Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280087/17/Kon/Fb

Linz, 05.09.1996

VwSen-280087/17/Kon/Fb Linz, am 5. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn F H, W, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. Mai 1995, GZ: MA2-Ge-4150-1994 Scho, wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, im zweiten Rechtsgang zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren mit der Feststellung, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z2 (erster Fall) VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält in seinem Schuldspruch nachstehenden Tatvorwurf:

"Sie sind als Geschäftsführer der Fa. R GesmbH, W, W, dafür verantwortlich, daß, wie aufgrund einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat Wels am 21.9.1994 in Ihrem Betrieb festgestellt wurde, den Vorschriften der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung nicht entsprochen wurde, indem der Notausgang im Arbeitsraum im 1. Stock sowie jener in der Versandhalle im Erdgeschoß versperrt waren. Diese Notausgänge waren als solche gekennzeichnet. In unmittelbarer Nähe der Notausgänge war je ein Schlüsselkästchen angebracht.

Gemäß § 23 Abs. 3 AAV ist bei Notausgängen, sofern sie aus Betriebsgründen versperrt sein müssen, durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, daß sie sich jederzeit ohne fremde Hilfsmittel von innen leicht öffnen lassen, solange sich Arbeitnehmer im Raum aufhalten.

Schlüsselkästen werden nach der Judikatur des VwGH als fremde Hilfsmittel gewertet und sind somit unzulässig." Dem Beschuldigten wird deswegen die Verletzung des § 23 Abs.3 AAV, BGBl.Nr. 218/1993 idgF zur Last gelegt.

Hinsichtlich der begründenden Ausführungen der belangten Behörde sowie des Berufungsvorbringens wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die im aufgehobenen Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates vom 4. März 1996 angeführten Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiezu hat der unabhängige Verwaltungssenat im nunmehr zweiten Rechtsgang erwogen:

§ 23 Abs.3 AAV lautet unter anderem: "Sofern Notausgänge und Notausstiege aus Betriebsgründen versperrt sein müssen, ist durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, daß sie sich, solang sich Arbeitnehmer im Raum aufhalten, jederzeit ohne fremde Hilfe von innen leicht öffnen lassen." Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. September 1990, 89/08/0009, zum Ausdruck gebracht, daß unter einem "fremden Hilfsmittel" ein solches verstanden werden muß, das in bezug auf den versperrten Notausgang "fremd" ist, dh nicht in den Sperr- und Öffnungsmechanismus des Notausganges selbst integriert ist; in diesem Sinne sind jedenfalls ein im Öffnungssystem erforderlicher Hammer zum Einschlagen des Glaskästchens, in dem sich der Schlüssel befindet, und der - wenn auch mit einer Kette befestigte - Schlüssel in diesem Kästchen als "fremde Hilfsmittel" anzusehen.

In bezug auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt ist festzuhalten, daß zum Tatzeitpunkt die verfahrensgegenständlichen Notausgänge versperrt vorgefunden wurden, neben diesen Notausgängen aber Schlüssel in Kästchen angebracht waren. Der so vorgefundene Zustand entsprach den Bestimmungen des § 21 Abs.3 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl.Nr. 265/1951, nicht jedoch, dies insbesondere im Lichte der wiedergegebenen VwGH-Judikatur, den Bestimmungen des § 23 Abs.3 AAV.

Dessen ungeachtet war aber trotzdem aus folgenden Gründen wie im Spruch zu entscheiden:

In der schriftlichen Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk vom 9. Juni 1995, Zl.

1160/33-19/94-Bri, wird darauf hingewiesen, daß im Genehmigungsbescheid der R GmbH vom Juni 1987 angeführt ist, daß Türen im Bereich von Fluchtwegen in Fluchtrichtung aufschlagen müssen und während der Betriebszeit nicht versperrt sein dürfen. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den er wähnten Betriebsanlagengenehmigungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 23. Juni 1987, MA2-Ge-3029-1987, eingesehen und darin unter Auflagenpunkt 12 die in der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates erwähnte Auflage festgestellt. Sie lautet: "Türen im Bereich von Fluchtwegen müssen in Fluchtrichtung aufschlagen und dürfen während der Betriebszeit nicht versperrt sein." Notausgänge sowohl iSd § 21 Abs.3 ADSchV wie auch des § 23 Abs.3 AAV stellen jedenfalls (zusätzliche) Türen im Bereich von Fluchtwegen dar.

Dadurch, daß Auflagenpunkt 12 die Unversperrtheit der Notausgänge vorschreibt, ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon auszugehen, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Notausgängen nicht um solche iSd § 23 Abs.3 AAV handeln kann, die aus Betriebsgründen versperrt sein müssen.

Für unversperrt zu haltende Notausgänge ist aber das sich aus § 23 Abs.3 AAV ergebende Erfordernis der Ausstattung mit integriertem Öffnungsmechanismus, nicht verpflichtend und verbindet sich mit dem Fehlen eines solchen keine Verletzung dieser Bestimmungen.

Hiezu ist aufzuzeigen, daß die AAV als generelle Norm keine Aussage darüber trifft, daß Notausgänge grundsätzlich unversperrt wie auch unversperrbar sein müssen.

Eine entsprechende Regelung kann daher wie im Fall des Beschuldigten nur durch entsprechende Auflagen in einem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid - sohin durch individuelle Norm - erfolgen. Dies ist auch mit dem voranzitierten Bescheid vom 23. Juni 1987 erfolgt.

Dem Beschuldigten wäre daher vielmehr die Nichteinhaltung einer dem Arbeitnehmerschutz dienenden Bescheidauflage und sohin eine Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idgF anzulasten gewesen. Dem unabhängigen Verwaltungssenat als Berufungsinstanz ist aber eine dahingehende Auswechslung der Tat rechtlich verwehrt gewesen.

Da die gegenständlichen Notausgänge nicht unter die Bestimmungen des § 23 Abs.3 AAV fallen, wurde die auf diesen Tatbestand abstellende Strafe zu Unrecht verhängt, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Aufgrund der stattgebenden Berufungsentscheidung waren dem Beschuldigten gemäß § 65 VStG keine Kosten für das Berufungsverfahren vorzuschreiben.

Abschließend hält der unabhängige Verwaltungssenat fest, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis gegenüber dem unabhängigen Verwaltungssenat als belangter Behörde seine bindende Rechtsansicht dahingehend zum Ausdruck bringt, als er die Rechtswidrigkeit im aufgehobenen Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates darin erblickt, daß die Strafbarkeit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung vom Antrag des Arbeitsinspektorates gemäß § 10 Abs.1 ArbIG 1993 abhängig gemacht worden sei. Weiters noch, daß der Betrieb des Beschuldigten dem Anwendungsbereich des § 23 Abs.3 AAV unterliegt. Die vorliegende Entscheidung läßt diese Rechtsansichten unberührt bzw unwidersprochen und gründet lediglich darauf, daß vom unabhängigen Verwaltungssenat im zweiten Rechtsgang festzustellen war, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Notausgängen nicht um solche iSd § 23 Abs.3 AAV handelt. Es liegt sohin kein Verstoß gegen das Bindungsgebot an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K o n r a t h

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum