde nicht auch noch zusätzlich zur Last gelegt werden. Damit ist der Berufungswerber in diesem Punkt mit seiner Verantwortung im Recht.

Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen, wobei auch schon die Zeitdauer von einer halben Stunde nicht mehr als "unnötigen Aufschub" qualifiziert wurde (VwGH 23.2.1990, 85/18/0185 mit weiteren Judikaturhinweisen). Es kommt dabei nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292).

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Hier kann bei objektiver Beurteilung der Verantwortung des Berufungswerbers von keiner beabsichtigten Unterbleiben der Anhaltepflicht ausgegangen werden. Diese wurde bloß fahrlässig begangen, wobei der Berufungswerber offenbar einem - wenn auch vermeidbaren - Irrtum unterlegen ist. Unverzüglich nach Erkennen dieses Irrtums wurden durch die "ohne unnötigen Aufschub" erfolgte Meldung der im Sinne des Gesetzes erforderliche Schritt gesetzt. Die entsprechende Dauer für die Fahrt zur nächsten Polizeidienststelle muss dabei zugebilligt werden.

Daher kann der Behörde erster Instanz nicht gefolgt werden, wenn die Strafe mit "spezialpräventiven Überlegungen" untermauert wurde.

Mit Blick darauf konnte mit einer etwas geringeren Geldstrafe das Auslangen gefunden werden, wobei bei der nunmehrigen Strafzumessung durchaus auf das überdurchschnittliche Einkommen des Berufungswerbers bedacht genommen wurde.

 

Rechtsmittelbelehrung:
 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

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